Asthma bronchiale, chronisch obstruktive Bronchitis und Lungenemphyseme sind auf dem
Siegeszug - sowohl bezüglich ihrer epidemiologischen Entwicklung als auch ihrer direkten
und indirekten Behandlungskosten. Aus der Sicht der Pharmakotherapie dürfte einem
langfristigen Behandlungserfolg eigentlich nichts mehr im Wege stehen. Wir sehen jedoch,
dass die Mortalitätsstatistiken im Bereich kardiovaskulärer Erkrankungen einen stetigen
Rückgang der Letalität aufzeigen, während sie zum Beispiel bei der chronisch obstruktiven
Lungenerkrankung (COPD) weiter zunehmen.
Welche „Obstruktionen” behindern denn ein effizientes Management? Zweifelsfrei ist
der schleichende, progrediente Krankheitsverlauf geeignet, den Gewöhnungseffekt beim
Patienten zu fördern. Was nicht wehtut, bedarf auch keiner weiter gehenden Aufmerksamkeit.
Ein bisschen Husten, ein wenig Auswurf buchen die Betroffenen unter „normal” ab, und
vor die Wahl gestellt, ist das Ereignis der Pectangina für die Patienten nach wie
vor eine akute Handlungsaufforderung, wogegen sie ihre Kurzatmigkeit zum Beispiel
über das Benutzen von Fahrstühlen minimieren. Also: Mangelnde Perzeption einer häufig
in die Invalidität führenden chronischen Krankheit einerseits, aber auch mangelnde
Zuwendungsbereitschaft vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Zwänge andererseits, wie
zum Beispiel der Angst vor einem Verlust des Arbeitsplatzes, sind ebenso auffällig
wie die Ambivalenz aus politischer Sicht.
Raucherentwöhnungsprogramme von der Zigarettenindustrie gefördert? Werbeverbot für
Tabakprodukte: nein - „kabarettreife” Aufdrucke auf Zigarettenpackungen: ja? Immerhin
hat die Gesundheitspolitik die Unter- oder Fehlversorgung im Bereich chronisch obstruktiver
Atemwegserkrankungen erkannt. Für diese Erkrankungsgruppe wird im nächsten Jahr eine
optimierte ambulante Versorgung mit einer leitliniengerechten frühen Diagnostik, Stadieneinteilung
und Behandlung im Rahmen der Disease-Management-Programme (DMPs) als Chance für eine
sektorenübergreifende evidenzbasierte Präventions- und Behandlungsstrategie angestrebt.
Neu daran ist zweierlei: einmal das Zusammenführen von Managementkomponenten unter
Einbeziehung des Patienten zusätzlich zur Pharmakotherapie und - was möglicherweise
viel wichtiger ist - der therapeutische Ansatz im Sinne eines kontinuierlichen Prozesses.
So gut und schlecht sie auch immer waren, bisher waren alle Bemühungen zeitlich begrenzt:
Die Behandlungsdauer im Krankenhaus wurde immer kürzer, die stationäre Rehabilitation
wurde auf ein Dreiwochen-„Verfahren” gestutzt, und die ambulante Rehabilitation war
bisher bis auf wenige Pioniertaten nicht vorhanden. Jetzt soll es ein DMP richten!
Die angedachten Inhalte als Zusammenführung einer modernen Pharmakotherapie mit den
Fassetten der pneumologischen Rehabilitation - wie Patientenschulung, Trainingstherapie,
Raucherentwöhnung - bieten als kontinuierlicher Support zum Wohle des Patienten, hoffentlich
auch zum Wohle der betreuenden Ärzte, sicherlich aber zum Wohle der Krankenkassen
über den Risikostrukturausgleich eine Chance. Wie immer in Deutschland ist das Streiten
Passion. Wenn es denn helfen würde, über den Tellerrand der Eigeninteressen der Entscheider
in den „Kommissionen” hinauszusehen, wäre das Ergebnis sicherlich positiv. Jedoch:
Egal wie es ausgeht, die Chancen sind so schlecht nicht, dass etwas Besseres entsteht
als das, worüber wir zurzeit verfügen.
Siegen werden letztendlich die Gesetze des „Marktes”. Und der Mittelpunkt des „Marktes”
ist der Patient. Diesem allerdings fehlt noch ein gehöriger Schuss an Überblick und
Selbstverantwortung. Wir Ärzte können dabei helfen, indem wir dem Patienten klar machen,
dass das „Gesundwerden” und „Gesundbleiben” die persönliche Aufgabe eines jedes Einzelnen
sein muss - und dazu gehören Überblick, Perzeptionsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein,
Eigeninitiative und Selbstverantwortung.
Wir Ärzte wollen das! Die Politiker auch?