Aktuelle Urol 2003; 34(5): 286-288
DOI: 10.1055/s-2003-45447
Referiert und kommentiert

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Blasenkarzinom - Eignen sich Tumormarker statt Zystoskopie und Zytologie zur Verlaufskontrolle?

Katrin Appel1
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Dr. Katrin Appel

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Publication Date:
11 September 2003 (online)

 
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Zusammenfassung

Urinbasierte Blasentumormarker eignen sich zwar als zusätzliches Instrument für die Verlaufskontrolle bei Patienten mit einem Blasenkarzinom, doch können sie die Zystektomie und die Zytologie noch nicht ersetzen. Dies ist das Fazit einer Studie von Yair Loatan und Claus Roehrborn aus den USA.

Das Blasenkarzinom ist die vierthäufigste Malignomerkrankung des Mannes und die achthäufigste der Frau. In den meisten Fällen handelt es sich um oberflächliche Übergangsepithelkarzinome, die zunächst meist gut per transurethraler Resektion entfernt werden können. Die hohe Rezidivrate (30-70 %) und auch die häufige Progressionsrate hin zu invasiven Karzinomen (10-30 %) machen eine regelmäßige Nachsorge und Verlaufskontrolle erforderlich. An der Urologischen Klinik der Universität Dallas, Texas/USA, hatten Yair Lotan und Claus Roehrborn eine umfassende Literaturrecherche der Medline-Datenbank und anderer Suchmaschinen (von 1966 bis aktuell) durchgeführt, um den klinischen Nutzen gängiger Tests auf Blasentumormarker aus Urin (im Vergleich zur üblichen Zystoskopie/Urinzytologie) zu bestimmen (Urology 2003; 61: 109-118).

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Tumormarker mit höherer Empfindlichkeit

Die Literaturrecherche ergab 54 Publikationen mit 338 bestimmten Patientengruppen (nach Grading und Stadium eingeteilte Krebspatienten, Kontrollen und Screeningpopulationen) mit über 10000 Patienten. Die Anzahl der Gruppen in einer Studie schwankte zwischen einer bis 18. Die Patientenanzahl pro getestetem Marker variierte von unter 100 bis mehr als 1500. Zu den in den letzten Jahren untersuchten Tumormarkern gehörten NMP22 (nuclear matrix protein 22), BTA (bladder tumor antigen), FDP (fibrin degradation product), BCA (bladder cancer antigen), verschiedene Zytokeratin-Fragmente wie CYFRA 21-1 und CK20, HA (Hyaluronsäure), Telomerase, b-HCG (humanes Choriongonadotropin), Mikrosatellitenanalysen u.a. Allen Tumormarkern konnte eine höhere Empfindlichkeit gegenüber der Zytologie bescheinigt werden, für die ein Durchschnittswert von 0,34 % (0,2-0,53 %) ermittelt wurde. Diese Überlegenheit bezog sich vor allem auf Tumoren niedriger Stadien und Grade; sie war für einige Tumormarker bei Patienten mit Stadium 1 und 2 auch statistisch signifikant.

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Zytologie mit besserer Spezifität

Bezüglich der Spezifität (ohne Berücksichtigung des Gradings) konnte keiner der Tumormarker die Zytologie übertreffen (0,99 %). Bei den wenigen Patienten mit Übergangsepithelkarzinom in situ war die Empfindlichkeit nahezu aller Tests höher als die der Zytologie, lag insgesamt aber relativ niedrig.

Die höhere Empfindlichkeit der meisten gängigen Tumormarker gegenüber der Zytologie, die sich in der Praxis oft an eine Zystoskopie anschließt, legt nahe, solche Testverfahren statt der aufwändigeren Zytologie bei der Nachsorge von Blasenkarzinomen zu etablieren. Gegenwärtig, so die Autoren, eigneten sich die Tumormarkeranalysen aber nur als zusätzliches Instrument zur Verlaufskontrolle und können die Zystoskopie/Zytologie noch nicht ersetzen.

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Kommentar zur Studie

Vergleichende prospektive multizentrische Studien sind erforderlich, um darzustellen, ob durch Verwendung von Urinmarkern das Outcome der Patienten besser ist oder ob bei gleichem Outcome Kosten eingespart werden könnten.

Zum Referat der Studie von Yair Lotan und Claus Roehrborn sind 2 Punkte kritisch anzumerken: Zum einen wurde in dem Referat erwähnt, dass bei den wenigen Patienten mit einem Übergangsepithelkarzinom in situ die Empfindlichkeit nahezu aller Tests zwar höher als die der Zytologie, insgesamt aber relativ niedrig sei. Dies trifft jedoch nur für die häufig untersuchten Blasentumormarker zu. Bei den seltener untersuchten Markern liegt die mediane Sensitivität bei der Detektion von TIS-Tumoren zum Teil sogar höher, verglichen mit der Detektion von papilliären G3-Tumoren. In diesem Zusammenhang wird auch von der im Vergleich zu Tumormarkern aufwändigeren Zytologie gesprochen. Auch dies ist nur zum Teil korrekt, da der Aufwand der Tumormarker-Diagnostik sehr stark variiert und von sehr einfachen Verfahren wie NMP-Bladder-Check-Test bis zu aufwändigen molekularen Verfahren wie dem Telomerase-Nachweis oder Immunocyt-Test reicht.

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FISH-Technik mit vergleichbaren Sensitivitätsraten wie Zytologie

Prinzipiell müsste die Originalarbeit von Lotan und Roehrborn noch durch die FISH-Technik ergänzt werden. Hier wurden durch Messung chromosomaler Abberation unter Verwendung des UroVysion-Tests in den letzten 2 Jahren hohe Sensitivitätsraten bei mit der Zytologie vergleichbarer Spezifität berichtet.

Zum Schlusssatz des Referates lässt sich anmerken, dass aufgrund der Datenlage offenbar sinnvolle Marker für die klinische Routine vorliegen, dass aber nun in der Tat vergleichende prospektive multizentrische Studien erforderlich sind, um darzustellen, ob durch Verwendung von Urinmarkern das Outcome der Patienten besser ist oder ob bei gleichem Outcome Kosten eingespart werden könnten. Nur so wird man letztlich den praktizierenden Urologen vom Nutzen der Testverfahren überzeugen können.

Dr. Ingo Kausch, Lübeck

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Abb. 1 TNM-System der Blasentumoren. Sinnvolle Blasentumormarker für die klinische Routine liegen vor.Ob sie jedoch besser als zurzeit eingesetzte Verfahren sind, müssen vergleichende prospektive Studien noch zeigen (Bild: Urologie, Thieme 2002).

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Dr. Katrin Appel

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Dr. Katrin Appel

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Abb. 1 TNM-System der Blasentumoren. Sinnvolle Blasentumormarker für die klinische Routine liegen vor.Ob sie jedoch besser als zurzeit eingesetzte Verfahren sind, müssen vergleichende prospektive Studien noch zeigen (Bild: Urologie, Thieme 2002).