Obwohl uns die ersten Thorax-CT-Bilder vor circa 30 Jahren noch als revolutionäre
Neuerung in Erinnerung sind, wurde diese Technik durch eine Reihe neuer Entwicklungen
wie das high-resolution-CT (HR-CT), das Spiral-CT und das Multidetektor-Spiral-CT
ergänzt bzw. verbessert. Während die genannten Begriffe für den Nichtradiologen noch
einigermaßen verständlich sind, übersteigen Weiterentwicklungen wie „die Multiplanare
Rekonstruktion (MPR), die Maximumintensitätsprojektion (MIP), die Oberflächendarstellung
(SSD), die Volumendarstellung (VR) oder die virtuelle Bronchoskopie (VB)” das technische
Verständnis des Klinikers. Das „Geheimnis” sei in einem Satz zusammengefasst: Alle
diese Techniken befassen sich mit der Bildnachverarbeitung von Aquisitionsparametern
der Spiral-CT-Untersuchung, d. h., mit der Qualität axialer Schnittbilder. Die in
diesem Heft veröffentlichte Kasuistik zur virtuellen Mehrzeilen-CT-Bronchoskopie in
der Diagnostik endobronchialer Tumoren wirft ein Schlaglicht auf die von uns Klinikern,
insbesondere den endoskopisch tätigen Klinikern, skeptisch beäugte „radiologische
Konkurrenzmethode” der Endoskopie.
Die virtuelle Bronchoskopie ist definiert als eine neue, spezielle 3D-Darstellungs-
und Beurteilungstechnik, bei der axiale Dünnschichtspiral-CT-Daten des Thorax in realistisch
simulierte endoluminale Ansichten generiert werden. Man unterscheidet zwei methodische
Ansätze: Die 3D-Oberflächendarstellung (surface randering) und die Volumendarstellung
(volume randering). Der Nachteil der oberflächenbasierten virtuellen Bronchoskopie
ist der Verlust an extraluminärer Information, der Nachteil der Volumendarstellung
ist die schlechtere Beurteilung der Oberflächenstrukturen der Luftwege.
Die Technik der transparenten, farbcodierten 3D-Oberflächendarstellung vereint die
Vorteile beider Methoden und ermöglicht sowohl die optimale intraluminale Beurteilung
der Oberflächenstrukturen der Luftwege wie auch die der extraluminalen Strukturen
jenseits der Tracheobronchialwand.
Die Vorteile der virtuellen Bronchoskopie sind:
-
Die nichtinvasive Beurteilung von Oberflächenstrukturen. Die Methode ist damit eine
sinnvolle Alternative zur flexiblen fiberoptischen Bronchoskopie, wenn diese abgelehnt
wird, nicht durchführbar ist oder kontraindiziert ist und
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die Sicht „beyond of endoscopic visibility”. Die virtuelle Bronchoskopie ermöglicht
zum einen die Korrelation endoluminaler Befunde mit umgebenden extraluminalen Strukturen,
z. B. parabronchialen Tumormassen oder parabronchialen Lymphknoten und andererseits
die Beurteilung poststenotischer bzw. postokklusiver Abschnitte der axialen Atemwege.
Die wichtigsten klinischen Einzelindikationen sind somit
-
die Beurteilung von Querschnitt und Längsausdehnungen tracheobronchialer Stenosen
zur Planung und Erfolgskontrolle endoskopisch palliativer Maßnahmen und
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die gezielte transbronchiale Nadelaspirationsbiopsie im Rahmen des Tumorstagings.
Während die virtuelle Bronchoskopie in der Literatur auch zum Screening in der (Früh-)Diagnostik
endobronchialer Tumoren empfohlen wird, wird dies vom Verfasser abgelehnt, da die
endobronchiale, submuköse oder peribronchiale Ausdehnung diskreter Tumorinfiltrationen
in der virtuellen Bronchoskopie nicht nachweisbar ist oder unterbewertet wird. Diese
kritische Einschränkung des Autors charakterisiert den Hauptnachteil der virtuellen
Bronchoskopie. Sie gibt keine ausreichende Information über Farbe und Feinstruktur
der Oberfläche, keine Information über Menge und Konsistenz des Sekretes, keine Information
über dynamische Prozesse und last but not least, sie eröffnet nicht den Zugang zur
zytologischen, mikrobiologischen und histopathologischen Abklärung. Die virtuelle
Bronchoskopie erspart damit in den weitaus meisten Fragestellungen nicht den Einsatz
der Fiberbronchoskopie.
Das Resümee lautet: Die dreidimensionalen Bilder der virtuellen Bronchoskopie vom
Röhrensystem der Atemwege sind eindrucksvoll und plastisch, die Untersuchung ist nicht
belastend. Dies soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die virtuelle Bronchoskopie
die Fiberbronchoskopie häufig nur ergänzen kann, sie aber bis auf wenige Indikationen
nicht ersetzt. Eine Wachablösung des Goldstandards Bronchoskopie ist durch die virtuelle
Bronchoskopie daher vorerst nicht zu erwarten.