Z Gastroenterol 2003; 41(8): 888-889
DOI: 10.1055/s-2003-41224
Leserbrief
© Karl Demeter Verlag im Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Leserbrief zur Übersichtsarbeit „Kava, Kava-Pyrone und toxische Leberschäden” von R. Teschke, Hanau. Zeitschrift für Gastroenterologie 2003; 41: 395-404

F. Stickel1 , H. K. Seitz2 , D. Schuppan1
  • 1Medizinische Klinik I mit Poliklinik, Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen
  • 2Medizinische Klinik, Krankenhaus Salem, Heidelberg
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Publication History

Publication Date:
11 August 2003 (online)

Leberschäden durch Kava

Die Übersichtsarbeit zu Leberschäden durch kavahaltige Arzneimittel von R. Teschke [1] haben wir mit großem Interesse gelesen, da wir selber in unseren Kliniken Patienten mit kavaassoziierten Leberschäden behandelt haben. An dem durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) implementierten Stufenplanverfahren waren wir als Gutachter beteiligt und haben den Verlauf der öffentlichen Diskussion aufmerksam verfolgt. Unserer Ansicht nach bedarf die Arbeit von R. Teschke einiger Ergänzungen.

Wir können aufgrund unserer Recherchen bestätigen, dass erst in jüngerer Zeit, d. h. ab dem Jahr 2000, vermehrt Fälle von kava-assoziierten Leberschäden gemeldet wurden. Dass dieser Umstand möglicherweise auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass zu früheren Zeitpunkten aufgetretene Leberschäden schlicht nicht als kavainduziert erkannt und daher nicht gemeldet wurden, muss unserer Ansicht nach betont werden, da dies gerade wegen der Seltenheit der Fälle der individuellen und behördlichen Pharmakovigilanz entgangen sein könnte. Eine weitere mögliche Erklärung für die niedrige Meldequote ist die bekannte Beobachtung, dass Patienten, die Phytopharmaka in Selbstmedikation einnehmen, dies dem behandelnden Arzt gegenüber häufig auch auf explizites Nachfragen nicht angeben, ebenso wie die bei Ärzten weit verbreitete Neigung, Leberwertveränderungen einem mutmaßlichen Alkoholkonsum zuzuschreiben. Dem BfArM wurden seit 1990 relativ regelmäßig Fälle von Leberschäden nach Einnahme von Kava gemeldet. So haben wir vor kurzem mithilfe des BfArM insgesamt 39 Fälle von Leberschäden im Zusammenhang mit der Einnahme von Kava kritisch analysiert. Zur Kausalitätsprüfung wurde der von Aithal et al. etablierte Clinical Diagnostic Scale zugrunde gelegt [2]. In der Auswertung zeigte sich, dass in 29 der 39 Fälle ein Zusammenhang zumindest „möglich” oder „wahrscheinlich” ist. Wenn man die sieben bereits in der Literatur publizierten Fälle hinzurechnet, haben wir es mit insgesamt 36 Fällen von schweren Leberschäden im Zusammenhang mit der Einnahme von Kava zu tun, von denen immerhin 3 Patienten starben und bei 8 wegen eines akuten Leberversagens eine Lebertransplantation notwendig wurde. Unsere Analyseergebnisse erscheinen demnächst als Originalarbeit im Journal of Hepatology [3]. R. Teschke listet in seiner Arbeit in Tab. 2 nur 18 Fälle des BfArM auf. Dies ist uns nicht verständlich, zumal auch unserer Analyse die Datenbank des BfArM zugrunde lag.

Weiterhin möchten wir darauf hinweisen, dass auch der Autor der zitierten Metaanalyse zur klinischen Wirksamkeit von kavahaltigen Arzneimitteln, E. Ernst, bezüglich der Empfehlungen vorsichtiger geworden ist und Kava nicht mehr uneingeschränkt befürwortet [4] [5]. In der zitierten Übersichtsarbeit beurteilt Ernst vielmehr die zu Kava vorliegende Evidenz als „less conclusive”. Weiterhin tendieren laut Ernst Publikationen aus dem Bereich der Komplementärmedizin dazu, nur publiziert zu werden, wenn sie Ergebnisse mit vorteilhaftem Inhalt enthalten, während Ergebnisse, die eine fehlende Wirksamkeit nachweisen, gar nicht erst veröffentlicht werden [6]. Die Wirksamkeit ist also keineswegs als so eindeutig zu bezeichnen.

Als besonders problematisch sehen wir an, dass in der Übersichtsarbeit von Teschke konkrete Empfehlung zur weiteren Verwendung kavahaltiger Präparate gegeben werden, obwohl das BfArM am 14.6.2002 nach eingehender Prüfung der Nutzen-Risiko-Relation die Zulassung aller kavahaltigen Medikamente einschließlich homöopathischer Zubereitungen bis zur Verdünnungsstufe D4 widerrufen hat. Den Hinweis auf den möglichen Bezug kavahaltiger Medikamente über Anbieter im Internet halten wir für riskant. In einer selbstverordneten und nicht ärztlich überwachten Einnahme kavahaltiger Präparate liegt gerade das Risiko, welches der Autor an anderer Stelle seiner Arbeit durch eine Verschreibungspflicht mindern möchte. Dieser Widerspruch ist uns nicht erklärlich, wie auch die Darstellung der Begleitumstände wie Dosierung, Dauer der Therapie, Komedikation, Risikogruppen und Alkoholkonsum den Eindruck erweckt, als sollte das von Kava ausgehende Risiko als auf Einzelfälle beschränkt dargestellt werden. Die von Teschke präsentierten Inzidenzen für Nebenwirkungen von Kava-Präparaten können wir ebenfalls nicht bestätigen, da uns Zahlen der Firma Schwabe vorliegen, die eine Inzidenz von 0,24/1 000 000 Tagesdosierungen für Dosen < 120 mg bzw. 0,26/1 000 000 Tagesdosierungen für Dosen > 120 mg allein ihres Präparates errechnet haben.

Alles in allem können wir nicht nachvollziehen, warum R. Teschke Anwendungshinweise zu einem in Deutschland bereits nicht mehr zugelassenen Medikament formuliert. Es gibt zahlreiche vergleichbare, wenn nicht besser wirksame und hinsichtlich der hepatischen Verträglichkeit sicherere Anxiolytika, zu denen Sicherheitsprofile und therapeutische Wirksamkeit besser bekannt sind als bei Kava. Auch wenn die Implementierung einer Verschreibungspflicht eine ebenfalls nachvollziehbare Konsequenz des BfArM-Stufenplanverfahrens gewesen wäre, ist Patienten und Ärzten durch den Widerruf der Zulassung keineswegs eine unersetzbare medikamentöse Therapieoption genommen worden.

Literatur

Dr. med. Felix Stickel

Medizinische Klinik I mit Poliklinik, Universitätsklinikum

Ulmenweg 18

91054 Erlangen

Email: Felix.Stickel@med1.imed.uni-erlangen.de

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