Aktuelle Urol 2003; 34(1): 1-2
DOI: 10.1055/s-2003-44487
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Vasektomie erhöht nicht das Risiko für ein Prostatakarzinom

Ralph Hausmann1
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Dr. Ralph Hausmann

Frankfurt

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Publication Date:
03 March 2003 (online)

 
Table of Contents #

Zusammenfassung

Ein Zusammenhang zwischen der Vasektomie und dem Risiko eines Mannes, ein Prostatakarzinom zu entwickeln, wird immer wieder diskutiert. Die Daten dazu sind widersprüchlich. Eine neue große Untersuchung hat nun das relative Risiko ermittelt.

Nach Schätzungen sind weltweit zwischen 42 und 60 Millionen Männer vasektomiert. Bedenken über die Sicherheit der Sterilisation kamen auf, als 1990 in 2 Fall-Kontroll-Studien über ein erhöhtes Risiko für Männer berichtet wurde, an einem Prostatakarzinom zu erkranken. In Nachprüfungen dieser und anderer Studien wurde jedoch der Schluss gezogen, dass die Vasektomie das Risiko für ein Prostatakarzinom nicht erhöht.

Im Jahr 1993 zeigten 2 große Studien erneut ein signifikant erhöhtes Risiko, teilweise noch über 20 Jahre nach dem Eingriff. Dies veranlasste viele Urologen, vasektomierte Männer bereits frühzeitig auf ein Prostatakarzinom zu untersuchen und solchen mit einer entsprechenden Familienanamnese von einer Sterilisation abzuraten.

In einer weiteren Studie wurde nun wiederum der Zusammenhang zwischen einer Vasektomie und dem Karzinomrisiko untersucht. Als Studienland schien Neuseeland ideal, weil dort die höchsten Vasektomieraten weltweit vorliegen und es eine gesetzliche Meldepflicht für Krebs- erkrankungen gibt. Um eventuelle ethnische Unterschiede in der Krebsinzidenz auszuschließen, wurden nur Männer europäischer Abstammung einbezogen.

923 Männer mit neu diagnostiziertem Prostatakarzinom im Alter zwischen 40 und 74 Jahren wurden aus dem Krebsregister erfasst, weiterhin eine Kontrollgruppe von 1224 Männern. Die Kontroll- und die Fallgruppe wurden am Telefon interviewt. In der Studie sollte das relative Prostatakarzinom-Risiko bei Männern mit und ohne Vasektomie bestimmt werden (JAMA 2002; 287: 3110-3115).

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Ergebnisse auch in den Subgruppen ähnlich

Wie die Analyse der Ergebnisse zeigte, bestand keine Beziehung zwischen einem Prostatakarzinom und einer vorher vorgenommen Vasektomie, selbst nicht 25 Jahren nach dem Eingriff. Das relative Risiko unterschied sich auch nicht signifikant zwischen Männern verschiedener Religionszugehörigkeiten, dem Wohnort oder der sozialen Stellung. Es bestand auch kein Zusammenhang mit einer vorher durchgemachten Geschlechtskrankheit. Rauchen, Alkoholkonsum und Zahl der Kinder war nicht mit dem Krebsrisiko verknüpft.

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Erkrankter Vater erhöht das Risiko für ein Karzinom

Allerdings hatten Männer, bei denen beim Vater oder Bruder ein Prostatakarzinom diagnostiziert worden war, ein erhöhtes Risiko (relatives Risiko 2,63). Ein Onkel mit der entsprechenden Krebsdiagnose veränderte das relative Risiko nicht.

Aufgrund der großen Anzahl der einbezogenen Männer mit Vasektomie und der Kontrollgruppe ist die statistische Aussagekraft der Studie groß. Selbst 25 Jahre nach der Sterilisation konnte kein erhöhtes Risiko für ein Prostatakarzinom festgestellt werden.

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Kommentar

Aktuelle evidenzbasierte Studien zeigen, dass das Risiko für die Entwicklung eines Prostatakarzinoms nach einer Vasektomie nicht erhöht ist.

Das Prostatakarzinom ist der häufigste diagnostizierte Tumor des Mannes. Eine Vielzahl epidemiologischer Studien versucht daher, Risikofaktoren zu identifizieren, die mit einem erhöhten Prostatakarzinomrisiko einhergehen. Die Vasektomie ist die häufigste Form der Kontrazeption.

Verschiedene Untersuchungen haben eine mögliche Korrelation zwischen einer Vasektomie und dem Nachweis eines Prostatakarzinoms untersucht und sind zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Die jetzt durchgeführte Studie aus Neuseeland zeigt eindeutig, dass kein Zusammenhang zwischen dem Nachweis eines Prostatakarzinoms und einer vorher durchgeführten Vasektomie vorliegt. Lediglich eine familiäre Belastung erhöhte das Risiko, an einem Prostatakarzinom zu erkranken. Vergleichbare Daten wurden in einer großen Kohortenstudie aus Dänemark publiziert (Urology 2002; 168: 488-490). Auch diese Daten zeigen, dass das Risiko für ein Prostatakarzinom nicht erhöht ist bei denjenigen Männern, die vasektomiert wurden. Diese beiden aktuellen Studien zeigen evidenzbasiert, dass das Risiko für die Entwicklung eines Prostatakarzinoms nach Vasektomie nicht erhöht ist.

PD Peter Hammerer, Hamburg

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Kommentar

Die vorliegende Studie ist von besonderem Interesse, da Neuseeland weltweit die höchste Vasektomierate aufweist und eine gesetzliche Meldepflicht für Krebserkrankungen besteht.

Seit Beginn der 90er-Jahre wurde wiederholt ein erhöhtes Prostatakarzinomrisiko nach Vasektomie berichtet. Vor allem nordamerikanische Arbeitsgruppen publizierten zu diesem Thema zahlreiche Untersuchungen. Auffällig ist, dass das relative Risiko mit einem Faktor von 0 bis 5,3 zwischen den einzelnen Arbeiten eine breite Streuung aufweist, so dass zumindest in einigen Erhebungen von einer einseitigen Selektion auszugehen ist (1). Im Laufe der letzten Dekade wurden im Gegenzug mehrere Fall-Kontroll-Studien durchgeführt, ob das Risiko für ein Prostatakarzinom im Zusammenhang mit einer vorangegangenen Vasektomie steht. Es konnte hier jedoch kein erhöhtes Risiko nachgewiesen werden (2, 3, 4).

Zusammenhang kann ausgeschlossen werden

Die aktuell vorliegende Studie ist von besonderem Interesse, da Neuseeland weltweit die höchste Vasektomierate aufweist und eine gesetzliche Meldepflicht für Krebserkrankungen besteht. In den älteren Studien wurden teilweise nur Fragebogenerhebungen der Patienten ausgewertet und auf eine Kontrolle der klinischen Daten verzichtet. In der neuseeländischen Untersuchung konnte erneut kein Zusammenhang zwischen einer Vasektomie und dem Auftreten eines Prostatakarzinoms nachgewiesen werden. Ein erhöhtes Karzinomrisiko besteht allerdings bei familiärer Belastung. Dies konnte auch in anderen Publikationen belegt werden. Auch eine früher diskutierte Abhängigkeit des relativen Risikos vom Zeitpunkt der Vasektomie konnte nicht nachgewiesen werden. Zusammenfassend kann anhand der vorliegenden Daten ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten eines Prostatakarzinoms und einer vorangegangenen Vasektomie mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 % ausgeschlossen werden.

Dr. Simone Maier, PD Jürgen Gschwend, Ulm

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Abb. 1 Histologie eines Prostatakarzinoms (*). Eine Vasektomie erhöht nicht das Risiko eines Mannes, an einem Prostatakarzinom zu erkranken. Drüse der Prostata mit normalem, ursprünglichem Epithel: Pfeile (Bild: Histologie und Zytologie für den Einstieg, Thieme Verlag).

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Dr. Ralph Hausmann

Frankfurt

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Dr. Ralph Hausmann

Frankfurt

 
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Abb. 1 Histologie eines Prostatakarzinoms (*). Eine Vasektomie erhöht nicht das Risiko eines Mannes, an einem Prostatakarzinom zu erkranken. Drüse der Prostata mit normalem, ursprünglichem Epithel: Pfeile (Bild: Histologie und Zytologie für den Einstieg, Thieme Verlag).