In den letzten Jahren boomte das Interesse an den interstitiellen Lungenerkrankungen.
Zur Sarkoidose wurde erstmals 1999 ein internationales Statement der drei wichtigsten
Fachgesellschaften (ATS, ERS, WASOG) publiziert [1]. Ein Jahr später folgte das internationale Konsensus Statement zur idiopathischen
Lungenfibrose (IPF) [2]. In diesem Statement wurde die IPF neu definiert und klar gegen die anderen Entitäten
der idiopathischen interstitiellen Pneumonien abgegrenzt, die bis dato mit der IPF
gemeinsam in einen Sammeltopf aller Fibrosen unbekannter Ätiologie geworfen wurden.
Als drittes bedeutsames internationales Konsensus Paper wurde im Januar dieses Jahres
die Konsensusklassifikation der idiopathischen interstitiellen Pneumonien publiziert
[3], auf die bereits früher in einem Übersichtsartikel dieser Zeitschrift von mir hingewiesen
wurde [4].
Wodurch unterscheidet sich nun dieses neue Konsensus Paper 2002 von dem IPF Statement
2000? Das IPF Statement beschränkt sich im Wesentlichen auf Diagnose und Therapie
der idiopathischen Lungenfibrose und erwähnt die anderen Entitäten nur in der differenzialdiagnostischen
Abgrenzung. Die neue Konsensusklassifikation geht ausführlich auf jede einzelne der
insgesamt 7 Subentitäten ein, beschreibt detailliert die histologischen, radiologischen
und klinischen Charakteristika, macht Anmerkungen zur Prognose und vergleicht die
zum Einsatz kommenden verschiedenen diagnostischen Verfahren. Die Arbeit stellt sicher
einen Meilenstein auf dem Gebiet der interstitiellen Lungenerkrankungen dar. Sie umfasst
immerhin 27 Druckseiten, der erste Entwurf wurde von einem sogenannten Core Panel
aus 20 Experten (Kliniker, Radiologen, Pathologen) geschrieben und danach einem größeren
Kreis, dem sogenannten Reviewer Panel, zur kritischen Durchsicht, Korrektur und Ergänzungen
vorgelegt. Dieser erweiterte Kreis umfasst sogar 64 Personen, so dass fast alles,
was Rang und Namen auf diesem Gebiet hat, vertreten ist. Dies dürfte dazu beitragen,
dass sich diese internationale Klassifikation nun wohl auch weltweit durchsetzen wird.
Es ist sicher sehr zu begrüßen, wenn eine einheitliche Terminologie auf diesem schwierigen
Gebiet verwandt wird, so dass nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden.
Die Bedeutung der neuen ATS/ERS Konsensusklassifikation lässt sich wie folgt zusammenfassen.
Erstens wird hiermit eine integrierte klinische, radiologische und pathologische Definition
und Klassifikation der Gruppe der idiopathischen interstitiellen Pneumonien vorgenommen.
Diese Krankheitsgruppe kann nicht durch Klinik, Radiologie oder Pathologie allein
definiert werden. Zum Zweiten werden Empfehlungen und einheitliche Kriterien für die
Diagnostik der verschiedenen Formen ausgesprochen. Drittens wird eindeutig dargestellt,
dass ein histopathologisches Muster von der klinischen Diagnose, die auf klinischen/radiologischen
und histopathologischen Befunden beruht, abgegrenzt werden muss (Tab. [1]). Die Krankheitsbezeichnung lautet also idiopathische Lungenfibrose (nicht UIP!),
aber das histologische UIP-Muster ist (wenn denn eine offene Lungenbiopsie erfolgt)
eine conditio sine qua non für diese Entität. Andererseits können histologische UIP-Muster
auch bei anderen Entitäten, beispielsweise bei Asbestose, Strahlen- oder Arzneimittel-induzierter
Pneumonie, Kollagenosen oder Spätstadien der exogen allergischen Alveolitis auftreten.
Tab. 1 Histologische und klinische Klassifikation der idiopathischen interstitiellen Pneumonien
(nach 3)
histologisches Muster |
klinisch/radiologisch/pathologische Diagnose |
usual interstitial pneumonia(USP) |
idiopathische Lungenfibrose (In UK: kryptogen fibrosierende Alveolitis) |
non-specific interstitial pneumonia(NSIP) |
non-specific interstitial pneumonia (vorläufig) |
organisierende Pneumonie |
kryptogen organisierende Pneumonie (Synonym: idiopathische BOOP) |
diffuser Alveolarschaden |
akute interstitielle Pneumonie |
respiratorische Bronchiolitis |
respiratorische Bronchiolitis mit interstitieller Lungenerkrankung (RB-ILD) |
desquamative interstitielle Pneumonie |
desquamative interstitielle Pneumonie |
lymphozytäre interstitielle Pneumonie |
lymphozytäre interstitielle Pneumonie |
Der Evidenzgrad dieses Statements ist niedrig, weil große Kohortenstudien oder randomisierte,
kontrollierte Therapiestudien an großen Fallzahlen fehlen, es basiert lediglich auf
Expertenmeinung. Allerdings sind in naher Zukunft die Ergebnisse ausreichend großer
randomisierter Therapiestudien zur idiopathischen Lungenfibrose zu erwarten (N-Acetylcystein
als Antioxidans, Interfern-γ als antifibrotisches Zytokin, in der Planung auch Interleukin-10,
TNF-Antagonisten und weitere interessante Moleküle).
Einige Probleme ergeben sich allerdings mit der neuen Klassifikation. Gibt es klinisch/radiologische
oder histologische Befunde, die nicht in eine der 7 Entitäten eingeordnet werden können?
Gibt es also immer noch eine Gruppe von „nicht klassifizierbaren” idiopathischen interstitiellen
Pneumonien, oder sollten diese alle in die NSIP-Entität eingeschlossen werden, welche
dann einen neuen Abfalleimer darstellen würde? In diesem Zusammenhang wurde vom Panel
akzeptiert, dass es eine Minderheit von Fällen gibt, die weiterhin unklassifizierbar
bleibt, selbst nach ausgiebiger klinischer, radiologischer und/oder pathologischer
Prüfung. Die Bezeichnung „unklassifizierbare interstitielle Pneumonie” sollte für
diese Fälle gewählt werden, und sie sollten nicht mit der fibrotischen NSIP zusammengeworfen
werden.
Was sollte der Kliniker tun, wenn der Pathologe in den zwei bis drei unterschiedlichen
Entnahmestellen einer chirurgischen Lungenbiopsie unterschiedliche Muster beschreibt,
beispielsweise UIP, NSIP und BOOP in ein und derselben Lunge, jedoch in verschiedenen
Lappen? Dieser Frage wurde in einer Arbeit von Flaherty et al. kürzlich nachgegangen
[5]. Sie konnten zeigen, dass 35 % der Patienten mit einem histologischen UIP-Muster
in einem Lappen eine NSIP in anderen Lappen aufwiesen, und dass die Prognose dieser
Patienten mit UIP/IPF gleichzusetzen war, so dass UIP im Hinblick auf Prognose und
Therapie die anderen Entitäten aussticht. Andererseits bedeutet dies auch, dass bei
Biopsieentnahme aus nur einem Lappen eine 35 %ige Wahrscheinlichkeit besteht, dass
das NSIP-Muster zufallsmäßig gefunden wird, und sich die echte histologische Entität
an anderen Stellen bzw. in anderen Lappen verbirgt. In Zweifelsfällen ist ein IPF-charakteristisches
HRCT-Muster einer anders lautenden Histologie im Hinblick auf den zu erwartenden Verlauf
überlegen, da selbst die chirurgische Lungenbiopsie nur wenige Prozent der gesamten
Lunge sondieren kann, während das HRCT die Gelegenheit der morphologischen Detailanalyse
der Gesamtlunge bietet.
Am Ende soll klargestellt werden, dass nun nicht die Messer gewetzt und alle Patienten
unabdingbar und unabhängig von Alter, Begleitkrankheiten, Risiken, auf den Operationstisch
gelegt und einer chirurgischen Lungenbiopsie unterzogen werden sollten. Auch wenn
es klar ist, dass diese histologischen Entitäten nur durch chirurgische Biopsie und
nicht durch transbronchiale Biopsie verlässlich diagnostiziert werden können, ist
in gut zwei Drittel der Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose die klinische und
HRCT-Diagnostik ausreichend für eine zuverlässige Diagnose auch ohne Biopsie, wenn
die publizierten Haupt- und Nebenkriterien [2] erfüllt sind.
Im Konsensus Statement sind auch für jede Entität Unsicherheiten und offene Fragen
gelistet, so dass genügend Anregungen für künftige Studien gegeben werden. Nach Publikation
dieses Statements müssen die Textbücher der Pneumologie (und Pathologie) umgeschrieben
werden. Künftige Therapiestudien werden die Einschlusskriterien für die Patientenkollektive
an den vorgelegten Definitionen der 7 Entitäten ausrichten müssen.