Aktuelle Urol 2003; 34(2): 68-69
DOI: 10.1055/s-2003-44501
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Inkontinenz-Rezidiv nach Kolposuspension - Zweitoperation bringt gute Ergebnisse

Ralph Hausmann1
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Dr. Ralph Hausmann

Frankfurt

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Publication Date:
23 April 2003 (online)

 
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Zusammenfassung

Die Kolposuspension ist die Standardtherapie bei Patienten mit Stressinkontinenz. Eine Rezidiv-Operation führt jedoch zu höheren Komplikationsraten. Eine Arbeitsgruppe der Abteilung für Urogynäkologie, St. George's Hospital, London, ist der Frage nachgegangen, welche Faktoren das Operationsergebnis beeinflussen.

Die objektive, mit dem Provokationstest ermittelte Heilungsrate unmittelbar nach einer Burch-Operation liegt bei ungefähr 90 %. Sie fällt auf 69 % in den folgenden 10-20 Jahren ab. Eine Zweitoperation nach einem Inkontinenzrezidiv hat nach Literaturangaben eine subjektive Heilungsrate von 80 % und eine objektive von etwa 75 %. Versagt der zweite Eingriff, so kann dies viele Gründe haben. Dazu gehören ein niedriger präoperativer Urethraverschlussdruck, eine prä- und postoperative Detrusorinstabilität, ein Blutverlust über 1000 ml während der Operation und ein Körpergewicht über 80 kg.

In einer britischen prospektiven Studie mit 56 Frauen wurden die prognostischen Faktoren bestimmt, die das Operationsergebnis und die Komplikationen nach einer zweiten Operation beeinflussen (Br J Obstet Gynaecol 2002; 109: 1115-1120). 42 Frauen (75 %) hatten eine Stress- und 14 (25 %) eine gemischte Inkontinenz. Die subjektive Heilungsrate nach der Kolposuspension betrug in der Studie 71 %, die objektive 80 %. Bei 65 % der Frauen hielt der Operationserfolg während der Nachbeobachtungszeit von 5 Jahren an.

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Keine Korrelation mit potenziellen Risikofaktoren

8 Frauen mussten wegen einer Rektozele und 3 wegen eines Scheidenprolaps in der Nachbeobachtungszeit operiert werden. Bei weiteren 7 Patientinnen wurde die Inkontinenz nach der Operation noch medikamentös behandelt, eine Frau erhielt ein spannungsfreies Vaginaltape. Es bestand keine Korrelation zwischen dem Behandlungsergebnis und dem Alter, vorherigen Hysterektomien, der Anzahl der früheren Inkontinenzoperationen, der Zahl der Geburten, dem intraoperativen Blutverlust und dem Körpergewicht. Die Lebensqualität verbesserte sich signifikant. 68 % der befragten Frauen gaben an, einer inkontinenten Freundin die Operation weiterzuempfehlen.

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Zweitoperation sollte in spezialisiertem Zentrum vorgenommen werden

Zur Frage, welche Behandlung nach einem Ersteingriff sinnvoll ist, geben die Autoren folgende Empfehlungen: Bei einer Zystourethrozele zweiten Grades, bei leicht angehobenem Blasenhals und ausreichendem Vaginalraum sollte eine Kolposuspension vorgenommen werden. Die Erfolgsraten liegen höher, wenn der maximale Urethraverschlussdruck über 20 mm H2O liegt.

Wenn der Blasenhals fixiert und der Vaginalraum reduziert ist, kann bei einem normalen maximalen Urethraverschlussdruck ein spannungsfreies Vaginaltape erwogen werden. Bei einem maximalen Urethraverschlussdruck unter 20 mm H2O bringen das Vaginaltape oder die Schlingenoperation Erfolgsraten bis zu 86 %.

Eine Kolposuspension als Zweitoperation nach einem Inkontinenz-Rezidiv bringt gute Behandlungsergebnisse mit geringer Komplikationsrate. Allerdings mussten in der Studie fast 20 % der Frauen nach dem Eingriff wegen eines Prolaps operiert werden. Die Autoren betonen, dass eine Zweitoperation nur in einem spezialisierten Zentrum vorgenommen werden sollte.

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Kommentar zur Studie

Die Studie ist von Bedeutung, weil sie keinen der immer wieder publizierten Risikofaktoren reproduzierte.

Bei der Flut an Publikationen zur operativen Therapie der weiblichen Harninkontinenz muss unverändert beklagt werden, dass weniger als 3 % dieser Studien prospektiv randomisiert angelegt sind, die reproduzierbare Information geben. Die Arbeitsgruppe um Stuart Stanton vom George's Hospital in London hat nicht nur eine der längsten Erfahrungen mit der Kolposuspension in Europa, sondern über die letzten Jahrzehnte immer wieder exzellente Studien zu Detailfragen der operativen Therapie vorgelegt. Trotz großer Euphorie mit den neuen spannungsfreien Bändern, bleibt der Kolposuspension beim paravaginalen Abriss und mobiler Scheide, ohnehin notwendigen Laparotomien und normotoner Urethra, ein breites Indikationsgebiet. Die hypotone Urethra mit Verschlussdrucken unter 20 cm H2O hat deutlich schlechtere Resultate. Die von der Londoner Gruppe immer wieder beschriebene hohe Inzidenz an Scheidenstumpfprolaps und anderen Deszensusformen ist zwar grundsätzlich bei allen kranioventral verlagernden Eingriffen typisch. Bei der dort geübten Technik mit einer extrem hohen und breiten Fixation der Scheide mit bis zu 5 und mehr Nähten ist sie verständlich. Es wird dabei der, spätestens nach Hysterektomie, weit offene Douglas noch weiter aufgezogen und Vorfälle des Scheidenendes provoziert. Ob eine so extrem breite Fixation zur Erreichung guter Kontinenzraten wirklich notwendig ist, muss bezweifelt werden. Die eigene Erfahrung mit mehr als 3500 modifizierten Kolposuspensionen hat eine deutlich geringere Inzidenz an notwendigen Nachoperationen wegen Prolaps von 2 bis maximal 4 %.

Die vorliegende Untersuchung ist schon deshalb von großer Bedeutung, weil sie keinen der immer wieder publizierten Risikofaktoren reproduzieren konnte. Lediglich die Qualität der präoperativen Diagnostik und die korrekte Auswahl des Operationsverfahrens entscheiden über die Prognose. Bei der komplexen Pathophysiologie der weiblichen Harninkontinenz, den verschiedenen anatomischen Defekten, die im Rahmen der funktionellen und morphologischen Untersuchung nachweisbar sind, hat die Kolposuspension unverändert einen entscheidenden Platz in der operativen Behandlung der weiblichen Harninkontinenz.

Prof. Eckhard Petri, Schwerin

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Abb. 1 Kolposuspension. Eine zweite Kolposuspension führt bei Frauen mit einem Inkontinenz- Rezidiv zu guten Ergebnissen (Bild: Gynäkologische Urologie, Thieme Verlag).

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Dr. Ralph Hausmann

Frankfurt

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Dr. Ralph Hausmann

Frankfurt

 
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Abb. 1 Kolposuspension. Eine zweite Kolposuspension führt bei Frauen mit einem Inkontinenz- Rezidiv zu guten Ergebnissen (Bild: Gynäkologische Urologie, Thieme Verlag).