Aktuelle Dermatologie 2003; 29(7): 304-306
DOI: 10.1055/s-2003-41292
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Unilaterales nävoides Teleangiektasie-Syndrom

Unilateral Nevoid Teleangiectasia SyndromeG.  Wagner1
  • 1 Hautklinik, Zentralkrankenhaus Reinkenheide, Bremerhaven (Chefarzt: Dr. G. Wagner)
Meinem verehrten Lehrer Prof. Dr. Theodor Nasemann zum 80. Geburtstag gewidmet.
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Dr. G. Wagner

Hautklinik

Zentralkrankenhaus Reinkenheide · Postbrookstraße 103 · 27574 Bremerhaven

Publication History

Publication Date:
11 August 2003 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Während ihrer ersten Schwangerschaft entwickelte sich bei der hier vorgestellten Patientin ein unilaterales nävoides Teleangiektasie-Syndrom. In der 29. SSW kam es zum intrauterinen Fruchttod, dessen Ursache nicht geklärt wurde. Mit einer Ausnahme fanden sich in der Literatur keine Berichte über kindliche Komplikationen bei schwangeren Frauen mit einem unilateralen nävoiden Teleangiektasie-Syndrom.

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Abstract

During her first pregnancy the patient presented here developed a unilateral nevoid teleangiectasia syndrome. In the 29th week of pregnancy intrauterine foetal death occurred. The cause of death was not determined. With a single exception, no reports were found in the literature of fetal complications in pregnant women with unilateral nevoid teleangiectasia syndrome.

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Einleitung

Das unilaterale nävoide Teleangiektasie-Syndrom ist ein selten beschriebenes Krankheitsbild, das innerhalb der Gruppe der Teleangiektasien zu den primären oder idiopathischen Formen gezählt wird. Klinisch entwickeln sich streng einseitig, häufig im Bereich definierter Dermatome disseminiert stehende Teleangiektasien, die nebeneinander in Form zahlloser Einzelherde in punktförmigen, linearen oder verzweigten Strukturen angeordnet sein können. Gelegentlich finden sich in den betroffenen Arealen zusätzlich auch einzelne Naevi aranei. Dabei sind das Gesicht, der Hals sowie die Thoraxregion und die oberen Extremitäten am häufigsten betroffen [1]. Die Ätiopathogenese der Erkrankung ist nicht geklärt. Auffällig ist die gehäufte Manifestation in der Schwangerschaft und bei alkoholtoxischen Hepatopathien, so dass eine hormonelle, möglicherweise östrogenabhängige Auslösung diskutiert wird [2] [3]. Das unilaterale nävoide Teleangiektasie-Syndrom ist eine Dermatose sui generis. Viszerale Manifestationen oder systemische Komplikationen gehören nicht zum typischen Krankheitsbild [1].

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Kasuistik

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Anamnese

In der 16. - 17. Woche ihrer ersten Schwangerschaft bemerkte die hier vorgestellte 31-jährige Patientin erstmals Hautveränderungen, die sich ausschließlich rechtsseitig am Arm und thorakal manifestiert hatten. Die Vorstellung in der Klinik erfolgte in der 25. SSW, wobei die Patientin zu diesem Zeitpunkt keine weitere Zunahme des Befundes mehr bemerkt haben wollte.

Die übrige Anamnese war vollständig unauffällig.

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Dermatologischer Befund

Rechtsseitig in den Dermatomen C5 - 8 und Th1 - 3 fanden sich am Ober- und Unterarm einschließlich des Handrückens und der Fingerstreckseiten sowie am vorderen Dekolletee und über der Schulterblattregion disseminiert stehende oder auch auf umschriebenen Arealen zu größeren Gruppen zusammentretende Teleangiektasien. In die betroffenen Regionen vereinzelt eingestreut zeigten sich zusätzlich typische Naevi aranei (Abb. [1], [2]).

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Abb. 1 Unilaterales nävoides Teleangiektasie-Syndrom.

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Abb. 2 Detailaufnahme vorderes Dekolletee.

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Histopathologischer Befund

Bei unauffälliger Epidermis im oberen und mittleren Corium ektatische Gefäße. Vereinzelt umschrieben sehr diskretes, überwiegend lymphozytäres perivaskuläres Infiltrat.

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Laborbefunde

Unauffälliges Blut- und Differenzialblutbild. Bilirubin und Lebertransaminasen ohne pathologische Befunde. Antinukleäre Antikörper nicht nachweisbar.

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Verlauf

In der 29. SSW kam es zum intrauterinen Fruchttod, dessen Ursache nicht abgeklärt wurde. Im Verlauf der nächsten 3 Monate entwickelten sich die Teleangiektasien fast vollständig zurück.

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Diskussion

Das unilaterale nävoide Teleangiektasie-Syndrom ist eine selten beobachtete, wenig bekannte und doch unverwechselbare Dermatose. Innerhalb der von Raff und Bardach zusammengestellten klinischen Kriterien ist die streng unilaterale Anordnung der Teleangiektasien für die Diagnose entscheidend. Typischerweise erkranken junge Erwachsene, seltener hingegen Kinder und Jugendliche. Neben zeitlich begrenzten oder chronisch-rezidivierenden Exazerbationen wurden auch spontane Rückbildungen der Teleangiektasien beobachtet. Viszerale Manifestationen gehören nach den Kriterien von Raff und Bardach nicht zum typischen Bild der Erkrankung [1].

Die Ätiologie und die Pathogenese des unilateralen nävoiden Teleangiektasie-Syndroms konnten bisher nicht geklärt werden. Das gehäufte Auftreten bei Frauen in der Schwangerschaft, die postpartale Rückbildung der Teleangiektasien und Rezidive bei erneuten Schwangerschaften sowie die Manifestation bei zumeist alkoholtoxischen Hepatopathien lassen an eine hormonabhängige Auslösung denken, wobei insbesondere den Östrogenen eine pathogenetische Bedeutung zugeschrieben wird [2] [3] [4] [5]. Auch das vereinzelte Auftreten der Erkrankung bei Jugendlichen in der Pubertät unterstreicht die mögliche Bedeutung der Sexualhormone [6]. Die Untersuchungen von Uhlin et al. unterstützen ebenfalls die Theorie der endokrinologischen Induktion der Teleangiektasien. So konnten die Autoren eine deutliche Vermehrung der Östrogen- und Progesteronrezeptoren in den betroffenen Hautarealen bei unauffälliger Verteilung der Rezeptoren in normaler Haut nachweisen [2]. Allerdings konnten andere Autoren diese Befunde bei ihren Untersuchungen nicht nachvollziehen [7] [8]. Unbekannt ist ferner der pathogenetische Mechanismus, der erklären würde, auf welche Weise Sexualhormone die Dilatation der Gefäße verursachen. Möglich erscheint dabei eine von Wilkin postulierte genetisch bedingte Verteilungsstörung Östrogen-empfindlicher Target-Zellen, die bei ansteigendem Östrogenspiegel für die Ausbildung der Teleangiektasien verantwortlich sein könnten [3]. Raff und Bardach halten darüber hinaus auch eine Dysfunktion vegetativer Nerven für möglich, da sie bei histologischen Untersuchungen weder cholinerge noch adrenerge Nervenfasern in den betroffenen Arealen eines Patienten nachweisen konnten. Des Weiteren diskutieren die Autoren die Bedeutung vasoaktiver Prostaglandine für die Pathogenese des unilateralen nävoiden Teleangiektasie-Syndroms [1].

Innerhalb der Gruppe möglicher Differenzialdiagnosen ist an den Morbus Osler, an den Naevus teleangiectaticus, an das Teleangiektasie-Ataxie-Syndrom sowie an essenzielle Teleangiektasien zu denken. Das unterschiedliche Manifestationsalter, die Verteilung der Morphen sowie das Auftreten assoziierter systemischer Erkrankungen erlauben im Allgemeinen jedoch eine sichere Abgrenzung der genannten Differenzialdiagnosen [6].

Nachdem es bei der hier vorgestellten Patientin zu einem intrauterinen Fruchttod gekommen war, wurde von Seiten der behandelnden Gynäkologen die Frage aufgeworfen, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen diesem Ereignis und dem unilateralen nävoiden Teleangiektasie-Syndrom bestehen könnte. In der uns zugänglichen Literatur fand sich nur ein Bericht über eine Patientin, deren Kind unmittelbar nach der Geburt an den Folgen kardialer Fehlbildungen verstarb [9]. Da einerseits die möglichen Ursachen eines intrauterinen Fruchttodes außerordentlich vielfältig sein können und andererseits systemische Beteiligungen bei Patienten mit einem unilateralen nävoiden Teleangiektasie-Syndrom nicht beschrieben wurden, muss letztendlich auch bei betroffenen schwangeren Frauen die Gefahr kindlicher Komplikationen verneint werden.

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Literatur

  • 1 Raff M, Bardach H G. Unilaterales nävoides Teleangiektasiesyndrom.  Hautarzt. 1982;  33 148-151
  • 2 Uhlin S R, McCarthy K S. Unilateral nevoid teleangiectasia syndrome: The role of estrogen and progesterone receptors.  Arch Dermatol. 1983;  119 226-228
  • 3 Wilkin J K, Smith G, Cullison D A, Peters G E, Rodriquez-Rigau L J, Feucht C L. Unilateral dermatomal superficial teleangiectasia.  J Am Acad Dermatol. 1983;  8 468-477
  • 4 Labohm E B, Miseré J, Veen C. Unilaterales nävoides Teleangiektasie-Syndrom.  Hautarzt. 1985;  36 107-108
  • 5 Selmanoutse V J. Unilateral nevoid teleangiectasia.  Ann Intern Med. 1970;  73 87-90
  • 6 Abeck D, Thoms F H, Steinkraus V, Mensing H, Ring J. Unilaterales naevoides Teleangiektasie-Syndrom - Fallbeobachtung und Literaturübersicht.  Z Hautkr. 1991;  67 688-690
  • 7 Hynes L R, Shenefelt P D. Unilateral nevoid teleangiectasia: occurrence in two patients with hepatitis C.  J Am Acad Dermatol. 1997;  36 819-822
  • 8 Taskapan O, Harmanyeri Y, Sener O, Aksu A. Acquired unilateral nevoid teleangiectasia syndrome.  Acta Derm Venerol (Stockh). 1997;  77 62-63
  • 9 Lehner T, Tausch I, Audring H, Sönnichsen N. Naevoides Teleangiektatisches Syndrom (NTS)-assoziiert mit Gravidität. Dia-Klinik, X. Kongress der Gesellschaft für Dermatologie der DDR. Dresden; 1990

Dr. G. Wagner

Hautklinik

Zentralkrankenhaus Reinkenheide · Postbrookstraße 103 · 27574 Bremerhaven

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Literatur

  • 1 Raff M, Bardach H G. Unilaterales nävoides Teleangiektasiesyndrom.  Hautarzt. 1982;  33 148-151
  • 2 Uhlin S R, McCarthy K S. Unilateral nevoid teleangiectasia syndrome: The role of estrogen and progesterone receptors.  Arch Dermatol. 1983;  119 226-228
  • 3 Wilkin J K, Smith G, Cullison D A, Peters G E, Rodriquez-Rigau L J, Feucht C L. Unilateral dermatomal superficial teleangiectasia.  J Am Acad Dermatol. 1983;  8 468-477
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  • 6 Abeck D, Thoms F H, Steinkraus V, Mensing H, Ring J. Unilaterales naevoides Teleangiektasie-Syndrom - Fallbeobachtung und Literaturübersicht.  Z Hautkr. 1991;  67 688-690
  • 7 Hynes L R, Shenefelt P D. Unilateral nevoid teleangiectasia: occurrence in two patients with hepatitis C.  J Am Acad Dermatol. 1997;  36 819-822
  • 8 Taskapan O, Harmanyeri Y, Sener O, Aksu A. Acquired unilateral nevoid teleangiectasia syndrome.  Acta Derm Venerol (Stockh). 1997;  77 62-63
  • 9 Lehner T, Tausch I, Audring H, Sönnichsen N. Naevoides Teleangiektatisches Syndrom (NTS)-assoziiert mit Gravidität. Dia-Klinik, X. Kongress der Gesellschaft für Dermatologie der DDR. Dresden; 1990

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