Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ist eine langsam progrediente Erkrankung,
an deren Ende eine chronisch respiratorische Globalinsuffizienz steht. Wenn dieses
Stadium der Erkrankung erreicht wird, ist die weitere Prognose der Patienten schlecht.
Anón [2] berichtete eine 1-Jahresmortalität von 75 % und eine 5-Jahressterblichkeit von 85
%, wenn Patienten mit schwerer COPD invasiv beatmungspflichtig werden. Dies deckt
sich mit älteren Untersuchungen aus den siebziger Jahren [18].
Die etablierte medikamentöse Therapie mit Bronchodilatatoren (Anticholinergika, β2-Agonisten, Theophyllin) hat nur symptomlindernden Charakter, ohne dass die Langzeitprognose
der COPD wesentlich beeinflusst wird [3]. Auch der Versuch, die durch Granulozyten und aktivierte Alveolarmakrophagen getragene
Entzündung durch Kortikosteroide zu günstig zu beeinflussen, muss als gescheitert
angesehen werden (Übersicht bei [7]). Somit ist die Langzeitsauerstofftherapie bislang die einzige Maßnahme, die einen
Überlebensvorteil für COPD-Patienten belegen konnte. Dies gilt allerdings nur dann,
wenn sie mindestens 15, besser mehr als 18 Stunden pro Tag angewendet wird [13]
[14].
Je ausgeprägter jedoch die Hyperkapnie im Verlauf der Erkrankung wird, umso schwieriger
wird eine ausreichend dosierte Sauerstofftherapie, da mit dem PaO2 gleichzeitig der PaCO2 ansteigt. Dies hat - neben negativen Effekten auf den Atemantrieb - vor allem Konsequenzen
auf das kardiovaskuläre System. Kohlendioxid führt über eine Aktivierung von Chemorezeptoren
zu einem Anstieg des peripheren und des pulmonalarteriellen Widerstands mit nachfolgender
arterieller und pulmonaler Hypertonie, gleichzeitig steigt der Hirndruck an und es
kommt zur Verschlechterung der zerebralen Perfusion [1]. Hyperkapnie scheint die Prognose der Patienten direkt negativ zu beeinflussen [9].
Die Hyperkapnie des COPD-Patienten ist primär nicht die Folge der krankheitsbedingten
Gasaustauschstörung, sondern aufgrund der Überblähung der Lunge kommt es zu einer
Abflachung des Zwerchfells und zu einer Horizontalstellung der Rippen. Dadurch verschlechtert
sich der Wirkungsgrad der Atemmuskulatur, der Energiebedarf der Muskulatur pro Atemzug
erhöht sich, eine chronische Erschöpfung der Atemmuskelpumpe entwickelt sich. Hyperkapnie
ist somit überwiegend die Folge einer alveolären Hypoventilation [16].
Neuromuskuläre Erkrankungen (Progressive Muskeldystrophien wie Morbus Duchenne; Schädigungen
des Nervensystems wie bei Amyotropher Lateralsklerose, Guillain-Barré-Syndrom, u.
a) und Wirbelsäulenfehlbildungen (BWS-Kyphoskoliose) gehen in ähnlicher Weise mit
einer Erschöpfung der Atemmuskelpumpe und einer daraus resultierenden chronischen
Hyperkapnie einher. Diese Erkrankungen werden seit etwa 10 Jahren erfolgreich mittels
intermittierender Selbstbeatmung (ISB) über Gesichts- oder Nasenmasken behandelt.
Die Entwicklung eines Cor pulmonale wird dadurch verhindert, ein bereits erhöhter
pulmonaler Druck kann auf Dauer gesenkt werden, die Prognose der meist jungen Patienten
bessert sich [17].
Von daher lag es nahe, das Prinzip der ISB auch auf die COPD mit respiratorischer
Globalinsuffizienz zu übertragen. Dies wurde ab Mitte der 90er Jahre durch verschiedene
Studien unterstützt, die bei akuter Exazerbation einer obstruktiven Atemwegserkrankung
einen Nutzen von nicht-invasiver Beatmung unter Beweis stellen konnten. Mittels nicht-invasiver
Beatmung gelang es meist rasch, Hypoxie und Hyperkapnie zu regulieren und damit eine
Intubation des Patienten zu vermeiden [4]. Inzwischen wird ISB zunehmend bei COPD-Patienten eingesetzt; der Einsatz der Methode
ist längst von spezialisierten Beatmungszentren auf Versorgungskrankenhäuser übergegangen,
und auch die Kosten der Beatmung wurden ein nennenswerter Faktor in der Versorgung
von COPD-Patienten [8].
Kann man aber aus den guten Langzeitergebnissen bei neuromuskulären Erkrankungen den
gleichen Vorteil für Patienten mit COPD erwarten? Bedeutet therapeutischer Erfolg
in der Akutphase gleichzeitig Prognoseverbesserung im Langzeitverlauf der chronisch
respiratorischen Insuffizienz der COPD? Die Datenlage, die zur Beantwortung dieser
Fragen herangezogen werden könnte, ist überraschend dürftig. Einer die ISB bei COPD
unterstützenden Studie stehen 4 negative gegenüber. Alle Untersuchungen haben zudem
erhebliche methodische Schwächen.
Meecham-Jones [12] untersuchte 18 Patienten mit schwerer COPD (FEV1 0.86 l, FVC 2.03 l) und respiratorischer Globalinsuffizienz (PaO2 45 mm Hg, PaCO2 56 mm Hg) über 3 Monate cross-over, zuerst Sauerstofftherapie alleine, dann nicht-invasive
Beatmung (pressure support ventilation [PSV], inspiratorischer Druck im Mittel 20
cm H2O, exspiratorischer 4 cm H2O) plus Sauerstofftherapie. Er zeigt sowohl deutliche Veränderungen der Blutgase (PaO2-Anstieg auf 50 mm Hg, PaCO2-Abfall auf 50 mm Hg gegenüber dem Ausgangswert nach 12 Stunden Beatmungspause), als
auch Verbesserungen der Schlaf- und der Lebensqualität. Problem der Studie war jedoch,
dass 10 Patienten vor Studienbeginn Schlafstörungen aufwiesen, die durch die Therapie
beseitigt wurden. Es konnte letztlich nicht ausgeschlossen werden, dass dies die Ergebnisse
der Untersuchung wesentlich beeinflusst hat.
Strumpf [19] ventilierte in einer offenen, nicht kontrollierten Untersuchung 23 Patienten mit
PSV und fand für keinen Parameter eine wesentliche Verbesserung. Allerdings beendeten
nur 7 Patienten die dreimonatige Studienphase, alle anderen tolerierten die Maske
nicht. Zudem waren die Patienten mit einem PaCO2 von im Schnitt 46 mm Hg mehrheitlich nicht hyperkapnisch.
Lin [10] zeigte ebenfalls keinen Vorteil für 10 Patienten, die in einer nicht kontrollierten
Studie untersucht wurden, der Beobachtungszeitraum betrug jedoch nur 1 Monat.
Eine von der Studiengestaltung deutlich bessere Untersuchung wurde von Casanova [5] vor kurzem publiziert. Patienten mit stabiler, schwerer COPD (FEV1 0,82 l, FVC 2,12 l, PaO2 55,7 mm Hg, PaCO2 50,7 mm Hg) wurden randomisiert und entweder mit Sauerstofftherapie (n = 25) oder
mit Sauerstofftherapie plus nicht-invasiver Beatmung (n = 26, PSV, mittlere Drucke
12/4 cm H2O) versorgt. Evaluationen erfolgten nach 3 und 12 Monaten. Weder hinsichtlich Mortalität
(22 % in beiden Gruppen), noch in der Exazerbationsrate, der Zahl der Krankenhausaufenthalte
und der Notwendigkeit einer Intubation mit herkömmlicher Beatmung gab es Unterschiede
zwischen den Gruppen.
Vor wenigen Wochen wurden die Ergebnisse einer multizentrisch angelegten, italienisch/französischen
Studie über ISB bei Patienten mit stabiler COPD publiziert [6]. Diese ist die erste Studie, bei der eine größere Zahl von Patienten (122 eingeschlossen,
90 randomisiert) über einen längeren Zeitraum (mindestens zwei Jahre) prospektiv untersucht
wurde. Eingeschlossen wurden Patienten, die seit mindestens sechs Monaten unter Langzeitsauerstoff-Therapie
(LTOT) standen und in Ruhe bei Raumluftatmung einen PaCO2 > 50 mm Hg und einen PaO2 < 60 mm Hg aufwiesen. Sie wurden in zwei Gruppen, entweder LTOT alleine (n = 47)
oder LTOT plus ISB (n = 43), randomisiert. ISB wurde immer im „pressure support ventilation”
(PSV)-Modus durchgeführt. Die Compliance zu LTOT war sehr gut, und ISB wurde mit durchschnittlich
9 h/Tag ebenfalls gut von den Patienten akzeptiert. Die ISB-Gruppe wies nach einem
Jahr kleine, statistisch zwar signifikante, klinisch jedoch unbedeutende Verbesserungen
hinsichtlich Dyspnoeempfindung und gesundheitsbezogener Lebensqualität auf, nicht
jedoch in der Mortalität oder in der Zahl der stationären Behandlungstage. Zwar zeigte
sich ein Trend zu weniger Krankenhaustagen der ISB-Patienten und zu mehr Krankenhaustagen
bei den LTOT-Patienten, beides erreichte jedoch keine statistische Signifikanz. Die
Zahl der Behandlungstage auf der Intensivstation war in beiden Gruppen reduziert;
sie war in der ISB-Gruppe noch tendenziell geringer als in der LTOT-Gruppe.
Kritisch anzumerken ist das sehr behutsame Vorgehen in der Beatmungseinstellung. Bereits
eine Reduktion des Ausgangs-PaCO2 um 5 % unter Beatmung im Wachzustand wurde als Beatmungserfolg angesehen. Die verwendeten
Beatmungsdrucke von inspiratorisch 14 ± 3 cm H2O und exspiratorisch 2 ± 1 cm H2O sind für Patienten mit schwerer COPD wahrscheinlich zu niedrig. Ausschlaggebend
für diese Einstellungen war der Komfort für den Patienten.
Das Problem aller Studien mit negativem Ausgang für ISB ist, dass die Patienten im
Vergleich zu Meecham-Jones weniger hypoxisch und deutlich weniger hyperkapnisch waren.
Die von Vitacca erst kürzlich vorgeschlagenen Kriterien für nicht-invasive Beatmung
von COPD-Patienten [20] wurden von den meisten Patienten dieser Studien nicht erfüllt. Zudem wurden deutlich
niedrigere Beatmungsdrücke (inspiratorisch 12 cm H2O bei Casanova, 14 cm H2O bei Clini, gegenüber 20 cm H2O bei Meecham-Jones) gewählt. Geht man davon aus, dass etwa 50 % des an der Maske
applizierten Drucks aufgrund des erhöhten Atemwegswiderstands und des hohen Totraums
verloren geht [15], erzielt man folglich kaum intratracheale Drucke, die geeignet erscheinen, eine
ausreichende Ventilation herbeizuführen. Da sich jedoch der Erfolg der Beatmung bei
COPD in erster Linie anhand der Senkung des PaCO2 abschätzen lässt [11], ist der Misserfolg dieser Untersuchungen vorgezeichnet.
Ein weiteres Problem der genannten Untersuchungen liegt darin, dass der Beobachtungszeitraum
mit Ausnahme der Arbeiten von Casanova und Clini viel zu kurz war, um eine Veränderung
der wesentlichen Endparameter Morbidität und Mortalität tatsächlich zu registrieren.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass weder die Pro-, noch die Kontra-Untersuchungen
überzeugen; letztlich fehlt es zum jetzigen Zeitpunkt an wissenschaftlichen Daten
zur endgültigen Beurteilung von ISB als Dauerbehandlung bei COPD-Patienten. Insbesondere
ist unklar, welche Patienten überhaupt für eine solche Therapieoption infrage kommen.
Offen sind unter anderem folgende Fragen: Ab welchem PaCO2 soll die Beatmung beginnen? Dürfen nur hyperkapnische Patienten beatmet werden oder
stellt die pulmonale Hypertonie, die ja die Prognose der Erkrankung entscheidend bestimmt
[9], auch eine Indikation dar? Ist Letzteres gar eine Kontraindikation, weil durch Beatmung
die rechtsventrikuläre Nachlast erhöht und der Ventrikel möglicherweise weiter belastet
wird? Was ist das Beatmungsziel (Normalisierung des PaCO2? Senkung des pulmonalarteriellen Drucks? Verbesserung der Funktion der Atemmuskelpumpe?
Verbesserung der Oxygenierung im Schlaf?) und mit welcher Beatmungseinstellung ist
das zu erreichen? Welches sind die Zielparameter, die letztlich über den Erfolg der
Methode entscheiden (Verbesserung der Mortalität? Erhöhung der Lebensqualität, Steigerung
der Belastbarkeit?)? Nur eine große, multizentrische Studie wäre in der Lage, zumindest
Teilantworten zu geben. Solche Untersuchungen sind teuer. Anders als die Pharmafirmen
bei Medikamentenprüfungen, verfügt die Medizingeräteindustrie nicht über die Mittel,
größere Studien zu finanzieren. In Anbetracht mangelnder Optionen zur Verbesserung
der Prognose respiratorisch insuffizienter Patienten und der ökonomischen Brisanz,
die mit dem breiten Einsatz nicht-invasiver Beatmungsverfahren verbunden ist, wäre
es sicher sinnvoll, wenn eine solche Untersuchung entweder von den Kostenträgern selbst
oder durch öffentliche Mittel unterstützt würde.
Zum jetzigen Zeitpunkt meinen wir, dass ein genereller Einsatz intermittierender Selbstbeatmung
bei Patienten mit COPD nicht zu befürworten ist. Da „evidence-based medicine” zu dieser
Frage nicht zur Verfügung steht, sollte von einer Expertenkommission an erfahrenen
Zentren festgelegt werden, bei welchen Patienten in Einzelfällen ein Therapieversuch
unternommen werden sollte und wie der Therapieerfolg zu messen ist. Nur so kann vermieden
werden, dass ein theoretisch überzeugender Therapieansatz durch falsche Anwendung
generell in Misskredit gerät.