Einleitung
Infliximab ist ein chimärer monoklonaler Antikörper gegen humanen Tumor-Nekrose-Faktor-α
(TNF-α). Er ist zur Therapie des Morbus Crohn (Ileitis terminalis) und der Rheumatoidarthritis
zugelassen. Eine Zulassung auch für die ankylosierende Spondylarthritis wird erwartet.
Die Psoriasis ist eine chronisch entzündliche Hauterkrankung, die durch eine Hyperproliferation
der Keratinozyten und eine Infiltration der Epidermis durch aktivierte T-Zellen und
neutrophile Granulozyten gekennzeichnet ist. TNF-α als immunstimulierendes Zytokin
kann in erhöhtem Maße in der Epidermis und in dendritischen Zellen von Psoriasis-Plaques
nachgewiesen werden [3 ]. TNF-α induziert dort unter anderem die Freisetzung von Interleukin-8 [6 ] sowie von Adhäsionsmolekülen wie ICAM-1 [12 ], die in der Pathogenese der Psoriasis eine wichtige Rolle spielen. Im Jahr 2000
veröffentlichte die Arbeitsgruppe von Gottlieb [8 ] die Kasuistik einer Patientin mit Morbus Crohn und einer chronischen Plaque-Psoriasis.
Nach einmaliger Infusion von 5 mg/kg Körpergewicht kam es binnen zwei Wochen zu einer
deutlichen Verbesserung nicht nur der Crohn-Symptomatik, sondern auch des Psoriasisbefundes
(PASI von 34,1 auf 19,9 Punkte). In einer plazebokontrollierten Pilotstudie wurden
11 Patienten mit drei Infusionen in der Dosierung von 5 mg/kg Körpergewicht in Woche
0, 2 und 6 behandelt. Unter dieser Monotherapie kam es bei 82 % der Patienten ohne
weitere Behandlung zu einer signifikanten Besserung der Psoriasis (PASI-Reduktion
>75 %) [1 ]. Wir berichten hier über einen Patienten, bei dem nach diesem Schema eine schwere
psoriartische Erythrodermie mit ausgedehnten generalisierten Pusteln erfolgreich behandelt
werden konnte.
Kasuistik
Ein 46-jähriger Patient kam mit einer psoriatischen Erythrodermie mit generalisierten
Pusteln und Fieber zur Aufnahme. Er erkrankte erstmals vor 7 Jahren an einer Psoriasis.
Der Patient war bereits 1 Jahr zuvor zweimal in unserer Klinik unter dem Bild einer
Psoriasiserythrodermie mit generalisierten Pusteln in stationärer Behandlung. Bei
dieser Gelegenheit konnte die Diagnose auch histologisch gesichert werden. Initial
erfolgte jeweils eine topische und über 5 Tage eine systemische Kortikosteroidtherapie.
Parallel wurde eine Therapie mit tgl. 30, später bzw. 50 mg Acitretin (Neotigason®)
oral sowie eine UV-B-Phototherapie (ReSUP-Therapie) bzw. eine Balneophotochemotherapie
(Bade-PUVA) eingeleitet. Hierunter kam es jeweils zu einer weitgehenden Abheilung
der Hautveränderungen. Auch nach Beendigung der Bade-PUVA-Therapie nach 25 Sitzungen
wurde eine Erhaltungstherapie mit 50 mg Acitretin tgl. fortgeführt. Im zeitlichen
Zusammenhang mit einem Infekt der oberen Luftwege kam es dann binnen drei Tagen zu
einem Rezidiv der Psoriasis mit Erythrodermie, dicker Schuppung und generalisierten
Pusteln, die z. T. großflächig konfluierten. Der Allgemeinzustand war beeinträchtigt,
es bestand Schüttelfrost und 38,2 °C Fieber. Wir therapierten systemisch mit Prednisolon
1 mg/kg Körpergewicht und Roxithromycin 2×150 mg tgl., leiteten wiederum eine Bade-PUVA-Therapie
ein und behandelten lokal mit Clobetasol-(Dermoxin®)Creme. Nach drei Tagen des stationären
Aufenthaltes und bereits deutlicher Besserung des Hautbefundes entwickelte der Patient
eine nekrotisierende Pankreatitis mit retroperitonealer Blutung unter dem klinischen
Bild eines akuten Abdomens und wurde notfallmäßig in die Chirurgische Klinik unseres
Hauses verlegt, wo eine Laparotomie mit Pankreasnekrotomie, Splenektomie und Ligatur
der A. lienalis erfolgte. Postoperativ kam es dann zu einer erneuten Exazerbation
der Psoriasiserythrodermie mit generalisierter Pustulosis, so dass wir den Patienten
14 Tage später wieder übernahmen. Trotz einer Wiederaufnahme der Bade-PUVA-Therapie
und lokaler Behandlung mit Kortikosteroiden in absteigender Wirkstärke gelang es nicht,
ohne zusätzliche systemische Therapie, das Krankheitsbild zu stabilisieren. Über einen
Zeitraum von 4 Wochen kam es wiederholt zu Pustelschüben, verbunden mit febrilen Temperaturen
bis 38,8 °C. Eine erneute Therapie mit Acitretin konnte wegen des Nebenwirkungsprofils
dieses Medikaments und der nunmehr gegebenen Kontraindikationen (sekundärer Diabetes
mellitus, Leberwerterhöhungen) nicht mehr durchgeführt werden. Ciclosporin (Sandimmun®
Optoral) und Fumarsäreester (Fumarderm®) waren gleichfalls kontraindiziert.
Wir entschieden uns daher zu einer Behandlung mit Infliximab (Remicade®, Essex Pharma,
München), das wir in einer Einzeldosis von 200 mg (entsprechend 5 mg/kg Körpergewicht)
i. v. als Infusion gaben. Nach 2 Wochen und 6 Wochen wurden diese Infusionen in gleicher
Dosis erneut gegeben [1 ]. Der klinische PASI-analoge Score (Bewertung von befallener Körperoberfläche, Rötung,
Infiltration und Schuppung unter Aussparung des Symptoms Pustelbildung) betrug vor
Therapiebeginn 51,4, nach 2 Wochen 26,8 und nach 6 Wochen 3,6 Punkte. Die Abb. [1 ]
[2 ]
[3 ]
[4 ] zeigen den jeweiligen klinischen Befund. Bereits am ersten Tag der Therapie entfieberte
der Patient rezidivfrei. Das CRP sank von 136 nach 1 Woche auf 107 und auf jeweils
9 mg/l nach 2 und 6 Wochen. Unter der empfohlenen Gabe von 2×500 mg Paracetamol oral
an den Infusionstagen kam es zu keinerlei subjektiven Nebenwirkungen oder grippeartigen
Symptomen.
Abb. 1 Unterarm mit großflächigem Erythem, Schuppung und z. T. konfluierenden Pusteln bei
Psoriasis pustulosa generalisata von Zumbusch.
Abb. 2 Befund zwei Wochen nach dritter Infliximab-Infusion (8 Wochen nach Therapiebeginn).
Abb. 3 Detailaufnahme von Abb. 1 .
Abb. 4 Detailaufnahme von Abb. 2 .
Diskussion
Die etablierte Behandlung der schwereren Psoriasis mit generalisierter Pustulosis
des vom Zumbusch-Typ besteht in der systemischen Gabe von Retinoiden und einer anfänglichen
zusätzlichen Therapie mit Kortikosteroiden und späterer zusätzlicher Therapie mit
UV-B oder PUVA [9 ]. Die Gabe von systemischen Retinoiden und die Durchführung einer oralen PUVA-Behandlung
sind wegen des Nebenwirkungsprofils dieser Medikamente insbesondere bei Patienten
mit manifesten Lebererkrankungen limitiert. Seit kurzem stehen gentechnisch hergestellte
immunmodulierende Medikamente zur experimentellen Therapie der Psoriasis zur Verfügung.
Hierzu zählen neben dem LFA-3-Rezeptor-Antagonisten Alefacept (Amevive®) [2 ] und dem TNF-α-Rezeptor-Antagonisten Etanercept (Enbrel®) [4 ] auch der dimere chimäre human-murine Anti-TNF-α-Antikörper Infliximab (Remicade®).
Im Jahr 2000 veröffentlichte die Arbeitsgruppe von Gottlieb [8 ] die Kasuistik einer Patientin mit Morbus Crohn und einer chronischen Plaque-Psoriasis.
Nach einmaliger Infusion von 5 mg/kg Körpergewicht kam es binnen zwei Wochen zu einer
deutlichen Verbesserung nicht nur der Crohn-Symptomatik, sondern auch des Psoriasisbefundes
(PASI von 34,1 auf 19,9 Punkte). In einer anschließenden plazebokontrollierten Pilotstudie
derselben Arbeitsgruppe wurden je 11 Patienten mit schwerer Plaque-Psoriasis mit drei
Infusionen in der Dosierung von 5 bzw. 10 mg/kg Körpergewicht Infliximab bzw. Plazebo
in Woche 0, 2 und 6 behandelt. Unter der Monotherapie mit Infliximab kam es in beiden
Dosisgruppen, verglichen mit der Plazebogruppe, zu einer signifikanten Besserung der
Psoriasis. Bei den mit 5 bzw. 10 mg/kg behandelten Patienten zeigten 82 bzw. 91 %
der Patienten ein zumindest gutes Ansprechen (PASI-Score-Reduktion >75 %) [1 ]. Diese Ergebnisse wurden in einer offenen Studie mit 8 Patienten bestätigt, die
zu den genannten Zeitpunkten mit 5 mg/kg Infliximab behandelt wurden. Der durchschnittliche
PASI-Score betrug 22,8 vor Behandlung und 3,4 Punkte 10 Wochen später [10 ]. In zwei weiteren Untersuchungen an 8 bzw. 6 Patienten konnte auch ein gutes Ansprechen
der Psoriasis-Arthropathie festgestellt werden [7 ]
[13 ]. Kürzlich wurde eine Kasuistik publiziert [5 ], in der über das gute Ansprechen einer 44-jährigen Patientin mit therapierefraktärer
Psoriasis pustulosa von Zumbusch auf die Therapie mit einer 5 mg/kg Körpergewicht
Einzeldosis Infliximab berichtet wurde. Die Ergebnisse mit unserem Patienten bestätigen
diese Erfahrung. Ein Patient mit Psoriasis pustulosa generalisata, der unter einer
4-wöchigen Bade-PUVA-Therapie kombiniert mit lokalen stark wirksamen Kortikosteroiden
nur transient leicht gebessert werden konnte, und bei dem eine systemische Therapie
mit Retinoiden, Ciclosporin und Fumarsäureestern kontraindiziert war, sprach dramatisch
auf die Infliximab-Behandlung an. Außer den Hautveränderungen bildeten sich auch Fieber
und Entzündungsparameter im Serum sehr rasch zurück. Da die Entfernung des akuten
entzündlich-nekrotischen Pankreas zum Zeitpunkt des Therapiebeginns mit Infliximab
bereits 6 Wochen zurücklag, ist weder ein Einfluss der Entfernung dieses entzündlichen
„Focus” noch des postoperativen Heilungsverlaufs als wahrscheinlich anzusehen. Wir
schließen aus diesen Fällen, dass Infliximab eine wirksame Behandlungsalternative
bei Psoriasis pustulosa generalisata darstellt, wenn andere Therapieoptionen nicht
ausreichend wirksam sind oder wegen Kontraindikationen nicht eingesetzt werden können.
Ein unkritischer Einsatz von TNF-α-Antagonisten sollte aber speziell bei Patienten
mit chronischer Psoriasis und langjähriger UV-B und PUVA- oder MTX-Therapie nicht
erfolgen, da das rasche Auftreten von Spinaliomen bei älteren Patienten mit Rheumatoidarthritis
unter Etanercept-Therapie beschrieben wurde [11 ].