Die Spitzenverbände der Krankenkassen (GKV) und der Verband der privaten Krankenversicherung
(PKV) haben gemeinsam - entsprechend den Vorgaben der Absätze 1 und 3 (§ 17b) mit
der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) - ein Vergütungssystem vereinbart, welches
sich an einem international bereits eingesetzten Vergütungssystem orientiert: Grundlage
sind Diagnosis Related Groups (DRG). Die Vertragspartner (GKV, PKV und DKG), sind
für die Weiterentwicklung und Anpassung an die medizinische Entwicklung und an die
Kostenentwicklungen verantwortlich.
Basierend auf den Australian Refined Diagnosis Related Groups (AR-DRG), wurde German
Diagnosis Related Groups (G-DRG) entwickelt. Hierzu war es nötig, die Internationale
Klassifikation der Krankheiten, 10. Revision, SGB-V-Ausgabe (ICD-10-SGB-V), sowie
den Operationsschlüssel nach § 301 SGB-V (OPS- 301) anzupassen. Die Übersetzung, Überarbeitung
und Anpassung der australischen Kodierrichtlinien erfolgte durch die zuständigen Vertragspartner
(GKV, PKV und DKG). Sie liegt seit dem 2.10.2002 in der Version 2003 vor.
Seit dem 1.1.2003 gibt es für Krankenhäuser die budgetneutrale Option, nach G-DRG
abzurechnen. Ab dem 1.1.2004 ist dieses Vergütungssystem für alle Krankenhäuser verpflichtend.
Handlungsbedarf
Handlungsbedarf
Um wirtschaftlich zu überleben, müssen Behandlungen im Krankenhaus kostendeckend sein.
Für die Kliniken stellt sich daher die dringende Frage, ob diese Kostendeckung unter
einem pauschalierten Entgeltsystem zukünftig zu erreichen und damit profitabel zu
wirtschaften ist. Aufgrund dieser Gegebenheiten entschieden wir uns zu einer Prozesskostenanalyse
mit dem Ziel: Transparenz sämtlicher Leistungen und Kosten des stationären Behandlungsprozesses
von Patienten [Abb. 1].
Strategie
Strategie
Eine Möglichkeit, die gegenwärtigen Behandlungskosten für uns zu ermitteln, war, die
derzeitigen Behandlungsabläufe und deren Kostenerfassung zu analysieren und darzustellen.
Bei dieser Analyse entschieden wir uns dafür, die Behandlungsabläufe als Prozesskette
darzustellen. Durch diese Strategie wurde einerseits ein Instrument zur Fallkostenanalyse
entwickelt und andererseits gleichzeitig die Grundlage zur Entwicklung klinischer
Leitpfade (Clinical Pathways) und deren Anpassung an neue medizinische oder ökonomische
Anforderungen geschaffen.
Zur EDV-gestützten Erfassung und Darstellung der Behandlungsprozesse haben wir die
Software Sycat® der Firma Dr. Binner Consulting & Software (Hannover) eingesetzt.
Die Methodik
Die Methodik
Für die geplante modulare Struktur der Fallkostenanalyse bedienten wir uns der klassischen
Abläufe klinischer Behandlung. Wir definierten so die 4 folgenden Module
Die Besonderheit unserer Prozesskostenanalyse liegt in diesem modularen Aufbau. Diese
4 Module sind durch weitere Untergliederungen in verschiedenen Teil- und Untermodulen
bis auf jede einzelne Maßnahme innerhalb eines Behandlungsverlaufes hin darstellbar.
Diese Darstellung, bis auf den einzelnen Behandlungsschritt hin, ermöglicht es, Patienten
mit ähnlichem Behandlungsaufwand (z.B. alle Eingriffe am äußeren Genital), durch das
gleiche Modul der Prozesskostenanalyse abzubilden. Alle Module sind so gestaltet,
dass wir jeden erdenklichen Behandlungsprozess wie aus einem Baukastensystem, z.B.
durch Zusammenstellung neuer Behandlungssets, abbilden können. Am Beispiel des Moduls
Aufnahme stellen wir die Teilmodule vor, die durch ihre Kategorisierung sowohl Kosten-Nutzen-Analysen
ermöglichen als auch einen ersten Teilschritt in Richtung Clinical Pathway abdecken.
([Abb. 2] und [5]).
Hinter jedem Teilmodul ist eine Prozesskette hinterlegt, die zukünftig auch schon
als Teilelement der Darstellung von Clinical Pathways dient ([Abb. 2]; z.B. Aufnahme 1). Die Prozessketten bestehen aus klar definierten Tätigkeiten der
an einem Prozess beteiligten Berufsgruppen.
Ein Beispiel:
-
Pflegedienst Station: 1. Patient begrüßen, 2. Akte vorbereiten, 3. Zimmer vorbereiten;
-
Arzt: 1. Anamnese erheben, 2. Befund mit Patienten besprechen, 3. Therapieplan erstellen;
-
Pflegedienst Ambulanz: 1. Patient in Empfang nehmen, 2. Aufnahmedokumente vorbereiten,
etc.
Die einzelnen Tätigkeiten wurden von uns analysiert, um den benötigten Zeitaufwand
zu ermitteln. Dies erfolgte durch direkte Zeitmessung, Befragung der beteiligten Berufsgruppen,
Auswertung einer Access-Datenbank für den Urologischen OP, welche seit 1997 der Urologischen
OP- und Zeitdokumentation dient und durch Auswertung der PPR-Dokumentation (Pflegepersonalregelung)
der Stationen. Weiterhin haben wir die Personalkosten pro Minute der jeweils beteiligten
Berufsgruppe berechnet. Alle ermittelten Werte wurden in der Sycat-Datenbank hinterlegt.
So sind mittlerweile in dieser Datenbank alle Tätigkeiten, Prozesse und Prozessketten
und die dazugehörigen Zeitwerte und Kosten hinterlegt ([Abb. 3 und 4]).
Bei unserer modularen Prozesskostenanalyse sind somit alle Prozesse von der Aufnahme
des Patienten bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus abgebildet. Innerhalb der Module
Diagnostik und Therapie sind durch die Aufteilung in Untermodule, die vielfältigen
klinischen Maßnahmen strukturiert erfasst. Auch innerhalb dieser Untermodule wurde,
durch Anlehnung an klassische klinische Strukturen, eine übersichtliche Systematik
geschaffen (z.B. Untermodul Labordiagnostik, Röntgen und Sonographie).
Innerhalb dieser Untermodule steht eine Vielzahl von diagnostischen Verfahren zur
Verfügung, die durch unterschiedliche „Mischung” und durch Ergänzen der Maßnahmen
aus den anderen Modulen, zur Berechnung individueller retrospektiver Fallkosten oder
zur Fallkostenprognose führen. Im Modul „Sonstige Kosten” werden die diagnoseunabhängigen
Basiskosten berücksichtigt ([Abb. 5]).
Bewertung
Bewertung
Der modulare Aufbau hat folgende Vorteile:
-
Prozesse und Tätigkeiten werden genau analysiert und mit Kosten hinterlegt.
-
Retrospektiv können die Kosten für einen bestimmten Behandlungsfall ermittelt werden.
-
Es können aber auch prospektiv Fallkosten für neue Behandlungsschemata durch Zuordnung
der einzelnen Module berechnet werden.
-
Durch den Einsatz von Sycat zum Erstellen von Prozessdiagrammen erfolgt die Darstellung
eines gesamten Behandlungsprozesses von der Aufnahme bis zur Entlassung mit kompletter
Kostenstruktur als „Clinical Pathway”.
-
Werden Prozesse oder Tätigkeiten optimiert und verändert und ändert sich somit die
Zeitbindung der Mitarbeiter, ist nur eine einmalige Änderung in der Projektmanagementsoftware
Sycat nötig. Alle Module und Prozessketten werden automatisch angepasst.
Die Berechnung der Personalkosten der am Prozess beteiligten Berufsgruppen, wurde
als Minutenwert berechnet. Die übrigen Kosten, die dem jeweiligen Behandlungsprozess
nicht zuzuordnen sind (Basiskosten, Kosten aus innerbetrieblicher Leistungsverrechnung,
Sachkosten), haben wir nach der durchschnittlichen Liegezeit der Krankheitsbilder
den Teilmodulen zugeordnet. Insbesondere die Sachkosten, die nach den Personalkosten
einen hohen Kostenfaktor darstellen, können bestimmten Behandlungsfällen zugerechnet
werden, sobald der nächste Arbeitsschritt in diesem Projekt abgeschlossen ist. Um
dem erhöhten Sachmittelbedarf eines Behandlungsfalls mit operativer Prozedur Rechnung
zu tragen, wurden diese Sachkosten aus den allgemeinen Sachkosten herausgerechnet
und nur den Fällen mit operativer Prozedur zugerechnet.
Unser Ziel für die Zukunft ist es, die entstehenden Sachkosten möglichst exakt einer
bestimmten Prozedur oder Tätigkeit zuordnen zu können. Die ersten Schritte dazu sind
in unserer Urologischen Klinik bereits in Vorbereitung. So werden zurzeit die benötigten
Sachmittel für alle operativen Prozeduren ermittelt, um sie später - analog zu den
Personalkosten - bei der Fallkostenkalkulation berücksichtigen zu können. Ein großer
Teil der Sachmittelkosten ist bereits erfasst und in der Datenbank abgelegt. Durch
den modularen Aufbau der Prozesskostenanalyse ist es uns möglich, nahezu alle in der
Urologischen Klinik erbrachten Prozeduren und Tätigkeiten mit Zeiten und Kosten abzubilden.
Insgesamt ist die Fallkostenkalkulation ein unverzichtbarer Schritt in die Zukunft,
um strategisch und planerisch ein Krankenhaus und seine Abteilungen zu managen. Hierbei
stellt die modulare Prozesskostenanalyse eine geeignete Möglichkeit dar, diesen Weg
zu beschreiten. Durch den modularen Aufbau des Systems sollte es gelingen, neue Krankheitsbilder
oder Therapieformen prospektiv zu analysieren und einen Vergleich mit dem zu erwartenden
Entgelt vorzunehmen.
Eine EDV-gestützte Abbildung der Behandlungsketten ermöglicht es, Veränderungen in
den Behandlungsabläufen - aus medizinischen oder ökonomischen Gründen - umgehend anzupassen.
Der Einsatz geeigneter Prozessmanagement- und Visualisierungssoftware ermöglicht es
außerdem, einen Großteil dieser Arbeit und Berechnungen zu automatisieren. Als wünschenswertes
„Nebenprodukt” lassen sich durch Zusammenstellung verschiedener Kombinationen aus
den Elementen der Module, Teilmodule und Untermodule „Clinical Pathways” aller gängigen
Prozess- und Behandlungsabläufe definieren, die zukünftig auf das medizinisch sinnvolle
und ökonomisch notwendige Maß hin modifiziert werden können.
Fallbezogene Behandlungsprozeduren könnten so detailliert analysiert und gegebenenfalls
optimiert werden.
Abb. 1
Abb. 2
Abb. 3, 4
Abb. 5