Aktuelle Urol 2003; 34(5): 282-284
DOI: 10.1055/s-2003-45446
Referiert und kommentiert

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Prostatakarzinom - Spanier sind seltener betroffen

Ralph Hausmann1
  • 1Frankfurt
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Dr. Ralph Hausmann

Frankfurt

Publication History

Publication Date:
11 September 2003 (online)

 
Table of Contents #

Zusammenfassung

Die Inzidenz- und Mortalitätsraten für das Prostatakarzinom liegen bei Skandinaviern und Afroamerikanern höher als bei asiatischen Männern. Hypothesen zufolge sind genetische Faktoren, Umwelteinflüsse und der Lebensstil für diese Unterschiede verantwortlich.

In einer Studie untersuchten Manuel Sánchez-Chapado und seine Kollegen aus Madrid die Prävalenz des Prostatakarzinoms und der high-grade prostatischen intraepithelialen Neoplasie (HGPIN) bei spanischen Männern. Dazu wurden Prostata-Präparate von 146 Männern im Alter zwischen 20 und 80 Jahren histologisch untersucht, die bei einem Unfall verstorben waren. Die Daten wurden mit denen anderer Populationen verglichen (Prostate 2003; 54: 238-247).

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Herde eines Adenokarzinoms ab der dritten Lebensdekade

Herde eines histologisch gesicherten Adenokarzinoms der Prostata wurden ab der der dritten Lebensdekade entdeckt und insgesamt bei 27 Männern (18,5 %) diagnostiziert. Davon hatten 19 ein fokales und 8 ein multifokales Karzinom. Die Prävalenz betrug ansteigend 3,6 % in der dritten, 8,8 % in der vierten, 14,3 % in der fünften, 23,8 % in der sechsten, 31,7 % in der siebten und 33,3 % in der achten Lebensdekade.

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Vergleich mit amerikanischen Männern

HGPIN wurde bei 42 (28,7 %) der untersuchten Prostatapräparate diagnostiziert, je zur Hälfte fokal und multifokal. Die Prävalenz stieg von 7,1 % in der dritten auf 48,2 % in der achten Dekade an.

Um die Ergebnisse zu vergleichen, zogen die Urologen Daten einer Autopsie-Studie der Wayne State University, USA, heran. Dabei zeigten sich in der spanischen Population eine etwas niedrigere Prävalenz für ein Karzinom als bei den weißen Amerikanern. Bei den Afroamerikanern war die Häufigkeit signifikant höher als bei den Spaniern (p = 0,0005) in allen Altersgruppen. Auch die Prävalenz von HGPIN lag bei den spanischen Männern insgesamt niedriger.

Die Autoren der Autopsie-Studie kommen zu dem Schluss, dass bei spanischen Männern ein Prostatakarzinom und ein HGPIN in der dritten Lebensdekade beginnt. Beide Veränderungen sind vorzugsweise im peripheren Bereich der Prostata lokalisiert. Histologisch handelt es sich meist um ein differenziertes Karzinom.

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Kommentar zur Studie

Dem Anspruch, repräsentativ für die spanische oder gar die kaukasisch mediterrane Bevölkerung zu sein, wird die Arbeit nicht gerecht.

Bekannt ist, dass die höchsten Inzidenzsraten des Prostatakarzinoms (PCa) in Europa in Skandinavien, Holland und Österreich, die niedrigsten in den südeuropäischen Ländern (Griechenland, Italien, Spanien, Portugal) beobachtet werden (1).

Das Ziel der referierten Autopsiestudie war, die Prävalenz des Prostatakarzinoms und der HGPIN (Prostatische intraepitheliale Neoplasie, high grade) in der spanischen Bevölkerung zu bestimmen. Hierzu wurden die Prostatae von 146 Männern nach Unfalltod im Alter zwischen 20 und 80 Jahren, mit einem Durchschnittsalter von 48,5 Jahren, untersucht. Dieses Ergebnis sollte repräsentativ für die kaukasisch mediterrane Bevölkerung sein. Außer dem Alter werden in der Studie aber keine soziodemografischen Daten (z.B. Beruf, Risikoeinflüsse, familiärer PCa-Belastung) analysiert oder berücksichtigt.

In epidemiologischen Studien, die zwischen 1997 und 2000 durchgeführt wurden, war ein durchschnittliches Erkrankungsalter von 71,3 Jahren in der spanischen Bevölkerung ermittelt worden (2). Damit liegt das Durchschnittsalter der Studienpopulation der referierten Untersuchung mehr als 20 Jahre unter dem durchschnittlichen PCa-Erkrankungsalter in der spanischen Bevölkerung! In der Studie waren nur 27 Männer, die älter als 70 Jahre waren, untersucht worden. Von diesen wiesen 9 (33,3 %) ein Prostatakarzinom auf, allerdings war darunter nur ein Karzinom mit einem Gleason-Score von 7 (80-jähriger Mann). Alle anderen Karzinome wiesen einen Gleason-Score von weniger als 7 auf.

Sollte das Ergebnis, wie die Autoren beschrieben, repräsentativ für die spanische Bevölkerung sein, würde dies bedeuten, dass es in Spanien praktisch keine high-grade-Prostatakarzinome gibt! Erstaunlich ist die Tatsache, dass von den 60 Männern mit einem Alter unter 40 Jahren 4 (alle Männer jünger als 35 Jahre) ein PCa und 5 ein HGPIN aufwiesen. Der jüngste Mann mit einem PCa war erst 23 Jahre alt.

Es ist allgemein bekannt, dass Prävalenz und Inzidenz des PCa unterschiedlich sind. Leider gehen die Autoren nicht darauf ein, ob oder bei wie vielen der untersuchten Männer ein vordiagnostiziertes PCa vorlag, noch beschreiben sie, ob ein PCa in der Vorgeschichte ein Ausschlusskriterium für die Studienteilnahme war. Interessant wäre auch der PSA-Wert zum Zeitpunkt der Untersuchung gewesen, so hätte man die Anzahl der T1c-Tumoren bestimmen können.

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Anzahl der untersuchten Patienten ist zu klein

Zusammenfassend ergeben sich aus der Studie zwar interessante Aspekte (z.B. Nachweis des Prostatakarzinoms bereits im 3. Lebensjahrzehnt), dem Anspruch jedoch, repräsentativ für die spanische oder gar die kaukasisch mediterrane Bevölkerung zu sein, wird die Arbeit hingegen nicht gerecht. Hierzu ist einerseits die Anzahl der untersuchten Patienten zu klein - insbesondere im relevanten Altersbereich von über 50 Jahren -, andererseits fehlen klinische Informationen, so dass keine Rückschlüsse auf die Relevanz der Erkrankung möglich sind.

Dr. Kathleen Herkommer, PD Jürgen Gschwend, Ulm

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Kommentar zur Studie

Die Autopsiestudie von Sancez-Chapado ist ein weiterer Mosaikstein, der die besondere Beeinflussbarkeit des Prostatakarzinoms durch eine entsprechende Ernährung untermauert.

Die Autopsiestudie von Sanchez-Chapado weist interessante Aspekte bezüglich der Epidemiologie und Biologie des Prostatakarzinoms (PCa) auf, die in dem folgenden Kommentar eingehender beleuchtet werden sollen.

Sowohl die Prävalenz der high-grade-PIN (HGPIN) als auch des PCa waren bei Spaniern als Repräsentanten der mediterranen Population geringer als bei weißen oder farbigen US-Amerikanern. Dieses Phänomen ist am ehesten auf epigenetische Ereignisse sowie auf diätetische und Umwelteinflüsse zurückzuführen, wie verschiedene epidemiologische Studien eindrucksvoll dargelegt haben. In einer kürzlich veröffentlichten Studie konnten von Trichopoulu et al. (1) zeigen, dass die Mortalität an den Zivilisationskrankheiten Krebs, koronare Herzerkrankung, Diabetes mellitus, etc. unter mediterraner Diät signifikant seltener auftreten als bei Zentraleuropäern.

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Lycopene üben positive Effekte aus

Weitere diätetische Einflüsse mögen in dem hohen Verzehr von Gemüsearten mit hohem Lycopengehalt, wie Tomaten, liegen. Lycopene sind Antioxidantien, die nicht nur als Radikalenfänger dienen, sondern zudem die intraprostatischen als auch die Serumkonzentrationen von IFG-1 signifikant senken. Die regelmäßige Zufuhr von Lycopenen scheint mit einem positiven Effekt auf die pathohistologischen Befunde nach radikaler Prostatektomie als auch mit einem Abfall der PSA-Serumkonzentrationen verbunden zu sein (2, 3).

Seit langem werden pathologische Fettstoffwechselstörungen mit der Entwicklung und der Progression des PCa in Verbindung gebracht. In einer großen, 1184617 Patienten umfassenden, Studie demonstrierten Calle et al. (3), dass sowohl die Inzidenz als auch die Mortalitätsrate des PCa eng mit dem Body-mass-Index (BMI) assoziiert sind. Ein BMI von mehr als 30 zeigte eine um 24 % erhöhte Mortalität bezüglich des PCa als ein nicht erhöhter BMI von unter 25. Vergleicht man den Anteil übergewichtiger Männer in den unterschiedlichen Altersgruppen in Südeuropa mit dem Anteil in den USA, könnte dieser Komponente ebenfalls eine gewichtige Rolle bezüglich der unterschiedlichen Prävalenz- und Inzidenzraten des PCa zukommen.

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Beeinflusst die Sonne die Entstehung eines Prostatakarzinoms?

Der präventive Einfluss der Sonneneinstrahlung wird seit langem diskutiert, um die im Vergleich mit Südeuropa vergleichsweise hohen Inzidenzraten des PCa in Skandinavien zu erklären. Es wird postuliert, dass die pro Tag zeitlich längere Sonnenexposition erhöhte Konzentrationen des Vitamin D bedingt und sowohl das Risiko der PCa-Entwicklung als auch die Mortalitätsrate am PCa positiv beeinflusst (5, 6). Auch beim Vergleich der Studienergebnisse von Sachez-Chapado mit den Daten autopsierten Männer der Sakr-Studie konnte diesem Phänomen eine weitere Bedeutung zukommen.

Auch wenn sich die genannten diätetischen Faktoren nicht im Einzelnen eruieren lassen, ist die Autopsiestudie von Sancez-Chapado ein weiterer Mosaikstein, der die besondere Beeinflussbarkeit des PCa durch eine entsprechende Ernährung untermauert. Eine Umstellung der Ernährung im Sinne einer fettreduzierten, gemüsereichen Ernährung könnte auch in Deutschland eine effektive, kostengünstige Präventionsmaßnahme darstellen, die sekundär auch noch einen positiven Einfluss auf die Rate kardiovaskulärer Erkrankungen ausüben dürfte.

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Studie zeigt interessante Aspekte zur Biologie des Prostatakarzinoms

Neben den epidemiologischen Aspekten zeigt die Studie jedoch auch interessante Hinweise bezüglich der Biologie des PCa auf, die durchaus klinische Relevanz haben. Während die überwiegende Mehrzahl der PCa sowie der HGPIN bei den unter 50-jährigen Männern unifokal und gut differenziert waren, zeigten 2 Drittel der älteren Männer ein multifokales PCa ungünstiger Differenzierung. Den Durchmesser der uni- und multifokalen PCa berücksichtigend, handelte es sich in allen Fällen um ein signifikantes Karzinom. Mit zunehmender zeitlicher Präsenz der HGPIN bzw. des PCa entwickelt sich ein aggressives, therapeutisch weniger günstig zu beeinflussendes PCa. Nachdem in mehreren Studien eine Reduktion der PCa-spezifischen Mortalität dokumentiert wurde, werfen die spanischen Autopsiedaten einen interessanten Aspekt auf die Relevanz der Vorsorgeuntersuchung ab einem Alter von 45 Jahren (7).

Zusammenfassend zeigt die Autopsiestudie von Sanchez-Chapado indirekt sinnvolle Präventionsmaßnahmen des PCa im Sinne einer diätetischen Beeinflussung der Karzinomerkrankung auf und weist auf die besondere Bedeutung der Vorsorgeuntersuchung hin.

Es wird postuliert, dass längere Sonnenexposition das Risiko sowie die Mortalitätsrate für ein Prostatakarzinom positiv beeinflusst.

PD Axel Heidenreich, Marburg

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Abb. 1 Adenokarzinom der Prostata. Spanische Männer erkranken etwas seltener an einem Prostatakarzinom als weiße Amerikaner und signifikant seltener als Afroamerikaner (Bild: Punktionszytologie, Thieme 1999).

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Abb. 2 Wenn Männer viel Gemüse mit hohem Lycopen-gehalt essen, scheint sich dies positiv auf pathohistologische Befunde nach radikaler Prostatektomie auszuwirken (Bild: Archiv).

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Dr. Ralph Hausmann

Frankfurt

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Dr. Ralph Hausmann

Frankfurt

 
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Abb. 1 Adenokarzinom der Prostata. Spanische Männer erkranken etwas seltener an einem Prostatakarzinom als weiße Amerikaner und signifikant seltener als Afroamerikaner (Bild: Punktionszytologie, Thieme 1999).

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Abb. 2 Wenn Männer viel Gemüse mit hohem Lycopen-gehalt essen, scheint sich dies positiv auf pathohistologische Befunde nach radikaler Prostatektomie auszuwirken (Bild: Archiv).