Aktuelle Urol 2003; 34(6): 357-360
DOI: 10.1055/s-2003-45464
Referiert und kommentiert

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Koronarangiographie bei Niereninsuffizienz - L-Arginin wirkt nicht nephroprotektiv

Roland Fath1
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Roland Fath

Frankfurt

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Publication Date:
27 October 2003 (online)

 
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Zusammenfassung

Lässt sich bei einer Koronarangiographie bei Patienten mit Niereninsuffizienz die nephrotoxische Wirkung von Kontrastmitteln durch einen i.v. Bolus von L-Arginin kompensieren? Wissenschaftler aus Israel haben dies untersucht. Hinweise für eine nephroprotektive Wirkung der Aminosäure, die vor allem aus Tierversuchen stammen, wurden allerdings nicht bestätigt.

L-Arginin ist die Vorstufe von Stickstoffmonoxid (NO), das vasodilatorisch wirkt und die Endothelfunktion der Gefäße verbessert. Theoretisch müsste die Gabe von L-Arginin für Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz, deren NO-Produktion vermindert ist, günstig sein, berichten Hylton Miller und seine Kollegen vom Tel-Aviv Medical Center in Israel. Im Tierversuch wurden bereits nephroprotektive Wirkungen der Aminosäure wie eine Erhöhung der glomerulären Filtrationsrate nachgewiesen; bei Menschen sind die Ergebnisse allerdings bisher widersprüchlich.

Bei 42 Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz (Kreatinin > 1,7 mg/dl), bei denen eine Koronarangiographie geplant war, haben die israelischen Wissenschaftler den möglichen Nutzen einer L-Arginin-Gabe geprüft. Die bei der Katheteruntersuchung verwendeten Kontrastmittel können akute hämodynamische Veränderungen hervorrufen, bedingt durch einen Anstieg des renalen Gefäßwiderstandes und einen Abfall der glomerulären Filtrationsrate. Vor der Angiographie wurde der Hälfte der Patienten mit 300 mg L-Arginin/kg infundiert, die übrigen erhielten Plazebo (Am J Nephrol 2003; 23: 91-95).

In beiden Gruppe war die Kreatinin-Clearance 48 Stunden nach dem Eingriff signifikant niedriger als die Ausgangswerte. Die Kreatinin-Spiegel hatten sich signifikant nur bei den Patienten der Arginin-Gruppe erhöht (von im Mittel 2,58 auf 2,81 mg/ml); in der Plazebogruppe gab es keine Veränderungen. Die Blutdruckwerte und der Gefäßwiderstand bleiben in beiden Gruppen unverändert.

Die Studie hat gezeigt, dass eine Angiographie mit Kontrastmitteln bei Patienten mit KHK und milder bis mittelgradiger Niereninsuffizienz die Nierenfunktion weiter verschlechtert, schreiben die Autoren. Die Anwendung von L-Arginin kurz vor dem Eingriff kann weder die Nephrotoxizität des Kontrastmittels verringern noch die Endothelfunktion verbessern.

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Kommentar zur Studie

Trotz der theoretischen und tierexperimentellen Plausibilität scheint die Substitution von L-Arginin und somit die Anhebung des Plasma-NO-Spiegels nicht nephroprotektiv zu wirken.

Bei der Applikation von intravenösem Kontrastmittel kann es zur Verschlechterung der Nierenfunktion bis zum akuten Nierenversagen kommen, wobei das Risiko für Patienten mit vorbestehender Niereninsuffizienz deutlich erhöht ist. Die Pathogenese dieses Nierenversagens ist unklar und wahrscheinlich multikausal. Durch die renale Elimination des Kontrastmittels und der daraus folgenden höheren Konzentration in der Niere kommt es zu einer Vasokonstriktion der Nierengefäße mit Perfusionsminderung und medullärer Hypoxie (1). Eine Reihe weiterer Mechanismen wird diskutiert. So konnten zytotoxische und proapoptotische Effekte durch das Kontrastmittel in der Niere nachgewiesen werden (2). Bei vorgeschädigten Nieren scheint die Bildung von freien Radikalen einen weiteren wichtigen Pathomechanismus darzustellen. Die Prognose des kontrastmittelinduzierten Nierenversagens ist in der Regel gut und die Nierenfunktionseinschränkung vollständig reversibel (3).

In der vorliegenden Studie von Hylton Miller und seinen Kollegen aus Israel wurde der Einfluss der prophylaktischen intravenösen Gabe der Aminosäure L-Arginin auf die Nierenfunktion bei chronisch Niereninsuffizienten untersucht.

Die theoretischen Grundlagen gingen auf tierexperimentelle Studien zurück, in denen eine Steigerung der glomerulären Filtration und eine nephroprotektive Wirkung beim kontrastmittelinduzierten Nierenversagen durch L-Arginin gezeigt werden konnte (4). L-Arginin ist das Substrat der NO-Synthase (5), wobei NO bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz erniedrigt ist. Die Vorstellung, dass die Applikation von L-Arginin die Nierenfunktion nach intravenöser Kontrastmittelgabe (KM) verbessern könnte, konnte in dieser Untersuchung nicht bestätigt werden. Die Kreatininclearance ging sowohl in der behandelten als auch in der Kontrollgruppe nach KM-Gabe zurück. Trotz der theoretischen und tierexperimentellen Plausibilität scheint die Substitution von L-Arginin und somit die Anhebung des Plasma-NO-Spiegels keinen nephroprotektiven Effekt zu haben.

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Ausreichende Hydratation als einzige prophylaktische Maßnahme

Die einzige prophylaktische und therapeutische Maßnahme beim KM-induzierten Nierenversagen auf höchstem Evidenzniveau ist eine ausreichende Hydratation (6). In mehreren randomisierten Studien konnte ebenfalls eine gute prophylaktische Wirksamkeit von Acetylcystein (ACC) per os (1200 mg/Tag) gezeigt werden (7, 8). Für alle anderen vermeintlich wirksamen Substanzen, einschließlich L-Arginin, liegen unsichere oder widersprüchliche Daten vor. Sollte nach der KM-Gabe trotz Hydratation und ACC ein akutes Nierenversagen auftreten muss anschließend eine Hämodialyse durchgeführt werden. Auf urologischem Gebiet kann statt einem i.v. Urogramm in jedem Fall eine retrograde Ureteropyelographie erwogen werden, um den oberen Harntrakt darzustellen. Ein weiteres bildgebendes Diagnostikum, das zunehmend an Bedeutung gewinnt und nicht nephrotoxisch ist, ist die Kernspintomographie mit der Möglichkeit einer MR-Urographie oder einer MR-Angiographie. Dieses Verfahren ist jedoch nicht zuletzt aus Kostengründen auch an großen Zentren vom täglichen Routineeinsatz noch weit entfernt.

Dr. Tobias Engel, Frankfurt

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Kommentar zur Studie

Unter Berücksichtigung der in den letzten Jahren publizierten Studien gilt eine sehr einfache, kostengünstige Empfehlung für die Nephroprotektion vor Kontrastmittelbelastung: NaCL 0,9 % 1 ml/kg KG über 24 h, beginnend 12 h vor Kontrastmittelapplikation.

Für Patienten mit präterminaler Niereninsuffizienz besteht ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Nierenfunktionsverschlechterung unter Kontrastmittelexposition. Dies gilt auch für Patienten mit noch normalen Retentionswerten und Erkrankungen, die eine Nierenfunktionsverschlechterung bewirken können, wie Diabetes mellitus oder arterielle Hypertonie. Verschiedene prophylaktische Maßnahmen wurden bisher in einer Vielzahl von Studien geprüft. Interessant ist der in der israelischen Studie beschriebene Ansatz, L-Arginin anzuwenden. Von dieser Aminosäure wird, als Vorstufe von Stickstoffmonooxid ein nephroprotektiver Effekt erwartet. Dieser konnte bisher jedoch nicht bestätigt werden. Es verwundert, dass bei der Studienlage eine ausreichende Hydrierung im Rahmen der referierten Studie nicht vorgenommen wurde. Selbstverständlich sollte primär die Indikation zur kontrastmittelgestützten Diagnostik geprüft, Alternativmethoden (z.B. MRT) überdacht und eine möglichst geringe Kontrastmittelmenge verwendet werden. Nicht eindeutig ist die Studienlage bei Patienten, die nur eingeschränkt hydrierbar sind, etwa bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz. Hier ist sicherlich die periinterventionelle Gabe von N-Acethylcystein und/oder Theophyllin gerechtfertigt.

Dr. E. Wandel, Dr. Amelie Elze, Mainz

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Abb. 1 Angiographie. Eine ausreichende Hydratation ist die einzige prophylaktische Maßnahme, mit der ein Kontrastmittel-induziertes Nierenversagen vermieden werden kann (Bild: Thiemes Innere Medizin, Thieme 1999).

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Abb. 2 Glomerulärer Kapillarknäuel. Eine Gabe von L-Arginin verhindert nicht, dass sich bei Patienten mit KHK und milder bis mittelgradiger Niereninsuffizienz durch eine Angiographie mit Kontrastmitteln die Nierenfunktion weiter verschlechtert (1: Gefäßpol, 2: Arteriola glomerularis afferens, 3: Arteriola glomerularis efferens) (Bild: Taschenatlas der Zytologie, Thieme 1999).

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Roland Fath

Frankfurt

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Roland Fath

Frankfurt

 
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Abb. 1 Angiographie. Eine ausreichende Hydratation ist die einzige prophylaktische Maßnahme, mit der ein Kontrastmittel-induziertes Nierenversagen vermieden werden kann (Bild: Thiemes Innere Medizin, Thieme 1999).

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Abb. 2 Glomerulärer Kapillarknäuel. Eine Gabe von L-Arginin verhindert nicht, dass sich bei Patienten mit KHK und milder bis mittelgradiger Niereninsuffizienz durch eine Angiographie mit Kontrastmitteln die Nierenfunktion weiter verschlechtert (1: Gefäßpol, 2: Arteriola glomerularis afferens, 3: Arteriola glomerularis efferens) (Bild: Taschenatlas der Zytologie, Thieme 1999).