Die primären therapeutischen Maßnahmen bei hepatischer Enzephalopathie bestehen
in der Erkennung und Beseitigung auslösender Faktoren. Die weitere Therapie zielt
in erster Linie auf eine Verringerung der Bildung und Resorption toxischer Metabolite
im Darm mittels Eiweißrestriktion, Laktulose und oraler Antibiotika. L-Ornithin-L-Aspartat
verbessert die Ammoniakentgiftung und die klinische Symptomatik. Bei hepatischer
Enzephalopathie im Rahmen eines akuten Leberversagens können hirndrucksenkende
Maßnahmen erforderlich sein.
Therapie bei chronischen Lebererkrankungen
Schon eine minimale hepatische Enzephalopathie kann durch eingeschränkte Leistungsfähigkeit
und schnelle Ermüdbarkeit zu einer Beeinträchtigung der Lebensqualität führen
und daher einer Therapie bedürfen. Bei den nachfolgend genannten Therapieempfehlungen
muss angemerkt werden, dass Studien zur Arzneimitteltherapie der hepatischen
Enzephalopathie durch die häufig bereits eintretende deutliche Besserung der Symptomatik
nach Beseitigung auslösender Ursachen erschwert werden. Die Fallzahl ist bei den
meisten Studien klein und die orale Laktulosegabe als akzeptierte Standardtherapie
der hepatischen Enzephalopathie ist bisher nicht plazebokontrolliert untersucht
worden.
Beseitigung auslösender Faktoren
Gastrointestinale Blutungen und Infektionen (z. B. eine spontan bakterielle Peritonitis)
müssen erkannt und therapiert werden. Diuretika, Sedativa oder Tranquilizer sollten
abgesetzt werden. Beim Nachweis eines Kalium- oder Zinkmangels wirkt sich eine
entsprechende Substitution bisweilen günstig auf die hepatische Enzephalopathie
aus. Eine metabolische Alkalose ist wichtig für die kompensatorische Hochregulation
des Harnstoffzyklus und sollte daher nicht ausgeglichen werden, bei einer metabolischen
Azidose sollte aber Bikarbonat substituiert werden [2].
Darmreinigung und nicht-resorbierbare Disaccharide
Toxische Metabolite entstehen durch Proteinabbau im Kolon, wobei ein Überangebot
von intestinalem Eiweiß durch Nahrungsproteinexzesse oder gastrointestinale Blutungen
ungünstig wirkt. Laktulose und Laktitol sind nicht-resorbierbare Disaccharide,
die durch ihre laxierende Wirkung und durch Verschiebung des intestinalen pH-Wertes
mit Modifikation der Kolonflora (Reduktion der proteolytisch aktiven Bakterien)
die Bildung von Ammoniak im Darm vermindern. Wenngleich die Wirksamkeit in erster
Linie durch Studien im Vergleich zu oralen Aminoglykosiden [1], nicht aber zu Plazebo untersucht wurde, so hat sich in der klinischen Praxis
doch insbesondere nach gastrointestinalen Blutungen die konsequente Applikation
von Laktulose zur Therapie einer hepatischen Enzephalopathie bewährt. In der Langzeittherapie
sollten zwei weiche Stühle am Tag angestrebt werden. Durch kontrollierte Studien
belegt ist die Wirksamkeit von Einläufen mit Laktitol, Laktulose und Laktose,
die besser wirksam sind als Einläufe mit nicht-ansäuernden Substanzen [15]. Laktitol ist gleichermaßen wirksam wie Laktulose, wird von einigen Patienten
jedoch besser toleriert [12]. Zur Prophylaxe einer hepatischen Enzephalopathie bei gastrointestinalen Blutungen
bei Leberzirrhotikern ist auch eine Darmspülung durch oral applizierte Mannitollösungen
geeignet [16].
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kurzgefasst: Auslösende Faktoren wie z. B. eine gastrointestinale Blutung oder eine bakterielle
Infektion müssen erkannt und beseitigt werden. Nicht-resorbierbare Disaccharide
könnend die Bildung von Ammoniak im Darm vermindern.
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Antibiotika
Nicht resorbierbare Antibiotika werden zur Reduktion der proteinmetabolisierenden
Darmbakterien eingesetzt. Kontrollierte Studien haben eine gleichwertige Wirkung
von Neomycin (3 × 1 g/Tag oral) zu Laktulose gezeigt [1]. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass mit einer Resorption von 1-3 % der veabreichten
Dosis zu rechnen ist und Aminoglykoside oto- und nephrotoxische Nebenwirkungen
haben können. Zur Dauertherapie sind Antibiotika daher ungeeignet. Weitere wirksame
Substanzen sind Paromomycin, Rifaximin und Vancomycin [11].
Eiweißrestriktion und verzweigtkettige Aminosäuren
Eiweißrestriktion auf etwa 1 g/kg Körpergewicht/Tag ist bei chronischer hepatischer
Enzephalopathie zu empfehlen, wobei pflanzliches Eiweiß günstiger ist. Bei schweren
Verläufen kann initial die Eiweißmenge für einige Tage auf 20-30 g/d begrenzt
werden. Eine strenge Eiweissrestriktion führt jedoch auf Dauer zu Katabolie, ist
daher ungünstig und sollte nur für etwa 3 Tage durchgeführt werden. Danach sollte
wieder auf etwa 1 g/kg Körpergewicht/Tag gesteigert werden, wobei bei Proteintoleranz
verzweigtkettige Aminosäuren zugegeben werden können (siehe unten).
Das Aminosäuremuster im Serum bei Leberzirrhose ist charakterisiert durch eine
Vermehrung der aromatischen Aminosäuren Tyrosin, Tryptophan und Phenylalanin und
eine Verminderung der verzweigtkettigen Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin.
Letztere werden überwiegend nicht in der Leber, sondern in der Muskulatur abgebaut,
hemmen den Proteinabbau in der Leber und stimulieren die Proteinsynthese. Ob die
parenterale Applikation verzweigtkettiger Aminosäuren vorteilhaft ist, wird
in Metaanalysen mehrerer Studien unterschiedlich bewertet und kann nicht als gesichert
gelten [13]. Durch orale Applikation verzweigtkettiger Aminosäuren kann dagegen insbesondere
bei proteinintoleranten Patienten mit chronischer hepatischer Enzephalopathie
eine positive Stickstoffbilanz erreicht werden [4]. Eine minimale oder geringgradige manifeste hepatische Enzephalopathie wird
ebenfalls gebessert [9].
L-Ornithin-L-Aspartat
L-Ornithin-L-Aspartat verbessert unter anderem die Ammoniumentgiftung durch Bereitstellung
von Aspartat, das als Kohlenstoffgerüst für die Glutaminsynthese in den perivenös
lokalisierten Scavenger-Zellen der Leber dient. Zusätzlich wird mit Ornithin
ein Intermediat des Harnstoffzyklus in den periportalen Hepatozyten zur Verfügung
gestellt [7]. Bei intravenöser Infusion über mehrere Stunden konnte in placebokontrollierten
Studien eine Reduktion der Ammoniakspiegel und eine klinische Besserung der HE
erzielt werden [6]. Die wirksame intravenöse Dosierung liegt bei 20 - 40 g täglich, wobei
zentralnervöse Nebenwirkungen (Übelkeit und Erbrechen) selten auftreten, wenn
eine Infusionsgeschwindigkeit von 5 g/Stunde nicht überschritten wird. Auch bei
oraler Applikation führt L-Ornithin-L-Aspartat in einer Dosierung von 3 ×
6-9 g/Tag im Vergleich zu Plazebo zu einer signifikanten Besserung einer manifesten
hepatischen Enzephalopathie [14].
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kurzgefasst: Eine Eiweißrestriktion auf etwa 1 g/kg Körpergewicht/Tag ist bei chronischer
hepatischer Enzephalopathie zu empfehlen. Durch orale Applikation verzweigtkettiger
Aminosäuren kann insbesondere bei proteinintoleranten Patienten mit chronischer
hepatischer Enzephalopathie eine positive Stickstoffbilanz erreicht werden.
L-Ornithin-L-Aspartat verbessert die Ammoniumentgiftung.
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Weitere therapeutische Ansätze
Bei Patienten im Stadium 3 oder 4 der hepatischen Enzephalopathie kann ein Therapieversuch
mit dem Benzodiazepin-Rezeptorantagonisten Flumazenil (0,5-2 mg i.v) unternommen
werden, insbesondere wenn Hinweise auf die Einnahme von Tranquilizern an den Vortagen
bestehen. Bessert sich die Bewusstseinslage, kann die Injektion alle 1-2 Stunden
wiederholt werden. Als Dauertherapie ist Flumazenil ungeeignet. Mehrere Studien
haben eine klinische Besserung bei einer Untergruppe der Patienten gezeigt, jedoch
haben sich die Hoffnungen nicht bestätigt, durch Flumazenil bei hepatischer Enzephalopathie
generell günstige Effekte durch Antagonisierung endogener Benzodiazepine zu induzieren
[8].
Zink ist Bestandteil mehrerer Enzyme, u. a. der Carbamoylphosphat-Synthetase.
Ein bei Leberzirrhotikern häufig bestehender Zinkmangel könnte daher die Harnstoffsynthese
und Ammoniakentgiftung beeinträchtigen. Der Effekt einer oralen Zinksupplementation
bei hepatischer Enzephalopathie wird in kontrollierten Studien unterschiedlich
beurteilt, erscheint bei manifestem Zinkmangel aber sinnvoll [10]. Die Eradikation von Helicobacter pylori (Bildung von Ammoniak im Magen durch
Harnstoffspaltung) hat nach mehreren Studien keinen Effekt auf die klinische Symptomatik
bei hepatischer Enzephalopathie [5]. Eine therapierefraktäre hepatische Enzephalopathie kann eine Indikation zur
Lebertransplantation sein.
Praktisches Vorgehen
Das Auffinden und die Behandlung auslösender Faktoren ist die wichtigste primäre
Maßnahme bei hepatischer Enzephalopathie, da sich hieraus bereits häufig eine
wesentliche Besserung ergibt. Bei Patienten mit chronischen Verlaufsformen und
latenter HE sollte primär eine Diätberatung erfolgen mit dem Ziel einer Proteinrestriktion
auf 1-1,5 g Eiweiß/kg/Tag (Abb. [1]). Die erforderliche Compliance ist jedoch bei vielen Leberzirrhotikern nicht
gegeben. Als Dauermedikation wird Laktulose eingesetzt. Bei Patienten, die eine
Nahrungsproteinaufnahme von 1 g/kg/Tag trotz Laktulosegabe nicht tolerieren,
können verzweigtkettige Aminosäuren oral verabreicht werden (0,25 g/kg/Tag).
Desweiteren kann ein Therapieversuch mit zusätzlicher Gabe von L-Ornithin-L-Aspartat
unternommen werden [17].
Abb. 1 Stufentherapie bei minimaler oder leichtgradiger hepatischer Enzephalopathie.
Bei Grad 3-4 werden Laktulose-Einläufe und Laktulose oral gegeben (Abb. [2]). Die Darmsterilisation durch orale Antibiotikagabe wirkt vermutlich additiv
zu Laktulose, sollte wegen der möglichen Nebenwirkungen jedoch nur bei unzureichender
Besserung und über maximal etwa 1 Woche erfolgen. Ein Therapieversuch mit Flumazenil
kann insbesondere zum differenzialdiagnostischen Ausschluss einer Benzodiazepineinnahme
unternommen werden. Bei unzureichender Besserung wird L-Ornithin-L-Aspartat intravenös
gegeben.
Abb. 2 Stufentherapie bei hepatischer Enzephalopathie Grad 3-4.
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kurzgefasst: Bei hepatischer Enzephalopathie im Stadium 3-4 sind die Beseitigung auslösender
Faktoren, Lactulose-Einläufe und Eiweißrestriktion sinnvoll. Bei unzureichender
Besserung können L-Ornithin-Aspartat und Flumazenil gegeben werden.
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Hepatische Enzephalopathie bei akutem Leberversagen
Die Therapie erfolgt prinzipiell zunächst wie bei der akuten hepatischen Enzephalopathie
bei chronischen Lebererkrankungen, die Wirksamkeit der beschriebenen Maßnahmen
ist jedoch meist begrenzt und nur vorübergehend. Entscheidend ist die Restitution
der Leberfunktion. Häufig besteht ein Multiorganversagen mit Einschränkung der
Nierenfunktion, Gerinnungsstörungen, metabolischen Entgleisungen, Infektionen,
respiratorischen und zirkulatorischen Störungen, das eine differenzierte intensivmedizinische
Therapie erfordert. Bei der hepatischen Enzephalopathie im Rahmen eines akuten
Leberversagens besteht meist eine zunehmende Hirndrucksymptomatik. Die Gabe von
Mannitol und Barbituraten zur Senkung des Hirndrucks ist vorteilhaft, während
Steroide unwirksam sind. Beim komatösen Patienten ist eine invasive Hirndruckmessung
mittels epidural platzierter Druckaufnehmer zur Verlaufsbeurteilung und Indikationsstellung
zur Lebertransplantation hilfreich. Zur vorübergehenden Besserung der HE und des
klinischen Zustandes bei akutem Leberversagen als Brücke zur Lebertransplantation
ist die extrakorporale Albumindialyse prinzipiell geeignet. Der Stellenwert des
Verfahrens bei einer akuten Verschlechterung einer chronischen Lebererkrankung
ist insbesondere angesichts der hohen Kosten und des fraglichen Effektes auf die
Langzeitprognose noch zu klären [3]. Neben der Lebertransplantation könnte zukünftig die vorübergehende extrakorporale
Leberersatztherapie das therapeutische Spektrum erweitern.
Autorenerklärung: DH war an der Entwicklung des „Hepatonorm Analyzers” zur Messung der Flimmerfrequenz
beteiligt. Darüberhinaus erklären die Autoren, dass Sie keine finanziellen Verbindungen
mit einer Firma haben, deren Produkt in dem Artikel eine wichtige Rolle spielt
(oder mit einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt).