Der Klinikarzt 2003; 32(5): 163-167
DOI: 10.1055/s-2003-39451
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Vermeidung von Frakturen und Therapieoptionen - ie Osteoporose der älteren Frau

Avoidance of Fractures and Options for Therapy - Osteoporosis in Elderly WomenL. Pientka1
  • 1Medizinische-Geriatrische Klinik, Marienhospital Herne, Ruhr-Universität Bochum (Direktor: Prof. Dr. L. Pientka)
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Anschrift des Verfassers

Prof. Dr. Ludger Pientka

Medizinische-Geriatrische Klinik Marienhospital Herne

Ruhr-Universität Bochum

Widumerstr. 8

44627 Herne

Publication History

Publication Date:
26 May 2003 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Frakturen gehören bei älteren Menschen zu den Ereignissen, die häufig zu vorzeitiger Mortalität, zur Einweisung in ein Pflegeheim und zum Verlust der Selbstständigkeit führen. Ursache für Knochenbrüche sind vor allem die Kombination von Sturzkrankheit und Osteoporose. Daher müssen beide Krankheiten früh entdeckt und behandelt werden. Wesentlich sind unter anderem die frühzeitige Identifikation von Risikofaktoren für eine Osteoporose, eine adäquate Messung der Knochendichte und eine Abklärung des Sturzrisikos (neuromuskuläre Funktion). Zur Primärprävention der Fraktur gehören die ausreichende Aufnahme von Kalzium und Vitamin D sowie unterschiedliche Formen des Bewegungstrainings zur Erhöhung der Gangsicherheit und/oder zur Beeinflussung der Knochenmasse. Weitere Behandlungsansätze bei einem fortgeschrittenen Krankheitsprozess umfassen eine medikamentöse Behandlung mit den neueren Bisphosphonaten und Raloxifen. Bei ausgewählten gebrechlichen Patienten ist der Einsatz von Hüftprotektoren von nachgewiesenem Nutzen.

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Summary

Fractures are one of the most important events for the elderly and lead often to early mortality, nursing home stays and loss of independence. The combination of falls and osteoporosis are the main causes for fractures. Therefore, both must be diagnosed and treated in an early stage. The diagnostic work-up must include the identification of relevant risk factors for osteoporosis like low body weight or a history of fractures, an appropriate measurement of the bone mass density and the assessment of the fall risk (neuromuscular function). For the primary prevention of fractures, the elderly should have an adequate intake of calcium and vitamin D and specific exercise interventions either as balance training and/or for the increase of the bone mass. Effective pharmacological interventions for patients with an osteoporosis are the new bisphosphonates and raloxifen. For frail elderly, hip protectors are an effective treatment option.

In den letzten Jahren haben die Kenntnisse über die gesellschaftliche Bedeutung der Osteoporose und ihrer sozialen und ökonomischen Folgen bei älteren Menschen deutlich zugenommen. Vor dem Hintergrund der zu erwartenden demografischen Veränderungen in den nächsten Jahren wird die Häufigkeit der Osteoporose und ihrer Folgen stark ansteigen. Die Fortschritte in der Diagnostik und der Therapie haben uns bis heute eine Vielzahl von Entscheidungsoptionen zur Verfügung gestellt, die das Krankheitsbild positiv beeinflussen können. Nach aller vorliegenden Evidenz ist eine Unter- und Fehlversorgung älterer Frauen zu beobachten. Modellrechnungen haben aber gezeigt, dass vor allem die Behandlung betagter und hochbetagter Patienten eine positive Kosten-Nutzen-Relation aufweist.

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Epidemiologie

Der klinisch relevanteste Parameter - auch für die Patientenaufklärung - ist das Risiko einer Frau, während ihres Lebens oder in einem definierten Zeitraum (zehn Jahre) eine Fraktur zu erleiden. So beträgt das Risiko einer 75-jährigen Frau, während ihres Lebens eine hüftgelenksnahe Fraktur zu erleiden, etwa 20 %, das eines gleich alten Mannes dagegen liegt ungefähr bei 9 % [7].

Untersuchungen zu den Folgen einer hüftgelenksnahen Fraktur zeigen, dass diese ein Mortalitätsrisiko von etwa 20-25 % in den ersten sechs Monaten und eine dramatische Übersterblichkeit um das Zwei- bis Vierfache aufweisen [10]. Ebenso bedeutsam sind die funktionalen Defizite bei den Überlebenden, die häufig eine Einweisung in Alten- und Pflegeheime, eine erhöhte Pflegebedürftigkeit und starke Einschränkungen der Lebensqualität verursachen. Hüftgelenksnahe Frakturen sind daher aufgrund ihrer Häufigkeit, ihrer Morbidität und ihrer Mortalität sowie ihrer sozioökonomischen Bedeutung der we-sentliche klinische Endpunkt aller Aussagen zur Osteoporose bei älteren Menschen.

In der Diskussion werden epidemiologische Risikofaktoren für eine Knochendichteminderung (Osteoporose ohne Frakturen), für (hüftgelenksnahe) Frakturen und für Stürze unterschieden [12]. Doch keiner dieser Faktoren - einschließlich der Knochendichtemessung - ist hinreichend sensitiv und spezifisch, um eine Osteoporose frühzeitig erkennen zu können [5].

Im Mittelpunkt der Diagnostik sollte die Identifikation von Hochrisiko-Patienten stehen. Ein starker Risikofaktor - leider ohne prognostische Bedeutung - ist eine erniedrigte Knochendichte [6]. Zwar steigt mit der Zahl der Risikofaktoren auch das Frakturrisiko, doch welche Kombination von einzelnen Risikofaktoren die Präzision der Frakturprognose klinisch relevant erhöht, bedarf weiterer Untersuchungen. Daher sollten für die Diagnostik und Behandlung Informationen zur Knochendichte, zu den Risikofaktoren und zur Sturzkrankheit kombiniert werden.

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Diagnostik

Aufgrund der hohen Prävalenz und Inzidenz der Osteoporose in dieser Altersgruppe sollte die Abklärung hinsichtlich des Vorliegens einer Osteoporose und einer Sturzkrankheit Bestandteil der Routineversorgung sein. Ziel dabei ist die Schätzung des Frakturrisikos und der Ausschluss sekundärer Osteoporoseformen oder anderer Erkrankungen [11]. Zur Diagnostik gehören vor allem:

  • Anamnese, Risikofaktorenbestimmung und körperliche Untersuchung

  • Bestimmung der Knochendichte bei begründetem Verdacht auf eine Osteoporose oder bereits eingetretenen Frakturen

  • bildgebende Verfahren (konventionelles Röntgen)

  • Basislabor

  • Sturzabklärung.

  • arke Risikofaktoren für Frakturen sind:

  • die Frakturhäufigkeit (akut oder seit Menopause ohne größeres Trauma)

  • eine Abnahme der Körpergröße (maximal 4 cm seit dem 25. Lebensjahr oder mindestens 2 cm seit der letzten Messung; vor allem Wirbelkörperfraktur)

  • niedriges Körpergewicht (BMI unter 20) oder unabsichtliche Gewichtsabnahme von über10 % in jüngster Zeit

  • einer oder mehrere Stürze in den letzten drei Monaten, die nicht extrinsisch bedingt waren (bei denen der Sturz nicht nachvollziehbar durch von außen einwirkende Kräfte verursacht wurde)

  • Erkrankungen mit hohem Risiko für eine sekundäre Osteoporose.

Basis der Diagnostik aber sind eine regelmäßige Erhebung der Anamnese und die körperliche Untersuchung einschließlich des Messens von Körpergröße und -gewicht.

Wesentliche Indikation zur Knochendichtemessung ist das Vorliegen eines starken Risikofaktors oder des Verdachts auf eine Wirbelkörperfraktur. Das wichtigste diagnostische Verfahren ist die DXA-Messung („dual X-ray absorptiometry”). Da die Knochendichte am Schenkelhals die größte prognostische Bedeutung für hüftgelenksnahe Frakturen hat, sollte eine Messung dieses Parameters an dieser Stelle auf jeden Fall erfolgen. Von geringerer Bedeutung ist eine DXA-Messung an der Wirbelsäule älterer Personen, hier bestehen besondere messtechnische Probleme (z.B. Aortensklerose, degenerative Veränderungen). Daher sollte Letztere bei Frauen im Alter von 75 Jahren und darüber nicht primär erfolgen.

Aufgrund der vorliegenden Evidenz wird empfohlen, sowohl eine Knochendichtemessung an der Wirbelsäule als auch am Schenkelhals durchzuführen. Am Schenkelhals sollte immer die gesamte Hüfte (so genannter „total-hip”-Wert) gemessen werden. Bei älteren Frauen (mindestens 75 Jahre) sollte zuerst die Hüfte vermessen werden. Findet sich dabei bereits ein T-Score mit einer Standardabweichung von über -2,5, ist eine Messung an der Wirbelsäule nicht mehr notwendig, da dies keine zusätzlichen Informationen für die Behandlung bringt.

Über den zeitlichen Abstand der Messungen liegen sehr unterschiedliche Angaben vor. Aufgrund der Testcharakteristika des DXA-Verfahrens sind jedoch Wiederholungsmessungen frühestens nach zwei Jahren sinnvoll. Daher sollte eine Kontrolle nur bei Therapieende und/oder frühestens nach zwei Jahren erfolgen. Besteht ein ausreichender klinischer Verdacht auf eine Osteoporose sollte ein so genanntes „Basislabor” durchgeführt werden, um beispielsweise andere Erkrankungen oder Hinweise für sekundäre Osteoporoseformen auszuschließen. Dieses sollte zumindest aus Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG), C-reaktivem Protein (CRP), Blutbild, Kalzium, Phosphat, alkalischer Phosphatase. γ-GT, Eiweißelektrophorese, Kreatinin und thyreoidstimulierendem Hormon (TSH) bestehen.

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Sturzabklärung

Stürze stehen neben der Therapie einer Osteoporose im Mittelpunkt der Frakturvermeidung. Als Sturz ist ein unfreiwilliges plötzliches unkontrolliertes Herunterfallen oder -gleiten des Körpers auf eine tiefere Ebene aus dem Stehen, Sitzen oder Liegen zu verstehen. Stürze zählen zu den acht häufigsten Todesursachen bei älteren Menschen, etwa 30 % aller über 65-Jährigen stürzen zumindest einmal pro Jahr. Davon wiederum erleiden ungefähr 30-40 % schwer wiegende Verletzungen - am häufigsten sind Schenkelhalsfrakturen (SHF) zu beobachten. Ungefähr 40 % aller Einweisungen in ein Altenheim resultieren aus einem Sturz.

Die wichtigsten Schritte einer Strategie zur Vermeidung von (weiteren) Stürzen sind:

  • Risikobeurteilung

  • Ursachenabklärung

  • Intervention.

Wichtigster Schritt bei der Risikobeurteilung der Sturzkrankheit ist die Frage nach einem Sturz oder einem Beinahe-Sturz in den letzten Wochen oder Monaten. Der größte Teil der Stürze älterer Menschen ist jedoch nicht Folge einer einzelnen Krankheit oder eines Funktionsdefizits, meist sind Stürze multifaktoriell bedingt. Unterschieden werden die folgenden Ursachen:

  • extrinsische Stürze (Stürze, bei denen der Sturz nachvollziehbar durch von außen einwirkende Kräfte verursacht wird)

  • synkopale Stürze (Stürze, bei denen ein Ereignis zugrunde liegt, das mit einem zeitlich begrenzten, pathophysiologisch leicht nachvollziehbaren Verlust der Kontrolle über das lokomotorische System mit oder ohne Bewusstseinsverlust einhergeht, z.B. transitorisch ischämische Attacke, Herzrhythmusstörungen)

  • lokomotorische Stürze (Stürze bei Patienten mit Funktionsdefiziten bei alltäglichen Umgebungsbedingungen oder Tätigkeiten).

Meist wirken dabei situative, exogene, iatrogene und/oder endogene Faktoren zusammen. Relevant sind nicht nur äußere Risikofaktoren, wie beispielsweise ungeeignetes Schuhwerk, sondern vor allem „innere” sturzassoziierte Merkmale [Tab. 1]. Weitere Risikofaktoren sind iatrogene sturzassoziierte Merkmale, wie eine Einnahme psychotroper Medikamente (insbesondere Benzodiazepine, Neuroleptika, Antidepressiva), Antihypertensiva, Diuretika und eine Multimedikation (über vier Medikamente). Dazu kommen situative sturzassoziierte Merkmale wie zum Beispiel eine situative Selbstüberschätzung.

Die wichtigste diagnostische Maßnahme ist die Frage nach einem Sturz oder nach einem Beinahe-Sturz, die je nach Zustand und Alter des Patienten mindestens jährlich erfolgen sollte. War der Patient gestürzt, sollte man so vorgehen, wie in der Tabelle 2 beschrieben.

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Prävention und Behandlung der Osteoporose

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Nichtmedikamentöse Behandlung

Zur primären Prävention und Behandlung der Osteoporose gehören sowohl nichtmedikamentöse als auch medikamentöse Interventionen. Die präventiven Maßnahmen bei älteren Menschen zielen auf die folgenden Endpunkte:

  • Verbesserung des Knochenmetabolismus

  • Stärkung der neuromuskulären Funktion (Sturzneigung)

  • Erhalt und/oder Verbesserung der Funktionalität nach Frakturen

  • Beeinflussung des Körpergewichts und des Körperfettanteils

  • Beeinflussung der Lebensqualität und dadurch der körperlichen wie sozialen Aktivität.

Für alle therapeutischen Optionen mit Ausnahme der Hüftprotektoren ist anzumerken, dass keine Studien mit Patienten von über 80 Jahren vorliegen und somit nur eine extrapolierte Evidenz vorliegt.

Für ältere Personen ist eine nutritiv niedrige Kalziumaufnahme belegt. Die ausreichende Kalziumzufuhr jedoch kann die Knochendichte effektiv beeinflussen. Ob eine alleinige Optimierung der nutritiven Kalziumaufnahme ausreicht, um effektiv Frakturen zu reduzieren, ist aber nicht ausreichend gezeigt worden. Obwohl die Angaben zur Dosis zwischen 1-1,5 g schwanken, sollte für ältere Frauen eher die obere Grenze als Ziel definiert werden.

Zwar sind die allgemeinen geometrischen Eigenschaften des Knochens genetisch determiniert, doch auch Umwelteinflüsse können die interne Architektur, die Mineraldichte und andere Eigenschaften der Knochenstruktur verändern. Wesentlicher Faktor dabei ist die mechanische Beanspruchung des Knochens: So ist die osteogene Wirkung einer mechanischen Belastung nur lokal, Veränderungen betreffen damit überwiegend nur die Skelettanteile, die einer Belastung ausgesetzt sind. Wichtig ist, dass die Belastung dynamisch, nicht statisch ist. Aus physiologischer Sicht ist eine relativ hohe Belastung von Bedeutung. Laut einer Reihe epidemiologischer und klinischer Studien lassen sich Knochendichte und Frakturrisiko durch körperliche Bewegung - sowohl durch forciertes Gehen, wie auch durch Gewichtstraining oder Aerobicübungen - positiv beeinflussen.

Auch aus präventiven Gesichtspunkten kommt der körperlichen Bewegung aufgrund der Sturzhäufigkeit älterer Menschen und der Bedeutung der neuromuskulären Funktion eine wichtige Rolle zu. Für eine alleinige Bewegungstherapie (z.B. Tai-Chi) als Intervention zur Vermeidung von Stürzen liegt aber nur für Hochrisikogruppen (älter als 80 Jahre und mehrere Sturzrisikofaktoren) Evidenz vor. Effektiver sind Interventionen, die mehrere Risikofaktoren berücksichtigen. Beide Aussagen gelten auch für Bewohner von Altenheimen. Wesentliche Maßnahmen sind [2]:

  • Medikamentenanpassung

  • Verhaltenstraining

  • Mobilitätsverbesserung (Balance-/Kraft-/Gehtraining)

  • Reaktionstraining

  • Optimierung des häuslichen Umfelds (Schuhwerk, Beleuchtung, Stolperfallen, Mobiliar)

  • Optimierung der Hilfsmittelversorgung

  • Hüftprotektoren.

Verschiedene Studien weisen auf einen positiven Effekt von Hüftprotektoren bezüglich der Verhinderung hüftgelenksnaher Frakturen hin (9). Meist nahmen an diesen Untersuchungen Bewohner von Altenheimen oder sehr gebrechliche Personen teil. Es zeigte sich, dass das Tragen von Hüftprotektoren dazu beitragen kann, die Frakturrate deutlich zu senken (bis zu 60 %). Allerdings vermindern unter Alltagsbedingungen Akzeptanzprobleme die Effektivität. Daher sollte vor dem Einsatz von Hüftprotektoren abgeschätzt werden, ob die Patienten diese als Präventionsmaßnahme akzeptieren.

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Medikamentöse Behandlung

Inzwischen sind bereits eine Reihe von medikamentösen Therapieoptionen untersucht [1] [3] [4] [8]. Dabei hat eine Kombinationsbehandlung von Kalzium und Vitamin D vor allem für Bewohner von Altenheimen eine signifikante Reduktion der Rate an hüftgelenksnahen Frakturen (etwa 30 %) gezeigt. Auch ein Anstieg der Knochendichte ist belegt. Aufgrund der derzeitigen klinischen und epidemiologischen Datenlage für ältere Frauen sollte die gemeinsame Gabe von Kalzium (1000-1500 mg/d) und Vitamin D (400-800 IE/d) als Basistherapie gelten. Die am besten untersuchte Therapieoption aber sind die Bisphosphonate.

Für die drei in Deutschland zur Osteoporose-Behandlung zugelassenen Medikamente Alendronat, Etidronat und Risedronat existieren eine Reihe randomisierter klinischer Studien, die trotz unterschiedlichem Design zeigen, dass Alendronat und Risedronat sowohl die Knochendichte als auch das Frakturrisiko effektiv beeinflussen können. Bei Frauen mit vorbestehenden Wirbelkörperfrakturen zum Beispiel konnte das Risiko für hüftgelenksnahe Frakturen um etwa 40-50 % reduziert werden. Ähnlich effektiv war die Behandlung bezüglich des Risikos für weitere Wirbelkörperfrakturen. Und bei Frauen ohne Frakturanamnese, aber niedriger Knochendichte (T-Score am Schenkelhals maximal 2,5) konnte ebenfalls eine effektive Senkung des Risikos für hüftgelenksnahe Frakturen gezeigt werden.

Da hinsichtlich der Knochendichte nach der momentanen Datenlage kein Unterschied zwischen der täglichen und der wöchentlichen Gabe von Alendronat und Risedronat besteht, können beide Applikationsformen als äquivalent gelten. Für Etidronat belegen kleinere Studien bei Frauen mit Frakturanamnese und erniedrigter Knochendichte nur für Wirbelkörperfrakturen und vertebrale Knochendichte einen signifikanten Effekt.

Von einer Ausnahme abgesehen (WHI[1]-Studie), existieren bislang keine Untersuchungen zur Hormontherapie mit dem primären Endpunkt „hüftgelenksnahe Fraktur” für die hier betrachtete Altersgruppe. Eine Einschätzung anhand einer Metaanalyse zeigt keinen Effekt, sodass es derzeit nur eine geringe Evidenz für einen positiven Effekt auf das Frakturrisiko gibt. Um diese Frage abschließend beurteilen zu können, sollte die weitere Diskussion um die Abwägung von Schaden und Nutzen abgewartet werden.

Raloxifen konnte bisher in Studien keine Evidenz für eine Senkung des Risikos für hüftgelenksnahe Frakturen nachweisen. Die Daten zeigen, dass bei Frauen mit Frakturanamnese eine Senkung der Wirbelkörperfrakturrate um ungefähr 30 % erreicht wurde.

Keine Evidenz besteht auch für Vitamin-D-Analoga (Alfacalcidol, Calcitriol) bezüglich einer Senkung der Rate von hüftgelenksnahen Frakturen. Die Untersuchungen, die momentan für die Behandlung mit Calcitonin für ältere Frauen vorliegen, liefern nur inkonsistente Ergebnisse hinsichtlich der Frakturrate und der Knochendichte. In den relevanten Primärarbeiten zur Behandlung mit Fluoriden wurde ein positiver Effekt auf die Knochendichte an der Wirbelsäule und am Schenkelhals nachgewiesen. Insgesamt können aufgrund der Variationen in den Patientenpopulationen, den unterschiedlichen Intervention und der sehr variablen Studiendauer keine eindeutigen Aussagen zur Fluorid-Behandlung für ältere Osteoporose-Patienten getroffen werden.

Für die (wenigen) Patienten, die nicht mit einem Bisphosphonat oder mit Raloxifen entsprechend den Empfehlungen behandelt werden können (z.B. aufgrund einer Unverträglichkeit) oder wollen (Patientenpräferenz), stehen eine Reihe von bereits erwähnten Reservetherapeutika zur Verfügung: Calcitonin, Fluoride, Natriumfluorid (NaF), Monofluorophosphat (MPF) und Vitamin-D-Analoga (Alfacalcidol, Calcitriol).

Tab. 1 Risikofaktoren für Stürze
  • weibliches Geschlecht

  • positive Sturzanamnese

  • Paresen jeglicher Genese (motorisch/sensibel)

  • Parkinsonsyndrom

  • visuelle Einschränkungen, insbesondere des räumlichen Sehens

  • Einschränkungen des Hörvermögens

  • persistierende neurologische Defizite bei Zustand nach apoplektischem Insult

  • Deformierungen an den unteren Gliedmaßen

  • Blutzuckerschwankungen

  • Blutdruckschwankungen

  • Muskelatrophie

  • Kachexie, konsumierende Grunderkrankung

  • Demenz

  • akuter oder chronischer Schwindel

  • Depression

  • Alkohol- oder Drogenabusus

  • funktionelle Einschränkungen im täglichen Leben („activities of daily living”, ADL / „instrumental activities of daily living”, IADL)

  • Gang- oder Balancestörungen

  • Delir bei akutem Infekt, Stoffwechselstörung und/oder Exsikkose

  • unsicherer Umgang mit Hilfsmitteln

Tab. 2 Diagnostik der Sturzkrankheit

(Fremd-)Anamnese mit Fragen

  • nach der Tätigkeit/Aktivität unmittelbar vor dem Sturz

  • nach der Tageszeit des Sturzes

  • nach früheren Stürzen

  • nach subjektiv empfundener Gangunsicherheit

  • spezifische Fragen nach extrinsischen Stürzen

  • spezifische Fragen nach synkopalen Stürzen (Bewusstseinsstörung, Prodromalsymptome, etc.)

  • nach zunehmenden Einschränkungen bei den Aktivitäten des täglichen Lebens

  • genaue Medikamentenanamnese

internistischer und neurologischer Status

geriatrisches Assessment

(bei allen Patienten mit geriatrischen Syndromen; z.B. Inkontinenz, Demenz, Multimorbidität)

  • Beurteilung von Hör- und Sehdefiziten

  • Beurteilung der kognitiv-emotionalen Funktion anhand standardisierter Instrumente

  • Depression (z.B. geriatrische Depressionsskala, GDS)

  • demenzielle Syndrome (z.B. Mini-Mental-Status, MMSE)

Test auf Sturzrisiko

  • Aufstehtest

  • Einbandstand (Tandem oder Einbein-Stand)

weitere Diagnostik je nach Verdachtsdiagnose (Langzeit-EKG, CCT, Schellongtest, etc.)

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Literatur

  • 1 Cranney A, Guyatt G, Griffith L. et al. . Summary of meta-analyses of therapies for postmenopausal osteoporosis.  Endocrine Rev. 2002;  23 570-578
  • 2 Cumming RG. Intervention strategies and risk-factor modification for falls prevention - a review of recent intervention studies.  Clin Geriatr Med. 2002;  18 175-190
  • 3 Delmas PD. Different effects of antiresorptive therapies on vertebral and nonvertebral fractures in postmenopausal osteoporosis.  Bone. 2002;  30 14-17
  • 4 Delmas PD. Treatment of postmenopausal osteoporosis.  Lancet. 2002;  359 2018-2026
  • 5 Espallargues M, Sampietro-Colom L, Estrada MD. et al. . Identifying bone-mass-related risk factors for fracture to guide bone densitometry measurements: A systematic review of the literature.  Osteoporos Int. 2001;  12 811-822
  • 6 Hochberg MC, Greenspan S, Wasnich RD. et al. . Changes in bone density and turnover explain the reductions in incidence of nonvertebral fractures that occur during treatment with antiresorptive agents.  J Clin Endocrinol Metab. 2002;  87 1586-1592
  • 7 Kanis JA, Johnell O, Oden A. et al. . Ten-year risk of osteoporotic fracture and the effect of risk factors on screening strategies.  Bone. 2002;  30 251-258
  • 8 Marcus R, Wong M, Heath H III, Stock JL. Antiresorptive treatment of postmenopausal osteoporosis: comparison of study designs and outcomes in large clinical trials with fracture as an endpoint.  Endocrine Rev. 2002;  23 16-37
  • 9 Parker MJ, Gillespie LD, Gillespie WJ. Hip protectors for preventing hip fractures in the elderly (Cochrane Review).  The Cochrane Library Oxford Update Software 2002; Issue. 2; 
  • 10 Pientka L, Friedrich C. The costs of hip-fracture in Germany: a prospective evaluation.  Z Gerontol Geriatr. 1999;  32 326-332
  • 11 Prince RL. How to diagnose the presence of osteoporosis and assess the risk of fracture.  Best Pract & Res Clin Rheumatol. 2001;  15 345-358
  • 12 Walker-Bone K, Walter G, Cooper C. Recent developments of osteoporosis in the epidemiology.  Curr Opin Rheumatol. 2002;  14 411-415

1 women's health initiative

#

Anschrift des Verfassers

Prof. Dr. Ludger Pientka

Medizinische-Geriatrische Klinik Marienhospital Herne

Ruhr-Universität Bochum

Widumerstr. 8

44627 Herne

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Literatur

  • 1 Cranney A, Guyatt G, Griffith L. et al. . Summary of meta-analyses of therapies for postmenopausal osteoporosis.  Endocrine Rev. 2002;  23 570-578
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  • 10 Pientka L, Friedrich C. The costs of hip-fracture in Germany: a prospective evaluation.  Z Gerontol Geriatr. 1999;  32 326-332
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1 women's health initiative

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Anschrift des Verfassers

Prof. Dr. Ludger Pientka

Medizinische-Geriatrische Klinik Marienhospital Herne

Ruhr-Universität Bochum

Widumerstr. 8

44627 Herne