Dtsch Med Wochenschr 2002; 127(42 Schwerpunkt Haematol/Onkol): 2185
DOI: 10.1055/s-2002-34944
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Klinische Studien - ein bedrohtes Element der Therapieoptimierung

Clinical studies: an endangered element in optimizing treatmentW. Hiddemann
  • 1Medizinische Klinik III, Klinikum Großhadern, München
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Publication Date:
18 October 2002 (online)

Prof. Dr. W. Hiddemann, München

Seit vielen Jahren spielt die deutsche Hämatologie und Onkologie in der internationalen Therapieforschung, vor allem bei den Leukämien und Lymphomen, eine bedeutende Rolle. Auch auf dem Gebiet der kliniknahen Grundlagenforschung ist der Anschluss an die Weltspitze erreicht. Diese für unsere Patienten wichtigen und für uns motivierenden Erfolge dürfen jedoch nicht den Blick dafür verstellen, dass diese Fortschritte in zunehmendem Maße durch die Schwächen unseres Gesundheitssystems und die steigenden finanziellen Lasten erschwert, wenn nicht gar gefährdet werden. Besonders bedrohlich ist die Situation im Bereich der medikamentösen Therapie. So wird der Einsatz wirksamer Substanzen zunehmend nicht mehr von der medizinischen Effektivität bestimmt, sondern von dem Indikationsgebiet, für das eine Substanz von den entsprechenden Aufsichtsbehörden auf Antrag eines pharmazeutischen Unternehmens eine Zulassung erfahren hat. Es ist höchst beunruhigend, dass durch diese, von Gesetzgeber und Kostenträgern eingenommene Haltung die fachliche Kompetenz der Ärzte und der Spielraum des therapeutischen Handelns substanziell beschränkt wird.

Möglicherweise noch bedrohlicher ist, dass auch die Durchführung und Finanzierung klinischer Studien durch die nicht mehr zeitgemäße Gesetzgebung und finanzielle Engpässe gefährdet wird. In öffentlichen Diskussionen wird oft wenig differenziert Stellung genommen und pauschalisierende Verallgemeinerungen getroffen. Eine genauere Betrachtungsweise ist dringend erforderlich. Es muss deutlich zwischen unterschiedlichen Formen von Therapiestudien differenziert werden. Studien, die ausschließlich der Zulassung eines einzelnen Medikaments dienen, werden auf Initiative eines pharmazeutischen Unternehmens durchgeführt und dienen im Wesentlichen dessen Interesse. Ihre Finanzierung erfolgt daher durch die Industrie. Therapieoptimierungsstudien sind dagegen therapeutische Vorhaben, die auf Initiative verantwortlicher Ärzte konzipiert und entwickelt werden. Sie verfolgen das Ziel, etablierte Behandlungskonzepte zu verbessern und um neue Elemente zu erweitern. Die systematische Nutzung dieses Instruments hat bei der akuten myeloischen Leukämie des Erwachsenen z. B. dazu geführt, dass die Heilungsrate, die noch Anfang der 80er Jahre unter 5 % lag, mittlerweile in den Bereich von 35-40 % angehoben werden konnte.

Prof. Dr. med. W. Hiddemann

Medizinische Klinik III, Klinikum Großhadern

Marchioninistr. 15

81377 München

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