Aktuelle Urol 2003; 34(2): 75-77
DOI: 10.1055/s-2003-44506
Uroquiz

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

UroQuiz

Daniela Schultz-Lampel1 , Alexander Lampel1
  • 1Villingen-Schwennigen
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PD Daniela Schultz-Lampel
Prof. Alexander Lampel

Villingen-Schwennigen

Publication History

Publication Date:
23 April 2003 (online)

 
Table of Contents #

Zusammenfassung

Ein 33 Jahre alter Patient stellte sich wegen seit 2 Wochen bestehender zunehmender Schmerzen im Bereich des linken Hodens und im linken Unterbauch urologisch vor. Zusätzlich klagte der Patient über generalisierte Knochenschmerzen und Schmerzen im Oberbauch nach der Nahrungsaufnahme. Ein Jahr zuvor war wegen unklarer rechtsseitiger Oberbauch- und Flankenschmerzen eine laparoskopische Cholezystektomie erfolgt. Der Aufnahmebefund zeigte ein unauffälliges Abdomen. Am linken Hoden war eine kirschgroße druckschmerzhafte, schlecht verschiebliche Raumforderung tastbar. Der rechte Hoden war am oberen Pol druckschmerzhaft ohne tastbare Indurationen.

  1. Welche differenzialdiagnostischen Überlegungen kommen in Betracht?

  2. Welche Untersuchungen würden Sie zunächst durchführen ?

  3. Welche Untersuchungen würden Sie zur Diagnosesicherung durchführen?

  4. Wie würden Sie weiter vorgehen?

  5. Würden Sie noch weitere Abklärungen zur Diagnosesicherung durchführen?

  1. Differenzialdiagnostische Überlegungen

    Bei schmerzhaftem Skrotalbefund muss immer eine Hodentorsion in Betracht gezogen werden. Differenzialdiagnostisch kommen im vorliegenden Fall ein Hodentumor, eine Epididymitis oder Orchitis, aber auch ein leukämisches Infiltrat in Betracht.

  2. Untersuchungen

    Die Sonographie zeigte unauffällige Nieren beidseits ohne Harnstauung, Steinreflexe oder Raumforderungen. Die Blase war glatt begrenzt, die Prostata homogen und gut abgrenzbar. Retroperitoneal fanden sich keine Lymphome.

    In der Sonographie der Hoden mit dem 7,5-MHz-Schallkopf fand sich im Bereich des rechten Hodens lateral kranial eine 10 x 20 mm große echoarme, unregelmäßig begrenzte Raumforderung [Abb. 1a]. Der linke Hoden war zentral von 2 echoarmen 20 x 24 mm bzw. 9 x 8 mm großen Raumforderungen fast vollständig eingenommen [Abb. 1b].

  3. Untersuchungen zur Diagnosesicherung

    Unter dem zunehmenden Verdacht auf beidseitige Hodentumoren erfolgte die typische Labordiagnostik inklusive Bestimmung des Beta-HCG, Alpha-Fetoprotein und LDH, die allesamt im Normbereich lagen.

    Die Urinuntersuchung zeigte keine Infektzeichen. Die 3fache Urinuntersuchung auf Tuberkulose war negativ.

    Eine Magnetresonanztomographie der Hoden bestätigte den sonographischen Befund.

    Im rechte Hoden fand sich eine in der T2-Wichtung signalärmere Läsion 22 x 14 mm groß am ventro-lateralen Umfang, deren Randbericht Kontrastmittel aufnahm. Der linke Hoden wies eine, das obere und mittlere Drittel weitgehend ausfüllende Signalstörung in allen Gewichtungen auf, die insbesondere im Randbereich Kontrastmittel aufnahm. Die zentralen Anteile dieser Läsionen zeigten sich signalarm als Zeichen fibrotischer Anteile. Der Durchmesser der größeren Läsion betrug 23 x 27 mm. Die kleinere, etwas abgesetzt gelegene Läsion war 10 x 10 mm groß [Abb. 2].

    Eine Dignitätseinstufung der Hodenläsionen konnte mittels MRT nicht durchgeführt werden.

    Das thorako-abdomino-pelvine Spiral-CT konnte keine Hinweise für thorakale oder abdominale Raumforderungen oder Organmetastasierung geben. Es fanden sich multiple paraaortale infrarenale kleinere Lymphknoten, deren zentrale Verfettung eher gegen eine pathologische Wertigkeit sprach.

    Die Ganzkörperknochenszintigraphie zeigte einen altersentsprechenden unauffälligen Status des gesamten Skeletts.

  4. Weiteres Vorgehen

    Da mit der vorausgegangenen Diagnostik die Verdachtsdiagnose beidseitiger Hodentumoren nicht auszuschließen war, wurde trotz Abwesenheit sonstiger Hinweise auf vorliegende Hodentumoren eine operative Freilegung beider Hoden vorgenommen.

    Der linke, von der Raumforderung fast völlig eingenommene Hoden wurde inguinal abladiert.

    Auf der rechten Seite wurde ein organerhaltendes Vorgehen angestrebt. Nach inguinaler Freilegung des rechten Hodens erfolgte nach intraoperativer sonographischer Ortung die Resektion der suspekten Raumforderung. Die intraoperative Schnellschnittuntersuchung ergab eine granulomatöse Entzündung, die im Gesunden entfernt war. Ein Seminom konnte allerdings nicht sicher ausgeschlossen werden.

    In der endgültigen Histologie zeigte sich links ein Orchiektomiepräparat mit einer ausgeprägten granulomatösen Orchitis mit fokalen Nekrosen, einer minimalen chronischen Epididymitis und Hydrozele testis. Tumorinfiltrate waren nicht erkennbar. Trotz fehlender Epitheloidzellgranulome wurde vom Pathologen die differenzialdiagnostische Überlegung einer zugrundliegenden Tuberkulose oder eine Lues geäußert.

    Die Exzidate des rechten Hodens zeigten eine herdförmige chronisch-rezidivierende Orchitis ohne Anhalt für Malignität.

    In der darauf folgenden Ziehl-Neelsen-Färbung waren keine säurefesten Stäbchen nachweisbar. Auch in der Versilberung war keine spezifische Erkrankung nachweisbar, so dass in erster Linie eine idiopathische granulomatöse Orchitis angenommen werden musste.

  5. Weitere Abklärungen zur Diagnosesicherung

    Zur weiteren Abklärung der Ätiologie wurde eine Lues-Serologie durchgeführt. Hier zeigte sich ein positiver Titer des TPPA (Luessuchreaktion) im Serum (Titer 1:20 480 bei Normalwert 1: < 80). Der Treponema pallidum FTA-ABS-Test im Serum war ebenfall positiv, so dass von einer aktiven Lues-Infektion ausgegangen werden musste.

    Daraufhin wurde eine 3-wöchige Penicillin-Therapie (parenterale Gabe von Penicillin G 1 Mega pro Tag) eingeleitet.

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Kommentar

Eine granulomatöse Orchitis imponiert klinisch fast immer als Hodentumor. Auch mit modernen bildgebenden Verfahren gelingt eine Dignitätszuordnung der Läsionen zumeist nicht, so dass die exakte Differenzialdiagnose in der Regel erst durch den Pathologen - zumeist am Orchiektomiepräparat - erfolgt.

Die granulomatöse Orchitis tritt für gewöhnlich bei älteren Männern auf. Sie ist ein nicht-infektiöser inflammatorischer Prozess im Hoden. Ätiologisch werden Autoimmunprozesse mit granulomatöser Reaktion auf Spermatozoen diskutiert.

Eine Beteiligung des Hodens stellt eine seltene Manifestation fortgeschrittener Stadien der Syphilis dar. Gummen, wie sie im Tertiärstadium der Syphilis der benignen Spätsyphilis vorkommen, können mit ausgedehnten testikulären Nekrosen einhergehen und als Orchitis oder Hodentumoren imponieren. Therapie der Wahl ist nach Diagnosesicherung die hochdosierte Penicillintherapie.

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Abb. 1a

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Abb. 1b

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Abb. 2

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Prof. Alexander Lampel

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