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DOI: 10.1055/s-2003-41962
Aplastische Anämien - Der konkrete Fall
Aplastic anemia - Case ReportDr. med. Roland Schroers
Abteilung Hämatologie und Onkologie, Zentrum Innere Medizin, Georg-August-Universität
Göttingen
Robert-Koch-Straße 40
37075 Göttingen
Phone: 0551/398535
Email: R.Schroers@medizin.uni-goettingen.de
Publication History
eingereicht: 28.5.2003
akzeptiert: 4.8.2003
Publication Date:
08 September 2003 (online)
Anamnese
Die Patientin wurde erstmals im Alter von 10 Jahren wegen Hauteinblutungen und allgemeiner Abgeschlagenheit kinderärztlich vorgestellt. 3 Monate zuvor war das Mädchen an einer fieberhaften Grippe erkrankt, die erst nach längerer antibiotischer Behandlung mit Cotrimoxazol und Tetracyclin abheilte. In der Blutbilduntersuchung fiel eine Panzytopenie mit einer Leukozytopenie von 1,9 ×109/l, einer normochromen Anämie (Hämoglobinkonzentration 7,8 g/dl) sowie einer ausgeprägten Thrombozytopenie von 10 × 109/l auf.
Untersuchungen
Bei der körperlichen Untersuchung fanden sich ein blasses Hautkolorit sowie Petechien und Ekchymosen. Das Differentialblutbild zeigte eine absolute Neutropenie von 0,4 × 109/l bei relativer Lymphozytose sowie Aniso- und Poikilozytose der Erythrozyten. Die Retikulozytenzahl war mit 35 × 109/l erniedrigt. Die Knochenmarkhistologie ergab ein „leeres Fettmark” mit weitgehendem Fehlen der Myelo- und Megakaryopoese sowie Hypoplasie der Erythropoese. Basierend auf diesen Befunden und dem peripheren Blutbild wurde - nach Ausschluss einer Fanconi-Anämie - die Diagnose einer erworbenen schweren aplastischen Anämie (SAA) gestellt.
Therapie und Verlauf
Zunächst erfolgte eine rein supportive Behandlung mit Transfusionen von Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentraten sowie antibiotischer Therapie von interkurrenten Infektionserkrankungen. Angesichts der Erkrankungsschwere wurde eine HLA-Typisierung der Familie durchgeführt. Diese ergab jedoch keinen kompatiblen Familienspender für eine allogene Knochenmarktransplantation. Daher erfolgte eine orale Behandlung mit einem Glucocorticoid (Fluocortolon, täglich 1 mg/kg) und einem Androgen (Oxymetholon, täglich 4 mg/kg). Nach 4-monatiger Therapie stiegen die Thrombozytenzahlen an und die Anämie nahm ab. 9 Monate nach der Erstdiagnose wurde eine Komplettremission der SAA mit Normalisierung aller Blutbildparameter diagnostiziert.
6 Jahre später bemerkte die Patientin petechiale Hauteinblutungen und eine Hämatomneigung. Die nach 2 Wochen durchgeführte Blutbilduntersuchung ergab wiederum eine periphere Panzytopenie wie bei SAA. Nach Bestätigung der Rezidivdiagnose anhand eines hypoplastischen Knochenmarkbefundes erfolgte eine immunsuppressive Therapie mit Antilymphozytenglobulin (ALG; täglich 40 mg/kg an 4 Tagen i. v.) und Prednisolon (täglich 20 mg/kg). 2 Monate nach Therapiebeginn wurde ein Anstieg der Retikulozytenzahlen und Sistieren des Transfusionsbedarfs beobachtet. Ein halbes Jahr darauf lag erneut eine komplette Remission mit normalen Blutbildparametern vor.
Bei Kontrolluntersuchungen fielen nach weiteren 10 Jahren abermals eine zunehmende Thrombozytopenie und Leukopenie auf, wobei sich in histologischen Knochenmarkuntersuchungen zunächst eine Hypoplasie der Granulo- und Megakaryopoese bei morphologisch weitgehend unauffälliger Erythropoese fanden. Eine kausale Behandlung des Rezidivs mit einer erneuten Immunsuppression wurde von der jetzt 27-jährigen Patientin abgelehnt.
5 Jahre danach zeigten sich erstmalig dysplastische Megakaryozyten im noch hypoplastischen Knochenmark. Eine Knochenmarkuntersuchung 9 Monate später zeigte ein hyperzelluläres Mark mit Dysplasiezeichen in der Megakaryo- und Erythropoese. Die zytogenetische Untersuchung von Knochenmarkzellen erbrachte einen aberranten Karyotyp mit Nachweis einer Monosomie 7. Zusammenfassend lag nun ein myelodysplastisches Syndrom (MDS) im Stadium der refraktären Zytopenie mit multilineärer Dysplasie auf dem Boden einer vorangegangenen SAA vor.
Prognose
Die einzige kurative Therapie eines MDS, das sich als späte klonale Folgeerkrankung einer aplastischen Anämie entwickelt, ist die allogene Knochenmarktransplantation. Bei der vorgestellten Patientin konnte ein HLA-identischer Fremdspender identifiziert werden; angesichts der hohen therapieassoziierten Mortalität von mindestens 50 % wird die Fremdspendertransplantation bis dato von der Patientin abgelehnt. - Die Prognose eines MDS mit Monosomie 7 vor dem Hintergrund einer aplastischen Anämie ist mit einer Mortalität von 50 % innerhalb von 5 Jahren besonders ungünstig [1].
Literatur
- 1
Maciejewski J P, Risitano A, Sloand A M, Young N S.
Distinct clinical outcomes for cytogenetic abnormalities evolving from aplastic
anemia.
Blood.
2002;
99
3129-3135
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Dr. med. Roland Schroers
Abteilung Hämatologie und Onkologie, Zentrum Innere Medizin, Georg-August-Universität
Göttingen
Robert-Koch-Straße 40
37075 Göttingen
Phone: 0551/398535
Email: R.Schroers@medizin.uni-goettingen.de
Literatur
- 1
Maciejewski J P, Risitano A, Sloand A M, Young N S.
Distinct clinical outcomes for cytogenetic abnormalities evolving from aplastic
anemia.
Blood.
2002;
99
3129-3135
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Dr. med. Roland Schroers
Abteilung Hämatologie und Onkologie, Zentrum Innere Medizin, Georg-August-Universität
Göttingen
Robert-Koch-Straße 40
37075 Göttingen
Phone: 0551/398535
Email: R.Schroers@medizin.uni-goettingen.de