Nabil K. Bissada und Kollegen, University of South Carolina, Charleston, USA, berichten
über ihre Langzeiterfahrungen mit 75 Patienten im Alter zwischen 27 und 92 Jahren.
Die Nachbeobachtungszeit betrug zwischen 25 und 144 Monaten (Urology 2003; 61: 89-92). Von den 54 operierten Patienten mit einem Nierenzellkarzinom litten 6 an Metastasen.
Bei 32 war der Tumor in die infrahepatische oder untere retrohepatische Vena cava
inferior eingebrochen, bei 7 in die obere intrahepatische Vene. Bei 15 Patienten wurde
eine Tumorausdehnung in den rechten Vorhof festgestellt. In 7 Fällen hatte der Tumor
die Venenwand befallen. Bei 4 Patienten wurde eine teilweise Exzision der Venenwand
vorgenommen, bei 3 der betroffenen Venenbereich komplett reseziert. 3 Patienten starben
in der postoperativen Phase, davon 2 mit Metastasen
Bei den 48 Patienten ohne Metastasen betrug die perioperative Mortalitätsrate 2 %.
22 Patienten (47 %) waren während der Nachbeobachtungszeit frei von Metastasen, 4
% entwickelten Einzelmetastasen und 36 % multiple Absiedlungen.
Enttäuschende operative Ergebnisse
Enttäuschende operative Ergebnisse
Die Autoren unterstreichen die enttäuschenden operativen Ergebnisse beim metastasierenden
Nierenzellkarzinom mit Einbruch in die Vena cava inferior. Zum einen kam es zu einer
hohen perioperativen Mortalitätsrate von 33 %, zum anderen betrug die 3-Jahres-Überlebensrate
nur 25 %.
Andere Autoren haben berichtet, dass bei ausgewählten Patienten mit metastasierendem
Karzinom ein langfristiges krankheitsfreies Überleben durch eine radikale Nephrektomie,
Cava-Thrombektomie und postoperative Immuntherapie erreicht werden kann. Damit wurde
eine 5-Jahres-Überlebensrate von 17 % erzielt. Patienten mit solitären Lungenmetastasen
hatten eine 5-Jahres-Überlebensrate von 43 %, diejenigen mit einem Tumor niedrigen
Malignitätsgrades von 52 %.
Die Autoren kommen aufgrund ihrer Erfahrungen zu dem Schluss, dass ein nicht-metastasierendes
Nierenzellkarzinom mit Invasion in die Vena cava inferior eine potenziell heilbare
Erkrankung ist, wenn der Tumor komplett entfernt werden kann. Patienten mit solitären
Lungenmetastasen und einem Tumor niedrigen Malignitätsgrades können von einer Operation
vor der Immuntherapie profitieren.
Kommentar zur Studie
Kommentar zur Studie
Nicht unerwartet konnten einige Patienten mit einem Nierenzellkarzinom mit Einbruch
in die Vena cava durch alleinige radikale Operation geheilt werden.
Um die praktische Relevanz dieser Mitteilung zu prüfen, sollte man die Stadieneinteilung
der UICC (Union International Contre le Cancer, Paris; eine WHO-Organisation) nach
dem TNM-Schema (Tumor, (Lymph)Nodulus, Metastase) zugrunde legen. Sie ist wegen der
nachgewiesenen prognostischen Relevanz der Stadieneinteilung für uns in Europa verbindlich.
Alle 5 Jahre erfolgt eine Aktualisierung, derzeit ist die Version 2002 gültig.
Da die Lymphknotenausräumung bei positivem N-Stadium therapeutisch umstritten ist,
kommen 2 T-Stadien (T3B: Tumor unterhalb des Zwerchfells und T3C: Tumor oberhalb des
Zwerchfells) sowie 2 M-Stadien (M0/M1: Metastasen Nein/Ja) zur Analyse. Die Faktoren
weisen unabhängig voneinander prognostische Signifikanz auf und ergeben 2 in der Potenz
von 2 (= 4) Möglichkeiten, die weiter besprochen werden:
-
T3CM1: Schlechteste Stadienkombination mit infauster Prognose. Ein größerer chirurgischer
Eingriff ist nicht indiziert.
-
T3CM0: Potenziell durch alleinige Operation kurables Stadium. Aufgrund der erhöhten
perioperativen Morbidität und gelegentlichen Mortalität, sollte eine sehr strenge
Indikationsstellung erfolgen. Der Eingriff ist zudem kostenintensiv und häufig wird
der chirurgische Erfolg durch die biologische Aggressivität des Krebses (spätere Metastasenbildung)
relativiert.
-
T3BM1: Keine realistische Heilungschance, da die Ergebnisse der nachfolgenden Immuntherapie
quo ad vitam sehr begrenzt sind. Mögliche palliative Effekte mit Überlebensverlängerung
sind dokumentiert. So wurden in der großen EORTC-Studie 30947 (1) auch Patienten dieses
Stadiums eingeschlossen, die in der Subgruppenanalyse keine schlechteren Ergebnisse
als Patienten mit niedrigerem Primärtumorstadium aufwiesen. Eine Verallgemeinerung
sollte aufgrund der geringen Fallzahlen vorsichtig erfolgen; dies gilt auch für die
Indikationsstellung zur Operation für dieses Stadium.
-
T3BM0: Die radikale Operation ist die alleinige Behandlungsmöglichkeit mit realistischer
Aussicht auf Heilung. Daher stellt sie die anerkannte Standardbehandlung dar (Guidelines
der EAU (2)). Die tatsächliche Heilungsrate dieses Stadiums liegt bei 30- 50 % 10
Jahre CSF (cancer specific survival) in Abhängigkeit von der biologischen Aggressivität
des Tumors (grading).
Diese ernüchternden Zahlen sollten präoperativ mit dem Patienten besprochen werden;
eine sinnvolle Alternative zur Operation besteht derzeit nicht.
Prof. Gerald H. Mickisch, Bremen
Abb. 1 Nierenzellkarzinom des oberen Nierenpols. Kann der Tumor komplett entfernt werden,
ist ein nicht metastasierendes Nierenzellkarzinom auch bei Invasion in die Vena cava
eine potenziell heilbare Erkrankung (Bild: Praxis der Urologie, Thieme 2003).