Dtsch Med Wochenschr 2002; 127(41 Schwerpunkt Kardiol.): 2149-2150
DOI: 10.1055/s-2002-34648
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Das kommerzialisierte Vorhofflimmern - Ist Vorhofflimmern wirklich so gefährlich?

Commercialisation of atrial fibrillation: is atrial fibrillation really so harmful?T. Lewalter
  • 1Universitätsklinikum Bonn, Medizinische Klinik und Poliklinik II (Direktor: Prof. Dr. med. Dr. h.c. B. Lüderitz)
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eingereicht: 8.7.2002

akzeptiert: 31.7.2002

Publication Date:
11 October 2002 (online)

Vorhofflimmern als die häufigste Herzrhythmusstörung des Erwachsenen gewinnt aus folgenden Gründen ein gewisses Maß an „Gefährlichkeit”:

Vorhofflimmern ist eine wesentliche Ursache für das Erleiden einer arteriellen Embolie, insbesondere des apoplektischen Insultes. So weisen z. B. an nicht valvulär-bedingtem Vorhofflimmern erkrankte Patienten ein ca. 4-5fach erhöhtes Apoplexie-Risiko auf 4. Die Ausprägung einer Tachykardiomyopathie ist bei einem Teil der Patienten mit Vorhofflimmern zu beobachten 2. Unter Tachykardiomyopathie versteht man die Ausbildung einer reduzierten linksventrikulären Pumpfunktion als Folge einer anhaltenden oder überwiegend vorliegenden Tachykardie. Dies können unterschiedliche Tachykardieformen wie u. a. Vorhofflattern/Vorhofflimmern, atriale Tachykardien, die permanente junktionale Reentrytachykardie auf dem Boden einer akzessorischen Leitungsstruktur wie auch ventrikuläre Arrhythmien sein. Die Ausbildung einer Tachykardiomyopathie im Rahmen einer Vorhofflimmerarrhythmie wird insbesondere bei hohen Ventrikelfrequenzen beobachtet und kann dann Ursache einer schweren Herzinsuffizienz mit den entsprechenden Folgeproblemen sein. Die besondere Bedeutung der Tachykardiomyopathie liegt darin, dass es sich einerseits um ein vermeidbares Phänomen handelt andererseits kann - bei rechtzeitiger Diagnose und Behandlung - eine komplette oder teilweise Reversibilität erreicht werden. Neben diesen Vorhofflimmer-ausgelösten Folgeerkrankungen belastet Vorhofflimmern auch direkt als unabhängiger Risikofaktor die Prognose: So konnte bei 5209 Probanden der Framingham-Studie im Rahmen eines 40-jährigen Nachbeobachtungszeitraums bei 621 das Auftreten von Vorhofflimmern beobachtet werden. Die Dokumentation von Vorhofflimmern war mit einer 1,5-1,9-fach erhöhten Mortalität auch nach Korrektur für andere Risikofaktoren assoziiert 1. Die negative Beeinflussung der Prognose bei Patienten mit Vorhofflimmern fand sich in dieser Studie über eine weite Lebensaltersspanne und führte zu einer Aufhebung des Überlebensvorteils von Frauen.

Diese Ausgangslage, einer relevanten Vorhofflimmern-ausgelösten Morbidität (Apoplektischer Insult, Tachykardiomyopathie) und belasteten Gesamtprognose bei Patienten mit Vorhofflimmern führt uns zur klinisch wichtigsten Frage in der Vorhofflimmertherapie: Rechtfertigen Morbidität und Prognosebelastung die Durchführung einer Sinusrhythmus-erhaltenden Behandlung oder aber ist Vorhofflimmern rasch zu akzeptieren und unter Antikoagulation lediglich eine Kontrolle und Pseudoregularisierung der Kammerfrequenz anzustreben? Hier stoßen wir auf ein anhaltendes Dilemma: Bis auf die elektrische Kardioversion, die ein hohe akute Erfolgsquote bei niedrigen Komplikationen hat, sind alle anderen Maßnahmen zum Erhalt des Sinusrhythmus unbefriedigend.

Literatur

  • 1 Benjamin E J, Wolf P A, DŽAgostino R B. et al . Impact of atrial fibrillation on the risk of death. The Framingham Heart Study.  Circulation. 1998;  98 946-952
  • 2 Jung J, Böhm M. Vorhofflimmern-Diagnostik.  Dtsch Med Wochenschr. 2001;  126 1469-1471
  • 3 Lewalter T h, Lüderitz B. Arzneimitteltherapie der Herzrhythmusstörungen.  Internist. 2000;  41 S22-S33
  • 4 Wolf P A, Abbott R D, Kannel W B. Atrial fibrillation as an independent risk factor for stroke: The Framingham study.  Stroke. 1991;  22 983
  • 5 Wyse G. The AFFIRM-Study. Late breaking trials:oral presentation Annual Meeting of the American College of Cardiology 2002

Priv.-Doz. Dr. med. Thorsten Lewalter

Medizinische Klinik und Poliklinik II, Universitätsklinikum Bonn

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