Allgemeine Homöopathische Zeitung 2003; 248(6): 311
DOI: 10.1055/s-2003-44571-4
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Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & CO. KG

Dr. med. Willibald Gawlik (1919-2003)

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Publication Date:
28 April 2004 (online)

Am 19.9.2003 hat uns mit Willibald Gawlik ein wahrhaft Großer der Homöopathie für immer verlassen. Seine Verdienste sind in dieser Zeitschrift schon oft gewürdigt worden. Deshalb möchte ich mich hier auf meine persönlichen Begegnungen beschränken. Wir lernten uns kennen, als ich Vorsitzender des Landesverbandes Baden-Württemberg und er 1. Vorsitzender des DZVhÄ war. Mir hat die temperamentvolle Art und die Sachkunde, mit der er den Verband führte, von Anfang an gefallen. Als es im ZV zu Auseinandersetzungen um die richtige Politik gegenüber dem neuen Arzneimittelgesetz kam, trat er zurück und bat mich, seine Nachfolge zu übernehmen. Ich habe in den folgenden Jahren immer wieder auch seinen Rat gesucht und erhalten. Er hat sich dann vorwiegend der Lehre gewidmet und bei den Kursen in Freudenstadt und Brückenau die zahlreichen Hörer stets begeistert. Lange Jahre sprach er auch regelmäßig beim homöopathischen Tag innerhalb der Woche der Erfahrungsheilkunde in Baden Baden. Ich habe seinen Vortrag meist gegen Mittag platziert, da sich zu diesem Zeitpunkt oft Müdigkeit im Publikum bemerkbar machte. Er weckte alle bereits mit den ersten Sätzen auf und faszinierte die Zuhörer nicht nur durch seine bildhafte Sprache und die hochinteressanten Fälle, sondern auch durch seine Gestik und Mimik, mit denen er geradezu Lachsalven auslösen konnte. Im Grunde aber war er ein ernster und tief religiöser Mensch, der besonders in russischer Gefangenschaft viel Schweres erlebt hatte. Dies arbeitete er auf, indem er regelmäßig zur Weihnachtszeit einen Essay über seine russischen Erlebnisse schrieb, den er gedruckt an Freunde und Bekannte verschickte. So freute ich mich immer wieder über dieses höchst originelle Weihnachtsgeschenk, das zum Nachdenken anregte. Dr. Gawlik war auch ein hochgebildeter Mann, der den Kosmos der griechischen Götter- und Sagenwelt wie kein zweiter beherrschte. Er konnte mühelos Vorträge in Hexametern halten. Bei den familiären Gesellschaftsabenden anlässlich der Jahrestagungen des ZV unterhielt er so oft die ganze Gesellschaft und zeichnete sich besonders durch seine originellen „Damenreden” aus.

In den letzten Jahren machten ihm gesundheitliche Probleme immer mehr zu schaffen, so dass er sich von offiziellen Verpflichtungen allmählich zurückzog, um dafür Bücher über seine Lebensarbeit zu schreiben. Er scheute sich nicht, darin auch heiße Eisen anzupacken, doch überall schimmerte sein hoher ethischer Anspruch durch. Jedes einzelne dieser Werke ist ein Juwel, das man mehrfach lesen muss, um seine Tiefen auszuloten.

Wenn er nun nicht mehr unter uns weilt, so bleibt uns doch die lebendige Erinnerung an einen Menschen, der die Homöopathie im wahrsten Sinne des Wortes mit Leib und Seele betrieb, der sich bis ins höchste Alter trotz schwerer Krankheit und vieler Schicksalsschläge die Begeisterungsfähigkeit bewahrte, nicht nur für die Homöopathie und sein Arzt-Sein, sondern auch für die immer sprudelnden Bildungsquellen, die Geschichte und vor allem das Gute in jedem Menschen als einem Geschöpf Gottes. In diesem Sinne war er bis zuletzt jung geblieben, ein Vorbild für die nachfolgenden Generationen, das noch lange in die Zukunft leuchten wird.

Karl-Heinz Gebhardt

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