Aktuelle Urol 2003; 34(2): 78-80
DOI: 10.1055/s-2003-44507
Kongressbericht

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Alken-Preisträger-Treffen 2002 - PD Jan Fichtner ausgezeichnet

Ingo Kausch1
  • 1Lübeck
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Dr. Ingo Kausch

Lübeck

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Publication Date:
23 April 2003 (online)

 
Table of Contents #

Zusammenfassung

Das Alken-Preisträger-Treffen wurde im November 2002 in Berlin von Prof. Andreas Böhle, Lübeck, ausgerichtet. Wie üblich waren ehemalige Preisträger aufgefordert, einen Vortrag über eigene klinische oder experimentelle Fortschritte zu halten. Die folgende Zusammenfassung bietet eine kurze Übersicht über die thematisch breitgefächerten Referate.

Der Alkenpreis 2002 wurde an PD Jan Fichtner für seine Arbeiten über die schnelle Magnetresonanztomographie (MRT) bei der kongenitalen Hydronephrose verliehen. Fichtner hat mit der Arbeitsgruppe um L. M. Shortliff aus Stanford ein valides Tiermodell mit angeborener, relativer Enge des ureteropelvinen Übergangs mit konsekutiver unilateraler (rechts) Hydronephrose beschrieben. Bei insgesamt 32 Wistar-Ratten (3-8 Wochen alt) wurden Nierenbecken, Harnleiter- und Blasendrücke vermessen. Nierenbeckendrücke in der gestauten Niere waren konsistent höher als in gesunden Nieren Tiere. Mit zunehmender Diureserate und zunehmendem Blasendruck als auch nach Induktion eines Harnwegsinfektes stieg der Nierenbeckendruck bei hydronephrotischen Tieren signifikant stärker an. Histologische Untersuchungen der Tiere zeigten nur milde Veränderungen der gestauten Niere. Die Dokumentation der Nierenfunktion und -morphologie durch Untersuchungen mittels der Magnetresonanztomographie mit ultraschneller Bildabfolge im Sekundenbereich ergab bezüglich der Funktionsbestimmung eine Korrelation mit dem Isotopennephrogramm (ING). Daraufhin wurde eine klinische Studie bei insgesamt 23 Kindern durchgeführt, bei denen das schnelle MRT (660 ms-Intervall) mit einem ING und zusätzlicher Refluxuntersuchung korreliert wurde. Auch hier waren die Ergebnisse von MRT und ING bezüglich der Partialfunktion vergleichbar, das MRT erfasst jedoch funktionellen Parametern auch die Beurteilung von Morphologie, Perfusion und Reflux, so dass sich in der Klinik potenzielle Routineeinsatzmöglichkeiten ergeben.

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Prostatakarzinom

Mehrere Vorträge zum Prostatakarzinom eröffneten die erste Sitzung. Zu therapeutischen Ansätzen referierten Prof. Hans-Peter Schmidt aus St. Gallen und Dr. R. J. A. van Moorselaar aus Utrecht. Die Arbeitsgruppe um Schmidt beschäftigte sich mit verschiedenen gentherapeutischen und immuntherapeutischen Ansätzen. Durch RT-PCR (Reversed Transcription Polymerase Chain Reaction) wurden die Gene C1, C2, C5, PAGE-1 und das Prostate Stem Cell Antigen (PSCA), welche beim Prostatakarzinom, einer BPH oder entsprechenden Zelllinien potenziell überexprimiert werden, untersucht. Unter den genannten Genen wurde nur für das PSCA eine erhaltene Expression bei der Mehrzahl der Prostatakarzinome festgestellt und ist so als potenzielles Target für eine Antigen-spezifische T-Zell-basierte Immuntherapie geeignet. Mooreselaar und seine Mitarbeiter untersuchten in einer Phase-I-Studie bei 10 Patienten mit lokal begrenztem Prostatakarzinom, ob transrektal implantierte Gold-Seeds als Marker der Prostataposition bei einer perkutanen Bestrahlung angewendet werden können. Insgesamt wurden keine schweren Komplikationen beobachtet. Die Position der Seeds unter Bestrahlung war stabil. Auf dem Boden dieser Daten werden in Utrecht entsprechende Patienten derzeit mit 76 Gy in 35 Fraktionen bestrahlt.

Die weiteren Vorträge beschäftigten sich mit diagnostischen Aspekten des Prostatakarzinoms. Dr. Hans J. Tanke aus der Abteilung für Pathologie in Leiden skizzierte ein Projekt, bei dem neue prognostische molekulare Marker des lokalisierten Adenokarzinoms der Prostata isoliert werden sollen. Bei einer großen Serie entsprechender Tumorpräparate werden verschiedene Micro-Array-Analysen im Hinblick auf generelle Krebs-assoziierte Gene aber auch komplette Genom-Chips durchgeführt. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf den Chromosomen 7 und 8. Die Array-Analysen sollen auf Basis der zuvor etablierten Comparative Genomic Hybridization (CGH) durchgeführt werden, bei der Tumorproben mit standardisierten Referenzproben verglichen werden.

Dr. Lutz Trojan aus Mannheim und Mitarbeiter untersuchten 27 Prostatektomie-Präparate und korrelierten die immunhistochemisch (CD31) bestimmte Gefäßdichte mit vor Prostatektomie durchgeführten dynamischen Kontrastmittel-MRT-Untersuchungen der Prostata. Es zeigte sich, dass das MRT mit der immunhistochemischen Gefäßdichte korrelierte. Das MRT könnte somit einen Stellenwert beim Monitoring der Gefäßdichte etwa unter Antiangiogenese-therapeutischen Verfahren einnehmen. Zusätzlich wurden bei insgesamt 48 Prostatakarzinom- und BPH-Präparaten immunhistochemische Lymphgefäßfärbungen mit einem neuen Antikörper (LYVE-1) durchgeführt. Interessanterweise war die Lymphgefäßdichte im Gegensatz zur Blutgefäßdichte in BPH-Präparaten deutlich höher als in Prostatakarzinompräparaten.

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Harnblasenkarzinom

3 Referate beschäftigten sich mit dem Thema Harnblasenkarzinom. Zunächst berichtete Prof. Karl-Heinz Kurth über eine Metaanalyse der publizierten, randomisierten Studien, die eine TURB plus BCG-Metaphylaxe mit alleiniger TUR oder TUR mit anderen Zusatzbehandlungen vergleichen. In insgesamt 24 Studien wurden 4863 Patienten identifiziert. Der Anteil an Patienten mit Progression war insgesamt niedriger (9,8 %) mit BCG-Instillationen als nach TUR allein (13,8 %). Die Kernaussage bestand darin, dass offenbar nur die Patienten bei einer Progression profitieren, die nach Primärinstillation auch eine BCG-Maintenance erhalten.

Dr. Thomas Reckwitz und Mitarbeiter aus Dortmund berichteten über 3 epidemiologische Studien aus Leverkusen, Dortmund und Wittenberg mit der Frage, ob bei Arbeitern, die in erhöhtem Maße Karzinogenen ausgesetzt waren, ein Zusammenhang zwischen Blasentumorentstehung und individuellem Azetylierungsverhalten gefunden werden kann. Im Vergleich der Studien wurde kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Karzinogenexposition und individueller metabolischer Aktivität gefunden. Gemein war allen Studien jedoch, dass Langsam-Azetylierer bei Blasentumorpatienten mit Nikotinkonsum oder entsprechender Anamnese überrepräsentiert waren.

Dr. Christian Wülfing aus Münster untersucht den Zusammenhang von Cyclooxygenase-2(COX-2)-Expression und klinischer Prognose bei Blasentumorpatienten, die sich einer radikalen Zystektomie unterzogen. In insgesamt 157 Präparaten wurde die COX-2-Expression immunhistochemisch und per RT-PCR auf Protein- und RNA-Ebene bestimmt. Bei den meisten Präparaten (83,4 %) wurde eine Überexpression festgestellt. Es ergab sich jedoch keine Korrelation mit der Überlebenszeit oder dem histopathologischen Staging. In einer Untergruppe von Patienten, die eine adjuvante Chemotherapie erhielten, zeigte sich ein signifikanter Überlebensnachteil bei Patienten mit COX-2-positiven Tumoren im Vergleich zu Patienten mit negativen Tumoren.

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Urodynamik

Weitere Vorträge beschäftigten sich mit der Urodynamik und Neurourologie. Dr. Stefan Conrad aus Hamburg und Mitarbeiter identifizierten geeignete prognostische Parameter der hydronephrotischen Atrophie bei Harnleiterobstruktion. Bei kongenitaler Hydronephrose auf dem Boden ureteropelviner oder ureterovesikaler Obstruktion muss im Verlauf in bis zu 27 % der Fälle eine operative Intervention bei den Patienten erfolgen. Prognostische Parameter sollten idealer Weise in der Lage sein zu determinieren, welche Patienten einer frühzeitigen Operation unterzogen werden müssen und bei welchen Patienten eine Watchful-waiting-Strategie gerechtfertigt ist. Die Autoren untersuchten die mRNA- und Proteinexpression des Monocyte-Chemoattractant-Protein-1 (MCP-1) und des Transforming-growth-factor beta-1 (TGF-β1) im Nierengewebe und im Urin in einem Rattenmodell mit unilateraler, partieller oder kompletter Ureterobstruktion. Beide Marker sind involviert bei der frühen Induktion der Makrophageninfiltration, tubulären Apoptose oder interstitiellen Fibrose. Die TGF-b-, MCP-1-mRNA- und Protein-Expression war bei höhergradiger Obstruktion bzw. kompletten Harnleiterverschluss im Gewebe ebenso wie die Proteinexpression im Urin deutlich erhöht. TGF-b-Rezeptoren waren im Nierengewebe nur bei komplettem Verschluss signifikant hochreguliert. Zusammenfassend empfehlen sich somit beide Gene oder Proteine als potenzielle Marker des natürlichen Verlaufes der kongenitalen Hydronephrose.

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Lebensqualität bei Kindern

Über Kinder als Patientenzielgruppe und deren Lebensqualität referierte PD Elmar W. Gerharz aus Würzburg. Die Erfassung von Lebensqualitäts-assoziierten Aspekten nimmt in der Erwachsenen-Urologie einen festen Stellenwert ein, während bei Kindern bisher wenig Instrumente verfügbar sind. Starken Einfluss nimmt beispielsweise die LQ-Erfassung bei der Entscheidung über mögliche Schwangerschaftsabbrüche bei pränatal diagnostizierten Erkrankungen. Gerharz plädierte für eine stärkere Berücksichtigung der Lebensqualität in der pädiatrischen Urologie. Die Lebensqualität durch das Kind selbst zu erfassen ist der Fremderfassung durch die Eltern vorzuziehen, da sich hier oftmals große inhaltliche Unterschiede ergeben. Geeignete Instrumente müssen im Kleinkindesalter natürlich völlig anders konzipiert sein als bei Erwachsenen. Die Entwicklung der Sexualität und mögliche begleitende Ängste erschweren überdies oftmals die Selbst-Erfassung in der Adoleszenz.

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Harnableitung

In den letzten beiden Sitzungen wurden Beiträge aus unterschiedlichen Themenbereichen präsentiert. Prof. Christian Stief aus Hannover berichtete über operationstechnische Aspekte bei der Harnableitung sowie bei der radikalen retropubischen Prostatektomie. Bei 4 Patienten mit therapierefraktärer Inkontinenz oder Blasenhalsengen wurde ein Blasenhautstoma durch einen einfachen Blasen-Nippel angelegt. Dieser Nippel wird durch einen Lapides-ähnlichen U-förmigen Blasenlappen geformt, der reflektiert und in Lich-Gregoir-Technik unterminiert wird. Die Patienten waren nach einem Follow up von mindestens 6 Monaten kontinent mit regelgerechten Blasenfüllungsvolumina. Bei der apikalen Dissektion im Rahmen der radikalen Prostatektomie wird in Hannover auf die Ligatur des dorsalen Venenplexus verzichtet, wodurch subjektiv zufriedenstellende Ergebnisse erreicht wurden.

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Beckenrekonstruktionen

Prof. Rudolph Hohenfellner aus Mainz berichtete über eigene Erfahrungen bei komplexen Beckenrekonstruktionen von Blasenexstrophie-Patienten. Trotz verschiedener Möglichkeiten der Osteotomie bleibt die permanente Korrektur der Schambeindiastase eine Herausforderung. Die stabile Rekonstruktion des knöchernen Beckens entscheidet über eine spätere Rediastase und die spätere Länge des Penis. In Kooperation mit der Abteilung Kiefer-Gesichts-Chirurgie wurde bei einem 4,5 Jahre alten Jungen mit Blasenexstrophie und vorausgegangener kontinenter Harnableitung die Schambeindiastase mit einer erstmals von Ilizarov beschriebenen Kallusdistraktions-Technik behandelt. Bei der schrittweisen Knochendistraktion von 1-2 mm pro Tag kommt es zwischen den beiden distrahierten Enden zur Knochenneubildung. 2 Jahre postoperativ zeigte sich eine Verminderung der Distanz zwischen den Schambeinen von 6 auf 3 cm mit einhergehender Rotation der unteren Schambeinäste nach kranial. Die Penislänge habe deutlich zugenommen. Dieser letzte Aspekt bleibe jedoch weiterhin ein zentrales operationstechnisches Problem.

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Hormonrefraktäres Prostatakarzinom

Dr. Heiner van Randenborg aus München referierte über eine Phase-I-Studie bei Patienten mit hormonrefraktärem Prostatakarzinom. Bei bisher insgesamt 4 Patienten wurden 2 verschiedene Konzentrationen bestrahlter allogener LNCaP-Prostatakarzinomzellen, die mit den IL2- und IFNy-Genen retroviral transduziert wurden, an Tag 1, 15, 29 und 92 sowie dann, bei ausbleibender Progression, alle 90 Tage appliziert. Die Behandlung wurde insgesamt gut vertragen. Aufgrund der bisher kleinen Patientenanzahl lässt sich derzeit bestenfalls ein Trend zu einer längeren Zeit bis zur Progression in der Vakzinegruppe erkennen.

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Steinfreiheit nach ESWL

PD Hansjörg Danuser aus Bern untersuchte die Rate der Steinfreiheit nach ESWL in Abhängigkeit von der Anatomie des Hohlsystems. Insgesamt 140 Patienten mit isolierten Steinen der unteren Kelchgruppe (Größe etwa 1 cm) wurden 3 Monate sowie im Langzeitverlauf nach ESWL (Dornier HM3) durch Infusionsurogramm oder Röntgenübersicht und Sonographie nachuntersucht. Insgesamt 78 % der Patienten waren nach 3 Monaten steinfrei. Von den bisher im Langzeitverlauf nachuntersuchten Patienten hatten 42 % ein Steinrezidiv nach einem Median von 4 Jahren (2-10 Jahre). Die vor ESWL erfassten anatomischen Parameter des Hohlsystems hatten keinen signifikanten Einfluss auf die Steinfreiheitsrate. Ein Trend zu einem weiten Infundibulum bei steinfreien Patienten wurde beschrieben. Zusätzlich kommen Steinrezidive offenbar seltener bei Patienten mit einem kleineren Volumen des Hohlsystems vor. Zusammenfassend scheint somit eine Stratifizierung der Unterpolsteine in Abhängigkeit von der Hohlsystemanatomie vor ESWL nicht notwendig zu sein.

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Induratio penis plastica

Prof. Peter Albers aus Bonn berichtete über 25 Patienten mit hochgradiger Induratio penis plastica, die mit einer Corporoplastik und unterschiedlichen Patchinterponaten versorgt wurden. Als Patchmaterial wurden Vena saphena, Dermis oder TachoComb®, verwendet. Postoperativ beklagten 25 % der Patienten eine Penisverkürzung von 1-2 cm und eine leichte verbliebene Deviation von 5-15 Grad. 2 Patienten hatten ein Rezidiv (30-70 Grad) und 3 Patienten beschrieben postoperativ eine erektile Dysfunktion. Alle Techniken waren sicher und effektiv durchführbar, wobei TachoComb trotz unbegrenzter Verfügbarkeit und schnellerer Operationszeit weniger geeignet zu sein schien.

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Dr. Ingo Kausch

Lübeck

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Dr. Ingo Kausch

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