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DOI: 10.1055/s-2003-814702
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Systematische Einbeziehung nichtmedikamentöser Therapieverfahren - Schlüssel zur Langzeit-behandlung von Patienten mit chronischen Atemwegs-erkrankungen
Systematic Involvement of Non-medical Therapeutic Options - The Key to Long-term Management of Patients with Chronic Disorders of the AirwaysAnschrift des Verfassers
Dr. Konrad Schultz
Fachklinik Allgäu
Peter-Heel-Str. 29
87459 Pfronten-Ried
Publication History
Publication Date:
08 January 2004 (online)
- Zusammenfassung
- Summary
- Sektorenübergreifende Behandlungsstrategien
- Unzureichendes Angebot zur Langzeitrehabilitation
- Notwendige therapeutische Leistungserbringer
- OACM und/oder Rehabilitation
- OCAM und vernetzte pneumologische Rehabilitation sind auch für Klinikärzte im Akutkrankenhaus interessant
- Rehabilitation als Teil des DMP
- Fazit
- Literatur
Zusammenfassung
Laut dem Sachverständigengutachten von 2000/2001 ist die Versorgung von Asthma- und COPD-Patienten in Deutschland verbesserungswürdig. Das Gutachten beanstandet insbesondere die mangelnde Versorgung mit nichtmedikamentösen Therapieformen, obwohl der Nutzen dieser Maßnahmen vielfältig belegt ist. Eine Chance, Verbesserungen zu erreichen, bieten hier prinzipiell die geplanten „Disease-Management-Programme” (DMPs) mit einem sektorenübergreifenden Ansatz unter Einbeziehung medikamentöser und nichtmedikamentöser Maßnahmen. Ein Konzeptvorschlag für die flächendeckende Implementierung der für eine suffiziente Langzeittherapie von Patienten mit chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen erforderlichen nichtmedikamentösen Therapiemaßnahmen bietet das „optimierte ambulante Case-Management (OACM)”. Zusätzlich zur konventionellen (vorwiegend medikamentösen) Betreuung enthält dieses Programm die Therapieelemente Schulung, Trainingstherapie, Atemphysiotherapie und Raucherentwöhnung. Als ambulante Langzeitoption sollte OACM mit der pneumologischen Rehabilitationsmedizin eng vernetzt sein - beispielsweise im Sinne einer Reha-Nachsorge. Diese könnte das umfassendere aber zeitlich limitierte Angebot der stationären pneumologischen Rehabilitation ergänzen, ersetzen kann und soll es dieses jedoch nicht.
Summary
According to an expertise issued in 2000/2001 by a committee of experts, the management of patients with asthma or COPD in Germany is in need of improvement. The expertise criticises in particular the inadequate use of non-drug forms of treatment, although the usefulness of these measures has been adequately demonstrated. The planned Disease Management Programmes (DMPs) with a sector-overarching approach or the involvement of medical and non-medical options represent a possibility for improving matters. A proposed concept for the nation-wide implementation of non-medical therapeutic measures necessary for adequate long-term management patients with chronic obstructive lung disease is „optimised ambulatory case management” (OACM). In addition to conventional (primarily medical) care, this programme also contains the therapeutic elements: education, training therapy, respiratory physiotherapy and weaning from smoking. As an ambulatory long-term option, OACM should be closely linked to pneumological rehabilitation medicine - for example, in the sense of rehabilitation aftercare. While this could supplement the more comprehensive but temporally limited option of inpatient pneumological rehabilitation, it cannot, of course, replace it.
Key words
asthma - COPD - rehabilitation - ambulant - case-management - disease-management
Seit dem Sachverständigengutachten 2000/2001 ist es amtlich: Die Versorgung von etwa zehn Millionen Asthma- und COPD-Patienten ist „verbesserungsbedürftig”. Ein wesentlicher und sehr berechtigter Kritikpunkt des Rates gilt explizit der mangelnden Versorgung dieser Patienten mit nichtmedikamentösen („rehabilitativen”) Therapieformen wie Patientenschulung, Atemphysiotherapie, Trainingstherapie und Tabakentwöhnung - obwohl die Effektivität zum Beispiel von Patientenschulungen und Trainingstherapie bei diesen Volkskrankheiten wissenschaftlich gut belegt ist. Derzeit werden diese Therapieverfahren vor allem im Rahmen der stationären pneumologischen Rehabilitation durchgeführt, von entsprechenden flächendeckenden ambulanten Angeboten sind wir weit entfernt.
Doch obwohl die Zahl der Asthmatiker und der Patienten mit chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen (COPD) seit Jahren steigt, sinkt die Zahl der entsprechenden Rehabilitationsverfahren - ungeachtet der Tatsache, dass sowohl die medizinische als auch die ökonomische Effektivität der pneumologischen Rehabilitationsmedizin als gesichert gelten können. Eine Ausweitung der ambulanten Rehabilitationsangebote findet aus vielen Gründen nicht statt (z.B. keine Finanzierung, keine entsprechende Infrastruktur, fehlendes Know-how). Damit fehlen bei der Behandlung der meisten Asthma- und COPD-Patienten wesentliche Schlüsseltherapieverfahren. Und mit dem Rückgang der stationären Rehabilitationszahlen wird die diesbezügliche Versorgung noch weiter defizitär.
Sektorenübergreifende Behandlungsstrategien
Die geplanten Disease-Management-Programme (DMP) sollen die Patientenversorgung medizinisch und ökonomisch optimieren. Möglich machen soll dies ein verbessertes Schnittstellenmanagement und die konsequente Anwendung evidenzbasierter Medizin. Dies bedeutet aber auch die regelhafte und wenn erforderlich dauerhafte Anwendung der oben genannten „rehabilitativen” Therapieoptionen. Daher ist es höchst problematisch, dass die pneumologische Rehabilitationsmedizin in den bis Ende 2002 diskutierten DMP-Entwürfen weitgehend fehlte.
Bezüglich der chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen zeigt das Gutachten des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen [8] klar auf, dass hier ein erhebliches Versorgungsdefizit besteht und dass insbesondere die Einbeziehung grundlegender rehabilitativer Therapieelemente in die Langzeitversorgung angezeigt ist. Der Rat konstatiert, dass die „Versorgung zur Prävention, Kuration und Rehabilitation bei Asthma- und COPD-kranken Kindern und Erwachsenen in Deutschland verbesserungsbedürftig” ist und empfiehlt die „Verbesserung der Strukturen für ambulante Patientenschulungs- und Rehabilitationsmaßnahmen inklusive Regelung der Finanzierung und Sicherstellung von Qualitätsstandards”. Weiterhin müssten „die stationären Rehabilitationsmaßnahmen besser mit dem übrigen Versorgungsprozess abgestimmt werden”. Der Rat plädiert daher für eine „bessere Integration der pneumologischen Rehabilitation in alle Bereiche der Versorgung”. Dies soll auch die „Möglichkeit der Direkteinweisung in qualifizierte pneumologische Rehabilitationskliniken” beinhalten, sowie die Implementierung von Case- bzw. Disease-Management-Strategien.
Auch die im November 2002 veröffentlichte COPD-Leitlinie der Deutschen Atemwegsliga [10] betont die Notwendigkeit von Rehabilitation mit Schulung, Atemphysiotherapie, medizinischer Trainingstherapie und Tabakentwöhnung für die Langzeitbetreuung dieser Patienten. Dies deckt sich mit den Empfehlungen der internationalen GOLD[1]-Leitlinie [6]. Auch der Leitlinien-Clearingbericht Asthma bronchiale der Zentralstelle der deutschen Ärzteschaft zur Qualitätssicherung in der Medizin (ÄZQ; 7), der die Grundlage einer in Erarbeitung befindlichen „Nationalen Versorgungsleitlinie Asthma” darstellt, fordert die Einbeziehung nichtmedikamentöser Therapieverfahren und Rehabilitationsmaßnahmen in die Langzeitbetreuung von Asthmatikern.
Anmerkung
Dieser Beitrag beruht auf einem Manuskript eines im Rahmen des 44. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie in München (März 2003) gehaltenen Vortrags. Es handelt sich hierbei um einen Diskussionsbeitrag im Rahmen der Debatte um die Ausgestaltung der Deasease-Management-Programme (DMP).
Unzureichendes Angebot zur Langzeitrehabilitation
Momentan steht jedoch im Bereich der Pneumologie eine flächendeckende Versorgung mit ambulanten rehabilitativen Strukturen in Deutschland nicht zur Verfügung. Gemessen an den Qualitätsstandards für die ambulante Rehabilitation der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR; 5) ist sie - auch mittelfristig - aus Kapazitätsgründen nicht bereitzustellen. Ambulante Reha-Nachsorgeprogramme (z.B. „IRENA[2]” der BfA) existieren für die Pneumologie (im Gegensatz zu anderen Indikationen) nicht bzw. allenfalls in Ansätzen. Einzelne Modellprojekte einer teilstationären pneumologischen Rehabilitation können diese Situation nicht entschärfen.
So ist es schon aus Kapazitätsgründen dringend erforderlich, die vorhandenen qualifizierten pneumologischen Rehabilitationseinrichtungen in die ambulante Versorgung (rehabilitative Therapieelemente) und das geplante Disease-Management-Programm einzubeziehen. Da aber auch hiermit bei weitem keine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten ist, müssen kurz- und mittelfristig zusätzlich entsprechende ambulante Strukturen entwickelt werden. Hierbei ist das Know-how der bestehenden qualifizierten pneumologischen Rehabilitationskliniken einzubinden (Ausbildungs- und Zentrumsfunktion), da das erforderliche Wissen nicht Teil der ärztlichen Ausbildung ist und entsprechende Kenntnisse vor allem in diesen Einrichtungen bestehen.
Eine flächendeckende und kosteneffiziente Versorgung mit den erforderlichen rehabilitativen Therapiekomponenten wäre kurzfristig durch ein Netz qualifizierter fachärztlich geleiteter ambulanter Therapiezentren möglich. Diese Zentren sollten in enger Zusammenarbeit („Vernetzung”) mit den regional vorhandenen qualifizierten Rehabilitationseinrichtungen aufgebaut und weiterentwickelt werden. Ihre Aufgabe wäre die Durchführung eines „optimierten ambulanten Case-Managements” (OACM), in dem - zusätzlich zur konventionellen pneumologischen Betreuung - die vier nichtmedikamentösen („rehabilitativen”) Therapieelemente Schulung, Trainingstherapie, Atemphysiotherapie und Raucherentwöhnung eingebettet sind.
Das optimierte ambulante Case-Management könnte wohnortnah und langfristig die zeitlich begrenzte pneumologische Rehabilitationsmedizin ergänzen, kann aber das komplexe Gesamtangebot der pneumologischen Rehabilitationsmedizin („biopsychosoziales Krankheitsfolgenmodell”) nicht ersetzen. Beim OACM-Konzept handelt es sich also nicht um eine Rehabilitationsmaßnahme im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), vielmehr ist damit eine kurzfristig darstellbare Umsetzung der Forderung des Sachverständigenrates bezüglich der medizinisch dringlich notwendigen Langzeitversorgung dieser Patienten mit den oben beschriebenen ausgewählten rehabilitativen Therapiekomponenten intendiert, die notwendiger Bestandteil eines evidenzbasierten DMP sind. Dafür muss ein gestufter Indikationskatalog zwischen dem optimierten ambulanten Case-Management und der pneumologischen Rehabilitationsmedizin erarbeitet werden. Zudem muss der Zugang zur Rehabilitationsmedizin unabhängig vom Versichertenstatus bzw. der Berufstätigkeit vor allem nach medizinischer Indikation und nicht nach primär administrativen Rationalen geregelt sein.
OACM und Rehabilitation müssen vernetzt und sektorenübergreifend im Sinne eines gestuften Systems Hand in Hand arbeiten. Insbesondere muss ein solches ambulantes Case-Management eine kontinuierliche Reha-Nachsorge sichern. Innerhalb eines DMP bietet sich sektorenübergreifend die Chance, durch gemeinsame und verbindliche Standards langfristig ein gemeinsam definiertes Therapieziel zu erreichen. Erste Modellprojekte hierfür sind im Aufbau (Ulmer Modell: Zusammenarbeit zwischen einem ambulanten Lungenzentrum und der regionalen pneumologischen Rehabilitationsklinik, Zusammenarbeit bezüglich Ausbildung, enge Therapieabstimmung etc.).
Notwendige therapeutische Leistungserbringer
In ein ausreichendes und zweckmäßiges Disease-Management-Programm müssen verschiedene therapeutische Leistungserbringer integriert sein:
-
geschulter Hausarzt
-
Facharzt
-
Praxen/ambulante Zentren für OACM (flächendeckendes und wenn erforderlich kontinuierliches Angebot an medizinisch indizierten rehabilitativen Therapiekomponenten)
-
medizinische Rehabilitation (ambulant, teilstationär, stationär).
-
Akutkrankenhaus.
OACM-Zentren müssten mindestens folgende Angebote zwingend bereithalten:
-
pneumologische Leitung (medikamentöse Therapieoptimierung, Funktionsdiagnostik etc.)
-
strukturierte Patientenschulung (für Asthma bronchiale und COPD getrennt)
-
qualifizierte medizinische Trainingstherapie
-
qualifizierte Atemphysiotherapie
-
strukturiertes Raucherentwöhnungsprogramm
Zu betonen ist, dass die Begriffe „Rehabilitation” und „OACM” nicht gleichbedeutend sind und dass ein evidenzbasiertes DMP für chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen beide Komponenten enthalten muss. Wichtig ist zudem, dass ein DMP für chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen in jedem Fall über reine Schulungsmaßnahmen hinausgehen muss. Alleinige Schulungsmaßnahmen sind kein evidenzbasiertes Disease-Management, die zusätzliche Einbeziehung der oben genannten Komponenten ist zwingend erforderlich.
OACM und/oder Rehabilitation
Aufgabe der oben definierten ambulanten Therapiezentren (OACM) sollte die flächendeckende Versorgung mit den bereits dargestellten rehabilitativen Therapieelementen im Sinne einer ambulanten Langzeittherapieoption sein. Eine solche Versorgung ist derzeit nicht gegeben, aber aus den oben angegebenen Gründen im Rahmen eines evidenzbasierten DMP zwingend erforderlich. Doch das optimierte ambulante Case-Management kann das umfassendere Angebot der „Pneumologischen Rehabilitationsmedizin” (umfassender biopsychosozialer Ansatz) nicht ersetzen.
Die Differenzialindikation zwischen dem optimierten ambulanten Case-Management und der Rehabilitation ist daher als gestufte Therapieoption zu sehen. So lassen sich sowohl Asthma- als auch COPD-Subgruppen definieren, bei denen zwar ein zwingender Bedarf an rehabilitativen Therapien besteht (Schulung, Training, Atemphysiotherapie oder Tabakentwöhnung), bei denen eine umfassende Rehabilitationsmaßnahme allerdings medizinisch nicht erforderlich ist - und meist auch seitens des Patienten nicht gewünscht wird.
Hierzu zählen beispielsweise ausreichend mitarbeitsmotivierte und mitarbeitsfähige Patienten mit einem leichtgradigen Krankheitsstadium ohne relevante psychosoziale Problem- und Konfliktsituationen, bei denen wohnortnah ein entsprechendes Angebot an nichtmedikamentösen Therapieverfahren existiert. In diesem Fall wäre eine drei- bis vierwöchige konventionelle Rehabilitationsmaßnahme eine medizinisch nicht indizierte Überversorgung, ein fehlendes (Langzeit-) Angebot an den erwähnten rehabilitativen Therapieelementen aber eine relevante Unterversorgung.
Patienten mit schwereren bzw. fortgeschritteneren Krankheitsverläufen (unabhängig von der versicherungsrechtlichen Konstellation) sollten jedoch einer stationären Rehabilitationsmaßnahme als Teil des DMP zugeführt werden. Diese Maßnahme steht bereits jetzt für einen gewissen Teil der Patienten zu Verfügung, anschließend besteht aber über in der Regel vier Jahre ein Versorgungsdefizit an rehabilitativen Therapien - und das bisher das Erreichte „verpufft” infolge der fehlenden Nachsorge. Daher sollten innerhalb des DMPs qualifizierte Rehabilitationskliniken mit den vor- und nachbehandelnden Haus- und Fachärzten vernetzt sein. Dann kann der Patient anschließend in ein OACM-Programm eingeschleust werden, in dem das Erreichte aufrecht erhalten werden kann
OCAM und vernetzte pneumologische Rehabilitation sind auch für Klinikärzte im Akutkrankenhaus interessant
Die Aufnahme von COPD-Patienten in ein Akutkrankenhaus erfolgt in der Regel im Rahmen einer Exazerbation. Nach einigen Tagen gelingt es zumeist, das akute Problem zu beherrschen, und der Patient wird entlassen - dessen Grundproblem bleibt dabei meist ungelöst. Mehr noch: Jede Exazerbation führt zu einer Verschlechterung der ohnehin schon chronisch progredienten Einschränkung der Lungenfunktion und der Prognose. Zudem sind Patienten, die wegen einer COPD-Exazerbation stationär behandelt werden mussten, Risikokandidaten für die nächste notfallmäßige stationäre Aufnahme.
So mussten in einer Studie [1] von 1016 Patienten, die wegen einer chronischen obstruktiven Lungenerkrankung stationär aufgenommen wurden, 446 Patienten insgesamt 754-mal in den sechs Monaten nach ihrer Entlassung aus der Klinik erneut stationär behandelt werden. Auch in einer aktuellen prospektiven Studie aus Spanien (3) mussten von 430 konsekutiven COPD-Patienten, die wegen ihrer Erkrankung akutstationär behandelt wurden, 63 % innerhalb eines mittleren Beobachtungszeitraumes von 1,1 Jahren zumindest einmal erneut stationär behandelt werden und 29 % (!!) verstarben innerhalb dieses Zeitraumes. Dabei wurde aufgrund statistischer Berechnungen ermittelt, dass regelmäßige körperliche Aktivität das Risiko der erneuten stationären Aufnahme rechnerisch um 46 % reduzieren könnte. Ähnliche Zahlen lassen sich für die Schulung bei Asthma [4] aber auch bei COPD-Patienten [2] [9] anführen.
Dies bedeutet: Nichtmedikamentöse Therapieverfahren, wie beispielsweise Schulungsmaßnahmen, Training oder Tabakentwöhnung, können den Verlauf chronischer Atemwegserkrankungen günstig beeinflussen. Genau solche Angebote sind aber - zumindest flächendeckend - im Moment noch nicht ausreichend vorhanden! Sie sind aber nötig um den „Drehtüreffekt” beispielsweise bei der akut-stationären COPD-Behandlung zu ändern. Nach einer COPD-Exazerbation sollte der Patient aus diesen Gründen einer Rehabilitationsbehandlung (AHB) zugewiesen werden, diese sollte durch ambulante Nachsorgemodelle, zum Beispiel in Form des optimierten ambulanten Case-Managements, ergänzt werden.
Rehabilitation als Teil des DMP
Pneumologische Rehabilitation ist indiziert, wenn trotz adäquater ambulanter ärztlicher Betreuung beeinträchtigende biopsychosoziale Krankheitsfolgen drohen, bestehen oder persistieren, welche die Möglichkeiten von normalen Aktivitäten und der Partizipation am normalen beruflichen und privaten Leben behindern. Denn in Ergänzung zur kurativen Medizin zielt die Rehabilitationsmedizin nicht nur auf die Beseitigung bzw. Kompensation der körperlichen Krankheitsaspekte, sondern zusätzlich auch auf die resultierenden psychischen und sozialen Krankheitsfolgen.
Dies erfordert eine zusätzliche rehabilitationsspezifische Diagnostik im Sinne eines systematischen Erfassens dieser biopsychosozialen Krankheitsfolgen. Zudem enthält das Konzept verschiedene rehabilitationsspezifische Therapieprinzipien, um die gängige, vorwiegend medikamentöse Behandlung durch das systematische Angehen der körperlichen, psychischen und sozialen Krankheitsfolgen zu ergänzen (biopsychosoziales Krankheits- und Behandlungskonzept). Dafür ist ein multidimensionales, an diesen Krankheitsfolgen ausgerichtetes Therapiekonzept und ein multiprofessionelles Reha-Team erforderlich, dem neben Ärzten unter anderem auch Psychologen, Pflegepersonal, Sozialpädagogen/Sozialarbeiter, Physiotherapeuten, Sporttherapeuten, Ergotherapeuten und Ernährungsberater angehören.
Die wesentlichen Komponenten der pneumologischen Rehabilitationsmedizin sind unter anderem
-
die Sicherung und Spezifizierung der Diagnose als Grundlage für eine adäquate Therapie, inklusive der Einschätzung der Prognose und sozialmedizinischer Leistungsbeurteilung
-
das Assessment der Krankheitsfolgen (Rehabilitationsdiagnostik auf der Ebene der Aktivität und Partizipation, z.B. routinemäßige Diagnostik mittels Lebensqualitätfragebögen, Sechs-Minuten-Gehtest)
-
die Optimierung der medikamentösen Therapie
-
ein umfassendes Patientenverhaltenstraining
-
spezialisierte Trainings- und Physiotherapieangebote auch für Schwerkranke
-
Ergotherapie inklusive Hilfsmittelberatung und Gelenkschutz
-
psychologische Hilfen
-
Entspannungsverfahren
-
Sozial- und Berufsberatung
-
spezialisierte Ernährungsberatung
-
Tabakentwöhnung
-
Expositionskarenz und Klimatherapie.
Dieses Programm geht weit über die ambulanten Therapieoptionen, im Sinne eines optimierten ambulanten Case-Managements hinaus und sollte daher gezielt indiziert werden. Wichtige und gerechtfertigte Indikationen zur pneumologischen Rehabilitation sind neben fortgeschritteneren Krankheitsstadien - die Indikation zur Rehabilitation ist laut der GOLD-Leitlinie ab dem Stadium II (moderate COPD) gegeben - vor allem relevante psychosomatische Komorbidität bzw. psychosoziale Problemsituationen, Gefährdung der Erwerbsfähigkeit und Complianceprobleme (Patientenmitarbeit). Hier ist das Komplettangebot der pneumologischen Rehabilitationsmedizin erforderlich.
Fazit
Ein gestuftes Angebot an rehabilitativen Therapieoptionen, das sowohl eine wohnortnahe Langzeitoption als auch das umfassende Angebot der existierenden pneumologischen Rehabilitationsmedizin umfasst, wird also dringend benötigt. Die Langzeitversorgung von Asthma- und COPD-Patienten und damit auch ein DMP „Asthma/COPD” ohne die systematische Einbeziehung pneumologischer Rehabilitationsmedizin ist insuffizient.
Literatur
- 1 Connors Jr AF, Dawson NV, Thomas C. et al. . Outcomes following acute exacerbation of severe chronic obstructive lung disease. The SUPPORT investigators (Study to Understand Prognoses and Preferences for Outcomes and Risks of Treatments). Am J Respir Crit Care Med. 1996; 154 959-967
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- 3 Garcia-Aymerich J, Farrero E, Felez MA. et al. . Risk factors of readmission to hospital for a COPD exacerbation: a prospective study. Thorax. 2003; 58 100-105
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1 global initiative for chronic obstructive lung disease
2 intensivierte Rehabilitationsnachsorge
Anschrift des Verfassers
Dr. Konrad Schultz
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1 global initiative for chronic obstructive lung disease
2 intensivierte Rehabilitationsnachsorge
Anschrift des Verfassers
Dr. Konrad Schultz
Fachklinik Allgäu
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