Aktuelle Urol 2003; 34(1): 20-21
DOI: 10.1055/s-2003-44497
Aus der Rechtsprecherung

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Praxisabgabe - Korrekter Personalverkauf

Stefanie Konrad1 , Kanzlei Broglie1
  • 1Schade & Partner, Wiesbaden
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RA Stefanie Konrad
Kanzlei Broglie

Schade & Partner

Wiesbaden

Publication History

Publication Date:
03 March 2003 (online)

 
Table of Contents #

Zusammenfassung

Beim Verkauf einer Arztpraxis werden nicht nur die Rechte und Pflichten des Praxisabgebers sowie des Praxisübernehmers tangiert. Auch das in der Praxis mitarbeitende Personal ist hiervon betroffen. Dazu gehören sämtliche Mitarbeiter der Arztpraxis wie der angestellte Arzt, die mitarbeitende Ehefrau/-mann, die Arzthelferin sowie die Reinigungskraft.

Regelmäßig wird der Veräußerer einer Arztpraxis, weil er die Praxis nicht weiterführen will, ein berechtigtes Interesse daran haben, aus den bestehenden Arbeitsverträgen auszuscheiden. Der Erwerber wird im Gegenzug interessiert sein, das gut eingearbeitete und leistungsfähige Personal - allein schon wegen der einzigartigen Patientenbindungen - zu übernehmen. Zudem wird er darauf bedacht sein, dass seine unternehmerische Entscheidungsfreiheit hierdurch nicht eingeschränkt wird, so dass er im Vorfeld entsprechende Abwägungen treffen wird. Aber vor allem haben beide - Veräußerer und Erwerber - die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer zu berücksichtigen, wobei zumindest gewährleistet sein muss, dass die Arbeitsverhältnisse nicht gegen ihren Willen beendet werden.

Es ist daher für alle Beteiligten von Bedeutung, ob die Arbeitsverhältnisse auf den neuen Praxisinhaber übergehen sollen oder nicht. Insofern gilt, dass allein der Grund einer Praxisveräußerung den bisherigen Arbeitgeber (Praxisveräußerer) nicht zu einer Kündigung seiner Mitarbeiter berechtigt. Vielmehr tritt der Praxiserwerber aufgrund der gesetzlichen Regelungen nach § 613 a BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Praxisübergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen vollumfänglich ein. Diese Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs können der Praxisabgeber und Praxisübernehmer vertraglich auch nicht ausschließen.

Sinn und Zweck dieser Regelungen ist es nämlich, dass dem Arbeitnehmer keine Nachteile durch den Betriebsübergang entstehen sollen. Sein Arbeitsplatz soll erhalten bleiben und die Funktion und der Fortbestand des Betriebes sollen geschützt werden. Zur Verhinderung einer Einschränkung dieses Arbeitnehmerrechtes hat der Gesetzgeber seit dem 1. April 2002 die Vorschriften über die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Personal der Praxis erweitert. So hat er unter § 613 a BGB Absatz 5 und 6 neu eingeführt. Nach § 613 a Absatz 5 BGB ist bestimmt, dass der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten haben. Die inhaltlichen Voraussetzungen werden wie folgt benannt:

  • den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs

  • den Grund für den Übergang

  • die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für den Arbeitnehmer und

  • die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

Allerdings ist der Arbeitnehmer auch nach erfolgter Unterrichtung nicht gezwungen, das Arbeitsverhältnis mit einem neuen Arbeitgeber fortzusetzen. Daher ist ihm ein so genanntes Widerspruchsrecht nach § 613 a BGB Absatz 6 BGB eingeräumt. Widerspricht der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung schriftlich, bleibt dieses in einem solchen Fall mit dem Veräußerer weiter bestehen. Diesen Widerspruch kann der Arbeitnehmer sowohl gegenüber dem bisherigen als auch dem neuen Inhaber erklärt werden. Haben Veräußerer und Übernehmer die schriftliche Belehrung unterlassen, wird die Widerspruchsfrist nicht in Gang gesetzt.

Hat der Arbeitnehmer indessen fristgerecht nach erfolgter Unterrichtung dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprochen, so kann der bisherige Praxisinhaber das Arbeitsverhältnis zum nächstmöglichen Kündigungstermin kündigen. Problematisch können in diesem Zusammenhang länger einzuhaltende Kündigungsfristen bei langjährigen Mitarbeitern sein. Hierbei ist zu bedenken, dass der Arbeitgeber - obwohl er keine Praxis mehr hat - bis zur endgültigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter das Gehalt zu zahlen hat.

In solchen Fällen bietet sich regelmäßig der Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit dem Mitarbeiter an, wobei jedoch zu bedenken ist, dass der Arbeitnehmer dann für die Dauer der gesetzlichen oder tariflichen Kündigungsfristen eine Arbeitslosen-Sperrzeit beim Arbeitsamt hinnehmen muss. Hier wäre dann durch den Arbeitgeber eine entsprechende Entschädigung zu zahlen.

Bei einer Praxisübergabe sollten vorgenannte Bestimmungen genau beachtet werden. Zur gegenseitigen Absicherung des Abgebers und des Übernehmers empfiehlt sich, eine entsprechende vertragliche Regelung in den Praxiskaufvertrag aufzunehmen.

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Abb. 1 Mitarbeiterinnen einer Arztpraxis. Beim Kauf der Praxis müssen der alte und neue Besitzer die Interessen der Arbeitnehmer berücksichtigen. Allein der Grund eines Praxisverkaufes erlaubt es dem Praxisveräußerer nicht, seinen Mitarbeitern zu kündigen (Bild: Photodisc).

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RA Stefanie Konrad
Kanzlei Broglie

Schade & Partner

Wiesbaden

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Abb. 1 Mitarbeiterinnen einer Arztpraxis. Beim Kauf der Praxis müssen der alte und neue Besitzer die Interessen der Arbeitnehmer berücksichtigen. Allein der Grund eines Praxisverkaufes erlaubt es dem Praxisveräußerer nicht, seinen Mitarbeitern zu kündigen (Bild: Photodisc).