Aktuelle Urol 2003; 34(4): 186-187
DOI: 10.1055/s-2003-45351
Referiert und kommentiert

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Benigne Prostatahyperplasie - Sexuelle Funktion nach der Therapie

Ralph Hausmann1
  • 1Frankfurt
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Dr. Ralph Hausmann

Frankfurt

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Publication Date:
25 August 2003 (online)

 
Table of Contents #

Zusammenfassung

Hemmer der Phosphodiesterase-5 (PDE-5) und die neuen Erkenntnisse zur Pathogenese der erektilen Dysfunktion haben die Störungen der Sexualität des älteren Mannes ins wissenschaftliche Interesse gerückt. In einer Literaturübersicht geht Vahan S. Kassabian, Atlanta, USA, der Frage nach, inwieweit sich die Behandlung der benignen Prostatahyperplasie (BPH) auf die sexuelle Funktion auswirkt (Lancet 2003; 361: 60-62).

Eine kürzlich veröffentlichte Studie von H. Leliefeld und seinen Kollegen zeigte keine Beziehung zwischen der Therapie der BPH und der sexuellen Funktion. Die Patienten erhielten entweder Finasterid, wurden operativ behandelt oder nur beobachtet. 84 % der Patienten berichteten über keinerlei Veränderungen der sexuellen Funktion. In allen 3 Gruppen berichteten 3- 14 % der Patienten über eine Verbesserung und 0-16 % über eine Verschlechterung. Demnach scheint auch eine symptomatische BPH nur in geringem Ausmaß oder gar nicht die sexuelle Funktion zu beeinflussen (BJU Int 2002; 89: 208-213).

In verschiedenen früheren Studien wurden nach einer transurethralen Prostatektomie (TURP) Impotenzraten zwischen 4 und 40 % angegeben, was wohl zu hoch gegriffen war, wie Studien neueren Datums belegen. Die einzige Studie, die eine abwartende Haltung mit der TURP verglich, zeigte keine erhöhte Impotenzrate in der Behandlungsgruppe in einem Nachbeobachtungszeitraum von 3 Jahren. In dieser Studie wurde auch eine Rate an Erektionsstörungen von etwa 20 % in der unbehandelten Gruppe festgestellt.

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Erektionsstörung nach TURP zeitlich begrenzt

Da eine BPH und die damit verbundenen Miktionsstörungen ebenso wie ein Nachlassen der sexuellen Funktion bei älteren Männern naturgemäß häufiger auftreten als bei Jüngeren, kann daraus kein kausaler Zusammenhang hergestellt werden. Auch scheint eine Erektionsstörung nach TURP zeitlich begrenzt zu sein, wie eine Studie belegen konnte. Hier wurde mit einem Test die Impotenzrate 4 Tage und 3 Monate nach dem Eingriff bestimmt. Die hohe Rate 4 Tage nach der TURP ging signifikant zurück. Thermische Nervenreizungen und emotionaler Stress unmittelbar nach der Operation werden als Ursachen der zeitlich begrenzten Erektionsstörungen angesehen.

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Hohes Risiko für retrograde Ejakulation nach TURP

Die retrograde Ejakulation ist die häufigste sexuelle Dysfunktion nach einer TURP, die in über 50 % der Fälle auftritt. Darüber müssen die Patienten - besonders jüngere Männer - aufgeklärt werden. Erfahrungsgemäß sind die meisten älteren Patienten über diese Komplikation nicht beunruhigt. Die offene Prostatektomie hat wie die TURP wenig Auswirkungen auf die erektile Funktion, ist jedoch auch mit einem hohen Risiko für eine retrograde Ejakulation verbunden.

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Nur wenige Daten zu minimal-invasiven Techniken

Für minimal-invasive Techniken wie die transurethrale Inzision der Prostata, die Laser-Prostatektomie, die transurethrale Nadelablation und Mikrowellen-Therapien liegen kaum Daten zur Auswirkung auf die sexuelle Funktion vor. In 2 Beobachtungsserien wurde bei der Mikrowellentherapie ein Neuauftreten einer erektilen Dysfunktion in weniger als 5 % der Fälle beobachtet.

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Erektile Dysfunktion unter Finasterid leicht erhöht

In Berichten zur Therapie mit dem 5-a-Reduktasehemmer Finasterid ist die Inzidenz einer erektilen Dysfunktion oder einer verminderten Libido im Vergleich zu Plazebo mit weniger als 10 % leicht erhöht.

Bei der Behandlung mit dem selektiven a-Blocker Tamsulosin kommt es bei der Standarddosierung von 0,4 mg in 6 % der Fälle zu retrograden Ejakulationen. Wegen seiner hohen Selektivität hat Tamsulosin jedoch die geringsten Effekte auf den Blutdruck und ist daher das Medikament der Wahl bei Patienten mit Bluthochdruck und antihypertensiver Therapie.

Andere zur Therapie der BPH angewendeten a-Blocker wie Terazosin und Doxazosin haben nur minimale Auswirkungen auf die Ejakulation, die Libido und die sexuelle Funktion.

Sämtliche Behandlungsmöglichkeiten der BPH haben insgesamt nur geringe Auswirkungen auf die erektile Funktion und die Libido der Männer. Allerdings kommt es bei den klassischen operativen Techniken in über 50 % der Fälle zu retrograden Ejakulationen.

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Kommentar zur Studie

Dieser Artikel summiert kurz und bündig das Wissen, was es zu Potenzproblemen nach Therapie der benignen Prostatahyperplasie gibt.

Die Genese der erektilen Dysfunktion bei Patienten nach einer transurethralen Resektion ist zum jetzigen Zeitpunkt noch ein Mysterium. Der Autor der Studie gibt eine Prozentzahl von 4-40 % Patienten mit einer erektilen Dysfunktion an, die in Studien publiziert wurden. Diese Zahlen sind meistens jedoch ohne standardisierten Fragebogen wie der IIEF (International Index of Erectil Function) erhoben worden und somit nur bedingt verwertbar. Das Hauptproblem der Potenzstörungen ist für die meisten Patienten die retrograde Ejakulation, wobei es Sache des behandelnden Arztes ist, den Patienten vor der Therapie genau darüber aufzuklären.

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Der aufgeklärte Patient möchte mehr als eine suffiziente Miktion

Dieser Artikel spricht sehr gut ein Problem an, welches in den nächsten Jahren immer mehr auf uns Urologen zukommen wird. Wir können sehr gut die „Lower Urinary Tract Symptoms” (LUTS) behandeln, doch der aufgeklärte Patient möchte noch mehr - er möchte nach der Therapie wieder ein funktionierendes Sexualleben haben. Der „alternde Mann” der nächsten Jahre wird an uns Forderungen stellen, deren Bewältigung uns aufgrund der heutigen Datenlage nur schwer möglich sein wird. Nutzen wir daher die Chance, in den kommenden Jahren das dafür nötige Rüstzeug anzueignen. Es wird nicht reichen, dem Mann eine suffiziente Miktion zu ermöglichen - er möchte mehr!

Prof. Georg Schatzl, Wien

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Abb. 1 TURP der Prostata. Thermische Nervenreizungen und emotionaler Stress sind vermutlich die Ursachen dafür, dass eine Erektionsstörung nur zeitlich begrenzt auftritt (Bild: Urologie, Thieme 2002).

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Dr. Ralph Hausmann

Frankfurt

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Dr. Ralph Hausmann

Frankfurt

 
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Abb. 1 TURP der Prostata. Thermische Nervenreizungen und emotionaler Stress sind vermutlich die Ursachen dafür, dass eine Erektionsstörung nur zeitlich begrenzt auftritt (Bild: Urologie, Thieme 2002).