Zusammenfassung
Fragestellung: Die Einführung einer fallpauschalierten Vergütung für Diagnosis Related Groups (DRGs) wird zu einer sehr deutlichen Verkürzung der akutstationären Verweildauern
führen. Als Konsequenz für die Rehabilitation wird befürchtet, dass die Patienten
in noch nicht rehabilitationsfähigem Zustand in Reha-Einrichtungen verlegt und Kosten
vom Akutbereich in die Rehabilitation verschoben werden. Das Erreichen der Rehabilitationsziele
würde dadurch erheblich erschwert werden. Methodik: Um die Möglichkeiten und Gefahren einer frühen Verlegung zu prüfen, wurden in einer
retrospektiven Studie 138 Patienten in einer Rehabilitationsklinik nach dem postoperativen
Verlauf nach Implantation einer Hüft- oder Knieendoprothese befragt. Der Interviewleitfaden
für die Reha-Ärzte enthielt u. a. Fragen zum medizinischen Verlauf und zur Entwicklung
der basalen Alltagsfähigkeiten in den Tagen nach der Operation. Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen, dass ca. 85 % der Stichprobe spätestens am 7. Tag nach der
Operation (abgesehen von evtl. noch fortbestehenden Wundschmerzen) komplikationsfrei
waren und dass die Befragten zu diesem Zeitpunkt fast ohne Ausnahme die basalen Alltagsfähigkeiten
(Essen, Toilette, Körperpflege, Ankleiden, Fortbewegung mit Gehwagen) selbstständig
verrichten konnten. Die Verlegung zur Anschlussrehabilitation erfolgte im Durchschnitt
am 15. postoperativen Tag, wobei es sehr deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen
Akutkliniken gab. Schlussfolgerungen: Aus den Studienergebnissen wird ein Phasenmodell abgeleitet, das nach einer Akutphase
von ca. 6 - 8 Tagen eine Früh-Reha-Phase von weiteren ca. 7 Tagen vorsieht, die entweder
in der Akutklinik oder in einer Rehabilitationseinrichtung stattfinden kann und separat
vergütet werden sollte. Die eigentliche Anschlussrehabilitation folgt dann nach Beendigung
der Früh-Reha-Phase. Für den Übergang zwischen den Phasen können konkrete Kriterien
definiert werden. Dieses Phasenmodell greift Vorschläge auf, die der Sachverständigenrat
für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen in seinem Gutachten 2003 vorgelegt
hat.
Abstract
Background: The introduction of a prepayment system for diagnosis related groups will lead to
considerable reductions of length of stay in acute hospitals. There are widespread
concerns that this will entail transferring patients to rehabilitation before they
are fit for it, thus shifting costs from the acute to the rehabilitative sector and
putting the success of rehabilitation at risk. Methods: In order to analyze the chances and dangers of early transfers, we conducted a retrospective
study in which 138 patients after hip or knee replacement were interviewed in a rehabilitation
hospital on the course of events during the days after the operation. The manual for
the interviewing rehab clinicians contained questions on medical complications as
well as on the postoperative development of basic activities of daily living (ADL).
Results: The results show that about 85 % of the sample were without complications on the
seventh day (not counting eventually persisting wound pains) and that, at this time
postoperatively, nearly all patients could perform the basic ADL (eating, toiletting,
personal hygiene, dressing, locomotion with aids) independently. Transfer to rehabilitation
took place on the fifteenth day after operation, on the average. There were, however,
marked and highly significant differences between different acute hospitals. Conclusion: These results are integrated into a phase model in which an acute phase of 6 - 8
days is followed by a phase of early rehabilitation lasting another seven days. This
phase could take place either in the acute hospital or in a rehabilitation centre
and should be payed separately. Rehabilitation proper would then follow after the
phase of early rehabilitation. Criteria for the transition from one phase to the next
can be defined in concrete terms. The phase model presented here takes up propositions
made in the latest expertise 2003 by the German Expert Commission on Concerted Action
in the Health Field and proves them as feasible.
Schlüsselwörter
Diagnosis Related Groups - Rehabilitation - Verweildauer - Hüft-TEP - Vergütungsmodelle
Key words
Diagnosis Related Groups - rehabilitation - length of stay - hip replacement - payment
systems
Literatur
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Nutzerorientierung und Qualität. Gutachten 2003. Band I: Finanzierung und Nutzerorientierung;
Band II: Qualität und Versorgungsstrukturen. Baden-Baden; Nomos-Verlag Download unter:
www.svr-gesundheit.de (Die Langfassung des Gutachtens wird zitiert als SVR 2003-L;
die Kurzfassung als SVR 2003-K) 2003
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1 Der Einfachheit halber wird im Folgenden die männliche Form auch in generischer Bedeutung
verwandt.
Dr. Nikolaus Gerdes
Hochrhein-Institut für Rehabilitationsforschung e. V.
Postfach 1052
79701 Bad Säckingen
Email: gerdes@hri.de