Einleitung
Einleitung
Der Wunsch nach Glättung bzw. Beseitigung tiefer Falten oder nach Auffüllung von Volumendefekten
im Gesichtsbereich wird immer häufiger an den Dermatologen herangetragen. Bezüglich
der Füllmaterialien weist Eigenfett eine große Zahl von Vorteilen auf.
Nach den wegweisenden Arbeiten der Franzosen Fournier [1] und Illouz [2] in den 80er-Jahren, des Amerikaners Coleman [3] in den 90er-Jahren und der Deutschen Sattler [4] und Sommer [5] zu Beginn dieses Jahrhunderts hat sich die Unterspritzung mit Eigenfett inzwischen
als Standardtherapie etabliert. Tab. [1] zeigt die für das Verfahren gebrauchten Synonyme.
Tab. 1 Synonyme
Eigenfettunterspritzung |
Eigenfetttransplantation |
autologer Fetttransfer |
Fettinjektion |
Mikrolipoinjektion |
Lipoaugmentation |
Lipofilling |
Liporecycling |
Indikationen
Indikationen
Mit der Methode lassen sich Unregelmäßigkeiten der Hautoberfläche beseitigen. Sie
wird am häufigsten bei der altersbedingten Lipoatrophie im Gesicht angewandt. Ideal
ist sie zur Glättung von Nasolabialfalten; sie wird aber auch im Glabella-, Mundwinkel-
und Wangenbereich und zusätzlich an Stirn, Unterlidern, Kinn und Handrücken sowie
zur Vergrößerung der Lippen eingesetzt. Die Lipoaugmentation ist ebenfalls nach Erkrankungen
indiziert, die zu Einziehungen der Haut oder zu einem Schwund des Subkutangewebes
geführt haben [6]
[7]
[8]
[9]. Tab. [2] führt die alters- und krankheitsbedingten Indikationen auf.
Tab. 2 Indikationen
altersbedingte Lipoatrophie |
schmale Lippen |
eingesunkene Narben |
Sclerodermia circumscripta en coup de sabre |
Hemiatrophia faciei progressiva (Romberg-Syndrom) |
Lipodystrophien |
Zustand nach Pannikulitiden |
Fettgewinnung
Fettgewinnung
Als Entnahmestelle wird meist die Bauchregion gewählt. Nach Betäubung des Gewebes
durch die Tumeszenz-Lokalanästhesie (TLA) wird das Eigenfett mittels Unterdruck aus
dem Subkutanraum gewonnen. Dies kann manuell durch Zug am Stempel einer 10- oder 20-ml-Spritze
erfolgen (Abb. [1 a]). Da das Fett durch die TLA-Lösung verdünnt ist („Weichmachereffekt”), lässt es
sich durch stumpfe, 2 mm dünne Kanülen mit kleinen seitlichen Öffnungen aspirieren
[10]
[11]. Bei dieser so genannten Mikrolipoextraktion erhält man fast reine Fettzellen ohne
größere Bindegewebsanteile.
Abb. 1 a Manuelle Aspiration von Fett zur Unterspritzung. b Zustand nach Absetzen der Flüssigkeit in der 20-ml-Entnahmespritze. c Umfüllen des Fettes über ein Luer-zu-Luer-Verbindungsstück in die 1-ml-Injektionsspritze
(geschlossene Methode).
In der Mehrzahl der Fälle erfolgt die Gewinnung des autologen Materials jedoch apparativ
im Rahmen einer Reduktionsliposuktion. Dabei wird das durch die TLA vorbereitete Fett
- überwiegend im Bereich von Oberschenkel, Hüfte oder Bauch - durch 3 bis 4 mm dicke
Kanülen über ein geschlossenes System mittels Vakuumpumpe entfernt und zusammen mit
der abgesaugten Betäubungslösung steril in einem Behälter aufgefangen. Bei einem Unterdruck
im Absaugsystem von bis zu 1bar (750 mm Hg) scheint keine Schädigung der Fettzellen
aufzutreten [12]
[13].
Fettaufbereitung
Fettaufbereitung
Die im manuell gewonnenen Material noch vorhandene TLA-Lösung setzt sich nach Aufstellen
der Spritze durch die Schwerkraft unten ab (Abb. [1 b]). Sollte das Fett blutig tingiert sein, kann man es - u. U. nach Verdünnung mit
NaCl- oder Ringerlösung - niedrigtourig zentrifugieren bzw. „waschen” [6]. Das so gewonnene Substrat lässt sich nach Umfüllen in kleinere Spritzen über ein
Luer-zu-Luer-Verbindungsstück (Abb. [1 c]) ohne weitere Bearbeitung unmittelbar zur Injektion verwenden. Dieses Vorgehen bezeichnet
man als geschlossene Technik der Fettgewinnung.
Demgegenüber muss das bei der Reduktionsliposuktion apparativ gewonnene Fett aus dem
Absaugbehälter (Abb. [2 a]) entfernt und anschließend von der Tumeszenzlösung getrennt werden (Abb. [2 b]). Da die seitlichen Öffnungen der bei der Reduktionsliposuktion benutzten Kanülen
größer sind, finden sich im abgesaugten Material oft Fragmente von Bindegewebe und
manchmal auch kleinere Blutkoagel. Diese werden nach dem Filtrieren des Fettes durch
Kompressen (Abb. [2 c]) und anschließendem Ausstreichen unter sterilen Bedingungen mittels Pinzette entfernt
(Abb. [2 d]). Dieses Vorgehen wird als offene Technik der Fettgewinnung bezeichnet.
Abb. 2 a Bei Reduktionsliposuktion gewonnenes Fett im Absaugbehälter. b Umfüllen des Fettes in eine Nierenschale (offene Methode). c Trennung von Fett und Tumeszenzlösung mittels einer Gaze. d Entfernung von Bindegewebsfasern und Blutkoageln. e Einbringen des Fettes in 5-ml-Vorratsspritzen. f Umfüllen des Fettes in die 1-ml-Injektionsspritzen.
Anschließend wird das Fett in 5-ml-Spritzen eingebracht (Abb. [2 e]); nach Umfüllen in 1-ml-Spritzen (Abb. [2 f]) kann es sofort injiziert werden. Tiefgefroren bei mindestens minus 28 °C ist es
bis zu 2 Jahre lang verwendbar [4]
[5]
[8]
[14].
Fettunterspritzung
Fettunterspritzung
Das in 5-ml-Spritzen aufbewahrte, gefrorene Fett wird vor dem Gebrauch bei Raumtemperatur
aufgetaut. Ein schnelles Erwärmen bzw. Erhitzen - z. B. in der Mikrowelle - muss wegen
einer möglichen Denaturierung der Fettzellen vermieden werden.
Die Areale werden am sitzenden Patienten mit einem dünnen Stift markiert, die Fettunterspritzung
wird hingegen im Liegen durchgeführt. Zur Schmerzverminderung werden die Einstichpunkte
am besten mit kleinen Eiswürfeln vorgekühlt und anschließend mit einem Lokalanästhetikum
und einer 30er-Gauge-Nadel gequaddelt. So kann der Schmerz bei der Penetration der Infiltrationsnadel durch die Haut vermieden
werden; die Injektion des Fettes in den Subkutanraum wird meist nur als Druckgefühl
empfunden.
Die Injektion erfolgt mit 1-ml-Spritzen und Kanülen von 23-21 Gauge; dies entspricht
einem Kanülendurchmesser von 0,6- 0,8 mm. Wenn die von Coleman empfohlenen stumpfen
Injektionskanülen von 16 Gauge (Durchmesser 1,6 mm) eingesetzt werden, muss vorher
eine kleine Stichinzision durchgeführt werden.
Zur Vermeidung von intravasalen Applikationen soll die Injektionstiefe möglichst oberflächlich
sein. Bei eingezogenen Falten wird das Fett immer unmittelbar subdermal gespritzt
(Abb. [3 a]). Bei Narben und sehr feinen Falten ist aber auch eine intradermale Injektion möglich;
dafür kann man das Fett mit NaCl-Lösung im Verhältnis 1 : 1 verdünnen [15]. Größere Defekte werden am besten von verschiedenen Einstichpunkten aus fächerförmig
in unterschiedlichen Tiefen aufgefüllt. Die Injektionen erfolgen prinzipiell retrograd,
d. h. beim Zurückziehen der Spritze. Eine leichte Überkorrektur kann erfolgen (Abb.
[3 a]), sollte jedoch den Patienten nicht „entstellen”.
Abb. 3 a Fettinjektion subdermal vom unteren Rand der Nasolabialfalte her. Die betäubten Einstichstellen
sind mit Filzstift markiert. b Massage des injizierten Areals im Mundwinkelbereich unmittelbar post injectionem.
Bezüglich des Injektionsvolumens werden Angaben zwischen 2 und 20 ml pro Region gemacht
[8]
[11]; häufig sind aber schon mit 1-4 ml pro Region gute Resultate zu erzielen. Prinzipiell
sind mehrere kleinere Infiltrationsmengen, so genannte Mikrolipoinjektionen, in kürzeren
Abständen wirksamer als wenige große in längeren Intervallen [4]
[5]
[10].
Bei der Infiltration kann man mit einem Finger das Zielareal etwas komprimieren, um
palpatorisch Ort und Menge des gesetzten Fettdepots zu kontrollieren. Nach der Unterspritzung
wird das Gewebe leicht massiert; im Lippen- und Wangenbereich erfolgt dies am besten
gleichzeitig von außen und von der Schleimhautseite her (Abb. [3 b]). Damit lässt sich eine gleichmäßigere Verteilung und auch noch eine Verschiebung
des Fettes im Sinne einer Nachmodellierung erzielen [4]. Zur Reduzierung von Ekchymosen können kurzfristig cool packs aufgelegt werden [8]. Sowohl eine Antibiotikaprophylaxe [10]
[11]
[16] als auch eine Gabe von abschwellenden Mitteln ist u. E. nicht notwendig.
Ergebnisse
Ergebnisse
Die kosmetischen und funktionellen Ergebnisse nach Fettunterspritzung sind gut. Abb.
[4 a] zeigt beispielhaft einen Ausgangsbefund und Abb. [4 b] den Zustand unmittelbar nach Auffüllung; bereits einen Tag später sieht das Gesicht
meist wieder völlig natürlich aus (Abb. [4 c]). Im Laufe der nächsten Wochen wird ein Teil des applizierten Materials vom Körper
resorbiert. Da Fett relativ große Partikel aufweist, scheint diese Resorption allerdings
geringer zu sein als bei anderen Füllmaterialien [4]
[17].
Abb. 4 a Ausgangsbefund bei 42-jähriger Patientin. b Zustand unmittelbar nach einmaliger Injektion von insgesamt 3 ml Eigenfett (1,5 ml
pro Region) nasolabial. c Befund am nächsten Tag.
Tierexperimentell wurde festgestellt, dass nach Unterspritzung mit tiefgefrorenem
Fett mehr Fettzellnekrosen sowie stärkere entzündliche Vorgänge auftreten als nach
Injektion frischen Fettes [18]
[19]. Möglicherweise erfolgt dadurch eine bessere Verankerung des autologen Materials
mit der Umgebung. Wahrscheinlich ist die Induktion einer Fibroblastenreaktion und
die folgende Fibrosierung für den dauerhaften kosmetischen Effekt wichtiger als die
direkt durch das „frische” Fett bewirkte Volumenzunahme [11]
[14].
Bei Falten sind meist nur wenige Nachinjektionen im Abstand von 3-4 Monaten nötig,
um einen langfristigen Erfolg zu erzielen. Da die Fettvolumina des Gesichts mit zunehmendem
Alter abnehmen, muss umso häufiger nachinjiziert werden, je älter der Betroffene ist;
die besten Ergebnisse finden sich daher bei Patienten, bei denen der Alterungsprozess
des Gesichtes noch nicht weit fortgeschritten ist.
Die Langzeitergebnisse bei altersbedingter Lipoatrophie sind je nach Region unterschiedlich
[10]
[11]
[14]
[18]
[20]. Im Bereich der Nasolabialfalten und des Mundwinkels sind die Erfolge dauerhafter
als z. B. an den Lippen. Die besten Langzeitergebnisse konnten bei Erkrankungen wie
zirkumskripter Sklerodermie und Hemiatrophie des Gesichts sowie bei eingesunkenen
Narben erzielt werden [5]. Teilweise hat sich zentrifugiertes Fett dem nicht zentrifugierten Fett als überlegen
erwiesen [12]. In der Literatur werden bezüglich der Erfolgsdauer allerdings unterschiedliche
und teilweise auch widersprüchliche Erfahrungen angegeben [17].
Nebenwirkungen
Nebenwirkungen
Die Unterspritzung mit Eigenfett weist eine sehr niedrige Komplikationsrate auf. Rötungen,
Schwellungen, leichte Indurationen und Sensibilitätsstörungen bestehen überwiegend
nur Stunden oder wenige Tage. Werden sehr große Fettvolumina wie z. B. 8-10 ml pro
Region injiziert, kann es zu Einschmelzungen mit Entwicklung von sicht- bzw. tastbaren
Lipogranulomen oder Ölzysten kommen [10]
[11]. Über Infektionen wie Abszesse oder Erysipele wird in der Literatur nur ganz vereinzelt
berichtet [10]
[21].
Schwere Komplikationen in Form von Fettembolien in der Arteria centralis retinae mit
unilateralem Visusverlust sind nach Injektion in die Glabella aufgetreten; unseres
Wissens ist darüber weltweit bisher bei fünf Patienten berichtet worden [22]
[23]
[24]. Durch die Verwendung stumpfer Injektionskanülen vom Typ Coleman soll einer Perforation
von Venenwänden und somit einer Fettembolie vorgebeugt werden [3].
Tab. 3 Mögliche Nebenwirkungen nach Fettunterspritzung
Rötung |
Schwellung |
Induration |
Sensibilitätsstörung |
Konturunregelmäßigkeit |
Ölzyste |
Lipogranulom |
Infektion |
Fettembolie |
Kontraindikationen
Kontraindikationen
Da es sich um körpereigenes Material handelt, sind von Seiten der Füllsubstanz keine
Kontraindikationen gegeben. Diejenigen von Seiten des Patienten sind in Tab. [4] aufgeführt [25].
Tab. 4 Kontraindikationen
Entzündungen im Unterspritzungsareal |
Schwangerschaft |
Stillzeit |
Koagulopathie |
therapeutische Antikoagulation |
mangelnde Kooperation |
psychische Instabilität |
unrealistische Erwartungen des Betroffenen |
Vorteile der Fettunterspritzung
Vorteile der Fettunterspritzung
Den in Tab. [3] aufgeführten potenziellen Nebenwirkungen steht eine große Zahl von Vorteilen gegenüber.
Diese sind besonders offensichtlich, wenn man das Eigenfett mit anderen Materialien
zur Gewebeaugmentation wie Silikon, Kollagen, Hyaluronsäure oder Polylactat vergleicht.
Während letztere käuflich erworben werden können, muss das Eigenfett allerdings zunächst
durch einen operativen Eingriff gewonnen und aufbereitet werden; danach steht es dann
aber in ausreichender Menge zur Verfügung. Tab. [5] zeigt die Vorteile der Unterspritzung mit Eigenfett.
Tab. 5 Vorteile
kein Fremdmaterial |
physiologische Füllsubstanz mit natürlicher Konsistenz |
keine Konservierungsmittel |
keine karzinogenen Eigenschaften |
keine teratogene Wirkung |
keine Allergie |
keine Übertragung von Infektionen wie z. B. BSE |
schnell durchführbar |
nicht belastend |
ausreichende Menge nach einmaliger Gewinnung vorhanden |
somit weiterhin fehlende Materialkosten |
kausale Therapie der altersbedingten Lipoatrophie |
gute Ergebnisse |
Schlussbemerkung
Schlussbemerkung
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Fettunterspritzung eine effektive und sichere
Maßnahme ist, die das therapeutische Spektrum des Dermatologen wesentlich erweitert
hat. Entscheidend wird sein, auch in Zukunft die Kompetenz der Fachgruppe und des
Einzelnen durch regelmäßigen Erfahrungsaustausch zu erhalten und weiter auszubauen.