Aktuelle Urol 2003; 34(5): 308-310
DOI: 10.1055/s-2003-45454
Qualitätsmanagement

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G-DRG - Software gestützte modulare Prozesskostenanalyse zur Fallkostenkalkulation

Stefan Baltes1 , Joachim Stein1 , Luise Hockenholz2 , Walter F. Thon1
  • 1Klinikum Hannover, Krankenhaus Siloah, Urologische Klinik
  • 2Synergie H - Luise Hockenholz, Consulting in der Gesundheitswirtschaft
Further Information
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Dr. Stefan Baltes
Dr. Joachim Stein
Prof. Walter F. Thon

Klinikum Hannover, Krankenhaus Siloah, Urologische Klinik

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Luise Hockenholz

Synergie H - Luise Hockenholz, Consulting in der Gesundheitswirtschaft

Publication History

Publication Date:
11 September 2003 (online)

 
Table of Contents #

Zusammenfassung

Die letzte Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) durch das Gesundheitsreformgesetz 2000 sieht im § 17b vor, ein pauschalierendes Entgeltsystems einzuführen.

Die Spitzenverbände der Krankenkassen (GKV) und der Verband der privaten Krankenversicherung (PKV) haben gemeinsam - entsprechend den Vorgaben der Absätze 1 und 3 (§ 17b) mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) - ein Vergütungssystem vereinbart, welches sich an einem international bereits eingesetzten Vergütungssystem orientiert: Grundlage sind Diagnosis Related Groups (DRG). Die Vertragspartner (GKV, PKV und DKG), sind für die Weiterentwicklung und Anpassung an die medizinische Entwicklung und an die Kostenentwicklungen verantwortlich.

Basierend auf den Australian Refined Diagnosis Related Groups (AR-DRG), wurde German Diagnosis Related Groups (G-DRG) entwickelt. Hierzu war es nötig, die Internationale Klassifikation der Krankheiten, 10. Revision, SGB-V-Ausgabe (ICD-10-SGB-V), sowie den Operationsschlüssel nach § 301 SGB-V (OPS- 301) anzupassen. Die Übersetzung, Überarbeitung und Anpassung der australischen Kodierrichtlinien erfolgte durch die zuständigen Vertragspartner (GKV, PKV und DKG). Sie liegt seit dem 2.10.2002 in der Version 2003 vor.

Seit dem 1.1.2003 gibt es für Krankenhäuser die budgetneutrale Option, nach G-DRG abzurechnen. Ab dem 1.1.2004 ist dieses Vergütungssystem für alle Krankenhäuser verpflichtend.

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Handlungsbedarf

Um wirtschaftlich zu überleben, müssen Behandlungen im Krankenhaus kostendeckend sein. Für die Kliniken stellt sich daher die dringende Frage, ob diese Kostendeckung unter einem pauschalierten Entgeltsystem zukünftig zu erreichen und damit profitabel zu wirtschaften ist. Aufgrund dieser Gegebenheiten entschieden wir uns zu einer Prozesskostenanalyse mit dem Ziel: Transparenz sämtlicher Leistungen und Kosten des stationären Behandlungsprozesses von Patienten [Abb. 1].

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Strategie

Eine Möglichkeit, die gegenwärtigen Behandlungskosten für uns zu ermitteln, war, die derzeitigen Behandlungsabläufe und deren Kostenerfassung zu analysieren und darzustellen. Bei dieser Analyse entschieden wir uns dafür, die Behandlungsabläufe als Prozesskette darzustellen. Durch diese Strategie wurde einerseits ein Instrument zur Fallkostenanalyse entwickelt und andererseits gleichzeitig die Grundlage zur Entwicklung klinischer Leitpfade (Clinical Pathways) und deren Anpassung an neue medizinische oder ökonomische Anforderungen geschaffen.

Zur EDV-gestützten Erfassung und Darstellung der Behandlungsprozesse haben wir die Software Sycat® der Firma Dr. Binner Consulting & Software (Hannover) eingesetzt.

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Die Methodik

Für die geplante modulare Struktur der Fallkostenanalyse bedienten wir uns der klassischen Abläufe klinischer Behandlung. Wir definierten so die 4 folgenden Module

  • Modul 1: Aufnahme

  • Modul 2: Diagnostik

  • Modul 3: Therapie (konservativ und operativ)

  • Modul 4: Entlassung

Die Besonderheit unserer Prozesskostenanalyse liegt in diesem modularen Aufbau. Diese 4 Module sind durch weitere Untergliederungen in verschiedenen Teil- und Untermodulen bis auf jede einzelne Maßnahme innerhalb eines Behandlungsverlaufes hin darstellbar. Diese Darstellung, bis auf den einzelnen Behandlungsschritt hin, ermöglicht es, Patienten mit ähnlichem Behandlungsaufwand (z.B. alle Eingriffe am äußeren Genital), durch das gleiche Modul der Prozesskostenanalyse abzubilden. Alle Module sind so gestaltet, dass wir jeden erdenklichen Behandlungsprozess wie aus einem Baukastensystem, z.B. durch Zusammenstellung neuer Behandlungssets, abbilden können. Am Beispiel des Moduls Aufnahme stellen wir die Teilmodule vor, die durch ihre Kategorisierung sowohl Kosten-Nutzen-Analysen ermöglichen als auch einen ersten Teilschritt in Richtung Clinical Pathway abdecken. ([Abb. 2] und [5]).

Hinter jedem Teilmodul ist eine Prozesskette hinterlegt, die zukünftig auch schon als Teilelement der Darstellung von Clinical Pathways dient ([Abb. 2]; z.B. Aufnahme 1). Die Prozessketten bestehen aus klar definierten Tätigkeiten der an einem Prozess beteiligten Berufsgruppen.

Ein Beispiel:

  • Pflegedienst Station: 1. Patient begrüßen, 2. Akte vorbereiten, 3. Zimmer vorbereiten;

  • Arzt: 1. Anamnese erheben, 2. Befund mit Patienten besprechen, 3. Therapieplan erstellen;

  • Pflegedienst Ambulanz: 1. Patient in Empfang nehmen, 2. Aufnahmedokumente vorbereiten, etc.

Die einzelnen Tätigkeiten wurden von uns analysiert, um den benötigten Zeitaufwand zu ermitteln. Dies erfolgte durch direkte Zeitmessung, Befragung der beteiligten Berufsgruppen, Auswertung einer Access-Datenbank für den Urologischen OP, welche seit 1997 der Urologischen OP- und Zeitdokumentation dient und durch Auswertung der PPR-Dokumentation (Pflegepersonalregelung) der Stationen. Weiterhin haben wir die Personalkosten pro Minute der jeweils beteiligten Berufsgruppe berechnet. Alle ermittelten Werte wurden in der Sycat-Datenbank hinterlegt. So sind mittlerweile in dieser Datenbank alle Tätigkeiten, Prozesse und Prozessketten und die dazugehörigen Zeitwerte und Kosten hinterlegt ([Abb. 3 und 4]).

Bei unserer modularen Prozesskostenanalyse sind somit alle Prozesse von der Aufnahme des Patienten bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus abgebildet. Innerhalb der Module Diagnostik und Therapie sind durch die Aufteilung in Untermodule, die vielfältigen klinischen Maßnahmen strukturiert erfasst. Auch innerhalb dieser Untermodule wurde, durch Anlehnung an klassische klinische Strukturen, eine übersichtliche Systematik geschaffen (z.B. Untermodul Labordiagnostik, Röntgen und Sonographie).

Innerhalb dieser Untermodule steht eine Vielzahl von diagnostischen Verfahren zur Verfügung, die durch unterschiedliche „Mischung” und durch Ergänzen der Maßnahmen aus den anderen Modulen, zur Berechnung individueller retrospektiver Fallkosten oder zur Fallkostenprognose führen. Im Modul „Sonstige Kosten” werden die diagnoseunabhängigen Basiskosten berücksichtigt ([Abb. 5]).

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Bewertung

Der modulare Aufbau hat folgende Vorteile:

  1. Prozesse und Tätigkeiten werden genau analysiert und mit Kosten hinterlegt.

  2. Retrospektiv können die Kosten für einen bestimmten Behandlungsfall ermittelt werden.

  3. Es können aber auch prospektiv Fallkosten für neue Behandlungsschemata durch Zuordnung der einzelnen Module berechnet werden.

  4. Durch den Einsatz von Sycat zum Erstellen von Prozessdiagrammen erfolgt die Darstellung eines gesamten Behandlungsprozesses von der Aufnahme bis zur Entlassung mit kompletter Kostenstruktur als „Clinical Pathway”.

  5. Werden Prozesse oder Tätigkeiten optimiert und verändert und ändert sich somit die Zeitbindung der Mitarbeiter, ist nur eine einmalige Änderung in der Projektmanagementsoftware Sycat nötig. Alle Module und Prozessketten werden automatisch angepasst.

Die Berechnung der Personalkosten der am Prozess beteiligten Berufsgruppen, wurde als Minutenwert berechnet. Die übrigen Kosten, die dem jeweiligen Behandlungsprozess nicht zuzuordnen sind (Basiskosten, Kosten aus innerbetrieblicher Leistungsverrechnung, Sachkosten), haben wir nach der durchschnittlichen Liegezeit der Krankheitsbilder den Teilmodulen zugeordnet. Insbesondere die Sachkosten, die nach den Personalkosten einen hohen Kostenfaktor darstellen, können bestimmten Behandlungsfällen zugerechnet werden, sobald der nächste Arbeitsschritt in diesem Projekt abgeschlossen ist. Um dem erhöhten Sachmittelbedarf eines Behandlungsfalls mit operativer Prozedur Rechnung zu tragen, wurden diese Sachkosten aus den allgemeinen Sachkosten herausgerechnet und nur den Fällen mit operativer Prozedur zugerechnet.

Unser Ziel für die Zukunft ist es, die entstehenden Sachkosten möglichst exakt einer bestimmten Prozedur oder Tätigkeit zuordnen zu können. Die ersten Schritte dazu sind in unserer Urologischen Klinik bereits in Vorbereitung. So werden zurzeit die benötigten Sachmittel für alle operativen Prozeduren ermittelt, um sie später - analog zu den Personalkosten - bei der Fallkostenkalkulation berücksichtigen zu können. Ein großer Teil der Sachmittelkosten ist bereits erfasst und in der Datenbank abgelegt. Durch den modularen Aufbau der Prozesskostenanalyse ist es uns möglich, nahezu alle in der Urologischen Klinik erbrachten Prozeduren und Tätigkeiten mit Zeiten und Kosten abzubilden.

Insgesamt ist die Fallkostenkalkulation ein unverzichtbarer Schritt in die Zukunft, um strategisch und planerisch ein Krankenhaus und seine Abteilungen zu managen. Hierbei stellt die modulare Prozesskostenanalyse eine geeignete Möglichkeit dar, diesen Weg zu beschreiten. Durch den modularen Aufbau des Systems sollte es gelingen, neue Krankheitsbilder oder Therapieformen prospektiv zu analysieren und einen Vergleich mit dem zu erwartenden Entgelt vorzunehmen.

Eine EDV-gestützte Abbildung der Behandlungsketten ermöglicht es, Veränderungen in den Behandlungsabläufen - aus medizinischen oder ökonomischen Gründen - umgehend anzupassen. Der Einsatz geeigneter Prozessmanagement- und Visualisierungssoftware ermöglicht es außerdem, einen Großteil dieser Arbeit und Berechnungen zu automatisieren. Als wünschenswertes „Nebenprodukt” lassen sich durch Zusammenstellung verschiedener Kombinationen aus den Elementen der Module, Teilmodule und Untermodule „Clinical Pathways” aller gängigen Prozess- und Behandlungsabläufe definieren, die zukünftig auf das medizinisch sinnvolle und ökonomisch notwendige Maß hin modifiziert werden können.

Fallbezogene Behandlungsprozeduren könnten so detailliert analysiert und gegebenenfalls optimiert werden.

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Abb. 1

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Abb. 2

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Abb. 3, 4

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Abb. 5

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Dr. Stefan Baltes
Dr. Joachim Stein
Prof. Walter F. Thon

Klinikum Hannover, Krankenhaus Siloah, Urologische Klinik

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Luise Hockenholz

Synergie H - Luise Hockenholz, Consulting in der Gesundheitswirtschaft

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Dr. Stefan Baltes
Dr. Joachim Stein
Prof. Walter F. Thon

Klinikum Hannover, Krankenhaus Siloah, Urologische Klinik

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Luise Hockenholz

Synergie H - Luise Hockenholz, Consulting in der Gesundheitswirtschaft

 
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Abb. 1

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Abb. 2

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Abb. 3, 4

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Abb. 5