Einführung
Asthma bronchiale ist eine chronisch entzündliche Atemwegserkrankung charakterisiert
durch eine Infiltration der Bronchialschleimhaut durch Entzündungszellen (Lymphozyten,
eosinophile Granulozyten und Mastzellen) verbunden mit der Produktion verschiedener
Mediatoren [1 ]. Verschiedene pharmakologische Prinzipien werden zur Kontrolle der Entzündungsreaktion
angewandt, insbesondere inhalative Corticosteroide. Unter den Mediatoren besitzen
die Leukotriene eine starke bronchokonstriktorische und proinflammatorische Wirksamkeit,
sie steigern die bronchiale Hyperreagibilität sowie die Mucussekretion und erhöhen
die Gefäßpermeabilität [2 ]
[3 ].
Die über verschiedene Zwischenschritte aus der Arachidonsäure gebildeten Cysteinyl-Leukotriene
(CystLT) binden an einen gemeinsamen Rezeptor, der als CystLT1 -Rezeptor bezeichnet wird [4 ].
Montelukast (Singulair®) ist als erster spezifischer CystLT1 -Rezeptorantagonist seit 1998 zur Behandlung des Asthma bronchiale in Deutschland
im Handel (Herstellerangabe Fa. MSD Dieckmann, Haar). In vielen Publikationen hat
sich Montelukast als überwiegend effektive Substanz zur Reduktion der asthmaassoziierten
bronchialen Entzündung erwiesen [1 ]
[5 ]
[6 ]
[7 ].
Aufgrund der steigenden Verordnungszahlen stehen wir als klinisch tätige Allergologen
zunehmend vor der Frage ob eine Vormedikation mit dieser Substanzklasse einen relevanten
Einfluss auf die inhalative bronchiale Allergenprovokation hat, die zur Abschätzung
der klinischen Relevanz einer kutanen Sensibilisierung häufig unerlässlich ist. Da
sich sowohl über eigene Literaturrecherche als auch über eine Anfrage an den Hersteller
keine zufriedenstellende Antwort ergab, führten wir eine randomisierte cross-over
Studie durch, in der der Einfluss von Montelukast auf die inhalative bronchiale Allergenprovokation
untersucht wurde.
Methode
Patienten
Die Untersuchung erfolgte an insgesamt 16 Probanden mit Asthma bronchiale in 2 Gruppen
(randomisiert, cross-over). Die Einschlusskriterien und die biometrischen Daten sind
in Tab. [1 ] u. [2 ] aufgeführt.
Tab. 1 Begleitmedikation und Einschlusskriterien
Begleitmedikation
Einschlusskriterien
erlaubt
verboten
inhalative Corticosteroide
orale Corticosteroide
FEV1> 70 % des Sollwertes
kurzwirksame β-Mimetika
langwirksame β-Mimetika
Vorliegen eines Asthma bronchiale mit
Anticholinergika
orale β-Mimetika
Nachweis einer unspez. bronch. Hyperreagibilität
Theophyllin
Alter > 18 Jahre
system. Antihistaminika
Nachweis einer klinischrelevanten aktuellen
DNCG/Nedocromil
Sensibilisierung mit perennialen oder
β-Blocker
saisonalen Allergenen
Tab. 2 Basischarakteristika
Alter
m/w
FEV1 (%Sollwert)
BHR
Gruppe I
1
19
w
90
38
2
27
m
87
9
3
30
m
78
140
4
40
w
116
70
5
37
m
80
50
6
40
m
70
10
7
26
w
102
160
8
51
w
118
240
MW
33,8
92,6
89,6
SD
10,2
17,7
82,4
Gruppe II
1
24
m
94
180
2
58
m
91
96
3
28
w
70
14
4
26
w
91
9
5
28
m
89
20
6
23
m
72
15
7
33
w
102
10
8
43
m
96
120
MW
32,9
88,1
58
SD
12,0
11,3
65,6
BHR (unspezifische bronchiale Hyperreagibilität) Angegeben als PD 20Histamin in µg intrabronchial deponierter Histaminmasse
Untersuchungsablauf
Die Patienten wurden durch Randomisierung zwei Gruppen zugeteilt (s. Abb.[1 ])
Abb. 1 Untersuchungsablauf P = Provokationstest mit Allergen, Ros = oszillatorische Resistance.
Bei der ersten Gruppe wurde zunächst eine inhalative Allergenprovokation vorgenommen
(Details s. u.), dann erfolgte für 21 Tage eine Medikation mit Montelukast (10 mg/d).
Am 21. Tag wurde die zweite Allergenprovokation durchgeführt und die Medikation beendet.
Die dritte Allergenprovokation erfolgte nach weiteren 21 Tagen.
Analog dazu wurde auch in Gruppe II zunächst eine inhalative Allergenprovokation durchgeführt,
danach folgte aber eine Phase von 21 Tagen ohne Montelukast-Medikation mit Allergenprovokation
am 21. Tag. Erst dann wurde 21 Tage mit Montelukast (10 mg/d) therapiert und abschließend
die dritte Allergenprovokation vorgenommen.
Die übrige vorbestehende Medikation wurde während des gesamten Untersuchungszeitraums
nicht verändert; die erlaubte bzw. verbotene Begleitmedikation ist in Tab. [1 ] zusammengestellt.
Methodik der Allergenprovokation
Die Allergenverneblung erfolgte mit Hilfe eines Düsenverneblers (Fa. Pari, Starnberg)
mit TIA S-Inhalierkopf und IS 2 Kompressor, der ein Aerosolspektrum erzeugt, welches
- wie bei der Allergenprovokation gewünscht - überwiegend in den zentralen Atemwegen
deponiert (mittlerer aerodynamischer Massendurchmesser 8,5µm) [8 ]. Es wurden handelsübliche Provokationslösungen (Fa.Allergopharma, Reinbek) verwendet
in der Verdünnung: 1 : 1000, 1 : 100, 1 : 50, 1 : 10 und 1 : 5.
Alle 20 Minuten wurde die Allergenkonzentration gesteigert, sofern die Positivkriterien
(Abfall der FEV1 um 20 % oder Verdopplung der oszillatorischen Resistance) noch nicht erfüllt waren.
Die Messung der FEV1 erfolgte mit dem Asthma-Monitor der Fa. Jaeger; die Bestimmung der oszillatorischen
Resistance mit dem Siregnost FD 5 der Fa. Siemens. Vor Untersuchungsbeginn sowie jeweils
20 min. nach Inhalation erfolgte in jeder Verdünnungsstufe eine Messung der FEV1 sowie der oszillatorischen Resistance. Die Allergenprovokation erfolgte in Übereinstimmung
mit den neuesten Leitlinien für die inhalative bronchiale Allergenprovokation der
pneumologischen und allergologischen Fachgesellschaften [9 ].
Um für eine statistische Analyse verwertbare Daten zu erhalten, war es erforderlich,
die inhalierte Allergenmenge zu quantifizieren. 1 ml eingesetzter Allergenextrakt
enthält unverdünnt 5000 BE/ml (BE = Biologische Einheiten).
In Kenntnis der Literatur darf man davon ausgehen, dass mit dem oben genannten Inhalationssystem
im Mittel ca.15 % der eingesetzten Allergenmenge intrabronchial deponiert wird [10 ], somit pro ml ca.750 BE. Die gemessenen FEV1 -Werte wurden auf logarithmischem Papier in Bezug zur inhalierten Allergenmenge der
jeweiligen Verdünnungsstufe gesetzt. Die Allergenmenge, bei der eine 20 %ige Reduktion
des FEV1 bzw. eine Verdopplung der Ros auftrat, wurde wie üblich als PD20Allergen bezeichnet und war Ausgangspunkt für die Berechnungen.
Methodik der Bestimmung der unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität
Die Durchführung der Hyperreagibilitätstestung erfolgte entsprechend den Leitlinien
der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie mit der Reservoir-Methode (Provokationstest
II, Fa. Medanz-Pari, Starnberg) mit Histamin [11 ].
Statistik
Die Unterschiede im Zeitverlauf mit und ohne Montelukast wurden durch den Wilcoxon-Test
für verbundene Stichproben auf Signifikanz geprüft wobei ein p-Wert ≤ 0,05 als signifikant
galt. Der Zusammenhang zwischen der unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität und
der PD20Allergen wurde mit der Spearmanschen Rangkorrelation überprüft.
Ergebnisse
Die biometrischen Daten beider Gruppen waren nicht signifikant verschieden (s. Tab.
[2 ]). Zwischen der Provokation unter Montelukast und Ausgangswert findet sich in beiden
Gruppen zusammengefasst ein hochsignifikanter Unterschied (p = 0,0005) i. S. einer
Hemmung der Allergenprovokation (s. Abb. [2 ] u. Tab. [3 ]).
Tab. 3 Messwerte in BE (Biologische Einheiten) und Allergene
Ausgangswert (P1)
unter Montelukast (P2)
ohne Montelukast (P3)
Allergen
PD20 Allergen
PD20 Allergen
PD20 Allergen
Gruppe
1
150
130
110
Milbe d. pt.
2
2
1,3
1,7
Milbe d. f.
3
11
18
10
Katze
4
3,5
75
6
Milbe d. f.
5
11
85
12
Milbe d. pt.
6
10
6
5
Milbe d. f.
7
3,5
28
2,9
Milbe d. f.
8
8
75
10
Erle
Mittelwerte
16,58
52,29
19,7
SD
50,68
45,75
36,66
Gruppe II
1
33
20
300
Milbe d. f.
2
1,4
6
12
Milbe d. f.
3
1,8
1,6
12
Hasel
4
4
7
11
Milbe d. pt.
5
11
10
30
Gräser
6
9
6,5
7,5
Milbe d. pt.
7
7,5
9
15,50
Milbe d. pt.
8
12
14
120
Hasel
Mittelwerte
9,96
9,26
63,5
SD
10,13
5,61
102,64
P = Provokationstest, d. f. = Dermatophagoides farinae, d. pt. = Dermatophagoides
pteronyssinus, SD = Standardabweichung
Abb. 2 Inhalierte Allergenmenge mit und ohne Montelukast.
Zwischen den Allergenprovokationen (P) bei Untersuchungsbeginn sowie der Allergenprovokation
ohne Montelukast im Verlauf der Untersuchung (P3 bei Gruppe I, P2 bei Gruppe II) zeigten
sich keine nennenswerten Unterschiede, sodass die gewählte Provokationstestung als
gut reproduzierbar anzusehen ist. Bei allen Patienten konnte durch Steigerung der
Allergendosis auch unter Montelukast ein provokationsrelevanter Abfall des FEV1 um mind. 20 % erreicht werden.
Wie sich aus der Tab. [3 ] ablesen lässt, kam es bei 12 von 16 Patienten zu einer unterschiedlich starken Zunahme
der Allergentoleranz bei inhalativer bronchialer Provokation unter der Einnahme von
Montelukast. In der Gruppe der „Montelukast-Responder” (n = 12), d. h. Patienten bei
denen ein allergenprotektiver Effekt zu beobachten war, betrug die Steigerung der
PD20Allergen minimal das 1,6fache, maximal das 21fache.
Es besteht eine Korrelation zwischen inhalierter Histamin- und Allergendosis, die
in der Spearmanschen Rangkorrellation signifikant ist (p = 0,0016) (s. Tab [4 ] u. Abb. [3 ]). Im Mittelwert aller Patienten (n = 16) zeigte sich eine signifikante Zunahme (p
= 0,0005) der PD20Allergen um das 4,3fache im Vergleich zum Ausgangswert ohne Montelukast (Gruppe I: Vergleich
Provokation (P1) mit P2; Gruppe II: Vergleich P1 mit P3). Die Messwerte der oszillatorischen
Resistance wurden bei der Auswertung nicht berücksichtigt, da alle Patienten zuerst
in der FEV1 um 20 % abfielen, bevor sich die Resistance verdoppelte.
Tab. 4 PD20Histamin /PD20Allergen (Montekulast)
Patienten
PD20 Histamin
PD20 Allergen
1
38
130
2
9
1,3
3
140
18
4
70
75
5
50
85
6
10
6
7
160
28
8
240
75
9
180
300
10
96
12
11
14
12
12
9
11
13
20
30
14
15
7,5
15
10
15,50
16
120
120
PD20Allergen (unter Montekulast) in Biologischen Einheiten, PD20Histamin in µg intrabronchial deponierter Histaminmasse
Abb. 3 PD20Histamin /PD20Allergen (unter Montelukast).
Diskussion
Von den insgesamt 16 Patienten in dieser Untersuchung zeigte sich bei 12 Pat. ein
unterschiedlich stark ausgeprägter protektiver Effekt auf die allergeninduzierte Sofortreaktion
nach inhalativer Provokation (p < 0,0005); die Auswirkungen auf die Spätreaktion wurden
nicht untersucht. Die Allergeninhalationen wurden bewusst in dreiwöchigen Abständen
durchgeführt um eine Beeinflussung durch eine allergeninduzierte Steigerung der bronchialen
Hyperreagibilität nach positiver Provokation auszuschließen [12 ].
Das Ausmaß der Allergenprotektion ist im Einzellfall nicht vorauszusehen und unabhängig
von der PD20Allergen vor Einnahme von Montelukast und auch unabhängig von dem verwendeten Allergen. Es
zeigt sich aber ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der histamininduzierten
bronchialen Hyperreagibilität und der allergeninduzierten Reaktion (p = 0,0016). Bei
Patienten mit einer höhergradigen unspezifischen Hyperreagibilität ist der allergenprotektive
Effekt von Montelukast geringer.
Andererseits zeigen sich bei den „Montelukast-non-respondern” vor der Medikamenteneinnahme
keine einheitlichen Befunde, die eine Voraussage ermöglichen. Für die inhalative Allergenprovokation
bedeutet dies, dass im Einzelfall das Ausmaß der Unterdrückung der Bronchokonstriktion
nicht vorauszusehen ist und z. T. erheblich höhere Allergendosen intrabronchial appliziert
werden müssen.
Die einzige Publikation die sich unseres Wissens nach bisher mit dem Effekt von Montelukast
auf die inhalative Allergenprovokation beschäftigt hat, stammt von Diamant et al.
aus dem Jahre 1999 [13 ]. Es wurde in einer doppel-blind, placebo-kontrollierten cross-over Studie bei 12
männlichen Asthmatikern u. a. die Auswirkung einer Montelukastgabe 36 und 12 Stunden
vor Allergenprovokation mit Hausstaubmilben (Dermatophagoides pteronyssinus) überprüft.
Hierbei zeigte sich eine signifikante Hemmung der allergeninduzierten Sofort- und
Spätreaktion durch die zweimalige Einnahme von Montelukast. Somit findet sich eine
Übereinstimmung mit unseren Ergebnissen.
In einer kürzlich veröffentlichen Arbeit untersuchten Phipatanakul et al. den Effekt
einer einwöchigen Montelukast-Medikation im Vergleich zu Placebo bei 18 katzenallergischen
Kindern im Alter zwischen 6 und 14 Jahren bei einer einstündigen Exposition gegenüber
Katzen [14 ]. Es kam unter Montelukast zu einem signifikant geringeren Abfall der FEV1 , während die Symptome des oberen Respirationstraktes nicht signifikant beeinflusst
wurden.
Zusammenfassend ziehen wir aus unserer Untersuchung den Schluss, dass man in der Mehrzahl
der Fälle von einem mehr oder weniger stark ausgeprägten allergenprotektiven Effekt
ausgehen muss, sodass wir empfehlen, in jedem Falle die Montelukastmedikation vor
der Provokation abzusetzen. In einer Folgeuntersuchung soll noch geklärt werden, ob
eine 1-tägige oder eine 3-tägige Unterbrechung der Einnahme von Montelukast ausreichend
ist.