Bei der Angioendotheliomatose ist zwischen einer benignen und malignen Form zu differenzieren.
Ätiopathogenese, Histologie, Verlauf und Prognose sind bei der Beurteilung der beiden
Krankheitsformen zu berücksichtigen.
Die seltene, benigne Angioendotheliomatose ist ausschließlich auf die Haut beschränkt.
Histologisches Kennzeichen sind Endothelzellproliferationen, die zusammen mit kleinen
fibrinoiden Thromben das Gefäßlumen verlegen können. Die Pathogenese ist bis heute
nicht vollständig geklärt, jedoch werden Minderdurchblutung und Thrombenbildung infolge
Gefäßstenosen als Stimulus der intravasalen Endothelzellproliferation verantwortlich
gemacht. Die Therapie der reaktiven Angioendotheliomatose gestaltet sich in der Regel
mit Behandlung der assoziierten Grunderkrankung komplikationslos.
Die häufigere, maligne Form der Angioendotheliomatose wurde 1959 erstmals von den
Wiener Dermatologen Lilly Pfleger und Josef Tappeiner beschrieben [23]. Histologisch ist die maligne Angioendotheliomatose der Gruppe der B-Zell-Lymphome
zuzuordnen. Die Prognose der Erkrankung ist bei begrenzten Therapiemöglichkeiten schlecht
und endet durch den ausgedehnten Befall von inneren Organen und des zentralen Nervensystems
meist letal.
Ziel der Arbeit ist es, einen Literaturüberblick der letzten Jahre zur benignen und
malignen Angioendotheliomatose zu geben.
Kasuistik
Anamnese
1994 bemerkte die 57-jährige Patientin erstmals livid-rote Flecken und Knoten im Bereich
der kranialen, linken Ohrhelix. Eine ambulant vorgenommene Probebiopsie ergab histologisch
„hämangiöse Veränderungen, möglicherweise aus einem teleangiektatischen Granulom hervorgehend”.
1998 zeigte sich eine Befundprogredienz mit Blaufärbung des gesamten Randes der linken
Ohrhelix einschließlich des Ohrläppchens. Eine erneute Probebiopsie ergab die histologische
Diagnose eines „kapillären Hämangioms”. Im Verlauf beobachtete die Patientin keine
Abheilung, vielmehr ein Fortschreiten des Hautbefundes mit Befall der rechten Ohrhelix
und dabei rezidivierenden Schwellungen und Schmerzen der Ohren. Seit Anfang 2000 auch
Befall der Oberarme und Unterschenkel. Bei klinischem Verdacht auf eine Kryoglobulinämie
erfolgte im Mai 2000 eine auswärtige Diagnostik auf Kälteagglutinine und Kryoglobuline
im Serum, die jedoch ein negatives Ergebnis ergab. Anamnestisch bedeutsam war hierbei
die Angabe, dass Wärme subjektiv angenehm sei. Seit September 2000 klagte die Patientin
über rezidivierende Kopfschmerzen.
Erst-/Aufnahmebefund
Entlang der Ohrhelices beidseits bis hin zu den Ohrläppchen livid-rote, zentral grau-schwarze,
z. T. infiltrierte, z. T. ulzerierte, unscharf begrenzte, bizarr konfigurierte, bis
zu 1 cm durchmessende, nicht wegdrückbare, druckschmerzhafte Maculae (Abb. [1]). Am linken Oberarm distal eine 0,7 cm × 0,5 cm große hämorrhagische Kruste, umgeben
von einem 1 cm durchmessenden, unscharf begrenzten, erythematösen Randsaum. Am linken
Unterschenkel medial eine 3 cm durchmessende, livid-rote, leicht erhabene, petechiale
Einblutung mit zentral hämorrhagischer Blase. Am rechten Unterschenkel medial und
beugeseitig insgesamt sechs bis zu 2 cm große, livid-rote, zentral teils ulzerierte
und nekrotische Maculae und Knoten (Abb. [2]).
Abb. 1 Entlang der Ohrhelix bis zu 1 cm durchmessende, unscharf begrenzte, livid-rote, zentral
blau-schwarze Maculae.
Abb. 2 An den Unterschenkeln bis zu 2 cm durchmessende, livid-rote, zentral teils ulzerierte
und nekrotische Maculae und Knoten.
Befunde diagnostischer Untersuchungen
Labordiagnostik
Routinelaborparameter normwertig. Serum-Immunfixationselektrophorese, C3-Komplement,
Rheumafaktor, AMA, ENA, c-ANCA, p-ANCA, Kardiolipin-AK, Kälteagglutinine, Kryoglobuline,
Kryofibrinogen und Infektionsserologie unauffällig. ANA's mit 1 : 160 grenzwertig
erhöht, erniedrigtes C4-Komplement im Serum mit 15 mg/dl. Im peripheren Blut Nachweis
zirkulierender Immunkomplexe in einer Konzentration von 24 µg Eq/ml. Im zellulären
Immunstatus relative (11,1 %) und absolute (126 Zell/µl) Minderung der T-Suppressor-Zellen
und damit pathologisch erhöhtem TH/TS-Quotient (4,8).
Apparative Diagnostik
In der Abdomen-Sonographie-Darstellung eines Hämangioms im rechten Leberlappen. Kernspintomographie
des Schädels, extrakranielle Doppler-Sonographie und farbkodierte Duplex-Sonographie,
Echokardiographie, EKG, abdominelle Computertomographie, Lymphknoten-Sonographie,
arterielle Doppler-Sonographie der Becken-/Beinarterien, arterielle Druckmessung sowie
die akrale Lichtreflexplethysmographie der Finger waren ohne pathologischen Befund.
Histologie
Im Bereich des oberen und tiefen Gefäßplexus Darstellung multiluminaler, glomerulumartiger
Gefäß- und Endothelzellproliferate mit zum Teil erweiterten und zum Teil durch Endothelzellproliferate
verschlossenen Gefäßlumina. In einigen Gefäßplexus sind die Gefäßlumina durch Mikrothromben,
Erythrozyten und zerfallene neutrophile Granulozyten vollständig verlegt. Extravasal
zeigen sich kleine Lymphozyten mit teils hyperchromatisch gelappten Kernen (Abb. [3]).
Abb. 3 Multiluminale glomerulumartige Gefäß- und Endothelzellproliferation.
Immunhistologie
Durchführung am Paraffin- und Kryostatschnitt mit der Avidin-Biotin-Komplex-Methode.
Es wurden die Antikörper CD31, CD34, Lambda- und Kappa-Leichtketten verwendet. In
der immunhistologischen Aufarbeitung stellten sich die Gefäßproliferate mit CD31 und
CD34 vollständig positiv dar. In den Gefäßlumina keine Ablagerung klonaler Lambda-
oder Kappa-Leichtketten (Abb. [4]).
Abb. 4 CD34-positive Gefäßzellproliferate.
Elektronenmikroskopie (PD Dr. med. Geilen, Benjamin-Franklin-Universität, Berlin)
Im elektronenmikroskopischen Dünnschnitt sind der Basalmembran aufsitzende Endothelzellen
zu erkennen, die z. T. ödematisiert, z. T. nekrotisch erscheinen. Im Lumen der Gefäße
zeigen sich Anschnitte von Erythrozyten sowie von kleineren lymphoiden Zellen mit
chromatischem Kern.
Therapie und Verlauf
Während des ersten stationären Aufenthaltes kam es ohne Einleitung einer spezifischen
Therapie nahezu zu einer vollständigen Abheilung der chronisch-stationären Herde an
den Ohren. Eine Woche nach Entlassung stellte sich die Patientin jedoch mit einem
massiven Rezidiv an den Ohrhelices vor. Wir nahmen die Patientin zur Einleitung einer
Immuntherapie mit Interferon alpha 2a (Roferon®) erneut stationär auf. Es wurden 3
× 6 Mio. I.E. s. c./Woche unter antipyretischer Begleitmedikation verabreicht und
vertragen. Unter der Therapie kam es zur Befundprogredienz, insbesondere mit Auftreten
neuer schmerzhafter Läsionen an den Unterschenkeln. Aufgrund der Befundprogredienz
und des hohen Leidensdruckes der Patientin führten wir eine Chemotherapie nach dem
Knospe-Schema mit Chlorambucil 0,4 mg/kg Körpergewicht über 2 Tage sowie Prednisolon
in einer Dosierung von 75 mg am 1. Tag, 50 mg am 2. Tag und 25 mg am 3. Tag durch.
Die Wiederholung des Therapieregimes erfolgte in 2-wöchigen Abständen. Während der
Chemotherapie kam es zu keiner wesentlichen Befundverbesserung. Wie verordneten zusätzlich
rheologische Maßnahmen mit Pentoxyphyllin (Trental® 600 mg/die), Kompression der Unterschenkel
und Kälteschutz. Aufgrund des nur mäßigen Behandlungserfolges wurde die Chemotherapie
nach 6 Zyklen abgebrochen. Unter Fortführung der rheologischen Maßnahmen und konsequentem
Kälteschutz Phasen der Abheilung, jedoch ohne bleibende Erscheinungsfreiheit. Auch
bei den regelmäßigen Verlaufskontrollen in unserer Sprechstunde Dokumentation eines
insgesamt gebesserten Hautbefundes ohne erneute Ulzeration der Haut oder Nekrosenbildung,
jedoch weiterhin wechselnde Krankheitsaktivität.
Diskussion und Literaturübersicht
Klinik
Bei der Angioendotheliomatose unterscheiden wir zwischen einer benignen und einer
malignen Form. Klinisch-dermatologisch sind die beiden Formen nicht zu unterscheiden.
Ihr Erscheinungsbild ist vielgestaltig und uncharakteristisch. Es variiert von blass-
bis braunroten, retikulären und flächigen Erythemen über ödematöse indurierte Plaques,
subkutane Knoten, anuläre Läsionen bis hin zu poikilodermatischen von Petechien durchsetzten
Effloreszenzen. Klinisch müssen Differenzialdiagnosen wie systemischer Lupus erythematodes,
Vaskulitis, Erythema nodosum, Mycosis fungoides, Sarkoidose, Kaposi-Sarkom, Angiosarkom
oder kutane Metastasen abgegrenzt werden [32].
Die seltene reaktive Angioendotheliomatose tritt vorwiegend bei Kindern und jüngeren
Erwachsenen auf. Sie ist meist mit anderen Erkrankungen assoziiert (Tab. [1]). Die maligne Angioendotheliomatose ist eine Erkrankung des höheren Erwachsenenalters
und tritt im Vergleich zur reaktiven Angioendotheliomatose wesentlich häufiger auf.
Sie stellt einen multifokalen, nicht auf die Haut beschränkten bösartigen Gefäßprozess
dar und ist daher mit zahlreichen Komplikationen assoziiert. Die Patienten leiden
häufig ähnlich den transitorischen ischämischen Attacken an Parästhesien, monokulärer
Erblindung, Ataxie, Dysarthrie, Gleichgewichtsstörungen und allgemeiner Muskelschwäche.
Präterminal können Krampfanfälle, Stupor, zunehmende Demenz und komatöse Zustände
hinzutreten. Verglichen mit der Haut und dem Nervensystem sind andere Organe deutlich
seltener in den multifokalen Prozess einbezogen [1]
[13]
[15]
[28]
[32].
Tab. 1 Reaktive Angioendotheliomatose und assoziierte Erkrankungen
| Fallbericht |
assoziierte Erkrankung |
Literaturhinweise |
| 4 |
bakterielle Endokarditis |
6, 8, 20, 28 |
| 1 |
Otitis media |
22 |
| 1 |
Bronchitis |
22 |
| 1 |
Lungentuberkulose |
35 |
| 4 |
Arteriosklerose |
10, 11, 14 |
| 2 |
arteriovenöse Fisteln |
26 |
| 1 |
Leberzirrhose/portale Hypertension |
25 |
| 1 |
Rheumatoide Arthritis |
32 |
| 1 |
CLL |
30 |
| 1 |
Antiphospholipid-Syndrom |
4 |
| 4 |
Kryoglobulin- und -fibrinogenämie |
16, 17 |
| 1 |
Kälteagglutininkrankheit |
24 |
Histologie
In der Diagnostik von benigner und maligner Angioendotheliomatose spielen Histologie,
Immunhistologie und Elektronenmikroskopie eine entscheidende Rolle. Die reaktive Angioendotheliomatose
ist durch eine zellreiche Endothelzellproliferation mit allenfalls diskreten Kernatypien
charakterisiert. Die Gefäßlumina sind größtenteils weitgestellt, können jedoch durch
intravasale Endothelzellproliferate oder kleine fibrinoide Thromben verlegt sein.
Intravasale atypische Lymphozyten fehlen. Typisch und wichtig für die differenzialdiagnostische
Abgrenzung sind immunhistologisch nachweisbare muskelaktin-positive perivasale Perizytenmanschetten
und eine eindeutige Markierung der intravasalen Proliferation mit Endothelzellmarkern
(z. B. CD34, CD31, von-Willebrand-Faktor assoziiertes Antigen, Ulex europaeus Agglutinin I) [4]
[32]. Im elektronenmikroskopischen Dünnschnitt wird der ultrastrukturelle Aufbau der
Gefäße und Zellen dargestellt. Die Blutgefäße sind häufig von einer duplizierten Basalmembran
umgeben. Die aktivierten Endothelzellen sitzen der Basalmembran unregelmäßig auf.
Im Zytoplasma dieser Zellen sind in der Regel typische Weibel-Palade-Granula und feine
Filamente anzutreffen [30].
Im Gegensatz zur benignen Angioendotheliomatose ist die maligne Angioendotheliomatose
durch Proliferation atypischer mononukleärer Zellen in den kleinen Blutgefäßen der
betroffenen Organe gekennzeichnet. Durch immunmorphologische Untersuchungsverfahren
konnte gezeigt werden, dass es sich bei den Tumorzellen meistens um B-Lymphozyten
handelt. Aufgrund der lymphozytären Genese der Tumorzellen spricht man auch vom angiotropen
B-Zell-Lymphom [7]. In wenigen Ausnahmefällen fanden sich andere Lymphome wie z. B. ein T-Zell-Lymphom
[3]
[33], ein histiozytisches Lymphom [18]
[21] oder ein in den 70er Jahren als Retikulumzellsarkom bezeichnetes Lymphom [31]. Die von Endothelzellen gut unterscheidbaren großen lymphatischen Tumorzellen lassen
Kernpolymorphien und -pleomorphien erkennen. Mitosen sind regelmäßig nachweisbar.
Als Hinweis auf ein Lymphom hohen Malignitätsgrades kann die in der AgNOR-Färbung
erkennbare Vermehrung der Nukleolusorganisatoren (AgNOR) gewertet werden, die mit
dem Proliferationsantigen Ki 67 korreliert [5]
[15]. Für die Diagnose entscheidend sind wiederum immunhistologische Färbungen. Der Panleukozytenmarker
LCA dient zur orientierenden Unterscheidung von lymphatischen Tumorzellen und Endothelzellen.
Nachweisbare B-Zell-Marker (z. B. CD20, CD22, CD45RA) und fehlende T-Zell-Marker (z.
B. CD3, CD43, CD45RO) gestatten die weitere Subtypisierung als B-Zell-Lymphom [19]
[34]. In der Elektronenmikroskopie sind die intravasalen Tumorzellen durch große, gefaltete
Kerne mit grobem, häufig verplumptem Euchromatin gekennzeichnet. Im Zytoplasma der
Zellen kommen zahlreiche Mitochondrien, Membranen des rauhen und glatten endoplasmatischen
Retikulums sowie Ribosomen und Lysosomen vor. Typische Weibel-Palade-Körper kommen
in den Tumorzellen nicht vor [13].
Differenzialdiagnosen
Histopathologisch sind benigne und maligne Gefäßtumoren mit intravasaler Proliferation
zu differenzieren. Beispiele sind die papilläre endotheliale Hyperplasie (Masson-Tumor),
das Granuloma pyogenicum, das glomeruloide Angiom, das seltene maligne papilläre Angioendotheliom
(Dabska-Tumor) oder das Angiosarkom, einschließlich dem bestrahlungsindizierten Angiosarkom.
Unter den genannten Tumoren ist ein besonderes Augenmerk auf das glomeruloide Angiom
zu richten. Es kann einerseits mit dem POEMS-Syndrom, einer Multisystemerkrankung
mit Polyneuropathie, Organomegalie, Endokrinopathie und „Skin”-Befall, andererseits mit der Castleman-Krankheit, einer Plasmazelldysplasie mit
angiofollikulärer Lymhknotenhyperplasie assoziiert sein. Die Pathogenese der glomeruloiden
Angiome ist weniger als Neoplasie, sondern vielmehr als eine durch Immunglobuline
getriggerte reaktive Endothelzellproliferation zu sehen und damit besonders schwer
von der reaktiven Angioendotheliomatose abzugrenzen. Möglicherweise ist das glomeruloide
Angiom der reaktiven Angioendotheliomatose gleichzusetzen und stellt sich lediglich
als eine Form mit erhöhter intravaskulärer endothelialer Proliferation dar [32]. Eine weitere Sonderform der reaktiven Angioendotheliomatose stellt die intravaskuläre
Histiozytose (mit intravaskulärer Histiozytenproliferation) dar, insgesamt dreimal
in der Literatur beschrieben. Hierbei handelt es sich um eine intravasale Proliferation
von Histiozyten, weniger von Endothelzellen. Es wird spekuliert, dass durch intravaskuläre
Mikrothromben mononukleäre Phagozyten aktiviert werden, die eine reaktive Endothelzellproliferation
auslösen können. Derzeit ist noch nicht definiert, ob die intravaskuläre Histiozytose
eine eigene Entität darstellt oder lediglich eine Vorform der reaktiven Angioendotheliomatose
[18]
[21]
[27].
Äthiopathogenese
Die Pathogenese ist bis heute nicht vollständig geklärt, jedoch werden Minderdurchblutung
und Thrombenbildung infolge Gefäßstenosen bzw. -verschlüsse als Stimulus der intravasalen
Endothelzellproliferation verantwortlich gemacht. In der Literatur sind hierzu zahlreiche
Fallbeschreibungen und Übersichten zu finden, die kurz zusammengefasst werden sollen:
In arteriosklerotischen Gefäßen zeigt sich die Intima rauh und unregelmäßig. Arteriosklerotische
Plaques fördern die Thrombenbildung an den Gefäßwänden mit nachfolgender Minderdurchblutung,
welche Stimulus der Endothelzellhyperplasie und -proliferation ist. Die Tatsache,
dass nach Revaskularisation eine Regeneration des Gefäßendothels beobachtet werden
konnte, untermauert beschriebene Hypothese [11]
[14].
Auch arteriovenöse Fisteln wie z. B. bei dem „subclavian steal syndrome” [26] führen zu Ischämie-bedingter Hypoxie. Die Hypoxie ist Reiz vermehrter Produktion
des Endothelial Growth Factors und schließlich verstärkter Endothelzellproliferation.
Quinn et al. [25] beschreibt die reaktive Angioendotheliomatose als Begleiterkrankung Alkohol-bedingter
Leberzirrhose und portaler Hypertension. Hierdurch bedingte Änderungen der intravasalen
Hämodynamik, einschließlich Bildung von Mikrothromben, kann wiederum zu vermehrter
Endothelzellproliferation führen.
Zahlreiche Berichte gibt es über die reaktive Angioendotheliomatose und gleichzeitig
bestehende subakute bakterielle Endokarditis [6]
[8]
[20]
[28]. Kleine intravaskuläre Mikrothromben als Stimulus der Endothelzellproliferation
sind durch bakterielle Vegetationen zu erklären, jedoch werden auch andere infektiöse
Begleiterscheinungen wie Otitis media, Bronchitis oder Tuberkulose beschrieben [22]
[35].
Weiterhin konnten im Rahmen reaktiver Angioendotheliomatosen Kälteagglutinine [24], Kryoglobuline und -fibrinogene [16]
[17] sowie Antiphospholipid Antikörper [4] nachgewiesen werden, wiederum Faktoren, die mit einem erhöhten Risiko intraluminaler
Mikrothrombenbildung einhergehen.
Da histopathologisch Ähnlichkeiten zwischen leukozytoklastischer Vaskulitis und reaktiver
Angioendotheliomatose auffällig sind, wird die reaktive Angioendotheliomatose auch
als Folge einer „ausgebrannten Vaskulitis” diskutiert [35]. Unterstützt wird die Diskussion von Salama et al. [29], der bei Patienten mit reaktiver Angioendotheliomatose nachweisbare Immunglobulinablagerungen
entlang der Gefäßwände beschreibt. Tomasini et al. [32] berichtet über die seropositive rheumatoide Arthritis als Begleiterkrankung der
reaktiven Angioendotheliomatose. Auch diese Fallbeschreibung befürwortet die These
einer Immunkomplex-mediierten Vaskulitis, die von intra- und perivaskulärer Entzündungsreaktion,
Mikrothrombenbildung, Endothelzellhyperplasie und -proliferation begleitet sein kann.
Die Pathogenese der malignen Angioendotheliomatose ist bis heute weitgehend unbekannt.
Khalidi et al. [9] beobachteten in einigen Fällen angiotroper B-Zell-Lymphome die Expression des Oberflächenantigens
CD5. CD5 wird bei der chronischen lymphozytischen Leukämie (B-CLL) und beim zentrozytischen
Lymphom (Mantelzell-Lymphom), sonst ausschließlich bei T-Zell-Lymphomen exprimiert.
Bezüglich der Pathogenese ist zu diskutieren, ob die maligne Angioendotheliomatose
aus einer bekannten CD5-positiven B-Zell-Linie oder einer spezifischen frühen Phase
der B-Zell-Differenzierung entsteht.
Prognose
Während die reaktive Angioendotheliomatose in der Regel nach Therapie der assoziierten
Grundkrankheit, häufig auch spontan ohne Therapie, komplikationslos abheilt, ist die
Prognose der malignen Angioendotheliomatose auch nach Multichemotherapie infaust.
Kurz- und Langzeitremissionen wurden nach Chemotherapie mit den Zytostatika Methotrexat,
Doxorubicin, Cyclophosphamid, Vincristin, Prednisolon und Bleomycin beobachtet [12]. Da die Todesursache bei der malignen Angioendotheliomatose jedoch meist auf neurologische
Ausfälle zurückzuführen ist, wurden Langzeitremissionen vor allem bei Patienten ohne
neurologische Symptomatik beschrieben. Die mittlere Überlebenszeit nach Erstdiagnose
beträgt 13 Monate [2].
Schlussbemerkung
Benigne und maligne Angioendotheliomatose lassen sich vom klinischen Aspekt an der
Haut oft nicht unterscheiden. Aufgrund der unterschiedlichen Prognose und der Notwendigkeit
einer frühen Therapieeinleitung im Falle der malignen Form ist die richtige Diagnosestellung
anhand Histologie und Immunhistologie sowie Berücksichtigung des neurologischen Bildes
von entscheidender Bedeutung für den Patienten.