Dtsch Med Wochenschr 2003; 128(39): 1997
DOI: 10.1055/s-2003-42553
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Hyperthermie in der Onkologie - Notwendigkeit von Kompetenzzentren und Standards

Hyperthermia in oncology - a need for centers of excellence and standardsR. Issels, W. Hiddemann
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Publication Date:
25 September 2003 (online)

Ziel des anlässlich des Jahreskongresses der Österreichischen und Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie erscheinenden Schwerpunktheft der DMW ist es, auf aktuelle Entwicklungen in diesem Fachbereich hinzuweisen und sie anhand ausgewählter Beispiele zu verdeutlichen. Dazu werden in diesem Schwerpunktheft regulär eingegangene Beiträge und eingeworbene Beiträge berücksichtigt, die den Prozess der wissenschaftlichen Begutachtung durchlaufen haben und für eine Publikation akzeptiert worden sind.

Das vorliegende Schwerpunktheft greift in einem Übersichtsartikel das Thema: „Hyperthermie - aktueller Stand und therapeutische Ergebnisse” auf, in dem neben den technischen Grundlagen und der klinischer Anwendung auch die biologische Rationale sowie die Ergebnisse klinischer Studien in Kombination mit Strahlentherapie, Radiochemotherapie oder Chemotherapie umfassend dargestellt werden (Wust et al.). Nach einer 15-jährigen Entwicklungsphase im medizintechnischen Bereich ist es somit heute möglich, die Überwärmung eines lokalisierten Tumorbereichs bzw. einer tumortragenden Körperregion in einem Temperaturbereich zwischen 40 °C und 43 °C klinisch zu erreichen. Bei Einsatz der regionalen Tiefenhyperthermie oder der Teilkörperhyperthermie kann sowohl die Wirkung der Strahlentherapie als auch der Effekt der Chemotherapie verstärkt werden. Die Hyperthermie-durchführenden universitären Zentren und akademischen Einrichtungen in Deutschland haben einen im Vergleich zu anderen europäischen Ländern relativ hohen Standard. Die „Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Hyperthermie (IAH)” stellt die deutsche Fachgesellschaft zur Hyperthermie dar und ist in dieser Form in der Deutschen Krebsgesellschaft integriert. Insgesamt gibt es 14 aktive Zentren der IAH, an denen die Hyperthermie in ihren verschiedenen Modalitäten evaluiert wird. Bereits abgeschlossene oder laufende Studien werden meist im Rahmen der European Society for Hyperthermic Oncology (ESHO) überprüft und durchgeführt. Die ESHO hat auch zur Qualitätssicherung entsprechende Richtlinien für eine medizintechnische Anwendung herausgegeben, die eine Hyperthermiebehandlung nach GCP-Richtlinien erlaubt. Man kann heute auf der Basis der Studienergebnisse davon ausgehen, dass die klinische Sicherheit und grundsätzliche Effizienz der Hyperthermie als komplementäre Therapiemethode ausreichend belegt ist, um deren Stellenwert für spezifische Krankheitsentitäten und in ausgewählten Stadien einer Tumorerkrankung in Modellvorhaben weiter zu überprüfen. Dies geschieht bereits in vorbildlicher Weise für die regionale Tiefenhyperthermie (Entgeltschlüssel 44109012) und Teilkörperhyperthermie unter MR-Kontrolle (Entgeltschlüssel 44009150) in Bayern nach Modellvorhaben § 26 Abs. 1 der Bundespflegesatzverordnung. Auf diese Weise kann sowohl der Qualitätsstandard als auch die Eingrenzung der Indikationsstellung für die Behandlung von Patienten mit definierten Eingangskriterien gewährleistet werden. Eine Ausweitung dieser Modellvorhaben auf Bundesebene wäre sicherlich im Interesse der Betroffenen und nicht zuletzt auch der Krankenkassen. Mit überschaubarem Finanzaufwand kann damit den Patienten eine therapeutische Perspektive angeboten werden mit dem berechtigten Anspruch, die Effizienz der Hyperthermie in derartigen Therapieoptimierungsstudien mit allen Qualitätsansprüchen zu evaluieren.

Ein großes Konfliktfeld aus den Interessenlagen und Bedürfnissen der Patienten einerseits, und den kommerziellen Gesichtspunkten sowie Zwängen von Anbietern andererseits besteht in der paramedizinischen Anwendung der Hyperthermie ohne Ansprüche einer Evidenz-basierten Medizin. Es muss festgestellt werden, dass der „Wildwuchs” von klinischen Einrichtungen in Deutschland ohne qualitätsgesicherte medizintechnische Ausrüstung und mit fehlender onkologischer Fachkenntnis zunimmt. Ungeprüfte Hyperthemie-Verfahren werden dem Patienten z. T. in unverantwortlicher Weise mit Werbeslogan und unqualifizierten Annoncen angeboten. Der betroffene Patient kann aus den Internet-Informationen oder Werbeprospekten von Kliniken mit einer Hyperthermieeinrichtung nicht unterscheiden, inwieweit er sich einer qualitätsgesicherten Behandlungsmethode im Rahmen eines geprüften Modellvorhabens an einem qualifizierten Zentrum anvertraut oder in die Hände einer ungeprüften meist fragwürdigen Therapieanwendung fällt. Dieser paramedizinische Anwenderkreis ist die größte Gefahr für den Fachbereich Hyperthermie in der Onkologie, da das Vertrauen der betroffenen Patienten, aber auch die Offenheit der ärztlichen Kollegen gegenüber einer sich neu etablierenden Therapiemethode missbraucht wird.

Aus diesen Gründen sollten bei zunehmender Nachfrage der Patienten Kompetenz-Zentren für diese Behandlungsmethode zur Verfügung stehen, um dem anfragenden Arzt oder Patienten eine Therapieempfehlung abgeben zu können.

Für die ärztlichen Kollegen und Patienten stehen folgende Informationen im Internet zur Verfügung: IAH: www.hyperthermie.org; ESHO: www.esho.info; EUROTHERM: www.eurotherm-network.org.

Prof. Dr. W. Hiddemann

Medizinische Klinik III, Klinikum Großhadern

Marchioninistraße 15

81377 München

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