Aktuelle Urol 2002; 33(1): 24-30
DOI: 10.1055/s-2002-41944
Qualitätsmanagement

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Anforderungen an ein Leistungs- und Kostencontrolling in der Urologie auf Basis des G-DRG-Systems

Jens Ritter1
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Jens Ritter

Hamburg

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07 February 2002 (online)

 
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Zusammenfassung

Ein wichtiges Instrument zur Steuerung der Ausgabendynamik im Gesundheitssystem ist die Krankenhausfinanzierung. Mit dem DRG-Fallpauschalensystem sollen alle Krankenhausleistungen ab 2003 bzw. 2004 fallbezogen vergütet werden. DRGs sind ein in den USA entwickeltes diagnosebezogenes Fallgruppensystem. Die Zuordnung zu einer der 661 DRG-Fallgruppen erfolgt über die ICD 10 und OPS § 301-Kodierungen. Eine DRG-Gruppenzuweisung findet mit Hilfe von Zuordnungskriterien automatisiert über eine Grouper-Software statt. Medizinische Daten sind zukünftig und erstmalig für alle stationären Krankenhausleistungen vergütungsrelevant. Zur Sicherung einer richtigen Kodierung bedarf es zusätzlicher Vorkehrungen im Leistungscontrolling.

Der Erlös für die Behandlung wird aus 2 Komponenten bestimmt, dem Kostengewicht und dem mittleren Basisfallwert. Zum Zweck der Leistungssteuerung sind den medizinischen Abteilungen Mengen- und Case-Mix-Abweichungen zur Verfügung zu stellen (Case-Mix ist die Summe der Relativgewichte aller erbrachten DRGs). Verlust- bzw. Überschusssituationen inkl. der Erlösausgleichsmechanismen müssen für den Leistungserbringer kalkulierbar sein. Als zusätzliche Zielsetzung einer Kostenrechnung muss die Kalkulation von Fallkosten innerhalb der unterschiedlichen DRG-Gruppen möglich sein. Es ist notwendig, den Behandlungsprozess des Patientenfalls über die gesamte Klinikverweildauer Schritt für Schritt in den Organisationseinheiten nachvollziehbar zu gestalten. Die Addition der Kostenmodule entspricht abschließend den Gesamtfallkosten, während über die DRG-Grouper-Zuordnung die dazugehörige DRG-Gruppe ermittelt wird. Kosteninformationen zu Wirtschaftlichkeitsreserven werden darstellbar, wenn das Fallkostenkalkulationsmodell um eine Prozesskostenkalkulation ergänzt wird.

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Situation der Krankenhausfinanzierung

Mit ca. 34 % der Leistungsausgaben verursacht der stationäre Krankenhausbereich einen großen Anteil der Leistungsausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung. Von 1991 bis 1998 stiegen die Ausgaben für die Krankenhausbehandlung schneller als die gesamten Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenkassen. Angesichts dieser Dynamik versucht der Staat immer wieder, diese Ausgabeentwicklung regulierend zu begrenzen. Eines seiner wichtigsten Instrumente zur Steuerung der Ausgabendynamik ist das Verfahren der Krankenhausfinanzierung, welches in den vergangenen Jahren wiederholt Gegenstand der gesetzgeberischen Reformbemühungen war.

Ziel von Reformbemühungen des Finanzierungsverfahrens ist es u.a., die Allokation von Gesundheitsleistungen, die Transparenz des Leistungsgeschehens sowie den Krankenhäusern Anreize zu geben, ihre Wirtschaftlichkeitsreserven ausnutzen. Mit der neuesten Reform will der Gesetzgeber in der Krankenhausfinanzierung insbesondere ein neues durchgängiges pauschalierendes und leistungsorientiertes Entgeltsystem optional zum 1. Januar 2003 und verpflichtend zum 1. Januar 2004 für den voll- und teilstationären Krankenhausbereich einführen.

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Das G-DRG-System

Im Fallpauschalen- und Sonderentgeltsystem der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) gibt es zurzeit 94 verschiedene Fallpauschalen und 145 Sonderentgelte, die sich auf die 21 körperregion-, organsystem- bzw. leistungsartbezogenen Hauptgruppen aufteilen. 1998 deckten die Erlöse aus Fallpauschalen und Sonderentgelten lediglich 24,3 % der gesamten Krankenhauserlöse ab. Mit dem DRG-Fallpauschalensystem sollen hingegen bis auf die Psychiatrie und andere speziellen Leistungen wie u.a. für Bluter- und Dialysepatienten alle Krankenhausleistungen fallbezogen vergütet werden. Die nicht im DRG-Gruppenkatalog abgebildeten Leistungen können mit Zusatzentgeltvereinbarungen belegt werden.

DRGs sind ein in den USA entwickeltes diagnosebezogenes Fallgruppensystem für stationäre Patienten. Zielsetzung des Vollfallpauschalensystems ist kostenaufwendige Behandlungsfälle anhand von medizinischen Kriterien in kostenhomogenen Fallgruppen abzubilden. Ausgangspunkt der DRG-Entwicklung waren Überlegungen an der Yale Universität, für die betriebliche Leistungssteuerung und das Qualitätsmanagement in Krankenhäusern die Vielfalt des stationären Leistungsgeschehens besser beschreibbar zu machen und dabei insbesondere einen verlässlichen Indikator für die Fallschwere von behandelten Patienten zu bekommen. Damit sollte sowohl die Basis geschaffen werden, bessere Vergleichsmöglichkeiten von Krankenhausleistungen als auch eine leistungsgerechte Vergütung einzuführen. Verlässliche Informationen über die unterschiedliche Fallschwere (case mix) von Krankenhauspatienten bilden dabei eine rationale Erklärungsbasis für Kostendifferenzen.

Gesucht wurde laut Gesetzestext ein international eingeführtes und erprobtes Fallpauschalensystem, das Schweregrade und Begleiterkrankungen hinreichend abbildet und das bei aller notwendigen Differenzierung praktikabel, d.h. begrenzt in der Gruppenzahl ist. Die Abbildung der Fallgruppen im Australischen (AR-) bzw. Deutschen (G-)DRG-System ist speziell anhand der Variablen Altersplit, und Umfang in Form von 5 Gradienten in den CC-Stufen (Nebendiagnosen und Komplikationen), am differenziertesten. Da beim G-DRG-System die Vergütung von Krankenhausleistungen im Vordergrund steht, ist besonders darauf zu achten, dass die Gesamtzahl der Gruppen übersichtlich und begrenzt ist. Die Höhe der Lizenzgebühr war mit ein Kriterium bei der Auswahl des AR-DRG-Systems für das Deutsche. Das AR-DRG-System besitzt zur Zeit 661 Fallgruppen, die sich in der Zusammensetzung über den praktischen Einsatz als stabil erwiesen haben.

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Zuordnungsregeln und Zuordnungskriterien

Die Zuordnung zu einer der 661 DRG-Fallgruppen erfolgt über eine der 23 Hauptkategorien (MDC = Major Diagnosic Categorie). Die Hauptkategorien orientieren sich an Organsystemen, wie z.B. MDC-Gruppe Nr. 11 „Nieren und Harnwege”, oder an Krankheitsursachen wie Infektion, Schädelhirntrauma, Intoxikation usw..

Vorweggeschaltet ist eine Sondergruppe, die 8 Fallgruppen mit besonders teuren Leistungen wie z.B. Transplantation, Tracheotomie und Langzeitbeatmung enthalten, und eine Fehlergruppe mit 7 Fehler-DRGs wo Fälle auflaufen, die nicht eindeutig zugeordnet werden können.

Nach Zuweisung über die Hauptdiagnose und/oder Hauptprozedur in eine der 23 Major Diagnostic Categories findet eine mögliche Aufteilung in 3 Partitionen statt [Abb. 1]. Die chirurgische Partition berücksichtigt mindestens einen operativen Eingriff mit OP-Saal-Nutzung passend zur Hauptdiagnose. Die sonstige Partition umfasst interventionell-diagnostische oder interventionell-therapeutische Eingriffe ohne Nutzung von OP-Sälen, während die medizinische Partition konservative Behandlungen ohne gruppierungsrelevante Prozeduren beschreibt.

Innerhalb der Partition ist eine weitere fachliche Differenzierung über die ICD 10 und OPS § 301-Kodierungen zum sogenannten Patient Clinical Complexitiy Level (PCCL) darstellbar. Folgende 5 Schweregrade sind im DRG-System vorgesehen: 0 = Keine erschwerende Nebendiagnose; 1 =l eichte Begleiterkrankung; 2 = mittlere Begleiterkrankung; 3 = schwerwiegende Begleiterkrankung; 4 = katastrophaler Schweregrad.

Nach der fachlichen PCC-Level-Betrachtung folgt die Kostenbetrachtung und damit die Zuordnung in die jeweilige DRG-Gruppe. Primäres Ziel ist nicht die differenzierte Darstellung der Kosten des Einzelfalls, sondern die sachgerechte Abbildung der Kosten des Durchschnittfalls in der DRG-Gruppe. Die DRG-Gruppenzuordnung findet mit Hilfe von Zuordnungskriterien automatisiert über eine Grouper-Software statt. DRG-Gruppen mit dem Endbuchstaben A signalisieren einen hohen Ressourcenaufwand bei der medizinischen Behandlung, während der Buchstabe B einen mittleren und der Buchstabe C einen niedrigen Ressourcenaufwand widerspiegelt. DRG-Gruppen mit Z-Endziffern sehen keine Aufwandsdifferenzierungen in der DRG-Gruppe vor. Die Aufwandsdifferenzierung wird im DRG-Sytem nicht über absolute, sondern über relative Größen den Relativgewichten (rV=relativ Value) dargestellt. Ein Kostenaufwand, der genau den durchschnittlichen Kostenaufwand aller Patienten widerspiegelt, bildet sich mit einem rV-Wert von 1 ab. Das AR-DRG-System weist eine Streuung in den rV-Werten zwischen 0,19 und 51 auf. Behandlungsfälle mit z.B. einem rV von 3 verursachen somit einen dreifachen Kostenaufwand während der gesamten Krankenhausbehandlung.

Eine Auswahl von DRG-Gruppen inklusive Gewichtungen aus dem AR-DRG-System für die MDC-Gruppe 11 (Erkrankungen der Niere und Harnwege) und MDC Gruppe 12 (Erkrankungen und Störungen der männlichen Geschlechtsorgane) ist in [Tab. 1] dargestellt.

Von 661 DRG-Fallgruppen entfallen zur Zeit auf die chirurgische Partition 267, auf die sonstige 36 sowie auf die medizinische Partition 343 Fallgruppen. Zuordnungskriterien wie Hauptdiagnose, Nebendiagnosen, Hauptleistung, Nebenleistungen, Alter, Geschlecht, Verweildauer, Urlaubstage, Entlassungsart, Aufnahmegewicht, Anzahl der Stunden unter künstlicher Beatmung, Kennzeichnung 1-Tages-Fall sind innerhalb des Behandlungsprozesses zu dokumentieren und führen zu entsprechenden DRG-Fallgruppen-Zuordnungen.

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Daten- und Leistungscontrolling

Mit der Gesetzesentscheidung vom 29. August 2001 zur Einführung des diagnoseorientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser (Fallpauschalengesetz FPG) beginnt erst die wirkliche Herausforderung für die Selbstverwaltung. Denn es geht um die notwendige Anpassung und Umsetzung an die Besonderheiten des deutschen Versorgungssystems in kurzer Frist. Seit November 2000 stehen die Diagnosen- und Prozedurenkataloge ICD 10 SGB V 2.0 und OPS 301 Version 2.0 zur Verfügung. Die Allgemeinen Kodierrichtlinien liegen seit April 2001 vor, während die speziellen Kodierrichtlinien seit Ende September 2001 über die Selbstverwaltungspartner verfügbar sind. Im Gegensatz zu den Allgemeinen Kodierrichtlinien, die vom Prinzip die Definition und Reihenfolge von Haupt- und Nebendiagnosen regeln, sind die speziellen Kodierrichtlinien über die 19 Kapitel krankheitsspezifisch und auf bestimmte Fallkonstellationen ausgerichtet.

Die Wirksamkeit und Leistungsfähigkeit des DRG-Systems hängt im besonderen Maße von der Qualität der Daten für den Zuweisungsalgorithmus bzw. Gruppierungsprozess ab. Die Kodierqualität in den medizinischen Daten ist zukünftig und erstmalig für alle stationären Krankenhausleistungen vergütungsrelevant. Wird zum Beispiel die Hauptdiagnose unter Mißachtung der allgemeinen Kodierrichtlinie vom „Akuten transmyokardialen Herzinfarkt” in eine „Chronische Niereninsuffizienz” getauscht, verändert sich das Australische-rV und damit der prognostizierte Ressourcenaufwand von 2,25 auf 1,27 oder umgekehrt ([Tab. 2]).

Grundsätzlich besteht die Gefahr, dass durch eine unzureichende Kodierung z.B. relevanter Nebendiagnosen und Nebenprozeduren zentrale Informationen für die DRG-Gruppenbildung verloren gehen und die Fallschwere nicht angemessen abbildbar ist. DRGs mit Komplikationen oder Komorbiditäten sind daher unter Umständen gar nicht besetzt. Zum Beispiel ist die Harnwegsinfektion in [Tab. 3] rechts nicht verschlüsselt worden. Nach den Australischen-rV stellt dies eine Differenz von 1,07 dar, d.h. den Kostenaufwand für einen ganzen Behandlungsfall. Ob diese Diskrepanz im rV für das deutsche System auch bestehen bleibt, kann zur Zeit noch nicht abschließend beantwortet werden, da die Deutschen rV noch nicht nach einem einheitlichen Kostenmodell kalkuliert sind.

Erfahrungen in anderen Ländern zeigen eine prinzipielle Erhöhung der Fallschwere nach Einführung von DRG-Systemen, die allein durch die genauere Dokumentation der Diagnosen und Prozeduren eintritt. Zur Sicherung einer richtigen Kodierung bedarf es zusätzlicher Vorkehrungen im Leistungscontrolling. Überprüfungen und Kontrollen zu den Behandlungsprozeduren, im Fachabteilungs- sowie der Gesamtklinikmix mit internen und externen Vergleichsmöglichkeiten, müssen zwingend erfolgen. Neben Diagnose und Prozedurenverschlüsselungen sind dauerhaft der Case-Mix (CM) = (Summe der Relativgewichte aller erbrachten DRGs) sowie der Case-Mix-Index (CMI) = (Case-Mix/ungewichtete Zahl der Behandlungsfälle) für definierte Berichtszeiträume zu überwachen. Der Case-Mix-Index stellt die durchschnittliche Fallgewichtung in einer Fachabteilung oder des gesamten Krankenhauses dar und gibt damit die Aufwandskomplexität der behandelten Patienten an. Die Aufstellung in [Tab. 4] gibt die CMI-Werte für mehrere Fachabteilungen an.

Zu der Auflistung ist zu bemerken, dass im DRG-System immer die entlassende Abteilung die rV-Gewichte und die Entlassungsfälle gut geschrieben bekommt, auch wenn andere Abteilungen die Patienten vorbehandelt haben. Mit diesem Sachverhalt liegt eine Ungenauigkeit in Bezug auf die Trennschärfe der CMI-Werte zwischen den Abteilungen vor.

Zusätzlich zur Datenanalyse und Kontrolle der Kodierungen sind Schulungen, Unterweisungen und Beratungsfunktionen unumgänglich. EDV-Tools werden für den Prozess der Plausibilitäts- und Qualitätskontrollen der Daten hilfreiche Unterstützer sein. Für die Sicherung der Kodierqualität muss in der jeweiligen Abteilung ein angemessenes Verfahren entwickelt, implementiert und dauerhaft evaluiert werden.

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Preisbildung und Erlöscontrolling

Administrierte Preise werden hoheitlich durch staatliche Behörden oder eine vom Staat legitimierte Institution festgesetzt: Häufig sind mit administrierten Preisen sozial- oder wirtschaftspolitische Ziele des Staates verknüpft. Ein einheitliches Entgelt für gleiche Leistung kann in diesem Preisbildungsverfahren am besten durchgesetzt werden. Um die Höhe der Preise zu bestimmen, gewinnen die Kosten für die Preisfindung an Bedeutung. Der erwartete Ressourcenaufwand zur Erbringung eines bestimmten Leistungskomplexes wird zur Richtschnur der Preisfestsetzung. Im Gegensatz zur Kostenerstattung werden die zu erwartenden Kosten vor der zu vergütenden Leistungserstellung bestimmt und zum einheitlichen Preis erklärt. Als Basis dienen die Durchschnittskosten mehrerer Anbieter. Dieses Modell der Preisbestimmung soll im Deutschen DRG-System umgesetzt werden, wobei der Preis von 2 Komponenten bestimmt wird. Dem rV-Gewicht in der jeweiligen DRG-Gruppe einerseits und dem mittleren Basisfallwert anderseits. Die Relativgewichte werden mit Hilfe eines standardisierten deutschen Kostenkalkulationsmodells durch Analyse der Behandlungskosten festgelegt und intermittierend weitergepflegt. Eine Übernahme der Kostengewichte aus anderen Ländern wurde in Frage gestellt, da in den Ländern andere Preisrelationen vorherrschen, z.B. im Bereich der Medikalprodukte oder der Personalkosten.

Der mittlere Basisfallwert (MBW) ist die politische Preiskomponente. Er wird wie bei den Punktwerten im bestehenden Fallpauschalen- und Sonderentgeltsystem vorerst auf Landesebene einheitlich für die Krankenhäuser des jeweiligen Bundeslandes festgelegt. Der MBW ist stark bestimmt von der Maßgabe der Beitragsstabilität, der zur Verfügung gestellten Geldressourcen für die Gesundheitsversorgung eines Bundeslandes sowie der medizinischen Leistungsentwicklung.

Mit Wirkung des DRG-Preissystems verpflichtend ab 2004 gilt folgende Formel für die Vergütung der stationären Krankenhausbehandlungen: Fallerlös = rV der DRG-Gruppe x MBW. Während die rV mit Hilfe einer standardisierten Kostenkalkulation ermittelt werden, gestaltet sich die MBW-Bildung für die Errechnung des Krankenhauserlöses in den verschiedenen Phasen der Finanzierungsumstellung unterschiedlich. In der Budgetneutralen Phase 2003 und 2004 kommt der krankenhausindividuell ermittelte MBW bei der Erlösermittlung und Abrechnung zum Tragen. Der krankenhausindividuelle MBW beläuft sich im folgenden Beispiel auf 5200 DM, während der landesweit festgesetzte MBW 4000 DM beträgt. Insgesamt werden für die folgend aufgeführten Fälle 30628 DM erlöst [Tab. 4].

In der Konvergenzphase über die Jahre 2005, 2006 und 2007 ist ein gesetzlicher Anpassungsprozess vom krankenhausindividuellen MBW zum landesweit festgesetzten MBW vorgeschrieben. Die Fallerlöse würden sich um die gesetzlichen Vorgaben reduzieren. In dem obengenannten Beispiel werden über einen krankenhausindividuellen MBW 30628 DM erlöst, bzw. unter Annahme des zuvor genannten landesweit festgesetzte MBW lediglich 23560 DM prognostiziert werden. Die Differenz, bedingt durch die divergierenden MBW, beläuft sich auf 7068 DM. Im Jahr 2005 und 2006 kommt ein Mix aus den beiden genannten MBW zum Tragen. Als Prämisse gilt, dass das in der Tabelle dargestellt Erlösvolumen für die Folgejahre identisch bleibt. Von 7068 DM Erlösdifferenz werden im Jahr 2005 anteilig 33,33 % für die Kürzung des Gesamterlöses vorgesehen. In der Summe erhält das Krankenhaus lediglich 28272 DM. Für das Jahr 2006 werden von der Erlösdifferenz von 7068 DM anteilig 50 % für die Kürzung des Gesamterlöses kalkuliert, so dass die Klinik 27094 DM für das dargestellte Beispiel erlöst. Ab 2007 kommt es zur Scharfschaltung des Systems unter des Maßgabe den landesweit festgesetzte MBW anzuwenden. Vom Effekt erhält die Klinik für die dargestellten DRG-Gruppen 23560 DM am Ende der Konvergenzphase.

Für Mehr- oder Mindermengen von Fallpauschalen über die vereinbarten Planumsätze sind wie im vergangenen Finanzierungssystem Erlösausgleiche vorgesehen. In den Umstellungsphasen des Finanzierungssystems wurden unterschiedliche Ausgleichsbeträge vom Gesetzgeber bestimmt [Tab. 5].

Für die Steuerung der Klinik bedeutet dies, wenn z.B. der Umsatz um 100000 DM vom Plan überschritten wird, so müssen in 2003, 75 % also 75000 DM an die Kassen zurückverrechnet werden. Mit den in der Klinik verbleibenden 25000 DM sind die Kosten für die zusätzlichen Leistungen abzudecken. Ob die beschriebene Mengenüberschreitung betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, kann lediglich durch eine Kalkulation der Grenzkosten geklärt werden. Zum Zweck der Leistungssteuerung sind den medizinischen Abteilungen Mengen- und CM-Abweichungen wegen der Erlösrelevanz zur Verfügung zu stellen.

Für die Erlösprognose einer Abteilung ist noch anzumerken, dass der Erlös aus der gesamten Krankenhausbehandlung immer der entlassenden Abteilung, die den DRG-Datensatz für die Abrechnung übermittelt hat, gutgeschrieben bekommt. Abteilungen, die vorbehandelte Patienten aus anderen Abteilungen übernehmen, erhalten höhere Erlösgutschriften als abgebende Abteilungen. Bei einer Erlösbudgetplanung ist dies zu berücksichtigen. Dazu müssen Verteilinstrumente entwickelt werden. Nach der DRG-Systematik erhalten mitbehandelnde Organisationseinheiten, die keine bettenführenden Bereiche darstellen wie z.B. die urologische Ambulanz kein primäres Erlösbudget. Die Kosten dieser Organisationseinheiten können nur über eine künstliche Verrechnung von Budgetanteilen mit Hilfe der innerbetrieblichen Leistungsverechnung (IBLV) gedeckt werden.

Ein weiteres Erlösproblem betrifft Verlegungen eines Behandlungsfalles zwischen Krankenhäusern, wenn diese gemeinsam die Behandlungsleistungen im Rahmen der DRG-Gruppe abschließen. Das entlassende Krankenhaus komplettiert den Datensatz für die Behandlungsleistungen und erhält nach Abrechnung mit den Kassen den Gesamterlös. Hier gilt es Regelungen zu finden, die die fallbezogene Pauschalzahlung zwischen den beteiligten Häusern aufteilt, soweit mit der Verlegung kein neuer Fall begründet wird.

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Kostencontrolling und Erfolgsrechnung

Verlust- bzw. Überschusssituationen inkl. Risikobeurteilungen müssen für den Leistungserbringer, bedingt durch die dargelegten Erlösausgleichsmechanismen, kalkulierbar sein. Anzahl und Zusammensetzungen der Fachabteilungen machten in der näheren Betrachtung in der Vergangenheit den Differenzierungsgrad des Rechnungswesens aus. In der traditionellen Kostenrechnung im Krankenhaus wurde das Prinzip verfolgt, Kosten von Hilfskostenstellen auf die Hauptkostenstellen zuzuordnen, um abschließend Kostensätze für das Hauptprodukt „Pflegetage” zu ermitteln. Die tagesgleichen Pflegesätze basieren auf Durchschnittskalkulationen von Kosten pro Tag in der jeweiligen Fachabteilung, ohne dass Vielfältigkeit von Diagnose- und Behandlungskosten verursachungsrecht auf den jeweiligen Patientenfall zugeschlüsselt werden können. Bedingt durch eine Vielzahl von Kostenschlüsselungen mit Durchschnittswerten sind die zu erwartenden Kostensätze wenig verursachungsgerecht im Sinne der Fallkostenkalkulation. Zur Steuerung von Organisationseinheiten und Abteilungen wird diese Form der Kostenrechnung weiterhin benötigt, ist aber zur abteilungsübergreifenden Behandlungsfallsteuerung nicht ausreichend.

Als zusätzliche Zielsetzung einer Kostenrechnung muss die Kalkulation von Fallkosten innerhalb der unterschiedlichen DRG-Gruppen möglich sein. Zum Zweck der Effizienzmessung ist der Behandlungsprozess des Patienten über die verschiedenen Leistungsstellen darzustellen. In den Leistungs- bzw. Kostenstellen werden Kostenarten zu Kostengruppen zusammengefasst, um eine Schlüsselung der Kosten auf die abgeforderten Leistungsarten und Leistungsmengen im Prozess der Patientenbehandlung zu erleichtern. Es besteht die Notwendigkeit, den Behandlungsprozess über die gesamte Klinikverweildauer Schritt für Schritt in den Organisationseinheiten nachvollziehbar zu gestalten. An dem dokumentierten Patientenverlauf sind die abgeforderten Einzelleistungen mit den bewerteten Kostenblöcken zu koppeln. Bei der vereinfachten Kostengruppenzuordnung kann auf eine differenzierte und individuelle Einzelkostenkalkulation direkt auf den Fall verzichtet werden. Dieses Verfahren ist im Deutschen Kostenkalkulationsmodell zur Ermittlung der Deutschen Kostengewichte als Näherungsmethode beschrieben. Ziel der eigenen Kostenkalkulation ist ein Vergleich der klinikinternen IST-Kosten in der jeweiligen DRG-Gruppe mit den Deutschen rV und den daran gekoppelten prognostizierten Erlösen. 3 Ergebnisse des Erlös-Kostenvergleichs sind denkbar:

  • Die Erlöse sind größer wie die Kosten

  • Die Erlöse entsprechen den Kosten

  • Die Erlöse sind kleiner als die ermittelten Kosten in der jeweiligen DRG-Gruppe

Für die genannte Analyse müssen die Kostenarten von Personal bis Sachkosten nach dem Modell für die Kostenstellengruppen - Bettenführender Bereich (Normalstation, Intensivstation, Dialyseabteilung), Medizinische Institutionen (OP, Anästhesie, Eingriffsraum und Kreißsaal, Bildgebende Diagnostik, Laboratorien, übrige diagnostische/therapeutische Bereiche) und die Basiskostenstelle - darstellbar sein [Abb. 2]. Beim Vorliegen der Kosteninformationen können diese den erbrachten sowie bezogenen Leistungen aus dem DRG- bzw. §301-Datensatz gegenübergestellt werden. Die Addition der Kostenmodule entspricht abschließend den Gesamtfallkosten, während die DRG-Grouper-Zuordnung die dazugehörige DRG-Gruppe ermittelt. Die festgestellten Kosten spiegeln die vorhandene Kostensituation auf Vollkostenbasis wider, d.h. in den Kosten sind eventuelle Unwirtschaftlichkeiten auch weiterhin enthalten.

Kosteninformationen zu Wirtschaftlichkeitsreserven werden darstellbar, wenn das skizzierte Fallkostenkalkulationsmodell um eine Prozesskostenkalkulation erweitert wird. Diese Maßnahme hat zum Ziel, Plankosten zu generieren. Die durch eine Prozessanalyse identifizierten und beschriebenen kleinsten Bausteine der Teilprozesse sind substanzielle Grundlage bei der Festlegung der Planprozesskosten. Die Prozesskostenkalkulation ist besonders gut anwendbar, wenn der Gemeinkostenanteil in der Wertschöpfung besonders hoch ist. Die erlaubten Kosten, die sich aus den DRG-Fallpauschalen ableiten lassen, werden bereichsübergreifend durch die Kosten- bzw. Leistungsstellen prozessbezogen ermittelt und kalkulatorisch zusammengefasst. Die ehemaligen Gemeinkosten pro Leistungseinheit sind bei dieser Methode detailliert aufgeschlüsselt.

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Abb. 1

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Abb. 2

Tab. 1 Auswahl von DRG-Gruppen inklusive Gewichtungen.

DRG-Gruppe

DRG-TEXT

rel. Gewicht Australien

L42Z

extrakorporale Stoßwellen-Lithotrypsie (ESWL) bei Harnsteinen

0,52

L41Z

Zystourethroskopie, ohne Komplikationen bzw. Begleiterkrankungen

0,45

L66Z

Strikturen der Urethra

0,47

L64Z

Harnsteine und Obstruktionen der Harnwege

0,51

L63C

Infektionen der Nieren und Harnwege, Alter unter 70 Jahre

0,78

L60C

Nierenversagen, Alter unter 70 Jahre, ohne katastrophale oder schwerwiegende Komplikationen bzw. Begleiterkrankungen

0,94

L63A

Infektionen der Nieren und Harnwege, Alter über 69 Jahre, mit katastrophalen oder schwerwiegenden Komplikationen bzw. Begleiterkrankungen

1,95

L62A

Neubildungen der Nieren und Harnwege mit katastrophalen oder schwerwiegenden Komplikationen bzw. Begleiterkrankungen

1,97

L01B

Nierentransplantation ohne katastrophale oder schwerwiegende Komplikationen bzw. Begleiterkrankungen

6,47

M63Z

Eingriffe zur Sterilisation beim Mann

0,33

M05Z

Circumcision (Beschneidung)

0,41

M61B

benigne Prostatahypertrophie ohne katastrophale oder schwerwiegende Komplikationen bzw. Begleiterkrankungen

0,48

M04B

Eingriffe an den Hoden ohne Komplikationen bzw. Begleiterkrankungen

0,59

M62B

Entzündungen der männlichen Geschlechtsorgane ohne Komplikationen bzw. Begleiterkrankungen

0,61

M61A

benigne Prostatahypertrophie mit katastrophalen oder schwerwiegenden Komplikationen bzw. Begleiterkrankungen

1,22

M02B

transurethrale Prostatektomie ohne katastrophale oder schwerwiegende Komplikationen bzw. Begleiterkrankungen

1,26

M01Z

größere Eingriffe am männlichen Becken

3,16

Tab. 2 Wichtig für die Leistungsfähigkeit des DRG-Systems ist die Qualität der Daten.

I21.3 Akuter transmyokardialer HI

N18 Chronische Niereninsuffizienz

N18 Chronische Niereninsuffizienz

I21.3 Akuter transmyokardialer HI

I10 essentielle Hypertonie

I10 essentielle Hypertonie

E11.8 Diabetes Mellitus Typ II rV =2,25

E11.8 Diabetes Mellitus Typ II rV = 1,27

Tab. 3 Durch unzureichende Kodierung können zentrale Informationen verloren gehen.

I50.1 Linksherzinsuffizienz

I50.1 Linksherzinsuffizienz

I25.1 artherosklerotische Herzkrankheit

I25.1 artherosklerotische Herzkrankheit

N18 Chronische Niereninsuffizienz

N18 Chronische Niereninsuffizienz

N39 Harnweginfekt Lokalisation n.n.b.

--- Harnwegsinfekt Lokalisation n.n.b.

E11.8 Diabetes Mellitus Typ II rV = 1,22

E11.8 Diabetes Mellitus Typ II rV = 1,22

Tab. 4 Der CMI gibt die Aufwandskomplexität der behandelten Patienten an.

Fachabteilungscode

Fachabteilung

CMI

0107

Innere Medizin

1,28

1500

Chirurgie

1,49

2200

Urologie

1,32

2400

Gyn./ Geburtshilfe

0,63

2600

HNO

0,82

Tab. 5 Die Formel für die Vergütung der stationären Krankenhausbehandlung lautet: Fallerlös = rV der DRG-Gruppe x MBW.

DRG-Gruppe

DRG-TEXT

rV

MBW

Fallerlös

L42Z

Extrakorporale Stoßwellen-Lithotrypsie (ESWL) bei Harnsteinen

0,52

5200 DM

2704 DM

L41Z

Zystourethroskopie, ohne Komplikationen bzw. Begleiterkrankungen

0,45

5200 DM

2340 DM

L66Z

Strikturen der Urethra

0,47

5200 DM

2444 DM

L64Z

Harnsteine und Obstruktionen der Harnwege

0,51

5200 DM

2652 DM

L63C

Infektionen der Nieren und Harnwege, Alter unter 70 Jahre

0,78

5200 DM

4056 DM

M01Z

größere Eingriffe am männlichen Becken

3,16

5200 DM

16 432 DM

 

 

 

Summe

30 628 DM

Tab. 6 Die Ausgleichsbeträge, die vom Gesetzgeber bestimmt wurden.

Jahr

Ausgleich Mehrerlöse

Ausgleich Mindererlöse

2003

75 %

95 %

2004

65 %

40 %

2005

65 %

40 %

2006

65 %

40 %

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Jens Ritter

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Abb. 1

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Abb. 2