Aktuelle Urol 2003; 34(5): 293-295
DOI: 10.1055/s-2003-45451
Tipps und Tricks

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Tipps und Tricks zur parenchymsparenden Nierentumorchirurgie

Burkhard Ubrig1 , Stephan Roth1
  • 1Helios Klinikum Wuppertal (Lehrstuhl der Univ. Witten/Herdecke)
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Dr. Burkhard Ubrig
Prof. Stephan Roth

Helios Klinikum Wuppertal (Lehrstuhl der Univ. Witten/Herdecke)

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Publication Date:
11 September 2003 (online)

 
Table of Contents #

Zusammenfassung

Im folgenden Beitrag sind einige operative Tricks zur parenchymsparenden Nierentumorchirurgie ausgewählt, die auf dem letztjährigen „Tipps und Tricks”-Symposion in Wuppertal vorgestellt wurden. In einem der nächsten Beiträge wird besonders auf die kalte Ischämie und den Verschluss des Resektionsdefektes eingegangen.

Bei elektiver Indikationsstellung (gesunde Gegenniere; ausreichende Gesamtnierenfunktion) gilt ein Teilerhalt der Niere bei peripher gelegenen Tumoren von bis zu 4 cm Größe als sinnvoll. Unterhalb dieser Tumorgröße sind Satellitentumoren in derselben Niere selten. Gegen einen Teilerhalt bei gesunder Gegenniere sprechen ein zentraler Sitz des Tumors bzw. eine ausgedehnte Beteiligung des Hohlsystems. Bei imperativer Indikation (Einzelniere, bilateraler Tumor, eingeschränkte Gesamtfunktion) bestimmt allein die chirurgische Machbarkeit das Vorgehen. Als „Faustregel” kann hier dienen, dass bei guter Funktion der betreffenden Niere ein Erhalt von etwa 20 % des Parenchyms den Patienten längerfristig vor der Dialyse bewahren kann.

Wichtig ist eine adäquate Tumornachsorge. Patienten, die nicht fähig oder bereit sind, eine entsprechende Nachsorge durchzuführen, sollten unter elektiver Indikation nicht organerhaltend operiert werden. 6 Wochen bis 3 Monate nach der organerhaltenden OP ist ein Ausgangs-CT oder -MRT anzufertigen. Die weitere Nachsorge kann sonographisch erfolgen. Treten im Verlauf dieser Nachsorge morphologische Veränderungen in der operierten Niere auf, sollte eine CT oder MRT und ein Vergleich mit dem postoperativen CT erfolgen. So kann zwischen operationsbedingten Veränderungen und Tumorrezidiven in der Niere differenziert werden.

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„Do not” ... - intermittierendes Abklemmen

Prinzipiell kann eine parenchymsparende Tumorexzision ohne Abklemmen der Nierenstielgefäße durchgeführt werden. Sinnvoll (und schneller) kann dies vor allem bei kleinen peripheren Befunden sein. Die Operation unter ischämischen Bedingungen nach Abklemmen der Nierenstielgefäße verschafft allerdings eine bessere Übersicht. Das Organ wird schlaff, die OP blutungsärmer. Für zentrale oder größere bzw. multiple Tumoren wird von vielen Autoren die Ischämie daher als erforderlich angesehen.

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„Warme” Ischämie

Das Abklemmen des Nierenstiels erfolgt ohne Kühlung. Bei Einhaltung einer maximalen Ischämiedauer von 30 Minuten muss mit keinen irreversiblen Schäden gerechnet werden. Eine differenzierte Präparation der Hilusgefäße ist in der Regel nicht erforderlich. Das Setzen einer großen Satinskyklemme auf den Hilus erscheint ausreichend.

Nicht durchgeführt werden sollte die intermittierende Öffnung der arteriellen Gefäßklemmen, etwa in der Vorstellung, dadurch die Ischämietoleranz zu verlängern. Durch das wiederholte Öffnen und Schließen der Klemmen kommt es zu einer Schädigung des arteriellen Endothels. Darüber hinaus führt das Öffnen der Gefäßklemme zu einer Ausschwemmung freier Radikaler, die bei erneutem Verschluss der Klemme nicht abtransportiert werden und somit den Ischämieschaden verstärken können. Ist absehbar, dass die Tumorresektion mehr als 30 Minuten in Anspruch nehmen wird, sollte die OP vorab in „kalter” Ischämie geplant werden [Abb. 1].

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Konditionierung der Niere für die Ischämie

Die effektivste Form der Ischämieprotektion ist Kälte. Der ischämische Schaden spielt sich an erster Stelle im Nierenmark ab. Unter Abkühlung auf 0-5 % (wie bei Transplantaten) kann die Niere bis zu 12 Stunden ohne Schaden in arterieller Ischämie verbleiben. Bei Oberflächenkühlung mit „Crushe Ice” wird eine Kerntemperatur von 15-20 °C erreicht und die Ischämietoleranz liegt bei etwa 3 Stunden. Details zu den Kühlungsverfahren werden in einem der nächsten Beiträge besprochen. Im Folgenden sind einige flankierende Maßnahmen aufgeführt, welche die Ischämietoleranz der Niere entscheidend verbessern.

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Hydrierung des Patienten

Der Patient sollte unter keinen Umständen dehydriert in die Operation gehen. Eine ausreichende Hydrierung stellt eine einfache Methode zur Nierenprotektion dar. Sinnvoll ist, den Patienten präoperativ über Nacht 2 Liter Ringerlösung zu infundieren.

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Mannitol 20 %

Die Gabe als Kurzinfusionsbolus 5-10 min vor Ischämie erhöht den renalen Plasmafluss und blockiert zum Teil das Renin-Angiotensin-System (in der Regel 12,5 g Mannitol 20 % je Bolus).

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Vorbehandlung mit ACE-Hemmer (z.B. Enalapril; Xanef )

Durch eine Vorbehandlung mit einem ACE-Hemmer kann die Reperfusion der Niere nach Öffnen der Klemmen verbessert werden (einige Tage vorher beginnen).

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Anästhesiologisches Management

Es ist auf eine ausreichende Hydrierung des Patienten zu achten. Falls die Nierenarterie(n) abgeklemmt werden, sollte zum Zeitpunkt des Wiedereröffnens für einen ausreichenden arteriellen Mitteldruck (z.B. über 70 mm Hg) gesorgt werden, um eine ausreichende Reperfusion des Parenchyms zu gewährleisten.

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Bolusgabe von Heparin

Eine Bolusgabe von Heparin i.v. (z.B. 1000 IE) vor Abklemmen soll einem Clotting von Erythrozyten in kleinen peritubulären Gefäßen vorbeugen. Die Maßnahme ist aber umstritten und wird nicht von allen Autoren als notwendig erachtet.

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Infrarotkoagulator

Nur größere Venen und Arterien des Resektionsdefektes werden mit Umstechungen versorgt. Der Einsatz eines Infrarotkoagulators ist eine Alternative zur zusätzlichen flächigen Koagulation der Resektionsfläche. Es entsteht eine ca. 5 mm tiefe Koagulation. Das Gerät ist mit ca. 4000 Euro relativ preisgünstig. Es gibt mehrere Spitzen, wobei in unseren Händen sich die abgewinkelte als einzig notwendige erwiesen hat. Wichtig ist es, die vorab durchgeführten Durchstechungen mit einem Material durchzuführen, welches der Koagulationswirkung des Infrarotlichtes standhält (z.B. 4-0 Vicryl) und nicht schmilzt [Abb. 2].

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Erkennung okkulter venöser Gefäße durch Überdruckbeatmung

Bei Oberflächenkühlung kann auf die Abklemmung der Nierenvene verzichtet werden (außer wenn die Resektion sehr hilusnah geführt werden muss und große venöse Lumina eröffnet werden).

Eine einfache und wirksame Möglichkeit, kollabierte Venen zu erkennen, besteht in einer kurzfristigen Überdruckventilation durch den Anästhesisten. Dies führt zu einer Erhöhung des Blutdrucks in der V. cava und zu einem venösen „Backflow”, der eine Auffindung von offenen Venen erleichtert. Diese können dann gezielt umstochen werden.

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Hiluspräparation - Venenäste teilweise entbehrlich

Bei der Operation großer, hilusnaher Tumoren ist zu beachten, dass das arterielle und venöse System der Niere unterschiedlich organisiert sind. Während die Äste des arteriellen Systems so genannte Endarterien sind und bei Durchtrennung eine irreversible Ischämie der versorgten Bezirke resultiert, ist das venöse System hingegen weit verzweigt und reich mit Anastomosen verbunden. Daher können kleine hilusnahe Abgänge bzw. Verzweigungen des Venensystems durchtrennt werden, um die arteriellen Äste zu präparieren, ohne dass eine venöse Abflussstörung droht.

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Nephropexie nach Teilresektion

Vor allem, wenn die Niere im Rahmen einer Teilresektion komplett freigelegt wurde, ist diese postoperativ wenig fixiert. Eine Abknickung im Nierenstielbereich ist möglich. Eine prophylaktische Nephropexie am Psoas ist daher in solchen Fällen ohne zusätzlichen Aufwand möglich und auch ratsam [Abb. 3].

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Abb. 1

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Abb. 2

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Abb. 3

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Dr. Burkhard Ubrig
Prof. Stephan Roth

Helios Klinikum Wuppertal (Lehrstuhl der Univ. Witten/Herdecke)

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Dr. Burkhard Ubrig
Prof. Stephan Roth

Helios Klinikum Wuppertal (Lehrstuhl der Univ. Witten/Herdecke)

 
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Abb. 1

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Abb. 2

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Abb. 3