Rofo 2003; 175(7): 889-891
DOI: 10.1055/s-2003-40437
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Kontrastmittelgestützter Ultraschall der Leber - Herausforderung und Chance für die
deutsche Radiologie

Contrast Medium-Supported Sonography of the Liver - A Challenge to German RadiologyT.  Albrecht1
  • 1Klinik und Poliklinik für Radiologie, Universitätsklinikum Benjamin Franklin, Freie Universität Berlin
Prof. Dr. h.c. Karl-Jürgen Wolf zum 60. Geburtstag gewidmet.(Beitrag konnte aus Platzgründen leider nicht mehr in Heft 6/03 aufgenommen werden.)
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Publication Date:
08 July 2003 (online)

Die Sonographie war den anderen Schnittbildverfahren in der Diagnostik fokaler Leberläsionen bis vor wenigen Jahren deutlich unterlegen. Dies galt sowohl für die Detektion von Metastasen und HCC als auch für die Charakterisierung fokaler Läsionen. Obgleich bestimmte Läsionsarten wie z. B. Hämangiome meist typische Befunde zeigten, war eine sichere Diagnose sonographisch oft nicht möglich. Ausnahmen bildeten hier lediglich Zysten, die vom Ultraschall auch bei geringer Größe in der Regel sicher charakterisiert werden konnten. So wurde die Sonographie der Leber oft als relativ unspezifische Screeningmethode eingesetzt, der bei Patienten mit malignen Erkrankungen oder unklaren Leberläsionen in der Regel eine CT oder MRT zur Verbesserung der Aussagefähigkeit oder zur Klärung unklarer sonographischer Befunde nachgeschaltet wurde. Ein wesentliches Standbein von CT und MRT in der Diagnostik fokaler Leberläsionen ist der Einsatz von Kontrastmitteln (KM): Diese erlauben aufgrund des unterschiedlichen dynamischen Kontrastmittelverhaltens der verschiedenen Läsionen oft eine sichere Charakterisierung. Darüber hinaus verbessern sie die Detektion erheblich. Als besonders vorteilhaft hat sich der Einsatz leberspezifischer KM in der MRT erwiesen. Das Verfahren gilt unter Verwendung solcher KM als nicht-invasiver Goldstandard in der Detektion von Lebermetastasen. Für die Sonographie standen KM bis vor wenigen Jahren nicht zur Verfügung, was aus heutiger Sicht der wesentliche Grund für das schlechtere Abschneiden der Methode war.

Seit Ende der 90er Jahre hat sich diese Situation dank zweier Innovationen grundlegend geändert: Diese bestanden in der klinischen Verfügbarkeit von leberwirksamen Ultraschallkontrastmitteln (USKM) und in der Entwicklung KM-spezifischer Ultraschalltechniken („harmonic imaging”). Letztere können USKM aufgrund ihrer besonderen physikalischen Eigenschaften im Ultraschallfeld selektiv mit hoher Sensitivität und daraus resultierender hoher Signalintensität im Graubild darstellen. Die so erzielbaren Ultraschallbilder ähneln KM-verstärkten T1-gewichteten MR-Bildern.

Mittlerweile sind zwei USKM in Europa für den klinischen Einsatz verfügbar: Levovist (Schering AG, Berlin) seit 1995 und SonoVue (Bracco/ALTANA, Konstanz) seit 2001. Darüber hinaus befinden sich eine Reihe weiterer USKM in der klinischen Entwicklung. USKM bestehen aus kleinsten Mikrobläschen von durchschnittlich 3 mm Größe (kleiner als Erythrozyten), welche von einer Hüllmembran umgeben sind. Diese gewährleistet die transpulmonale Stabilität der Mikrobläschen. Nach intravenöser Injektion verteilen sich diese KM rasch im gesamten Blutpool; eine Diffusion in das extrazelluläre Flüssigkeitskompartiment findet nicht statt. Die Dauer der klinisch nutzbaren Signalverstärkung im Blut beträgt einige Minuten, anschließend lösen sich die Bläschen auf und das Gas (Luft oder Perfluorgase) wird über die Lunge abgeatmet. USKM sind extrem gut verträglich und nahezu nebenwirkungsfrei. Das Prinzip der Signalverstärkung beruht auf der sehr hohen Reflexivität der Gasbläschen, und nur sehr geringe Gasmengen von deutlich weniger als ein Milliliter pro Injektion sind für einen klinisch verwertbaren Kontrasteffekt erforderlich. Neben der einfachen Reflexion der Ultraschallwellen an der Grenzfläche zwischen Blut und Gas zeigen die Mikrobläschen im Ultraschallfeld ein sog. nicht-lineares „Resonanzverhalten”, welches die Reflexivität der Gasbläschen nochmals etwa um den Faktor 1000 steigert. Es sind diese nicht-linearen Phänomene, die von den KM-spezifischen Ultraschalltechniken genutzt werden. Allerdings sind diese Techniken derzeit fast nur in modernen „high end”-Geräten verfügbar.

Sowohl Levovist als auch SonoVue haben darüber hinaus eine Eigenschaft, die sie für die Leberbildgebung besonders auszeichnet: Nach Abklingen der Blutpoolphase verfügen sie über eine leberspezifische Spätphase. Dabei kommt es zu einer Akkumulation der Mikrobläschen im gesunden Leberparenchym, während Fremdgewebe wie Metastasen, aber auch die meisten HCC von diesem postvaskulären Kontrasteffekt ausgespart bleiben. In Analogie zur MRT mit leberspezifischen Kontrastmitteln lässt sich dadurch eine deutliche Verbesserung des Nachweises von Metastasen und HCC erzielen. Der Signalkontrast zwischen Läsionen und umgebendem Parenchym wird um durchschnittlich ca. 11 dB erheblich gesteigert (LITT). Dadurch können Läsionen, die nativ-sonographisch isoreflexiv und daher nicht nachweisbar sind, problemlos dargestellt werden. Dies ist besonders vorteilhaft im Nachweis kleiner Läsionen, die der nativen Sonographie oft entgehen. So können Läsionen bis zu 5 mm Größe gut dargestellt werden und auch Metastasen von weniger als 5 mm Durchmesser werden nicht selten nachgewiesen. Eine Reihe von Studien hat dieses belegt [1] [2] [3] [4]. Die Sensitivität der KM-verstärkten Sonographie in der Detektion von Lebermetastasen ist mit derjenigen der Spiral-CT vergleichbar [5]. Auch die Detektion von anderen malignen Lebertumoren wie HHC oder Cholangiokarzinom wird durch den KM-Einsatz erheblich verbessert.

Für die Charakterisierung von fokalen Läsionen haben sich USKM ebenfalls als eine entscheidende Verbesserung erwiesen, die in der Regel eine definitive Diagnose ermöglichen. Mit ihrer Hilfe kann das dynamische KM-Verhalten von Läsionen in der arteriellen, der portalvenösen und der Spätphase unter „real time”-Bedingungen dargestellt und analysiert werden. Bei der Beurteilung der Befunde gelten im Wesentlichen die gleichen Kriterien wie bei der dynamischen CT bzw. MRT. Vorteile der Sonographie gegenüber den anderen Verfahren sind ihre extrem hohe zeitliche Auflösung von mehr als 10 Bildern pro Sekunde sowie ihre hohe Sensitivität im Nachweis von KM, die zu einer sehr hohen Signalintensität führt. So beträgt die typische Dosis neuerer USKM lediglich ca. 1 - 3 ml pro Untersuchung. Daraus ergibt sich ein sehr kurzer präziser Bolus, der eine deutliche Trennung der unterschiedlichen KM-Phasen erlaubt und die diagnostische Beurteilung erleichtert.

Mit der KM-gestützten Sonographie lässt sich die große Mehrzahl fokaler Läsionen sicher charakterisieren und eine Differenzierung benigner und maligner Läsionen gelingt in nahezu allen Fällen [6] [7] [8] [9]. Die Methode ist nach unserer Erfahrung im klinischen Einsatz in der Charakterisierung fokaler Leberläsionen der CT überlegen und der MRT mindestens ebenbürtig. Dadurch bietet sich die KM-gestützte Sonographie unter anderem als kostengünstiger, nicht-invasiver „problem solver” für Läsionen an, die mittels CT, aber auch mittels MRT nicht sicher charakterisierbar sind.

Die häufigste Indikation für den KM-Einsatz in der Leber sind Läsionen, die bei der konventionellen Sonographie - nicht selten als Zufallsbefund - gefunden werden und einer definitiven Charakterisierung bedürfen. Angesichts einer Inzidenz von benignen Leberläsionen von bis zu 20 % in der allgemeinen Bevölkerung ergibt sich hieraus eine erhebliche Patientenzahl. Bei diesen Patienten kann im Rahmen der gleichen Untersuchung („one stop shopping”) durch eine KM-Injektion innerhalb weniger Minuten sonographisch eine verlässliche Diagnose gestellt werden. Dieses Vorgehen hat eine Reihe von Vorteilen gegenüber dem bisherigen Prozedere einer Zusatzuntersuchung (meist MRT oder CT bzw. Biopsie): Es kommt zu keiner Zeitverzögerung durch die Terminierung einer Zweituntersuchung und die Patienten werden nicht unnötig beunruhigt, es ist keine Strahlenexposition erforderlich, ferner treten keine relevanten KM-Nebenwirkungen auf und die Patientenakzeptanz ist nach unserer Erfahrung sehr hoch. Nicht zuletzt ist das Vorgehen kostengünstiger: Die zusätzlichen Kosten für das KM (Listenpreis: 50 € für 2,5 g Levovist® bzw. 35 € für 2,4 ml SonoVue®) und die zusätzliche Arbeitszeit von ca. 10 min liegen unter den Kosten für eine KM-verstärkte MRT oder CT.

Bezüglich der Detektion von Lebermetastasen ergibt sich ein differenzierteres Indikationsspektrum als für die Charakterisierung. Sofern es sich um extraabdominelle Primärtumoren handelt, die typischerweise nicht in andere abdominelle Organe als die Leber metastasieren (z. B. HNO-Tumoren oder Mammakarzinome), stellt die KM-gestützte Sonographie als einzige Untersuchungsmethode für die Leber im Rahmen des Stagings eine gute Alternative zur CT dar. Überlegen ist die CT allerdings bei der umfassenden Untersuchung des gesamten Abdomens. Somit ist die CT beim Staging abdomineller Tumoren wie dem kolorektalen Karzinom sicher weiterhin die Methode der Wahl. Dies gilt wegen der besseren Vergleichbarkeit einzelner Untersuchungen auch für Verlaufsbeobachtungen unter Chemotherapie. Andererseits kann die KM-gestützte Sonographie bei unklaren CT-Befunden auch bei diesen Patienten oft entscheidende Zusatzinformationen liefern.

Vor dem Hintergrund der großen Überlegenheit der KM-gestützten gegenüber der nativen Sonographie fokaler Leberläsionen stellt sich die Frage, ob eine Sonographie ohne Kontrastmittel bei dieser Indikation heute noch als adäquate Untersuchungsmethode angesehen werden kann oder ob in der Zukunft nicht alle Ultraschalluntersuchungen fokaler Leberläsionen - wie CT und MRT - mit KM durchgeführt werden müssten. Hier könnten auch medico-legale Aspekte eine Rolle spielen.

Trotz der nachgewiesenen Leistungsfähigkeit der Methode setzt sie sich in Deutschland bisher nur zögerlich durch, im niedergelassenen Bereich spielt sie fast keine Rolle. In anderen Ländern wie z. B. Italien, wo der Ultraschall eine klare Domäne der Radiologie ist, findet sie wesentlich mehr Anklang. Für die unbefriedigend langsame Verbreitung der Methode innerhalb der deutschen Radiologie - aber auch in anderen Fächern wie der Gastroenterologie - gibt es eine Reihe von Gründen. Neben der nicht überall vorhandenen Expertise und vielfach fehlenden apparativen Voraussetzungen liegt wohl ein entscheidender Grund in der Rolle, die der Ultraschall in der deutschen Medizin einnimmt. Er wird von nahezu allen Fachrichtungen praktiziert, oft mit veralteten Geräten und unter minimalen Qualitätskriterien in der Ausbildung. Dieser Umstand hat zu oft mangelhafter Qualität und somit zu einer schlechten Reputation der Sonographie geführt. Der vielfach unkritische und mitunter ausufernde Einsatz durch Nichtradiologen - insbesondere im niedergelassenen Bereich - hat darüber hinaus zu einem dramatischen Preisverfall geführt, der den Ultraschall heute finanziell unattraktiv macht und die Investition in „high end”-Geräte in der Praxis kaum erlaubt. Die KM-gestützte Sonographie kann derzeit lediglich als normale Ultraschalluntersuchung nach BMÄ und GOÄ abgerechnet werden, wobei die Kosten für das KM erstattet werden.

Leider war die deutsche Radiologie an der Verwahrlosung des Ultraschalls nicht ganz unbeteiligt. Zu wenig Radiologen haben den Stellenwert einer kompetent und mit guten Geräten durchgeführten Sonographie erkannt und ihren Anspruch auf dieses verbreitetste aller bildgebenden Verfahren in Deutschland aktiv vertreten. So liegt der Schwerpunkt der meisten radiologischen Abteilungen und Praxen - sicher auch aus nachvollziehbaren finanziellen Gründen - auf den anderen Schnittbildverfahren. Hoffnungsvoll stimmt hier die Einrichtung einer Arbeitsgruppe Ultraschall in der kürzlich gegründeten AG-Methoden der deutschen Röntgengesellschaft.

Die KM-gestützte Sonographie der Leber ist ein Beispiel für die Leistungsfähigkeit der modernen Sonographie. Das Verfahren ist anspruchsvoll und verbindet modernste Gerätetechnologie und Kontrastmittelentwicklung mit medizinisch-radiologischer Expertise und erfordert ein gewisses zeitliches und inhaltliches Engagement des Anwenders. Aufgrund der Analogie zu den anderen Schnittbildverfahren insbesondere bezüglich des KM-Verhaltens von Läsionen erfüllt keine Fachrichtung bessere Voraussetzungen für eine kompetente Anwendung als die Radiologie. Es wäre wünschenswert, dass sich mehr Radiologen dieses komplexen bildgebenden Verfahrens annehmen, bevor dies andere Fachrichtungen mit schlechteren fachlichen Vorraussetzungen tun. Im letzteren Fall bestünde die Gefahr, dass der Radiologie ein wesentlicher Teil der Leberdiagnostik verloren ginge.

Voraussetzung für die weitere Verbreitung dieser effizienten, für die Patienten schonenden und kostengünstigen Methode ist - insbesondere, aber nicht ausschließlich im niedergelassenen Bereich - eine angemessene Entlohnung des mit ihr verbundenen zeitlichen und apparativen Mehraufwandes. So bedarf es einer gesonderten Abrechnungsziffer für die KM-gestützte Sonographie in BMÄ und GOÄ, die allerdings nur bei entsprechendem Ausbildungs- und Qualitätsnachweis abrechenbar sein darf. Außerdem ist die Aufnahme der Methode in den OPS-Schlüssel der im Rahmen der DRG kodierbaren Leistungen im stationären Bereich erforderlich. Hier sind die Deutsche Röntgengesellschaft und die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin dringend gefordert, ihren Einfluss geltend zu machen.

Literatur

  • 1 Harvey C J, Blomley M J, Eckersley R J, Heckemann R A, Butler-Barnes J, Cosgrove D O. Pulse-inversion mode imaging of liver specific microbubbles: improved detection of subcentimetre metastases.  Lancet. 2000;  355 (9206) 807-808
  • 2 Harvey C J, Blomley M J, Eckersley R J, Cosgrove D O, Patel N, Heckemann R A, Butler-Barnes J. Hepatic malignancies: improved detection with pulse-inversion US in late phase of enhancement with SH U 508A - early experience.  Radiology. 2000;  216 (3) 903-908
  • 3 Dalla Palma L, Bertolotto M, Quaia E, Locatelli M. Detection of liver metastases with pulse inversion harmonic imaging: preliminary results.  Eur Radiol. 1999;  9 (Suppl. 3) S 382-S 387
  • 4 Albrecht T, Hoffmann C W, Schmitz S A, Schettler S, Overberg A, Germer C T, Wolf K J. Phase-inversion sonography during the liver-specific late phase of contrast enhancement: improved detection of liver metastases.  AJR Am J Roentgenol. 2001;  176 (5) 1191-1198
  • 5 Albrecht T, Blomley M JK, Burns P N, Wilson S R, Harvey C J, Leen E, Claudon M, Calliada F CJM, La Fortune M, Campani R, Hoffmann C W, Cosgrove D O, LeFevre F. Improved Detection of Hepatic Metastases with Pulse Inversion Ultrasonography during the Liver-Specific Phase of SHU 508A (Levovist): A Multicenter Study.  Radiology. 2002;  in press
  • 6 Wilson S R, Burns P N, Muradali D, Wilson J A, Lai X. Harmonic hepatic US with microbubble contrast agent: initial experience showing improved characterization of hemangioma, hepatocellular carcinoma, and metastasis.  Radiology. 2000;  215 (1) 153-161
  • 7 Kim T K, Choi B I, Han J K, Hong H S, Park S H, Moon S G. Hepatic tumors: contrast agent-enhancement patterns with pulse-inversion harmonic US.  Radiology. 2000;  216 (2) 411-417
  • 8 Strobel D, Hoefer A, Martus P, Hahn E G, Becker D. Dynamic contrast-enhanced power Doppler sonography improves the differential diagnosis of liver lesions.  Int J Colorectal Dis. 2001;  16 (4) 247-256
  • 9 Albrecht T, Overberg A, Hoffmann C W, Blomley M J, Harvey C J, Eckersley R, Schettler S, Wolf K J. Characterization of focal liver lesions with phase inversion ultrasound during the late liver-specific phase of Levovist.  Acad Radiol. 2002;  9 (Suppl 2) 375

PD Dr. med. Thomas Albrecht, FRCR

Klinik und Poliklinik für Radiologie, Universitätsklinikum Benjamin Franklin, Freie Universität Berlin

Hindenburgdamm 30

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Email: thomas.albrecht@medizin.fu-berlin.de

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