Zwischen November 2002 und Februar 2003 wurde in der Provinz Guangdong in Südchina
über eine Häufung atypisch verlaufender Pneumonien berichtet. Wegen des vereinzelten
Nachweises von Chlamydia pneumoniae gingen die chinesischen Behörden zunächst von
einer lokalen Chlamydienepidemie aus. Seit Mitte März 2003 traten auch gehäuft Pneumonien
in Hongkong, Vietnam, Taiwan und Singapur auf. Parallel wurde über Erkrankungsfälle
in Kanada, Deutschland, Irland, Frankreich, Italien, Rumänien, England und den USA
berichtet. Nach eingehenden Recherchen der WHO geht man inzwischen davon aus, dass
es sich bei allen gemeldeten Fällen um ein und dieselbe Krankheit handelt, nämlich
das schwere akute Atemwegssyndrom unklarer Ätiologie (SARS). Entstanden in Südchina,
wurde die Krankheit zunächst nach Hongkong verschleppt. Von hier lässt sich der Ausbreitungsweg
und die Ausbreitungsgeschwindigkeit sehr genau verfolgen. Indexpatienten und Cluster
konnten in den betroffenen Ländern exakt definiert werden, so dass neben der Suche
nach dem Erreger und der Behandlung von Komplikationen vor allem hygienische Maßnahmen
und Quarantäne zum Schutz der Bevölkerungen vor der weiteren Ausbreitung im Vordergrund
standen. Ende April zählte die WHO mehr als 5050 Krankheitsfälle [1], über 300 infizierte Personen waren zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben. Betroffen
waren 26 Länder auf sechs verschiedenen Kontinenten [2]. Hierzu muss allerdings bemerkt werden, dass in der überwiegenden Anzahl der betroffenen
Länder lediglich importierte Fälle auftraten und eine direkte Ansteckung hier nicht
erfolgte. Andererseits sind die Regionen, welche besonders betroffen sind, gerade
durch eine hohe Anzahl Patienten gekennzeichnet, die sich durch direkten Kontakt angesteckt
haben. Zu diesen Regionen gehören Hongkong (SAR China) und die Provinzen Guangdong,
Innere Mongolei, Peking und Shangxi (China), Singapur, Taiwan und Toronto (Kanada)
[3].
Charakteristika von SARS
Charakteristika von SARS
Als wesentliche Merkmale von SARS lassen sich aus der Entstehungsgeschichte und den
Fallberichten einige Punkte ableiten:
-
Der Erreger ist ein bislang unbekanntes Virus aus der Familie der Corona-Viren. Eine
ganze Reihe von Fragen zur Epidemiologie und Pathogenese der Erkrankung muss aber
zunächst beantwortet werden, um zur Entwicklung eines diagnostischen Testes, wirksamer
Medikamente und eines Impfstoffes zu gelangen.
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Der Erreger verfügt über eine sehr hohe Kontagiosität.
-
Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion, eine Kontakt- oder Schmierinfektion
erscheint zumindest möglich. Aus diesem Grund gelten Angehörige von Patienten, die
in sehr engem Kontakt zu den erkrankten Familienmitgliedern leben, und medizinisches
Personal sowie deren Angehörige als Risikogruppen (in einigen Regionen sind der überwiegende
Anteil der Erkrankten Angehörige von Patienten sowie deren pflegendes und behandelndes
medizinisches Personal). Allerdings wurde Ende März über eine Häufung von Erkrankungen
in einem bestimmten Wohnblock in einem Viertel Hongkongs berichtet. Es wird vermutet,
dass der Erreger sich möglicherweise auch über andere Wege verbreiten kann (Klimaanlage,
Wasserversorgung, Müllschluckersystem o. ä.), obwohl dafür bis jetzt jeglicher Beweis
fehlt.
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Die Inkubationszeit beträgt im Mittel 4 - 7 Tage (Spannbreite 2 - 10).
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Die Letalität liegt zwischen 5 und 10 %. Sie ist somit vergleichbar mit der Letalität
bei anderen Pneumonieformen. Allein die in diesem Jahr sehr heftige Influenzaepidemie
in Deutschland hat ein vielfaches an Todesopfern gefordert, ohne dass darüber in der
Presse ausführlich berichtet wurde. Ob SARS des Weiteren überdurchschnittlich häufig
zu schweren Verläufen führt, oder ob bestimmte prädisponierende Faktoren oder genetische
Einflüsse hier für den Verlauf und die Prognose wichtig sind, kann zum gegenwärtigen
Zeitpunkt noch nicht beantwortet werden.
Klinik
Klinik
Die Weltgesundheitsorganisation hat eine Falldefinition [4] herausgegeben, nach der Verdachtsfälle und mögliche Fälle unterschieden werden.
Ein Verdachtsfall liegt vor, wenn ein Patient nach dem 1. Februar 2003 mit Fieber
über 38,0 °C erkrankt, zusätzlich Husten, Luftnot oder Kurzatmigkeit beklagt und innerhalb
von 10 Tagen vor Symptombeginn Kontakt zu einem SARS-Patienten hatte oder sich in
einem der Risikogebiete (Hongkong [SAR China], Provinzen Guangdong, Innere Mongolei,
Peking und Shangxi [China], Singapur, Taiwan und Toronto [Kanada]) aufgehalten hat.
Ein möglicher Fall liegt vor bei Erfüllen der Kriterien des Verdachtsfalles und zusätzlichem
radiologischen Pneumonienachweis oder dem Vorliegen einer ungeklärten Atemwegserkrankung
mit Todesfolge sowie einem Autopsiebefund mit Hinweisen auf ein Adult Respiratory
Distress Syndrome (ARDS) ohne feststellbare Ursache.
Die Krankheit beginnt nahezu immer mit einer Erhöhung der Körpertemperatur über 38,0
°C und Husten. Weitere häufige Symptome können Kopfschmerzen, Muskelsteifigkeit, Appetitverlust,
Übelkeit, Verwirrtheit, Ausschlag oder Durchfall sein [5].
Um also Patienten mit grippalen Infekten oder „einheimischen” Infektionen der oberen
und unteren Atemwege bzw. Pneumonien von möglichen SARS-Patienten zu unterscheiden,
hilft nur die genaue Reise- und Expositionsanamnese weiter.
Diagnostik
Diagnostik
Seit Ende März 2003 verfügt das Bernhard-Nocht-Institut (Tropeninstitut der Universität
Hamburg) über einen automatisierten Test zum Nachweis von Coronaviren. Die Anwendung
des Testes ist im Einzelfall jedoch kritisch zu hinterfragen. Typischerweise werden
Viren erst beim Auftreten von Symptomen ausgeschieden. Auch SARS bildet hier keine
Ausnahme. Die Anwendung des Testes bietet deshalb bei symptomlosen Personen mit positiver
Reise- oder Expositionsanamnese keine diagnostische Sicherheit und muss Verdachtsfällen
und möglichen Fällen vorbehalten bleiben. Infrage kommende Untersuchungsmaterialien
sind respiratorische Sekrete, Rachenabstriche und Stuhl.
Weitere diagnostische Empfehlungen des Robert Koch-Institutes zielen auf den Nachweis
typischer und atypischer bakterieller und viraler Pneumonieerreger. Die übliche Routinediagnostik
bei Verdachts- und möglichen Fällen bleibt davon unbenommen. In jedem Fall entscheidet
der behandelnde Arzt über alle durchzuführenden Maßnahmen.
Verlauf
Verlauf
Initiale Symptome sind Fieber, Husten, Luftnot und Muskelsteifigkeit. Im Blut lassen
sich häufig eine Lymphopenie und milde Thrombozytopenie feststellen. Viele Patienten
entwickeln sehr schnell im Verlauf ihrer Erkrankung eine radiologisch nachweisbare
Pneumonie. Erhöhte Werte für das Enzym Laktat-Dehydrogenase kommen vor. Alle diese
Veränderungen sind nicht spezifisch für SARS und können - in Form und Ausprägung unterschiedlich
- auch bei anderen Infektionserkrankungen des Respirationstraktes vorkommen. Engmaschige
klinische, laborchemische und apparative Untersuchungen haben den Zweck, frühzeitig
sich entwickelnde Komplikationen zu erkennen und zu behandeln. Hierzu gehören das
ARDS, ein Multi-Organ-Dyfunktions-Syndrom bis hin zum Multiorganversagen oder septische
Komplikationen.
Therapie
Therapie
Trotz eindeutig identifiziertem Erreger steht bislang keine kausale Therapie zur Verfügung.
Aufgrund der Tatsache, dass Coronaviren behüllte RNA-Viren sind, hat man in Einzelfällen
Therapieversuche mit Oseltamivir oder Ribavirin und Steroiden unternommen [6]
[7]. Über die Wirksamkeit dieser Therapieversuche an z. T. kritisch kranken Patienten
kann aber keine allgemein gültige Aussage gemacht werden. Eine Behandlungsempfehlung
auszusprechen wäre sicherlich falsch, da keine kontrollierte Studie hierzu vorliegt.
Außerdem wurde die überwiegende Anzahl der Patienten, die mit antiviralen Substanzen
behandelt wurden, zeitgleich mit einer antibiotischen Kombinationstherapie behandelt,
so dass eine näherungsweise sichere Aussage in Bezug auf die Wirksamkeit der einzelnen
Substanzen unmöglich ist [6].
Eindeutig positiv aus der klinischen Erfahrung haben sich flankierende und unterstützende
Maßnahmen erwiesen. Hierzu gehören eine adäquate Flüssigkeitssubstitution, die Sicherung
und Unterstützung der Kreislauffunktion, der Sauerstoffversorgung, der Ernährung und
der Ausscheidung. Auch hierbei gilt: Die Entscheidung über die Therapie muss vom behandelnden
Arzt nach Abwägung aller zur Verfügung stehenden Informationen individuell getroffen
werden.
Schutzmaßnahmen
Schutzmaßnahmen
Dem Thema Schutz kommt bei SARS eine besondere Bedeutung zu. Der überwiegende Teil
der Patienten hat sich in sehr engem Kontakt zu SARS-Patienten befunden und sich somit
höchstwahrscheinlich infiziert. Damit sind bestimmte Personengruppen einem höheren
Risiko ausgesetzt. Dazu zählen direkte Angehörige sowie in medizinischen Bereichen
Tätige und deren Angehörige. Alle Empfehlungen zum persönlichen Schutz dieser Personengruppen
betreffen umfassende Hygienerichtlinien und Quarantänemaßnahmen unterschiedlicher
Strenge. So ist es nach derzeitigem Stand des Wissens ausreichend, eine Person ohne
Krankheitssymptome, aber mit entsprechender Reiseanamnese nach Meldung bei den örtlichen
Gesundheitsbehörden für 7 - 10 Tage unter häusliche Quarantäne zu stellen. Ein Verdachtsfall
sollte stationär isoliert werden und ein möglicher Fall in einem entsprechenden Zentrum
behandelt werden. Zum Schutz des Personals sollten die Richtlinien des sog. „barrier
nursing” strikt eingehalten werden, wozu Schutzkittel, Einmalhandschuhe, eine eng
anliegende Mund-Nasen-Maske (Schutzstufe FFP3) und gfs. eine Schutzbrille gehören.
Besonderer Wert muss auf die Händedesinfektion und die Desinfektion tendenziell kontaminierter
Flächen gelegt werden. Auch hinsichtlich der baulichen Voraussetzungen gibt es bestimmte
Vorkehrungen, die bei der Behandlung eines SARS-Falles zu treffen sind (z. B. Klimaanlagen
abstellen, Schleusen usw.) [8].
Fazit
Fazit
SARS ist eine bislang unbekannte Infektionskrankheit, die sich durch den internationalen
Flugverkehr weltweit ausbreitet. Die bislang gewonnenen Erkenntnisse und empfohlenen
Schutzmaßnahmen lassen das Gefährdungspotenzial für Deutschland allerdings als gering
erscheinen. Betroffene Personen sollten entsprechend ihrer Symptomatik isoliert werden.
Risikogruppen können sich durch adäquate Präventionsmaßnahmen mit hoher Sicherheit
vor einer Ansteckung schützen. Ein diagnostischer Test steht zur Verfügung, eine kausale
Therapie und eine Impfung stehen derzeit nicht zur Verfügung. Die WHO empfiehlt nicht
zwingend notwendige Reisen in Endemiegebiete zu verschieben. Weitere Anstrengungen
zur Erforschung der Entstehung, Epidemiologie, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie
sind erforderlich und werden weltweit unternommen.
Informationen zu SARS im Internet
Informationen zu SARS im Internet
Weltgesundheitsorganisation WHO: www.who.int/csr/sars/en
Robert Koch-Institut Berlin: www.rki.de
US Centers for Disease Control and Prevention CDC: www.cdc.gov/ncidod/sars
Bernhard-Nocht-Institut Hamburg: www.gesundes-reisen.de/index2.html
Weitere aktuelle und interessante Informationen gibt es auf den SARS-Informationsseiten
des „Kompetenznetzwerkes für Ambulant Erworbene Pneumonie CAPNetz” unter www.capnetz.de
Das „Department of Diagnostic Radiology and Organ Imaging” der Chinesischen Universität
Hongkong bietet eine Reihe von Röntgenbildern zum Anschauen unter: http://www.droid.cuhk.edu.hk/
Das „Department of Anaesthesia and Intensive Care” der Chinesischen Universität Hongkong
bietet Informationen und persönliche Erfahrungen zur Behandlung von SARS-Patienten
unter: http://www.aic.cuhk.edu.hk/web8/sudden_acute_respiratory_syndrom.htm