Z Gastroenterol 2003; 41: 11-12
DOI: 10.1055/s-2003-37424
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© Karl Demeter Verlag im Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Vorsorgekampagnen zum Kolonkarzinom: Strategien und Erwartungen

H.-P Bartram1
  • 1Gastroenterologische Gemeinschaftspraxis im Salewa-Haus
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Publication Date:
11 March 2003 (online)

Mit über 30 000 Todesfällen pro Jahr steht das Kolonkarzinom an 2. Stelle der Liste der Krebstodesfälle in Deutschland. Jährlich erkranken mehr als 50 000 Menschen an diesem Tumor, wobei die Hälfte der Betroffenen innerhalb von 5 Jahren verstirbt [1]. Aufgrund dieser ernst zu nehmenden Datenlage kommt der Prävention dieser Erkrankung eine besondere Bedeutung zu.

Vornehmlich epidemiologische Studien haben gezeigt, dass in der Primärprävention insbesondere regelmäßige körperliche Bewegung, eine Vermeidung von Adipositas sowie eine vitaminreiche, fett- und fleischarme Ernährung eine protektive Rolle spielen. Entsprechend dem aktuellen „Harvard Report on Cancer Prevention” ließe sich durch regelmäßige körperliche Aktivität das Risiko für ein Kolonkarzinom um bis zu 50 % senken [2], wobei diesbezüglich moderates Ausdauertraining über mindestens 60 min an fünf oder mehr Tagen je Woche (z. B. Laufen, Tanzen, Radfahren, Golf) oder schwere körperliche Tätigkeiten über mindestens 30 min an wenigstens 5 Tagen je Woche (Joggen, Aerobic, Fußball, Langlauf) empfohlen werden. Hinsichtlich einer präventiven Ernährung kommt vor allem Obst und Gemüse eine Bedeutung zu. Die Empfehlungen raten analog zu dem amerikanischen „5-a day for a better health program” zum regelmäßigen Verzehr von täglich 5 Portionen grünem, gelbem und rotem Obst bzw. Gemüse (sog. „Ampelregel”), da diese nicht nur protektive Vitamine und Antioxidantien, sondern auch sekundäre Pflanzenstoffe mit antikarzinogenen Eigenschaften enthalten [3].

Neben diesen Empfehlungen zur Primärprävention des Kolonkarzinoms kommt dem Screening der asymptomatischen Bevölkerung im Sinne einer Sekundärprävention eine besondere Rolle zu, die Mortalitätsstatistik des Darmkrebses zu verbessern. Als Screening-Methoden haben sich im Wesentlichen der Test auf fäkal okkultes Blut (FOBT), die Sigmoidoskopie sowie die Koloskopie etabliert.

Zum FOBT wurden in den vergangenen Jahren drei große, prospektive und kontrollierte Studien publiziert, die sich über einen Beobachtungszeitraum von 11-18 Jahren erstreckten. Die Kerndaten dieser Untersuchungen sind in Tab. [1] zusammengefasst.

Tab. 1 Prospektive Studien zum fäkal okkulten Blut-Test (FOBT) Mandel et al.(JNCI 1999)Minnesota Scholefield et al.(Gut 2002)U.K. Jorgensen et al.(Gut 2002)Dänemark Follow-up 18 Jahre 11 Jahre 13 Jahre Fallzahl 46 551 152 850 61 933 Alter (Jahre) 50-80 45-74 45-75 Testfrequenz Jährlich/2-jährlich 2-jährlich 2-jährlich CA-Risikoreduktion 33 %/21 % 13 % 18 %

Konform zeigen diese Studien, dass durch regelmäßige Stuhltests auf okkultes Blut die Darmkrebsmortalität signifikant gesenkt werden kann, wobei eine jährliche Testung mit 33 % Mortalitätsabsenkung besser ausfällt als eine Testung, die alle 2 Jahre durchgeführt wird (13-21 %) [4 6]. Die etwas besseren Ergebnisse der Minnesota-Studie ließen sich dadurch erklären, dass in dieser Studie 85 % der Stuhltests rehydriert wurden, was eine größere Sensitivität auf Kosten der Spezifität zur Folge hatte [4]. Rechnerisch wären bei Verwendung rehydrierter Testbriefchen etwa 17-50 Koloskopien notwendig, um ein Kolonkarzinom zu entdecken im Vergleich zu 6-10 Koloskopien bei Anwendung nicht-rehydrierter Tests, so dass heute generell von einer Rehydrierung abgeraten wird [7].

Mehrere retrospektive und prospektive Studien, u. a. auch eine randomisierte kontrollierte Untersuchung, wiesen für die starre sowie flexible Sigmoidoskopie eine deutliche Mortalitätsreduktion des kolorektalen Karzinoms zwischen 60 und 80 % nach [1]. Ein wesentlicher Nachteil dieser Methode ist jedoch die fehlende Beurteilbarkeit der proximalen Kolonabschnitte. Die Veterans Affairs Cooperative Study konnte diesbezüglich zeigen, dass bei 52 % der Patienten mit fortgeschrittenen Adenomen proximal der linken Kolonflexur (i. e. villöse Adenome, tubuläre Adenome > 1 cm Größe, Nachweis von Dysplasien) keine Polypen im distalen Kolon vorlagen [8]. Durch eine kombinierte Anwendung von flexibler Sigmoidoskopie und FOBT kann die Detektion von kolorektalen Karzinomen zwar um etwa 20 % erhöht werden [9], jedoch liegen die Ergebnisse noch deutlich unter denen der kompletten Koloskopie.

Die komplette Koloskopie besitzt die höchste Sensitivität (95 %) und Spezifität (100 %) für die Entdeckung eines kolorektalen Karzinoms und bietet außerdem die Möglichkeit der endoskopischen Ektomie von Adenomen und Frühkarzinomen im gesamten Kolon [10]. Bereits die National Polyp Study wies darauf hin, dass 76-90 % aller kolorektalen Karzinome durch eine Screening-Koloskopie zu vermeiden wären [11]. In einer Untersuchung aus dem Saarland konnte kürzlich gezeigt werden, dass eine signifikante Risikoreduktion auch erreicht wird, wenn die Vorsorgekoloskopie 10 Jahre zurückliegt [12]. Hinsichtlich der Kosten-Nutzen-Relation, d. h. Kosten pro vermiedenem Darmkrebs-Todesfall, ist die Koloskopie gegenüber den anderen Screening-Verfahren außerdem am effektivsten [13].

Am 1. Oktober 2002 wurde die Vorsorgekoloskopie in Deutschland für Personen ab dem vollendeten 55. Lebensjahr als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen eingeführt. Seitens des ausführenden Arztes ist die Erbringung dieser Leistung an bestimmte Qualitätskriterien geknüpft. So sind u. a. eine Mindestanzahl an Koloskopien und Polypektomien pro Jahr erforderlich sowie insbesondere eine von der Kassenärztlichen Vereinigung zertifizierte Hygieneprüfung der verwendeten Endoskope in 6-monatigen Abständen [14].

Leider wurde bislang die Krebsfrüherkennung nur unzureichend von der Bevölkerung wahrgenommen (Teilnahmeraten bei Männern 17 %, bei Frauen 34 %) [10]. Die aufgeführten präventiven Maßnahmen können jedoch nur durchgreifenden Erfolg haben, wenn die Akzeptanz für diese Maßnahmen deutlich gesteigert wird. Zusammen mit den äußerst wertvollen Aufklärungskampagnen verschiedener Einrichtungen (u. a. Burda-Stiftung und Stiftung Lebensblicke) ist es eine Aufgabe der Haus- und Fachärzte, die Patienten zu den Möglichkeiten der Prävention und Früherkennung von Darmkrebs in verstärktem Maße zu motivieren. Hinsichtlich der momentanen Diskussion über Hygiene in der Endoskopie sollte gerade die Laienpresse angehalten werden, die Leser objektiv über dieses Thema zu informieren und nicht zu einseitig die negativen Ergebnisse der vorliegenden Studien darzulegen (z. B. Der Spiegel, 14.10.02). Es wäre schade, wenn durch Angst vor mangelnder Hygiene das Angebot der Vorsorgekoloskopie nicht wahrgenommen würde. Der Patient sollte vielmehr ermutigt werden, sich bei einer geplanten Endoskopie nach der Art der Endoskop-Aufbereitung und dem Vorliegen eines Hygiene-Zertifikats zu erkundigen - frei nach dem Motto: „Wo ich essen gehe, schaue ich mir erst die Küche an”.

Literatur

  • 1 Schmiegel W, Adler G, Frühmorgen P. et al . Kolorektales Karzinom: Prävention und Früherkennung in der asymptomatischen Bevölkerung - Vorsorge bei Risikopatienten - Endoskopische Diagnostik, Therapie und Nachsorge von Polypen und Karzinomen.  Z Gastroenterol. 2000;  38 49-75
  • 2 Tomeo C A, Colditz G A, Willett W C. et al . Harvard Report on Cancer Prevention. Volume 3: prevention of colon cancer in the United States.  Cancer Causes and Control. 1999;  10 167-180
  • 3 Kasper H, Bartram P, Scheppach W. Tumorentstehung - hemmende und fördernde Effekte von Ernährungsfaktoren. Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) Ernährungsbericht 1992 Frankfurt/Main; DGE 1992: 251-286.
  • 4 Mandel J S, Church T R, Ederer F. et al . Colorectal cancer mortality: Effectiveness of biennial screening for fecal occult blood.  J Natl Cancer Inst. 1999;  91 434-437
  • 5 Scholefield J H, Moss S, Sufi F. et al . Effect of faecal occult blood screening on mortality from colorectal cancer: results from a randomized controlled trial.  Gut. 2002;  50 840-844
  • 6 Jorgensen O D, Kronborg O, Fenger C. A randomised study of screening for colorectal cancer using faecal occult blood testing: results after 13 years and seven biennial screening rounds.  Gut. 2002;  50 29-32
  • 7 Winawer S J, Fletcher R H, Miller L. et al . Colorectal cancer screening: clinical guidelines and rationale.  Gastroenterology. 1997;  112 594-642
  • 8 Lieberman D A, Weiss D G, Bond J H. et al . Use of colonoscopy to screen asymptomatic adults for colorectal cancer.  N Engl J Med. 2000;  343 162-168
  • 9 Winawer S J, Flehinger B J, Schottenfeld D. et al . Screening for colorectal cancer with fecal occult blood testing and sigmoidoscopy.  J Natl Cancer Inst. 1993;  85 1311-1318
  • 10 Eickhoff A, Reinacher-Schick A, Schmiegel W. et al . Primärprävention, Screening und präventive Chirurgie: Kolorektalkarzinom.  DMW Praxis. 2002;  3 101-103
  • 11 Winawer S J, Zauber A G, Ho M N. et al . Prevention of colorectal cancer by colonoscopic polypectomy.  N Engl J Med. 1993;  329 1977-1983
  • 12 Brenner H, Arndt V, Stürmer T. et al . Long-lasting reduction of risk of colorectal cancer following screening endoscopy.  Br J Cancer. 2001;  85 972-976
  • 13 Provenzale D, Homan R K, Oddone E Z. Screening colonoscopy in average risk individuals is cost-effective compared with other practices.  Am J Gastroenterol. 1999;  94 2682
  • 14 Kassenärztliche B undesvereinigung. Früherkennung des Kolonkarzinoms: Ergänzung der bestehenden Maßnahmen um die qualitätsgesicherte, hohe Koloskopie.  Dt Ärztebl. 2002;  99 A2648-A2650

Priv.-Doz. Dr. med. Hans-Peter Bartram

Gastroenterologische Gemeinschaftspraxis im Salewa-Haus

Bahnhofstr. 29

86150 Augsburg

Email: HP.Bartram@t-online.de

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