Z Gastroenterol 2004; 42(12): 1361-1362
DOI: 10.1055/s-2004-813706
Editorial

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1980 - 2004: 25 Jahre perkutan endoskopische Gastrostomie (PEG) - Möglichkeiten und Grenzen

1980 - 2004: 25 Years Parentaneous Endoscopic Gastrostomy (PEG) - Feasibilities and LimitationsJ. Stein1
  • 1Medizinische Klinik II, Universitätsklinikum Frankfurt/Main
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Publication Date:
09 December 2004 (online)

Die erste Beschreibung einer oralen Sondenernährung findet sich in den Werken des arabischen Arztes Avenzoar (1126 - 1162), der einen Patienten mit Ösophaguskarzinom über eine in den Schlund eingeführte Silberkanüle ernährte. Allerdings konnte sich die neue Ernährungsform erst vom 16. Jahrhundert an fortsetzen. Bis zum 18. Jahrhundert erfolgte dann eine konsequente Weiterentwicklung dieser Technik, vor allem auf dem Gebiet der Materialeigenschaften der Sonden. Die Entwicklung flexibler Katheter aus Leder durch J. B. von Helmont im Jahr 1644 und der Import von Kautschuk aus Südamerika seit 1735 leisteten hierfür eine der wichtigen Voraussetzungen.

Eine weitere entscheidende Neuerung war die Erfindung der „Magenpumpe” gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Bereits im Jahr 1797 hatte Alexander Monro jun. den Gebrauch einer Magensonde in Kombination mit einer Spritze sowohl zur Entfernung von Giften als auch zur Applikation von Nahrung in Fällen von Dysphagie empfohlen. So basierte die Veröffentlichung von A. Kussmaul im Jahr 1869 über Physiologie und Pathophysiologie des Gastrointestinaltrakts im Wesentlichen auf Experimenten mit einer solchen Pumpe. Die beiden Deutschen C. A. Ewald und L. Oser entwickelten 1847 Magensonden aus weicherem Gummi und mit geringerem Durchmesser. Im Jahr 1909 stellten M. Gross und M. Einhorn die erste Duodenalsonde vor.

1878 beschrieb der französische Chirurg M. Surmay erstmalig einen chirurgischen Eingriff, bei dem eine Ernährungssonde in eine operativ freigelegte Jejunumschlinge implantiert und an der Bauchhaut fixiert wurde. K. Mayl konnte dann im Jahr 1982 durch eine verbesserte Operationstechnik die Komplikationsrate der Jejunostomie entscheidend verringern. Eine weitere Verbesserung in Anlehnung an die von O. Witzel im Jahr 1891 beschriebene Operation zur Anlegung einer Ernährungsfistel am Magen erfolgte 1895 durch A. Eiselberg.

Die weiteren Entwicklungen enteraler Ernährungstechniken zu Beginn des 20. Jahrhunderts betrafen in erster Linie die Art der zugeführten Nahrung und die Applikationsformen. M. Einhorn empfahl bereits 1910 die langsame intraduodenale Applikation einer speziellen Ernährungslösung in zweistündlichen Intervallen. Im Jahr 1918 beschrieb A. F. R. Andresen, 1922 G. Kelling die kontinuierliche intrajejunale Nahrungszufuhr über eine schwerkraftgesteuerte Tropfinfusion. Die konsequente Entwicklung mechanischer Hilfspumpen, die einen gleichförmigen Nahrungstransport ermöglichen sollten, erfolgte seit Ende der 30er-Jahre.

Ein weiterer großer Fortschritt betraf in den Folgejahren die Einführung neuartiger Ernährungssonden aus Silikonen und Polyethylen, die geschmeidiger und deutlich dünnlumiger waren als die vormaligen Gummisonden.

Die Suche nach einer besonders energiereichen, aber aufgrund von Entsorgungsproblemen ballaststoffarmen, Astronautenkost führte im Rahmen der Weltraumforschung in den 50er- und 60er-Jahren zur Entwicklung niedermolekularer Formeldiäten, deren Weiterentwicklung in den Folgejahren zu den geschmacklich besseren und auch deutlich billigeren Peptiddiäten, die seither erfolgreich zur Ernährungstherapie bei Krankheitsbildern eingesetzt werden (siehe Beitrag Schröder et al. auf Seite 1385ff.).

Als wohl wesentlichste technische Weiterentwicklung der letzten Jahrzehnte gilt die im Jahr 1980 von M. W. L. Gauderer und J. L. Ponsky eingeführte perkutan-endoskopische Gastrostomie (PEG) bzw. Jejunostomie (PEJ). Seither wurde eine Vielzahl von Modifikationen und alternative Anlagetechniken entwickelt (siehe Beitrag Hoeffner et al. auf Seite 1393ff.). Wie bei jeder technischen Neuerung in der Medizin fanden sich auch bei PEG im Laufe der Jahre Komplikationen und Einschränkungen, deren Management im Einzelfall eine endoskopische Herausforderung darstellt (siehe Beitrag Schröder et al. in diesem Heft).

Dennoch hat die relativ hohe Sicherheit der PEG, auch im Vergleich zu der kaum noch durchgeführten chirurgischen Gastrostomie, in den letzten Jahren zu einer dramatischen Indikationsausweitung geführt. Alleine in Deutschland werden neueren Schätzungen zufolge jährlich ca. 150 000 (USA 220 000) PEG-Sonden gelegt. Zunehmend werden Patienten mit irreversiblen Erkrankungen, geringer Aussicht auf Heilung oder Verbesserung ihres Zustandes sowie beschränkter Lebenserwartung behandelt. Daraus ergeben sich nicht nur medizinische und soziale Probleme, sondern auch ethische und rechtliche. Die ethische Problematik bei der künstlichen Ernährung resultiert weniger aus eingriffsbedingten Komplikationen, sondern vielmehr aus den metabolischen Konsequenzen der Zufuhr von Wasser und Nährsubstraten. So werden Patienten zunehmend häufiger zur PEG-Anlage vorgestellt, die sich in einem fortgeschrittenen Stadium ihrer Erkrankung befinden, in dem die künstliche Ernährung, wenn überhaupt, von fraglichem Nutzen ist. Beispiele stellen geriatrische Patienten mit seniler Demenz, Multiinfarktsyndrom oder Morbus Alzheimer dar. In solchen Fällen wird die PEG oftmals als eine „Ultima Ratio” aufgefasst, mit der man dem Kranken „noch etwas Gutes” tun und gleichzeitig die Pflege erleichtern kann. Der Karzinompatient mit fortgeschrittener Kachexie stellt ein weiteres Beispiel aus dem klinischen Alltag dar. Der Endoskopiker wird hier, aber auch in anderen Situationen, mehr als „ausführendes Organ” und nicht als Arzt angesehen und damit oftmals in eine schwierige ethische Situation gebracht.

Die Frage nach der Angemessenheit der Ernährungsmaßnahme ist daher oftmals mehr als gerechtfertigt. Handeln indikationsstellender Arzt und derjenige, der den endoskopischen Eingriff durchführt, ethisch begründet, indem sie ein Grundbedürfnis des Menschen auf Nahrung und Flüssigkeitszufuhr respektieren, oder ist die Entscheidung gegen eine PEG gleichzusetzen mit passiver Sterbehilfe?

Prof. Dr. Dr. J. Stein

Medizinische Klinik II, Universitätsklinikum

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