Die mit 10-20 % hohe Prävalenz von Patienten mit riskantem Konsum, Missbrauch und
Abhängigkeit von Alkohol in Krankenhäusern ist durch eine Reihe von Studien gut belegt
[8]
[10]. Für die medizinische Behandlung sind die häufigen Alkoholfolgeerkrankungen von
besonderer Bedeutung [3]. Von hoher gesundheitsökonomischer Relevanz ist jedoch der Sachverhalt, dass chirurgische
Patienten mit Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit längere Liegezeiten aufweisen.
Für den Bereich der Inneren Medizin wurde festgestellt, dass Patienten mit Infektionen,
Neoplasien oder gastrointestinalen Erkrankungen signifikant länger in stationärer
Behandlung sind, wenn zusätzlich eine Alkoholproblematik besteht [4].
Anhand von zwei größeren Forschungsprogrammen des Bundesministeriums für Gesundheit
(1992-1995) und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (seit 2001) konnten
effiziente Konzepte der Früherkennung [6]
[14]
[15] und Intervention [7]
[8] entwickelt werden. Ein motivational günstiger Zeitpunkt für die Intervention ist
ein Krankenhausaufenthalt, denn dann ist der Patient aus seinem sozialen Umfeld gelöst,
er erlebt einen Entzug und/oder wird mit einer somatischen Erkrankung konfrontiert
[16]. Daher sollte man in dieser Situation versuchen, Einfluss auf die Trinkgewohnheiten
des Patienten zu nehmen. Alkoholabhängige Patienten sollten in das bestehende Behandlungsnetz
integriert werden, das mit Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen, Fachambulanzen, Schwerpunktpraxen
und spezialisierten Kliniken für Beratung, Therapie, Entzug und Entwöhnung ausgewiesen
ist. Nutzen die Patienten diese Angebote, liegen die Erfolgsraten mittlerweile bei
über 50 % [11].
Bei der Intervention, die in Form einer ärztlichen Empfehlung oder einer kurzen Beratung
erfolgen kann, hat sich die Motivierende Gesprächsführung [12] besonders bewährt [2]
[5]
[9].
Früherkennung
Um Missbrauch und Abhängigkeit bereits frühzeitig erkennen zu können, eignen sich
vor allem Fragen an den Patienten, die mögliche Probleme im Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum
zum Gegenstand haben. Ein diagnostisch besonders effizientes Verfahren hierzu ist
der „Lübecker Alkoholabhängigkeits- und -missbrauchs-Screening-Test” (LAST) [15]. Dieser Fragebogen, der eigens für das Screening im Krankenhaus entwickelt wurde,
erwies sich im internationalen Vergleich gegenüber anderen Verfahren überlegen. Mit
lediglich sieben Fragen an den Patienten ist er zudem ökonomisch und praktikabel.
Die Fragen kann der Arzt entweder selbst stellen und dokumentieren, aber auch der
Patient kann die Antworten selbst ankreuzen. Schon während des Kontakts mit dem Patienten
lassen sich die Fragen auswerten und nutzen. Treffen zwei der sieben erfragten Aspekte
zu, besteht eine positive Screening-Diagnose, die dann Anlass für ein beratendes Gespräch
gibt.
Bei den Laborparametern haben vor allem eine Gesamtinformation aus GGT, ALAT, ASAT,
MCV, Kreatinin und Harnstoff diagnostischen Wert. Einzelne Parameter, wie beispielsweise
auch das CDT, haben sich nicht als hinreichend diagnostisch effizient erwiesen und
sind Fragebogenverfahren deutlich unterlegen [1]. Zudem widerspricht es dem Konzept der „Motivierenden Gesprächsführung”, den Patienten
mit Laborwerten konfrontativ zu überführen. Vielmehr sollten diese dazu dienen, dem
Patienten objektiv vor Augen zu führen, welche Auswirkung der Alkoholkonsum auf körperliche
Funktionen hat. Hierfür eignen sich auch vorliegende gesundheitliche Störungen und
Erkrankungen, die sich nach ihrem Grad der Assoziation zum Alkoholkonsum differenzieren
lassen [3]
[7]:
-
akute alkoholbedingte gesundheitliche Störungen (z.B. Intoxikationen, pathologische
Alkoholintoxikationen oder Alkoholentzugssyndrome und häufig hiermit verbundene Komplikationen,
wie Krampfanfälle, Delirien oder vegetative Störungen)
-
chronisch degenerative Alkoholfolgeerkrankungen, die ätiologisch einen unmittelbaren
Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum haben und bei Patienten mit geringem oder moderatem
Alkoholkonsum nicht oder nur äußerst selten vorkommen (z.B. äthyltoxische Leberzirrhosen
oder Polyneuropathien)
-
gesundheitliche Störungen, Erkrankungen oder Verletzungen, die bei Vorliegen von Alkoholmissbrauch
oder -abhängigkeit gehäuft auftreten, deren Auftreten aber nicht ausschließlich bzw.
nicht immer auf einen Alkoholkonsum zurückzuführen ist (z.B. Traumata des Kopfes und
der oberen Extremitäten oder gastrointestinale Blutungen).
Wichtig ist, dem Patienten die Zusammenhänge zwischen seinem Alkoholkonsum und diesen
negativen Konsequenzen zu verdeutlichen.
Risikokonsum, Missbrauch, Abhängigkeit
Gemäß dem internationalen Klassifikationssystem der Erkrankungen, dem ICD-10, besteht
eine Alkoholabhängigkeit, wenn mindestens drei der folgenden sechs Kriterien erfüllt
sind:
-
starker Wunsch oder eine Art Zwang, Alkohol zu konsumieren
-
verminderte Kontrollfähigkeit, den Alkoholkonsum zu beenden
-
Alkoholkonsum mit dem Ziel, Entzugssymptome zu lindern oder ein körperliches Entzugssyndrom
-
Nachweis einer Toleranz
-
eingeengtes Trinkverhalten, das heißt Alkoholkonsum eher nach dem psychischen oder
physischen Bedarf als nach äußeren Anlässen oder Vernachlässigung von Interessen zugunsten
des Alkoholkonsums
-
anhaltender Konsum trotz Nachweises der schädlichen Folgen.
Ein Alkoholmissbrauch, bzw. schädlicher Gebrauch gemäß ICD-10 liegt dann vor, wenn
trotz einer nachweisbaren Schädigung durch den Alkoholkonsum das schädigende Gebrauchsmuster
fortgesetzt wird. Trinkt der Patient durchschnittlich so große Mengen an Alkohol,
dass ein erhöhtes Risiko für eine Schädigung besteht, spricht man von einem riskanten
Alkoholkonsum [Tab. 1]. Ebenfalls riskant ist es, wenn Trinkmengen des hoch gefährlichen Konsums häufiger
als einmal im Monat zugeführt werden (so genanntes „binge-drinking”).
Das wichtigste Behandlungsziel bei Alkoholabhängigen ist die Alkoholabstinenz. Bei
Alkoholmissbrauch sind Gebrauchsmuster so zu verändern, dass die negativen Konsequenzen
in Zukunft nicht mehr auftreten. Eine Reduktion der Trinkmenge sollte bei riskantem
Konsum angestrebt werden. Die konkrete Umsetzung von Trinkzielen wird durch die Verwendung
von Berechnungstabellen [Tab. 2] gefördert.
Motivation und Intervention
Wie wir heute wissen, ist die Motivation, an dem Alkoholproblem etwas zu ändern, das
Resultat psychologischer Prozesse, die sich je nach Stadium der Änderungsabsicht unterscheiden
[12] - und zwar zwischen den Stadien der Absichtslosigkeit, Absichtsbildung, Vorbereitung,
Handlung und Aufrechterhaltung.
Keine Motivation das Konsumverhalten zu ändern, besteht im Stadium der Absichtslosigkeit.
Das Stadium der Absichtsbildung dagegen ist vor allem durch ein Anwachsen der Auseinandersetzung
mit dem eigenen Trinkverhalten und seinen Konsequenzen charakterisiert. Die Person
wägt Argumente ab, die für bzw. gegen eine Änderung ihres Konsumverhaltens sprechen.
Im Stadium der Vorbereitung plant der Betroffene Aktivitäten, im Stadium der Handlung
unternimmt er konkrete Schritte - er sucht beispielsweise eine Selbsthilfegruppe auf.
Befindet sich der Patient bereits im Stadium der Aufrechterhaltung, festigt er sein
Zielverhalten (z.B. die Abstinenz).
Absichtslosigkeit
Die Beratungen in der Phase der Absichtslosigkeit bestehen aus vier verschiedenen
Bausteinen:
-
Informationen anbieten
-
Probleme bestimmen
-
Diskrepanzen entwickeln
-
Anbindung.
Zum einen muss der Patienten Informationen erhalten, die sich auf den Alkoholkonsum
und die daraus resultierenden Konsequenzen beziehen. Dazu zählen zum Beispiel Informationen
über den Risikokonsum [Tab. 1], über vorliegende Laborbefunde und die aktuellen Beschwerden.
Ein weiterer Schritt besteht darin, die Probleme des Patienten zu bestimmen. Der Bezug
zu der Person des jeweiligen Patienten wächst durch seine Fragen zu den angebotenen
Informationen, zu bestehenden Gesundheitsstörungen, die mit dem Alkoholkonsum assoziiert
sind, oder - sofern durchgeführt - aus einzelnen Antworten aus Screening-Fragebögen.
Ist dem Patienten eine direkte Thematisierung seines Trinkverhaltens und der Folgeprobleme
unangenehm, ist zunächst zu versuchen, diese Gefühle selbst zum Gegenstand des Gespräches
zu machen. Zeigt sich auch hierbei ein deutlicher Widerstand, sollte man dies respektieren
und das Thema wechseln.
Vielen Patienten fällt es leichter, zunächst über ihren Stress, über Probleme am Arbeitsplatz
oder ähnliches zu sprechen. Der Respekt des Arztes gegenüber Verletzlichkeiten des
Patienten, die sich häufig zunächst in Widerstand und Abwehr äußern, sind hierbei
ein entscheidendes Grundprinzip. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten können
der Alkoholkonsum und die damit verbundenen Sorgen aber ohne Probleme angesprochen
werden.
Ergänzend zur Bestimmung der Problemlage ist darauf zu achten, Gesundheitswünsche,
Ziele und Wünsche bezüglich der individuellen Befindlichkeit und Lebensführung zu
erarbeiten. Diskrepanzen, die zwischen dem Alkoholkonsum, seinen subjektiv positiven
Effekten (z.B. Entspannung) und seinen negativen Konsequenzen bestehen, werden hierbei
gegeneinander aufgewogen. Dabei bleibt es dem Patienten überlassen, die Schwere oder
die Bedeutsamkeit dieser Konsequenzen zu beurteilen. All dies reflektiert der Betroffene
vor dem Hintergrund seiner subjektiven Wünsche, Ziele und Werte.
Bei der Information über weitergehende Behandlungsmöglichkeiten ist es wichtig, den
Patienten wissen zu lassen, dass sich seine Motivation zur Änderung des Alkoholkonsums
nicht in diesem Moment zwangsläufig ändern muss, dass aber der Krankenhausaufenthalt
oder andere Ereignisse dazu beitragen können. Viele Patienten, die zwar momentan keine
Änderungsabsicht haben, werden später möglicherweise einmal Hilfe suchen, weil sie
aufgrund sozialer, zwischenmenschlicher oder gesundheitlicher Probleme in Bedrängnis
geraten oder schlicht etwas für ihre Gesundheit tun wollen.
Daher ist es sinnvoll, den Patienten eine Telefonnummer oder die Anschrift einer entsprechenden
Anlaufstelle zu geben. Gleiches gilt für Patienten, die zwar abstinenzmotiviert sind,
jedoch keine Unterstützung durch Einrichtungen der Suchtkrankenversorgung in Anspruch
nehmen wollen. Der Patient wird darauf hingewiesen, dass er bei regelmäßiger Kontrolle
seiner Laborwerte durch den Hausarzt die gesundheitlichen Folgen des Alkoholkonsums
beobachten kann.
Absichtsbildung
Hat der Betroffene bereits begonnen, sich über eine Änderung seines Trinkverhaltens
Gedanken zu machen, verändern sich auch die Ziele der Beratung. Auch hier besteht
diese aus vier Elementen:
In der Phase der Absichtsbildung wird zunächst exploriert, welche Diskrepanzen der
Patient bei sich selbst beobachtet hat. Auf der Grundlage einer positiven Rückmeldung
über diesen Prozess der Auseinandersetzung wird versucht, die einzelnen Diskrepanzen
möglichst klar herauszuarbeiten.
Weiterhin werden den Patienten Informationen über das suchtspezifische Hilfesystem
angeboten. Auch weitere Möglichkeiten, wie sie beispielsweise der Sozialdienst oder
die Krankenhausseelsorge bieten, sollten angesprochen werden, wenn hierfür eine Indikation
besteht.
Zudem unterstützt der Arzt die Patienten dabei, sich auf Grundlage der zuvor beschriebenen,
präzisierten Diskrepanzen konkrete Ziele zu setzen. Hierbei wird kein Wert darauf
gelegt, möglichst alle Problembereiche umfassend abzudecken. In der Regel werden vielmehr
nur einige wenige Vorsätze herausgearbeitet, deren Realisierung nach Einschätzung
des Patienten und des Arztes realistisch erscheinen.
Die Anbindung des Patienten erfolgt mit dem Ziel, die Auseinandersetzung mit der Alkoholproblematik
zu fördern. Auch jetzt wird der Patient darauf hingewiesen, dass er bei regelmäßiger
Kontrolle seiner Laborwerte durch den Hausarzt mehr über die gesundheitlichen Folgen
des Alkoholkonsums erfahren kann. Dies soll die bewusste Auseinandersetzung des Patienten
mit seinen alkoholbedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen erhöhen. Zusätzlich
werden dem Patienten weitergehende Beratungskontakte angeboten, die allerdings kein
Abstinenzgebot implizieren, um so die Hemmschwelle für die Inanspruchnahme von Hilfen
zu senken.
Vorbereitung und Handlung
Nur zwei Elemente müssen bei Beratungen in der Phase der Vorbereitung und Handlung
angestrebt werden: Zum einen sind die Ziele, die sich die Patienten zuvor gesteckt
haben, zu konkretisieren. Zum anderen gilt aber auch wie in den anderen Phasen der
Verhaltensänderung, dass die Patienten in ein Netzwerk der verschiedenen Hilfsangebote
eingebunden werden.
In dieser Phase der Umsetzung hat der Patient bereits Zielvorstellungen entwickelt,
die zur Änderung seines bisherigen Verhaltens führen sollen. Diese Ziele können sehr
konkret (z.B. „ich möchte eine Entwöhnungsbehandlung beginnen”) oder auch sehr diffus
sein (z.B. „ich muss mein Leben vollständig ändern”).
Die Beratung legt ihren Schwerpunkt darauf, die Umsetzung dieser Vorsätze in Form
einer konkreten Handlungsplanung zu unterstützen. Die Umsetzung von Zielen, die sich
auf das Trinkverhalten beziehen, wird an konkreten Beispielen aus der Lebenswelt des
Patienten bearbeitet. Dazu zählt zum Beispiel die Reduktion des konsumierten Alkohols,
der Umgang mit Alkohol am Arbeitsplatz oder Vereinbarungen mit dem Ehepartner.
Den Patienten werden regelmäßige Besuche des Hausarztes empfohlen, wobei ein Rückgang
pathologischer Laborwerte als positiver Verstärker fungiert. Wurde bereits im Vorfeld
daran gedacht, zur Umsetzung der gesteckten Ziele weitergehende Hilfsangebote zu nutzen,
so werden die Patienten dabei unterstützt, möglichst noch während des Krankenhausaufenthalts
mit den entsprechenden Einrichtungen Kontakt aufzunehmen.
Anmerkungen
Neben den Mitarbeitern der von Dr. U. Hapke geleiteten Arbeitsgruppe „Intervention”
sind noch weitere Mitautoren der in das Projekt eingebundenen Abteilungen und Kliniken
zu erwähnen:
-
H.-J. Rumpf; Universität zu Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie (Direktor:
Prof. Dr. F. Hohagen)
-
W. Wacke, K. Spieker, F. Szigat; Universität Greifswald, Medizinische Fakultät, Klinik
für Innere Medizin A (Direktor: Prof. Dr. G. Kraatz)
-
A. Hummel; Universität Greifswald, Medizinische Fakultät, Klinik für Innere Medizin
B (Direktor: Prof. Dr. S. Felix)
-
R. Laun; Universität Greifswald, Medizinische Fakultät, Chirurgische Klinik und Poliklinik,
Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie (Direktor: Prof. Dr. A. Ekkernkamp)
-
L. Wilhelm; Universität Greifswald, Medizinische Fakultät, Chirurgische Klinik und
Poliklinik, Abteilung für Allgemeine Chirurgie, Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie
(Direktor: Prof. Dr. C.-D. Heidecke)
-
W. Hosemann; Universität Greifswald, Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten,
Kopf- und Halschirurgie (Direktor: Prof. Dr. W. Hosemann)
Das Bundesministerium für Gesundheit (326-4914-8/38) sowie das Bundesministerium für
Bildung und Forschung (01 EB 0120, 01 EB 0121 und 01 EB 9406) haben die zitierten
Forschungsarbeiten der Autoren finanziell unterstützt. Die genannten Arbeiten - aber
auch weitere Artikel - können unter der angegebenen Korrespondenzanschrift kostenfrei
bezogen werden. Weitere Informationen zur „Motivierenden Gesprächsführung” sind unter
http://motivationalinterview.org zu finden.
Aufrechterhaltung
Auch Patienten, die ihren Alkoholkonsum bereits vor dem Krankenhausaufenthalt beendet
haben, werden in das Konzept miteinbezogen. Die Beratung umfasst hier die Elemente
Viele abstinente Alkoholabhängige erhalten nur selten positive Rückmeldungen über
die erreichte Verhaltensänderung. Bei der Besprechung aktueller gesundheitlicher Probleme
soll den Patienten eine positive Resonanz über die bewältigte Problematik gegeben
werden. Liegen zum Beispiel Befunde aus früheren Aufenthalten vor, kann dem Patienten
der Rückgang pathologischer Laborwerte mitgeteilt werden.
In den ersten Jahren der Abstinenz, muss der Patient seinen Alltag und sich selbst
an seine geänderte Lebensführung anpassen. Häufig nimmt er Probleme, die er in der
Trinkzeit nicht oder nur kaum realisiert hat, erst nach Beendigung des Alkoholkonsums
deutlicher wahr. Die Beratung soll daher die aktuelle Zufriedenheit mit der geänderten
Lebenssituation und die Reaktion des sozialen Umfeldes herauskristallisieren, und
bei Bedarf werden Möglichkeiten weitergehender Behandlung aufgezeigt.
Ein weiterer Bestandteil der Beratung ist die Thematisierung der bisherigen Inanspruchnahme
von Hilfen. Hierbei werden negative Erfahrungen aufgearbeitet und Informationen über
alternative Hilfsangebote aufgezeigt.
Motivierende Gesprächsführung
Für eine effektive Beratung hat sich die „Motivierende Gesprächsführung” besonders
bewährt. Sie erweist sich nicht nur bei Patienten mit einer Alkoholproblematik als
hilfreich, sondern immer dann, wenn es darum geht, den Patienten zu motivieren - also
auch für eine Erhöhung der Therapietreue für eine bestimmte Medikation, diagnostische
und operative Maßnahmen sowie Krankengymnastik oder Diät.
Die Motivierende Gesprächsführung wurde im Kontext der Behandlung von substanzabhängigen
Menschen entwickelt. Ziel ist die Förderung der Motivation zur Änderung von Substanzkonsum
und resultierender Probleme. Beratungs- und Behandlungsstrategien sind spezifisch
auf unterschiedliche psychologische Prozesse abgestimmt, die im jeweiligen Stadium
der Änderungsbereitschaft Verhaltens- und Einstellungsänderungen fördern können. Besonders
erfolgreich im Vergleich zu anderen Verfahren ist das Konzept bei Betroffenen, die
keine Änderungsbereitschaft oder aber Ambivalenz zeigen. Die Grundprinzipien und die
allgemeinen Techniken der Motivierenden Gesprächsführung fassen die [Tabellen 3] und [4] zusammen.
Ziel der Beratung ist es, Äußerungen zur Eigenmotivation herauszuarbeiten. Die Motive
der Änderungsbereitschaft werden von den Patienten auf kognitiver, affektiver oder
intentionaler Ebene ausgedrückt. Es gilt, diese Prozesse zu verstärken, indem man
sie fokussiert. Die Motivierende Gesprächsführung ist für die Frühintervention in
der medizinischen Versorgung grundsätzlich gut geeignet und wirksam [8].
Die Ausbildung in „Motivierender Gesprächsführung” findet traditionell in zwei- bis
dreitägigen Workshops statt. Für den Bereich der medizinischen Versorgung hat sich
das „context-bound communication skills training” als vorteilhaft erwiesen [13]. Hierbei werden die Inhalte den Ärzten jeweils kurz erläutert und im konkreten Patientenkontakt
trainiert. Die medizinische Fakultät der Universität Greifswald setzt diese Form der
Ausbildung zurzeit im Rahmen eines durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung
geförderten Forschungsprojektes in den Kliniken der Inneren Medizin, der Chirurgie
und der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten um. Auch weitere Kliniken der
Universität Greifswald und andere Krankenhäuser der Region wollen sich dem Konzept
anschließen.