Aktuelle Urol 2002; 33(1): 1-2
DOI: 10.1055/s-2002-42992
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Nierenerkrankungen -Renoprotektion als multimodales Konzept zur Prävention chronischer Nephropathien

Renate Ronge1
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Renate Ronge

Münster

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Publication Date:
07 February 2002 (online)

 
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Zusammenfassung

Weltweit ist eine Zunahme chronischer Nierenerkrankungen zu verzeichnen. Vielfach mangelt es an spezifischen Therapien. Die Folge ist eine unaufhaltsame Krankheitsprogression bis hin zur terminalen Niereninsuffizienz. Transplantation und Dialyse können zwar Leben verlängern und Lebensqualität sichern, aber Bedarf und Kosten solcher Nierenersatztherapien steigen stetig. Zudem werden die Dialysepflichtigen immer älter und die Zahl der diabetischen Nierenschädigungen wächst weiter. Berichte aus den USA belegen: Dort hat sich in den letzten 10 Jahren die Zahl urämischer Patienten auf 372 000 verdoppelt (Hochrechnungen erwarten bis 2010 etwa 650 000 Betroffene). Im gleichen Zeitraum stieg das Durchschnittsalter der Dialysepatienten von 58 auf 62 Jahre. Kostenanalytiker errechneten für die nächsten 10 Jahre eine Verdopplung der Aufwendungen für niereninsuffiziente Patienten auf insgesamt 31,5 Milliarden Euro. Einem europäischen Survey zufolge stellen Niereninsuffiziente zwar nur 0,02 % bis 0,06 % der Gesamtbevölkerung, benötigen aber 0,7 % bis 1,8 % des Gesundheitsbudgets.

Steuern wir also auf eine Rationierung der Nierenersatztherapie zu? Keine allzu abwegige Vorstellung, wie P. Ruggenenti u. Mitarb. in ihrem Review (Lancet 2001, 357: 1601-1608) schreiben. Menschen in weniger entwickelten Ländern hätten schon jetzt so gut wie keine Chance auf eine Nierenersatztherapie. Der Ausweg aus dem Dilemma könne nicht im Hinauszögern der Dialyse bestehen, betonen die Autoren. Erklärtes Ziel müsse sein, die Zahl der dialysepflichtigen Patienten möglichst weit zu senken - also Remission und Regression anstatt Progression. Die Gruppe um Ruggenenti hat dazu ein multimodales renoprotektives Konzept entworfen. Eckpfeiler der Strategie sind:

  • Blutdruckkontrolle,

  • Reduzierung der Proteinurie,

  • Senkung der Blutfette,

  • Nikotinabstinenz,

  • strenge Blutzuckereinstellung.

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Renin-Angiotensin-System sollte gehemmt werden

Im Vordergrund der Hypertoniekontrolle steht die Hemmung des Renin-Angiotensin-Systems. ACE (Angiotensin-Converting-Enzyme)-Inhibitoren verfügen auch bei Nichtdiabetikern über eine ausgeprägte renoprotektive Wirkung und besitzen im Vergleich zu anderen Substanzklassen einen weit größeren positiven Effekt auf die Eiweißausscheidung (bei vergleichbarer Blutdrucksenkung). Dies erscheint insofern bedeutsam, als die Proteinurie vermutlich den wichtigsten Einflussfaktor für das Progressionsrisiko darstellt. Erste Langzeitanwendungen lassen auf eine dauerhafte Wirkung der ACE-Hemmer schließen. Möglich erscheinen zudem synergistische Wirkungen mit Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten, die an einem anderen Punkt des Renin-Angiotensin-Systems angreifen - allerdings gibt es dazu nur spärliche klinische Daten. Ob Kalziumkanalblocker eine renoprotektive Wirkung besitzen, wird noch kontrovers beurteilt. Bislang fehlen kontrollierte klinische Studien. Nicht-Dihydropyridin-Derivate hatten zumindest in experimentellen Testreihen einen positiven Effekt auf die Nieren.

Zusammenhänge zwischen Dyslipidämien und Progression von Nephropathien scheinen sich zu erhärten. Das gilt besonders für erhöhte LDL-Cholesterin- und Apolipoprotein-B-Spiegel. Als Lipidsenker sollten Substanzen wie Statine eingesetzt werden, die sich positiv auf Proteinurie und glomeruläre Filtration auswirken.

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Raucher mit höherem Progressionsrisiko

In puncto Nikotinkonsum hat man herausgefunden, dass Raucher mit Diabetes, aber auch mit IgA-Nephropathien und polyzystischer Nierenerkrankung ein deutlich höheres Progressionsrisiko besitzen. Empfehlungen zum Rauchverzicht haben bei Ärzten und Patienten bislang noch keine breite Akzeptanz gefunden.

Strenge Blutzuckereinstellungen beugen der Mikroalbuminurieentwicklung vor. Unklar ist, ob sie auch bei bereits bestehender Albuminurie greifen. Enttäuschend sind die Ergebnisse bei Typ-1-Diabetikern mit großer Proteinurie, für Typ-2-Diabetiker existieren keine diesbezüglichen Daten.

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Neue Ansätze in der Testphase

Neue Ansätze zur Renoprotektion befinden sich in der experimentellen Testphase. Große Erwartungen werden in Endothelin-Rezeptor-Antagonisten, Inhibitoren der neutralen Endopeptidasen und Vasopeptidase-Hemmern gesetzt. Sie besitzen wahrscheinlich ein ähnliches bzw. noch größeres renoprotektives Potential als ACE-Hemmer. Glycosaminglycan mit seiner ausgeprägten antiproteinurischen Wirkung könnte besonders für Typ-2-Diabetiker mit großer Proteinurie, die oft auf eine Hemmung des Renin-Angiotensin-Systems nicht ansprechen, einen entscheidenden therapeutischen Fortschritt bedeuten.

Das Konzept der italienischen Wissenschaftler erscheint einleuchtend und richtungweisend, bedarf aber erst einmal der Überprüfung durch entsprechende klinische Studien. Tierexperimentelle Daten geben immerhin Anlass zu vorsichtigem Optimismus.

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Renate Ronge

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