Peter-Beier-Haus
Einrichtung für
alkoholabhängige Frauen und Männer
Peter-Beier-Haus
Einrichtung für
alkoholabhängige Frauen und Männer
Das Diakoniewerk Duisburg als Träger des Peter-Beier-Hauses
wurde im Jahr 1979 gegründet. Die GmbH betreibt mehrere Einrichtungen der
Suchtkranken- und Gefährdetenhilfe. Die Einrichtungen der
Gefährdetenhilfe im Werk machten über viele Jahre die Erfahrung, dass
eine Gruppe von Menschen nach einer Vermittlung in suchttherapeutische
Einrichtungen in die Einrichtungen der Gefährdetenhilfe zurückkehrte,
da sie dem in den Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe vorgegebenen
Abstinenzgebot nicht folgen konnte. Ausgehend von diesen Erfahrungen wurden im
Diakoniewerk Duisburg Überlegungen angestellt, wie diesen
„Drehtürklienten” ein angemessenes Hilfeangebot gemacht
werden kann. Aus diesen Überlegungen erwuchs die Konzeption des heutigen
Peter-Beier-Hauses. Das Stammhaus wurde im Jahr 1999 in Betrieb genommen und im
Juli 2001 um eine Außenwohngruppe (AWG) erweitert. Als stationäres
Angebot der Eingliederungshilfe werden die Pflegesätze gem.
§ 39/40 BSHG vom überörtlichen Träger der
Sozialhilfe finanziert.
Betreut werden im Stammhaus 4 Frauen und 14 Männer. In der
stationären AWG leben heute 6 Männer.
Sowohl im Stammhaus als auch in der AWG stehen den Bewohnern
Einzelzimmer und Gemeinschaftsräume zur Verfügung. Das Stammhaus ist
darüber hinaus mit einer Werkstatt für handwerkliche
Beschäftigungen ausgestattet.
Der Verbleib in der Einrichtung ist zeitlich grundsätzlich
nicht befristet und richtet sich nach dem individuellen Hilfebedarf.
Beide Einrichtungsteile befinden sich im Stadtgebiet Duisburg. Die
Entscheidung, das Angebot im städtischen Bereich anzusiedeln, wurde
bewusst getroffen, da viele Betroffene aus dem städtischen Bereich kommen
und nicht bereit sind, die Stadt zu verlassen.
Zusammen mit einer abstinenzorientierten Einrichtung des gleichen
Trägers versteht sich die Einrichtung als Verbund, der der betreuten
Klientel ein auf die individuelle Situation abgestimmtes Angebot machen will.
Zwischen diesen Einrichtungen findet eine enge Zusammenarbeit statt.
Zielgruppe
Zielgruppe
Das Hilfeangebot des Peter-Beier-Hauses wendet sich an alkohol- und
medikamentenabhängige Menschen, die zum Zeitpunkt der Aufnahme nicht in
der Lage sind, suchtmittelfrei zu leben. Viele der Bewohner haben in der
Vergangenheit an mehreren medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen und
soziotherapeutischen Maßnahmen teilgenommen, ohne dass eine langfristige
Abstinenz erreicht werden konnte (Tab. [1]).
Tab. 1 Verteilung der
Vorbehandlungen (bezogen auf die 2002 betreute Klientel)
|
Anzahl der
medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen
|
Anzahl
soziotherapeutischer Maßnahmen
|
|
abgeschlossen
|
abgebrochen
|
abgeschlossen
|
abgebrochen
|
Anzahl der Maßnahmen
|
10
|
5
|
1
|
4
|
Anzahl der jeweiligen Bewohner
|
6
|
3
|
1
|
4
|
Jedoch werden auch Bewohner aufgenommen, die in der Vergangenheit
noch keinerlei Bezüge zum Suchthilfesystem aufbauen konnten und eine
abstinente Lebensform aus heutiger Sicht für sich (noch) nicht akzeptieren
können. Neben der Alkoholerkrankung kommt i. d. R. eine
langjährige Wohnungslosigkeit (siehe Tab. [2]) verbunden mit meist vielfältigen Heimerfahrungen
hinzu.
Tab. 2 Dauer der
Wohnungslosigkeit vor Aufnahme in der Einrichtung (bezogen auf die 2002
betreute Klientel)
|
Wohnungslosigkeit
|
Untermietverhältnis
|
2-3 Jahre
|
-
|
1 Bew.
|
3-6 Jahre
|
4 Bew.
|
3 Bew.
|
mehr
als 6 Jahre
|
12 Bew.
|
5 Bew.
|
Anhand dieser Ausführungen wird deutlich, dass das Angebot ein
Bindeglied darstellt zwischen den Bereichen Gefährdetenhilfe und
Suchtkrankenhilfe.
Das Durchschnittsalter der im Jahr 2001 betreuten männlichen
Bewohner betrug 60,7 Jahre. Bei den Frauen lag das Durchschnittsalter mit 61,1
Jahren knapp darüber. Die Spannbreite bei diesen Durchschnittsberechnungen
liegt zwischen 46 und 69 Jahren. Zehn dieser Bewohner ist ein gesetzlicher
Betreuer zur Seite gestellt. 58,3 % der im Jahr 2002 betreuten
Bewohner weisen eine Vorbehandlung auf (vgl. Tab. [1]).
Durch den jahrelangen exzessiven Alkoholmissbrauch weisen die
Bewohner teilweise unterschiedliche neurologische und organische
Schädigungen auf (z. B. Polyneuropathien, Magenerkrankungen etc.).
Meist verfügen sie bei der Aufnahme über keinerlei Kontakte zur
Familie oder früheren Bekannten und wurden in der Vergangenheit auch im
Kreis der Wohnungslosen aufgrund der starken Verhaltensauffälligkeiten
ausgegrenzt. Zudem sind die betreuten Menschen in der Regel bereits seit vielen
Jahren aus Arbeitsprozessen ausgegliedert (siehe Tab. [3]).
Tab. 3 Dauer der
Arbeitslosigkeit (bezogen auf die 2002 betreute Klientel)
letzte
Berufstätigkeit
|
Anzahl der Bewohner
|
bis zu
10 Jahre
|
8
|
mehr
als 10 Jahre
|
16œ
|
Ein Großteil ist kaum in der Lage, den alltäglichen
Anforderungen wie Strukturierung von Zeit, Hygiene, Selbstversorgung
selbständig zu genügen.
Ausschlusskriterien für die Aufnahme in der Einrichtung ist das
Vorliegen einer Pflegebedürftigkeit im Sinne der Pflegeversicherung
über Pflegestufe 1 hinaus. Weitere Ausschlusskriterien bilden eine akute
psychotische Erkrankung sowie Suchterkrankungen aus dem Bereich illegaler
Drogen.
Zielsetzungen
Zielsetzungen
Grundsätzliches Ziel der Arbeit ist die Heranführung an
die Alkoholabstinenz. Die oben beschriebene Lebenssituation der betreuten
Klientel lässt jedoch erahnen, dass diese Zielsetzung zumindest zum
Zeitpunkt der Aufnahme nicht für alle Bewohner erreichbar erscheint. Bei
der Aufnahme wird den Bewohnern deshalb auch nicht ein Bekenntnis zur Abstinenz
abverlangt. Im Mittelpunkt der Arbeit steht zunächst die Reduktion des
Konsums (harm reduction). Hiervon ausgehend können die Zielsetzungen wie
folgt zusammengefasst werden:
-
die Absicherung der Grundbedürfnisse
-
Linderung körperlicher Folgeschäden
-
Einsicht in die Grunderkrankung
-
Veränderung des Konsumverhaltens
-
Hinführung zur Abstinenz
Die Arbeit innerhalb der Einrichtung
Die Arbeit innerhalb der Einrichtung
Der Aufbau einer stabilen Beziehung stellt in der Arbeit eine
wichtige Voraussetzung für eine tragfähige Zusammenarbeit dar. Unsere
Arbeit mit den Bewohnern folgt dem Grundsatz „Wollen setzt Können
voraus”. Konkret heißt dies, dass die Zielsetzungen bei den
vorhandenen Fähigkeiten des Bewohners ansetzen und in einem gemeinsamen
Hilfeplan festgeschrieben werden, der regelmäßig überprüft
und ggf. verändert wird. Inhalte dieses Hilfeplanes sind Zielsetzungen
(z. B. Reduktion des Konsums, Kontaktaufbau zu Verwandten) und Schritte
zur Umsetzung, die mit dem Bewohner erarbeitet werden.
In der Regel gilt es, beim Bewohner zunächst ein
Problembewusstsein für seine Sucht zu entwickeln und Zusammenhänge
zwischen der Lebenssituation und der Suchtproblematik aufzudecken und somit
eine Veränderungsmotivation zu wecken. In diesem Prozess wird dem Bewohner
vermittelt, dass er der beste Experte für sich ist und Entscheidungen
durch ihn selber getroffen werden müssen. Dies geschieht vor der
Überzeugung, dass der Bewohner nicht vollständig unfähig ist,
sich zu steuern. Vielmehr gilt es, die noch vorhandenen Fähigkeiten zur
Eigensteuerung und Selbstkontrollmöglichkeiten zu entdecken und zu
unterstützen.
Die Ausweitung alkoholfreier/alkoholreduzierter Intervalle und damit
verbunden die Gewinnung positiver Erfahrungen sind eine wichtige
Weichenstellung für die Arbeit mit dem Bewohner. Neben der Regel, dass
während der strukturierten Aktivitäten im Tagesverlauf nicht
konsumiert wird, ist die Reduktion beim einzelnen Bewohner auf individuelle
Vereinbarungen zurückzuführen. Diese Vereinbarungen reichen von
festgelegten Trinkmengen zu bestimmten Tageszeiten, die vom Bewohner
selbständig überwacht werden, bis hin zu Trinkmengen, die durch
Mitarbeiter überwacht werden müssen. Die selbständige Einteilung
erfolgt hierbei teilweise durch das Führen eines eigenen Trinktagebuches.
Jedoch stellt die eigene Kontrolle für einige Bewohner eine Anforderung
dar, zu der sie derzeit nicht in der Lage sind und weshalb sie
Unterstützung von Seiten der Mitarbeiter erhalten.
Ein wesentliches Element zur Ausgestaltung dieser Arbeit bildet die
Tagesstruktur innerhalb der Einrichtung. Diese Struktur ist gekennzeichnet
durch verpflichtende Angebote (z. B. regelmäßige
Gespräche, Mitarbeit im Haus, Gruppenangebote) für die Bewohner und
freiwillige Angebote (z. B. Spielenachmittage, Ausflüge), die je
nach Interessenlage genutzt werden können. Die Gleichmäßigkeit
der Tagesstruktur dient dazu, den Ablauf für unsere Bewohner
überschaubar zu halten. Somit gibt er insbesondere Bewohnern mit
hirnorganischen Veränderungen Sicherheit und Orientierung. Im Rahmen
dieses Tagesablaufes können verloren gegangene Fähigkeiten
(z. B. Umgang mit Geld, sorgsamer Umgang mit dem eigenen Körper)
wieder erlernt werden und neue Erfahrungen in der Gemeinschaft gesammelt
werden.
Gleichzeitig achten wir darauf, dass der Charakter einer
stationären Einrichtung und damit verbunden der Grad der Versorgung
möglichst gering gehalten wird. Für die konkrete Arbeit bedeutet
dies, dass Bewohner entsprechend ihrer Fähigkeiten an eine Eigenversorgung
herangeführt werden.
Ausblick
Ausblick
Aufgrund der schweren Schädigungen der betreuten Klientel kann
nicht erwartet werden, dass eine dauerhafte Abstinenz in dem relativ kurzen
Zeitraum des Bestehens der Einrichtung bei einem Großteil der Bewohner zu
erreichen ist. Drei Bewohner leben inzwischen innerhalb der Einrichtung
abstinent und haben für sich diese Lebensform als die gesündeste
anerkannt. Diese Abstinenzphasen reichen zwischen 8 und 28 Monaten.
Neben der Reduzierung der Trinkmengen ist jedoch die Bereitschaft
des Bewohners, sich in die Gemeinschaft einzubringen, wesentlicher
Maßstab für die Arbeit. Wir gehen davon aus, dass das zufriedene
Leben in der Gemeinschaft auch ein wesentlicher Faktor für den
Rückgang des Alkoholkonsums ist.
Es wäre verfehlt zu behaupten, dass unsere Klientel
grundsätzlich einem standardisierten Programm zum kontrollierten Trinken
eigenständig folgen könnte, da unsere Erfahrungen zeigen, dass viele
Bewohner einer äußeren Kontrolle bedürfen. Diesen Anspruch
können und dürfen wir aufgrund der vielfältigen
Schädigungen der Bewohner nicht haben. Mit diesem Bericht soll auch nicht
in Abrede gestellt werden, dass Abstinenz die gesündeste Lebensform
für die von uns betreuten Menschen ist. Jedoch vor dem Hintergrund, dass
dieses Ziel zur Zeit nicht bei allen Bewohnern umsetzbar ist, erscheint es
sinnvoll, einen niedrig schwelligen Zugang zum Hilfesystem anzubieten und somit
eine Form der harm reduction in die Arbeit mit mehrfachgeschädigten
alkoholabhängigen Menschen einzuführen.