Die Durchführung eines Belastungs-EKGs bei Patienten mit unklaren Brustschmerzen
gehört zum Standard. Bei Patienten mit atypischen Beschwerden oder einer nur mittleren
Vortest-Wahrscheinlichkeit für eine koronare Herzerkrankung wird bei klinischem Verdacht
in der Regel eine Belastungs-Untersuchung durchgeführt. Darüber hinaus werden Belastungsuntersuchungen
bei Patienten mit bekannter koronarer Herzerkrankung durchgeführt, um die Effektivität
von Therapiemaßnahmen (PTCA, ACVB, medikamentöse Therapie) zu dokumentieren. Außerdem
hat die Belastungsuntersuchung gleichzeitig den Sinn, die Prognose eines Patienten
bezüglich Infarktwahrscheinlichkeit oder Gesamtsterblichkeit abzuschätzen. Da die
Belastungsuntersuchung eine zentrale Rolle in der Diagnostik der Brustschmerzen spielt,
ist es essentiell zu wissen, welche diagnostische Genauigkeit man von diesen Untersuchungen
erwarten kann. Diese Genauigkeit wird bei diagnostischen Methoden in Sensitivität,
Spezifität und positiv prädiktivem bzw. negativ prädiktivem Wert zusammengefasst.
Idealerweise sollte Sensitivität und Spezifität je 100 % betragen. Bezogen auf das
Beispiel des Belastungs-EKG’s finden sich Sensitivität- und Spezifitätswerte, die
zwischen 25 % und 85 % variieren. In einer aktuellen Arbeit [2] wurden verschiedene Belastungsmodalitäten miteinander verglichen. Die Autoren
konnten für ein Standard-Belastungs-EKG mit 12 Ableitungen eine Sensitivität von
52 % bei Patienten mit Eingefäßerkrankung und 71 % bzw. 83 % bei Patienten mit Mehrgefäßerkrankungen
finden. Die Spezifität betrug 88 %. Eine Meta-Analyse kommt zu ähnlichen Daten [1]. Dies bedeutet, dass bei einer mittleren Sensitivität von 68 % bei 100 Patienten
mit koronarer Herzerkrankung 32 Patienten nicht richtig identifiziert werden, und
dass bei einer mittleren Spezifität von 77 % 23 Patienten als erkrankt eingestuft
werden, obwohl sie gesund sind. Aufgrund dieser unbefriedigenden Situation sind eine
Vielzahl von Belastungs-Methoden mit einer besseren Sensitivität und Spezifität eingeführt
worden. Zu diesen Methoden zählen szintigraphische, kernspintomographische, echokardiographische
und neue EKG-Methoden. All diesen Methoden gemeinsam ist, dass ihre Sensitivität
und Spezifität deutlich besser sind als vergleichbare Werte des Standard-Belastungs-EKG’s.
Die Sensitivität und Spezifität des Standard-Belastungs-EKG’s lässt sich jedoch
auch verbessern, indem rechtspräkordiale Ableitungen zusätzlich zu den 12 Standardableitungen
benutzt werden [2]. Diese einfache und preiswerte Methode erhöht die Sensitivität auf 89-95 % ohne
Verschlechterung der Spezifität. Aber nicht nur die schlechte Sensitivität lässt
das Standard-Belastungs-EKG als nur eingeschränkt empfehlenswert erscheinen, es
ist auch häufig erst gar nicht durchführbar. Darüber hinaus haben ca. 20 % der Patienten,
bei denen eine Belastungsuntersuchung durchgeführt werden soll, Veränderungen des
Ruhe-EKG’s, die eine sichere Interpretation des Belastungs-EKG’s ausschließen oder
kardiale Erkrankungen, die zu einem falsch-positiven Belastungs-EKG führen können.
Das Standard-Belastungs-EKG für die Diagnose der koronaren Herzerkrankung ist also
nicht ausreichend. Insbesondere bei Patienten mit mittlerer Vortestwahrscheinlichkeit
macht die schwache Sensitivität dieser Untersuchung eine exakte Beurteilung schwierig.
Da zusätzlich bei ca. jedem 5. Patienten das Standard-Belastungs-EKG primär nicht
durchführbar ist, ergibt sich folgendes Szenario: Bei Patienten, die körperlich nicht
belastbar sind, deren Ruhe-EKG nicht interpretierbar ist oder die Erkrankungen haben,
die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem falsch positiven Belastungs-EKG führen,
sollte ein bildgebendes Verfahren als initiale Ischämie-Diagnostik durchgeführt werden.
Die Myokardszintigraphie ist unter den bildgebenden Verfahren als Standardmethode
zum Ischämenachweis etabliert, ist bei den meisten Patienten durchführbar und ermöglicht
die Analyse von Ejektionsfraktion und Herzvolumina”. Auch echokardiographische Methoden
werden routinemäßig zum Ischämienachweis eingesetzt und haben den Vorteil, dass sie
ohne Strahlenbelastung durchgeführt werden. Bei ca. 25 % der Patienten ist die transthorakale
Echokardiographie jedoch aufgrund technischer Probleme nur begrenzt aussagefähig.
Andere Techniken (Computertomographie, Kernspintomographie) kommen für den Routineeinsatz
(noch?) nicht infrage. Bei den übrigen 80 % der Patienten sollte ein Belastungs-EKG
unter Zuhilfenahme der rechtspräkordialen Ableitungen durchgeführt werden.