Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2003; 38(4): 226-230
DOI: 10.1055/s-2003-38220
Historische Einführung
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Kurze Geschichte der Österreichischen Gesellschaft für Anaesthesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI)

A Short History of the Austrian Society of Anaesthesiology, Resuscitation and Intensive Care Medicine (ÖGARI)S.  Fitzal1 , O.  Mayrhofer-Krammel1
  • 1Wilhelminenspital, Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin, Wien, Österreich
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Publication Date:
26 March 2003 (online)

Ebenso wie in unseren Nachbarländern Deutschland und Schweiz waren auch in Österreich die Mittel, die zur Durchführung der Schmerzausschaltung benutzt wurden bis nach dem 2. Weltkrieg äußerst begrenzt. Man verfügte über nicht viel mehr als den Chloräthylrausch, die Äther- und Chloroform-Tropfnarkose und etwas später noch über Evipan® . Darüber hinaus wurden noch einige regionalanästhesiologische Techniken, wie die Plexus-, Sakral- und Spinalanästhesie beherrscht. Die Narkosetätigkeit war jedoch eine Handlung von geringem Wert und eine banale Hilfsmaßnahme, ein Stiefkind der Chirurgie, der Willkür des Operateurs unterworfen, zumeist durchgeführt von den jüngsten in chirurgischer Ausbildung stehenden Assistenten und vielfach auch von Narkoseschwestern. Von der damals bereits über 80-jährigen Tradition der angloamerikanischen Anästhesie als anerkanntes Spezialfach mit hoher technischer Entwicklung und moderner Ausrüstung waren wir Österreicher noch weit entfernt.

Jedoch bald nach dem 2. Weltkrieg schlug auch in unserem Land die Geburtsstunde der modernen Anästhesie, und zwar im Sommer 1947, als eine Gruppe amerikanischer Ärzte auf Veranlassung des Unitarian Service Committee erste Kontakte mit den österreichischen medizinischen Schulen aufnahm. Sie besuchten Wien, Graz und Innsbruck, hielten Vorträge und führten die damals modernen Narkoseverfahren unter Verwendung von Curare und der endotrachealen Intubation vor. Und so kam es dass - beeindruckt von den Entwicklungen der Anästhesie und unterstützt von einigen weitblickenden Chirurgen - einige der damaligen in chirurgischer Ausbildung befindlichen Assistenten zu ausländischen Studienaufenthalten nach England und den USA aufbrachen. Otto Mayrhofer aus Wien fuhr zunächst nach England und Schweden, um dann ein Jahr später seine Ausbildung in den USA zu komplettieren. Bruno Haid aus Innsbruck wurde ein Aufenthalt in Iowa City ermöglicht und auch Hans Bergmann aus Linz, Volkmar Feurstein aus Salzburg sowie Herbert Moser aus Graz verbrachten einige Zeit in verschiedenen Anästhesieschulen Englands. Dem Beispiel dieser Pioniere folgten sodann einige weitere an der Anästhesie interessierte Ärzte. Nach deren Rückkehr entstanden sodann an den Universitätskliniken und den wichtigsten Großkrankenhäusern Österreichs selbständige Anästhesiedienste, die von diesen im Ausland geschulten Ärzten unseres Faches aufgebaut wurden. Die engen Kontakte, die untereinander geknüpft wurden, führten schließlich dazu, dass der Gedanke an die Gründung einer Fachgesellschaft konkrete Formen annahm. Bei einer konstituierenden Sitzung am 22. Juni 1951, an welcher 20 österreichische Narkoseärzte teilnahmen, wurden Rudolf Kucher, Alexander Benke und Otto Mayrhofer beauftragt Statuten auszuarbeiten und am 19. Oktober 1951 wurde die Österreichische Gesellschaft für Anaesthesiologie im Hörsaal der 2. Chirurgischen Universitätsklinik Wien unter Beisein von bereits 40 Anästhesisten aus der Taufe gehoben. Gründungspräsident war Otto Mayrhofer, zu seinen Stellvertretern wurden Rudolf Kucher und Hans Bergmann ernannt. Fritz Chott als Schriftführer und Alexander Benke als Kassenwart rundeten den ersten Vorstand ab.

Bereits das erste Vereinsjahr war durch drei Marksteine gekennzeichnet:

Im April 1952 erschien die erste Nummer der unter den Herausgebern O. Mayrhofer, R. Frey und W. Hügin ins Leben gerufenen Fachzeitschrift „Der Anaesthesist”, die in ihrem ersten Erscheinungsjahr von uns Österreichern mit Stolz und Recht als „Offizielles Organ der Österreichischen Gesellschaft für Anaesthesiologie” bezeichnet wurde. Seit 1953 gilt sie als gemeinsames Organ aller drei deutschsprachigen Anästhesiegesellschaften.

Am 18. Juni 1952 erfolgte mit Verordnung des Bundesministeriums für Soziale Verwaltung die Anerkennung des Sonderfaches Anästhesiologie unter gleichzeitiger Festlegung der Ausbildungsbestimmungen, die drei Jahre Ausbildung im Hauptfach vorsahen.

Der dritte, bereits zu den historischen Daten in der Geschichte der österreichischen Anästhesiologie zählende Markstein war der 1. Österreichische Kongress für Anaesthesiologie, welcher am 5./6. September 1952 in Salzburg stattfand und von Volkmar Feurstein organisiert wurde (Abb. [1]). Die stattliche Anzahl von bereits 250 Tagungsteilnehmern aus dem In- und Ausland war durch die praktisch vollzählige Anwesenheit der damals wichtigsten Proponenten unseres Faches aus ganz Europa und den USA geprägt. Der damalige Vorstand der 2. Chirurgischen Universitätsklinik Wien, Prof. Denk, ein großer Förderer der Anästhesie, der daher auch anlässlich dieser Tagung zum ersten Ehrenmitglied unserer Gesellschaft ernannt wurde, sprach in seiner Eröffnungsrede die denkwürdigen Worte: „Wir Chirurgen legen die Schmerzverhütung vertrauensvoll in Ihre Hände. Ich persönlich erblicke in dieser Abspaltung der Anästhesie von der Chirurgie keinen Verlust, sondern einen ungeheuren Gewinn, der in gleicher Weise den beiden Spezialdisziplinen und damit den Kranken zugute kommt.” O. Mayrhofer legte sodann in seiner Ansprache ein komplettes Programm für die Ausbildung von Anästhesisten und für die personelle Besetzung in Krankenhäusern der verschiedenen Kategorien dar (Abb. [2]).

Anlässlich dieses Kongresses fand auch die Gründung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Anästhesiologie unter J. Bark statt, die dann im Jahr 1953 zur Gründung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie führte. Die Schweizer Fachgesellschaft, die sich aus der Berufsgemeinschaft schweizerischer Anästhesiologie entwickelte, wurde bereits ein Jahr früher, nämlich am 5. Juli 1952 gegründet.

Ein Jahr später wurde der 2. Österreichische Kongress in Velden am Wörthersee unter dem Vorsitz von Rudolf Kucher abgehalten. Im Rahmen dieser Veranstaltung wurde von den jungen Fachgesellschaften Österreichs, Deutschlands und der Schweiz beschlossen, abwechselnd regelmäßige gemeinsame Tagungen in zweijährigen Intervallen zu veranstalten, die dann mit 1954 in München beginnend unter der Bezeichnung „Zentraleuropäischer Kongress” - von Hentschel kurz und prägnant ZAK genannt - weit über den mitteleuropäischen Raum hinaus anerkannt waren. Diese Tradition fand jedoch im Jahr 1995 mit dem letzten und wieder von der Österreichischen Gesellschaft veranstalteten 24. ZAK in Wien ihr jähes Ende. Seitdem veranstaltet die ÖGARI einen jährlichen Kongress, der mittlerweile unter dem Namen „Austrian International Congress” zur österreichischen Tradition geworden ist.

Die anfänglichen offiziellen Ereignisse, die sich durch die nach dem 2. Weltkrieg wiederum möglich gewordenen intensiven internationalen Verbindungen ergaben, betrafen u. a. die Gründung von internationalen Fachverbänden, wie diejenige der WFSA, die sich 1955 anlässlich des 1. Weltkongresses in Scheveningen konstituierte. O. Mayrhofer, der in diesem Jahr habilitierte, war einer der am längsten dienenden wichtigen Funktionäre des Weltbundes, beginnend als Repräsentant der deutschen Gesellschaften im 12-köpfigen Exekutivausschuss, gefolgt von der Tätigkeit als Generalsekretär (1964 - 1972) und schließlich als Präsident (1972 - 1976). Er war es auch, der den 1. Europäischen Kongress der mittlerweile gegründeten Europäischen Sektion der WFSA 1962 nach Wien brachte. Der 1986 neuerlich in Wien abgehaltene 7. Europäische Kongress fand ebenfalls unter O. Mayrhofers Vorsitz statt, während K.Steinbereithner damals Präsident der Europäischen Regionalsektion war.

Die ersten Jahre unserer jungen Fachgesellschaft waren geprägt durch Arbeit, Mühsal und Improvisation. Narkoseapparate und Zubehör wurden z. T. von den im Ausland weilenden Pionieren mitgebracht, z. T. aus Abstelllagern hervorgeholt und meist eigenhändig zusammengesetzt. Die Ersatzteilfrage war anfangs eines der größten Probleme, ebenso die Beschaffung von Lachgas und Atemkalk. Endotracheale Intubation und Beatmung waren eine Kunst, die zunächst nur wenige beherrschten und vieles wurde im „trial and error”-Verfahren erarbeitet. Da glücklicherweise einige unserer Fachvertreter der ersten Stunde diese mittlerweile als Kostbarkeit zu bezeichnenden Erinnerungsstücke aufbewahrten konnte damit ein Museum eingerichtet werden, welches sich im Josefinum in Wien, der ehemaligen unter Josef II errichteten Akademie für Militärärzte, befindet.

Nach den ersten Schritten der Verselbständigung wurden nun in allen zentraleuropäischen Ländern, so auch in Österreich, auf Forschung und Lehre größtes Augenmerk gelegt. Die wesentlichen Themenbereiche betrafen zunächst die Technik und Indikation der Intubationsnarkose (Monographie von O. Mayrhofer: Intratracheale Narkose, Franz Deuticke Verlag 1949), das von Laborit und Huguenard eingeführte Narkoseverfahren mittels Hibernation sowie pharmakologische Neuerungen auf dem Gebiet der Hypnotika, Analgetika und Muskelrelaxantien. Eine der interessantesten Entwicklungen darunter war das völlig neuartige, weil kurz wirkende Muskelrelaxans Lysthenon® , dessen klinische Anwendung v. a. von der österreichischen Arbeitsgruppe Mayrhofer und Haßfurter in heroischen Selbstversuchen erprobt wurde. Auch die postoperative Überwachung wurde bereits ein früh erkanntes wichtiges zentrales Thema, aus welchem sich sehr bald das zweite große Standbein unseres Faches, die Intensivmedizin entwickelte. Die erste Intensivstation Österreichs wurde von den in den folgenden Jahren hoch anerkannten Intensivmedizinern Rudolf Kucher und Karl Steinbereithner im Jahr 1963 gegründet, die somit die zweite Intensivstation Mitteleuropas nach der im Jahr 1961 von Peter Lawin eröffneten derartigen Behandlungseinrichtung im Krankenhaus Hamburg-Altona war.

Ein weiteres wichtiges Thema, womit sich unsere Fachvertreter damals intensiv befassten war die Reanimation. Dieses Thema - und damit eng verbunden die intensivmedizinischen Möglichkeiten apparativer Organunterstützung - warf jedoch nicht nur rein wissenschaftliche Fragen auf, sondern auch ethische Probleme, die es zu lösen galt. Bruno Haid aus Innsbruck war der Initiator zu einer anästhesiologischen Papstaudienz in Rom, die schließlich am 24. November 1957 zustande kam. Papst Pius XII hat sodann die an Ihn seitens unserer Fachgesellschaft gerichteten Fragen sehr klar beantwortet (Anästhesist 1958, 7: 243 - 244): Bei nach ärztlichem Urteil hoffnungslosen Fällen müssen die Techniken der Wiederbelebung nicht eingesetzt werden bzw. kann eine bereits eingeleitete Wiederbelebung abgebrochen werden. Um dem Gewicht, welches die Fachgesellschaft auf den Spezialbereich Wiederbelebung von Anfang an legte, Ausdruck zu verleihen wurde deren Name 1972 auf „Österreichische Gesellschaft für Anaesthesiologie und Reanimation” erweitert. Mittlerweile hat die Entwicklung der Anästhesie nicht nur auf dem Gebiet der Reanimation, sondern in der gesamten Notfallmedizin ungeheuren Aufschwung genommen. Zahlreiche Anästhesisten sind im organisatorischen Rettungswesen tätig, viele der an Krankenhäuser gebundenen Notfallorganisationen werden von Anästhesisten versorgt. Die inzwischen gesetzesmäßig vorgeschriebenen Notarztkurse werden praktisch in allen Bundesländern von Anästhesisten geleitet und notfallmedizinische Vorlesungen, Lehraufträge und Praktika gehören zum Alltag der anästhesiologischen Kliniken.

Im Jahr 1959 wurde der erste Lehrstuhl für Anästhesiologie in Österreich und zugleich im gesamten deutschsprachigen Raum, an dessen Spitze Bruno Haid berufen wurde, an der Universität Innsbruck errichtet. An der Wiener Universitätsklinik dauerte es hingegen wegen des zögernden Verhaltens des Wiener Kollegiums noch einige Jahre bis das bereits seit 1955 bestehende Extraordinariat für Anästhesiologie in einen a. o. Lehrstuhl umgewandelt wurde. 1961 war es schließlich so weit und Otto Mayrhofer wurde zum Vorstand ernannt. Die Lehrkanzel für Anästhesiologie in Graz wurde aufgrund mehrerer tragischer Ereignisse, die die dortigen Pioniere betrafen, erst viel später errichtet, nämlich 1975. Berufen wurde Werner List, der sich 1968 als erster Grazer Anästhesist habilitierte hatte und die klinische Anästhesieabteilung bereits seit 1969 leitete. 1982 wurde ein weiterer Lehrstuhl an der Wiener Universitätsklinik errichtet, und zwar die „Klinik für Experimentelle Anaesthesiologie und intensivmedizinische Forschung”, an welche der langjährige Leiter der von ihm im Jahr 1973 gegründeten und noch unter der Leitung der Anästhesieklinik stehenden „Experimentellen Abteilung” Karl Steinbereithner berufen wurde.

Inzwischen kamen die Lehrstühle nach Emeritierung der ersten Ordinarii durch Anästhesisten der sogenannten 2. und z. T. auch schon der 3. Generation zur Nachbesetzung. Nach Bruno Haid übernahm 1985 Herbert Benzer aus Wien die Innsbrucker Anästhesieklinik, die unter ihm einen enormen, v.a. was die wissenschaftliche Tätigkeit betraf, Aufschwung nahm. Inzwischen ist auch Benzer 1997 emeritiert, sein Nachfolger ist Karl Lindner aus Ulm. Nach Karl Steinbereithners Emeritierung im Jahr 1990 folgte H. G. Kress aus Würzburg und nach dem am längsten im Amt weilenden Ordinarius Otto Mayrhofer folgte sein Schüler Michael Zimpfer im Jahr 1991, der die Tradition der wissenschaftlichen Hochburg der österreichischen Anästhesie mit großem Erfolg fortsetzte. Die Neubesetzung der Wiener Ordinariate fiel mit der Übersiedlung in den Neubau der Universitätsklinik und einer völligen Neustrukturierung der Anästhesiekliniken zusammen. Seit Herbst 2002 ist nun auch der jüngste der ehemaligen Ordinarii, Werner List, emeritiert, sein unmittelbarer Nachfolger ist Helfried Metzler, ebenfalls ein Schüler der Grazer Klinik.

In den ersten Jahren war die Ausbildungsverantwortlichkeit nur auf die universitären Einrichtungen und einige wenige Landeskrankenhäuser, wie Linz, Salzburg und Klagenfurt, beschränkt. Die meisten anderen Krankenhäuser, in denen zwar inzwischen auch bereits vielfach eigenständige Anästhesiedienste aufgebaut wurden, hatten hingegen noch über viele Jahre hinweg nur Teilausbildungsberechtigung. Jeder der damaligen Kolleginnen und Kollegen aus diesen Krankenhäusern musste daher die Ausbildung an den vollausbildungsberechtigten Einrichtungen ergänzen. Außerdem war für alle Ausbildungskandidaten der Besuch einer zweisemestrigen Vorlesung an einer der drei Universitätsabteilungen verpflichtend.

Die Zahl der Fachanästhesisten stieg daher zunächst zwar stetig, aber doch noch zögerlich an, sodass 25 Jahre nach der Anerkennung der Anästhesie als Sonderfach immer noch nur knapp über 400 Fachanästhesisten für ganz Österreich zur Verfügung standen, von denen auch nahezu alle Mitglieder der ÖGARI waren. Danach allerdings kam es zu einem geradezu sprunghaften Anstieg von Fachanästhesisten, zurückzuführen auf die rasante Zunahme von eigenberechtigten Ausbildungsstätten und -stellen in allen Bundesländern. Bis zum heutigen Tag stehen mittlerweile an 43 vollausbildungsberechtigten Ausbildungsstätten rund 450 Ausbildungsplätze und an weiteren 71 kleineren Anästhesieabteilungen mit Teilausbildungsberechtigung etwa 120 Stellen zur Verfügung. Demgemäß verdreifachte sich die Mitgliederzahl innerhalb der letzten 25 Jahre und beträgt zum heutigen Tag 1260 Mitglieder (Abb. [3]).

Eine mindestens so wichtige Aus- und Weiterbildungsaufgabe betraf die Ausbildung von Anästhesie- und Intensivpflegepersonal. Bereits in den frühen 60er Jahren wurden entsprechende Kurse an den Universitätskliniken durchgeführt. Mit den Novellierungen des Krankenpflegegesetzes, zuletzt 1997, wurde besonderes Augenmerk auf die Integration der Spezialpflegekräfte und deren Berufsbild gelegt. Mittlerweile sind die Sonderausbildungskurse für das Pflegepersonal modulartig aufgebaut, wobei nach einem für alle gleichermaßen zu absolvierendem Basismodul Aufbaumodule in Anästhesie, Intensivpflege, Dialysepflege oder pädiatrischer Intensivpflege gewählt werden können.

Um der Intensivmedizin das nötige Gewicht zu verleihen, wurde 1977 auf Beschluss eines Proponenentenkomitees, bestehend aus Mayrhofer, List, Steinbereithner, Bergmann, Benzer, Millonig, Kurka und Neumark, eine weitere österreichische Fachgesellschaft, die „Österreichische Gesellschaft für Anaesthesiologische und Allgemeine Intensivmedizin” (ÖGAAIM) gegründet. Diese Entwicklung stand völlig im Gegensatz zu unseren Schwesterngesellschaften, deren berufspolitische intensivmedizinischen Aktivitäten in Dachverbänden mit anderen intensivmedizinisch tätigen Fächern mündeten. Unsere neu gegründete intensivmedizinische Gesellschaft begann sodann jährliche Tagungen auszurichten, die unter dem Namen „Rudolf Kucher Forum” liefen. Da die sogenannte „Muttergesellschaft” jedoch ebenfalls nicht auf das Anrecht des intensivmedizinischen Interesses verzichten wollte, was im Jahr 1978 zu einer neuerlichen Namenserweiterung in „Österreichische Gesellschaft für Anaesthesiologie, Reanimation und Intensivtherapie” führte, (1994 nochmals geändert in „...Intensivmedizin” - die heutige ÖGARI), blieb die ÖGAAIM in weiterer Folge auf der Strecke. Daher war der Beschluss naheliegend beide Gesellschaften wieder zusammenzuführen. Ein erster Schritt dazu war die Zusammenlegung der jeweiligen Jahrestagungen ab 1999, der nächste Schritt einer völligen Zusammenführung steht kurz bevor.

In diesem Zusammenhang ist auch die Änderung der Bezeichnung unseres Facharzttitels in „Facharzt für Anaesthesiologie und Intensivmedizin” zu erwähnen, die auf Basis der unermüdlichen Arbeit von Wilfried Ilias während seiner Amtszeit als Präsident der ÖGARI in die Gesetzesbestimmungen der Ärztegesetzesnovelle 1994 aufgenommen wurde. Dies zog zwar einen eher unerfreulichen Rechtsstreit mit den internistischen Fachkollegen nach sich, konnte jedoch zu unseren Gunsten entschieden werden. Unterstützt wurde diese für unser Fach wichtige Entwicklung dadurch, dass nachweislich 80 % aller operativ/traumatologischen Intensivstationen von Anästhesisten geleitet werden, rechnet man die nicht-operativen Intensivstationen hinzu, so stehen insgesamt 60 % aller Intensivstationen unter anästhesiologischer Leitung (Erhebung aus dem Jahr 1993). Hinzu kommt, dass in vielen nicht unter anästhesiologischer Leitung stehenden Intensivstationen Anästhesisten fachlich kooptiert sind.

Dies war sodann auch der Anlass die intensivmedizinische Ausbildung aller Anästhesisten auf ein qualitativ hochwertiges Standbein zu stellen. Es wurden Kriterien für die unter anästhesiologischer Leitung stehenden Intensivstationen erstellt, die regelmäßig überprüft werden. Weiter wurden Visitationen eingeführt, ein intensivmedizinisches Curriculum ausgearbeitet und es wurde innerhalb der obligatorischen Vorlesungen, die mittlerweile als Blockseminare von allen drei Hochschulen an dem zentralen Standort Salzburg veranstaltet werden, ein eigener Block für Intensivmedizin eingerichtet.

Inzwischen ist auch die fachspezifische Weiterbildung verlängert worden, zunächst auf 4 Jahre und seit 1994 auf insgesamt 5 Jahre, wobei derzeit noch lediglich ein internes Abkommen besteht, zwei Jahre davon für die intensivmedizinische Ausbildung zu ermöglichen. Diese Bestimmung soll jedoch in die nächste ÄG-Novelle offiziell aufgenommen werden.

Seit dem Jahr 2000 ist nun auch in Österreich mit Erlass des damaligen Bundesministeriums für Gesundheit und Konsumentenschutz eine obligate Facharztprüfung für alle Fächer eingeführt worden. Wir haben uns dabei am Vorbild der SGAR orientiert, indem wir den schriftlichen Teil des Europäischen Diploms übernahmen und ergänzend dazu eine mündliche Prüfung auf nationaler Ebene abhalten. Begleitende Maßnahmen, wie Neuerstellung eines Lehr- und Lernzielkatalogs, Erstellung von Kriterien für die Anerkennung als Ausbildungsstätte, Herausgabe einer Empfehlung von Lernunterlagen und Adaptation der „Salzburger Blockkurse” zur Vorbereitung für die Prüfung waren daher ebenso wichtige Aufgaben, denen sich die ÖGARI in den letzten Jahren widmete.

Die zunehmende Spezialisierung unseres Faches hat es auch notwendig gemacht eigene Arbeitsgruppen innerhalb der ÖGARI zu gründen, wie u. a. pädiatrische, herzanästhesiologische und neuranästhesiologische Arbeitsgruppen, Arbeitsgruppen für EDV, für künstliche Ernährung, für die Weiterbildung, für Medizinrecht u. v. a. mehr.

Im Oktober 1989 erschien erstmals ein neues vorwiegend der Kommunikation und der Transparenz über die verschiedensten Aktivitäten der ÖGARI dienendes Mitteilungsblatt, welches zunächst als „Newsletter” und später als „News” bezeichnet rund 4mal jährlich erscheint und jedem Mitglied zugestellt wird. Darin enthalten sind die Protokolle der Jahresversammlungen, Berichte der Arbeitsgruppen, wichtige personelle und berufspolitische Ereignisse, Texte interessanter Gastvorträge und Informationen über Veranstaltungstermine, aber auch wissenschaftlichen Informationen wird zunehmend mehr Platz eingeräumt.

Eine Fachgesellschaft lebt durch die sie vertretenden wichtigsten Persönlichkeiten. Neben den bereits erwähnten berufspolitischen und wissenschaftlichen Tätigkeiten O. Mayrhofers haben sich v. a. R. Kucher, der leider früh verstarb, und insbesondere K. Steinbereithner um die Entwicklung der Intensivmedizin verdient gemacht. Darüber hinaus hat Steinbereithner die von Herbert Benzer in notdürftigen Unterkünften begonnene Forschungswerkstätte zu ungeahnter Blüte gebracht, die zum damaligen Zeitpunkt als einzigartig zu bezeichnen war. Herbert Benzer wiederum hat sich ebenfalls auf intensivmedizinischem Sektor, und hier wiederum speziell auf dem Gebiet der Beatmung zu einem international anerkannten Wissenschafter entwickelt. Aus der Schule Steinbereithner ist der hoch anerkannte Intensivmediziner Paul Sporn, derzeit Primarius an der Rudolfstiftung in Wien, namentlich hervorzuheben, sowie Gernot Pauser als Nachfolger Volkmar Feursteins in Salzburg, aus der Schule Benzers ist v. a. Norbert Mutz, der heutige Extraordinarius für Intensivmedizin in Innsbruck und Studiendekan an dieser Fakultät zu nennen. Werner List wiederum hat sich insbesondere den Themen „Monitoring” und „Komplikationen in der Anästhesie” gewidmet, zahlreiche Bücher darüber entstammen seiner Feder. Unter seiner Amtsführung entstanden auch wichtige Arbeitsgruppen über neurologisches Monitoring (G. Schwarz), Notfallmedizin (G. Prause), blutsparende Methoden (H. Gombotz, derzeitiger Primarius am a. ö. KH Linz) und kardiochirurgische Anästhesie (H. Metzler). Einer der visionärsten Anästhesisten Österreichs war Hans Bergmann, der seine Anästhesieabteilung in Linz - übrigens per 1. 1. 1954 das erste Anästhesieprimariat Österreichs - zu einer der eindrucksvollsten, weil überkompletten, Abteilungen führte. Anästhesie, Notfallmedizin, Transfusionsmedizin, Labormedizin und Atemphysiologie - alles in einer Hand - was jedoch mit seiner Pensionierung in dieser Einheit nicht mehr weiter aufrecht zu erhalten war. Die Regionalanästhesie war nach den Anfängen der modernen allgemeinanästhesiologischen Methoden zunächst sträflich vernachlässigt worden. Lediglich einige wenige, damals noch als Außenseiter betrachtete, unermüdliche Anästhesisten übten diese Techniken aus. Es war schließlich Julius Neumark, der sich in Österreich um die Vorteile, Möglichkeiten, aber auch Standards von regionalanästhesiologischen Verfahren, speziell in der geburtshilflichen Anästhesie bemüht und verdient gemacht hat. Ein früher Vertreter der Schmerztherapie war Paul Porges aus der Wiener Universitätsklinik. Damals war er noch ein einsamer Kämpfer, inzwischen ist die Schmerztherapie zu einem der wichtigsten Spezialgebiete unseres Faches herangewachsen, wofür sich auch heute besondere Fachvertreter in Österreich verdient gemacht haben, wie W. Ilias, R. Likar und insbesondere der zum Nachfolger von K. Steinbereithner bestellte H. G. Kress. Die Sepsis, eines uns bis zum heutigen Tag intensiv beschäftigenden Thema, wurde schon sehr früh von dem Anästhesisten Günter Schlag als Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Tätigkeit aufgegriffen. Seine Arbeitsgruppe ist mittlerweile international weithin anerkannt. Last but not least hat Michael Zimpfer aus Wien als Nachfolger O. Mayrhofers ein erfolgreiches internationales Netz für verschiedenste Forschungsaktivitäten aufgebaut, aus welchem eine große Zahl habilitierter Kolleginnen und Kollegen hervorging und welches die Reputation der Wiener Anaesthesieklinik weiterhin anhob.

Wie in den übrigen Ländern Europas hat sich unser Fach längst etabliert. Die 4 Säulen, auf denen unser Fach ruht, sind zu völlig gleichwertigen Bereichen gewachsen und werden auch gelebt. Fast jede Anästhesieabteilung führt Aufwachräume und vielfach auch intensivmedizinische Betten. Akutschmerzdienst, schmerztherapeutische Ambulanzen für chronisch schmerzkranke Patienten und präoperative Ambulanzen sind bereits in vielen Abteilungen die Regel. Die perioperative Medizin hat somit großteils Einzug gehalten. Vieles wurde erreicht, jedoch noch mehr und vor allem wieder neue Aufgaben liegen vor uns, die von der jetzigen und den Nachfolgegenerationen unseres Faches zu bewältigen sein werden.

Abb. 1 Programm des 1. Österreichischen Kongresses für Anaesthesiologie in Salzburg

Abb. 2 Der erste Vorstand der ÖGARI, der hier am Präsidiumstisch in der Bibliothek des Studiengebäudes in Salzburg anlässlich des 1. Österreichischen Kongresses 1952 versammelt ist: V. Feurstein, R. Kucher, O. Mayrhofer, F. Chott, A. Benke, H. Bergmann (von li nach re)

Abb. 3 Entwicklung der Gesamtzahl der ÖGARI-Mitglieder (alle Kategorien)

Prim. Univ. Prof. Dr. med. S. Fitzal

Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin

Monleartstraße 37

1171 Wien

Österreich

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