Aktuelle Dermatologie 2003; 29(11): 470-472
DOI: 10.1055/s-2004-814174
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Pagetoide Retikulose Typ Woringer-Kolopp

Pagetoid Reticulosis, Type Woringer-KoloppA.  Gemmeke1 , U.  Leupold3 , J.  Schönlebe2 , U.  Wollina1
  • 1Hautklinik für Pathologie, Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt, Dresden
  • 2Institut für Pathologie, Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt, Dresden
  • 3Hautarztpraxis Dr. Leupold, Dresden
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Prof. Dr. med. U. Wollina

Hautklinik · Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt

Friedrichstraße 41 · 01069 Dresden

Email: wollina-uw@khdf.de

Publication History

Publication Date:
27 April 2004 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Die pagetoide Retikulose Woringer-Kolopp ist eine seltene Sonderform der kutanen T-Zell-Lymphome. Wir berichten über eine 77-jährige Patientin mit seit ca. 30 Jahren bestehender pagetoider Retikulose. Es wurde die Strahlentherapie durchgeführt. Auf Besonderheiten des Verlaufes und der Histologie wird hingewiesen.

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Abstract

The pagetoid reticulosis Woringer-Kolopp represents a unique variant among cutaneous T-cell lymphomas. We report on a 77-year-old female patient with a history of about 30 years of pagetoid reticulosis. She was treated by radiotherapy. The peculiarities of the course and histopathology are described.

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Einführung

Die kutanen T-Zell-Lymphome (CTCL) stellen eine heterogene Gruppe lymphozytärer klonaler Neoplasien dar. Ein Charakteristikum ihrer klinischen Ausprägung bei Kaukasiern ist die Bevorzugung der lichtgeschützten Haut. Es wird heute angenommen, dass dendritische antigen-präsentierende Zellen an der Genese der dermalen und intraepidermalen malignen T-Zellinfiltrate beteiligt sind [1]. Histopathologisch sind die Pautrierschen Mikroabszesse der Epidermis als typisch für die Mycosis fungoides anzusehen. Diese sind auch bei der pagetoiden Retikulose Woringer-Kolopp zu finden. Durch die Intensität der epidermalen Infiltration wird der Eindruck eines pagetoiden Musters geprägt [2].

Im Gegensatz zur klassischen Mycosis fungoides stellt das Krankheitsbild der pagetoiden Retikulose Woringer-Kolopp trotz verwandter Histologie eine lokal begrenzte Neoplasie dar, die durch einen langsam progredienten, jahrelangen Verlauf gekennzeichnet ist. Die Umstände, die zur Begrenzung dieses CTCL führen, sind bislang unverstanden. Die EORTC ordnet die pagetoide Retikulose als niedrig malignes CTCL ein.

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Kasuistik

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Anamnese

Seit über 30 Jahren leidet die 77-jährige Patientin an chronisch-rezidivierenden Hautveränderungen der rechten Großzehe. Diese zeigen eine subtotale Abheilung während der Sommermonate; im Winter dagegen kommt es stets zu einer Verschlechterung des Hautbefundes. Seit Sommer 2002 persistiert das Krankheitsbild mit mäßigem Juckreiz.

Im Jahr 2000 war die Patientin wegen eines Erysipels des rechten Unterschenkels behandelt worden. 1998 erfolgten bei Mammakarzinom die Ablatio mammae rechts sowie eine beidseitige Ovarektomie wegen Ovarialzysten.

Die Patientin ist wegen arterieller Hypertonie und chronisch-ischämischer Herzerkrankung mit Myokardinfarkt 1987 in kardiologischer Behandlung. Weiterhin besteht eine kompensierte Niereninsuffizienz bei beidseitigen Nierenzysten. Die Patientin leidet unter beidseitigem Tinnitus.

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Hautbefund

80 × 50 mm großer, tiefrot entzündlicher, zur Umgebung scharf abgegrenzter, schuppig belegter, derber Plaque der rechten Großzehe, der mit einem über das Hautniveau erhabenen Randsaum gegenüber der Peripherie abschließt (Abb. [1]).

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Abb. 1 Pagetoide Retikulose Woringer-Kolopp - erythematosquamöser Plaque, scharf begrenzt.

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Histologie

Hyperplastische Epidermis mit Reteleistenakanthose, flächenhafter Hypogranulose, Hyperortho- sowie herdförmiger Parakeratose. Die Epidermis wird schrotschussartig (pagetoid) vorwiegend einzelzellig durchsetzt von wiederholt auch in unterschiedlich großen Clustern angeordneten, relativ großleibigen atypischen mononukleären Zellen mit vergrößerten, teilweise hyperchromatischen, wiederholt zerebriform gyrierten Zellkernen und reichlich blass basophilen, gelegentlich vakuolärem Zytoplasma. Mitosen sind wiederholt nachweisbar. Überwiegender Phänotyp der epidermotropen Zellen CD4-positiv (Abb. [2]).

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Abb. 2 Histologischer Befund der pagetoiden Retikulose Woringer-Kolopp: a Hämatoxylin-Eosin-Färbung mit dichtem subepidermalen Infiltrat und Ausbildung massiver Pautrierscher Mikroabszesse intraepidermal. b Nachweis der kräftigen CD4-Expression, Immunperoxidasefärbung.

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Laborbefunde

Pathologisch verändert waren Kreatinin i. S. 106 µmol/l, Harnstoff i. S. 9,21 mmol/l, Kalziumoxalat i. U. +++. Das Blutbild einschließlich Differenzialblutbild, die Leberwerte, Immunglobulin E und Urinstatus waren unauffällig.

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Therapie

Nach Diagnosesicherung erfolgte die ambulante Radiatio mit schnellen Elektronen in einer Dosierung von 10 × 2 Gy mit Teilremission und Stabilisierung des Hautbefundes.

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Kommentar

Der Begriff der pagetoiden Retikulose geht auf Braun-Falco et al. (1973) zurück. Es handelt sich um ein seltenes epidermotropes CTCL unbekannter Ätiologie, welches klinisch, prognostisch und histopathologisch als distinkt von der lokalisierten Mycosis fungoides eingeordnet wird [3] [4].

Klinisch unterscheidet man einen lokalisierten Typ Woringer und Kolopp [4] [6] und eine disseminierte Form Ketron und Goodman [7]. Die pagetoide Retikulose Woringer-Kolopp wird in jedem Alter beobachtet. Sie ist durch sehr langsame Progredienz und Beschränkung auf solitäre Herde gekennzeichnet [2] [3]. In der WHO-Klassifikation maligner Lymphome ist die pagetoide Retikulose unter den niedrig-malignen T-Zell-Lymphomen zu finden [5].

Histologisch finden sich atypische lymphoide Zellen in der Epidermis, die an den Morbus Paget erinnern. Die akanthotische Epidermis ist von verschieden großen Hohlräumen durchsetzt, in denen Infiltratzellen mit dichtem Kernchromatinnetz, hoher Mitoserate und blasig wirkendem Zytoplasma in Nestern angesammelt liegen [2] [3] [4]. Es handelt sich um klonale Proliferate. Der Immunphänotyp der Zellen kann variieren: Sowohl CD4- als auch CD8-positive Tumoren sind bekannt. Ein Teil dieser Lymphome ist CD30-positiv [4] [8].

Therapie der Wahl ist die Radiotherapie [9]. Die PUVA-Therapie hat bei einigen Patienten zur Remission geführt. Kleinere Herde lassen sich komplett exzidieren. Insgesamt ist die Prognose bei dem lokalisierten Typ der pagetoiden Retikulose günstig [4] [10].

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Literatur

  • 1 Edelson R L. Cutaneous T cell lymphoma - the helping hand of dendritic cells.  Ann N Y Acad Sci. 2001;  941 1-11
  • 2 Braun-Falco O, Marghescu S, Wolff H H. Morbus Woringer-Kolopp.  Hautarzt. 1973;  24 11-21
  • 3 Ioannides G, Engel M F, Rywlin A M. Woringer-Kolopp disease (pagetoid reticulosis).  Am J Dermatopathol. 1983;  5 153 - 158
  • 4 Haghighi B, Smoller B R, LeBoit P E, Warnke R A, Sander C A, Kohler S. Pagetoid reticulosis (Woringer-Kolopp disease): an immunophenotypic, molecular, and clinicopathologic study.  Mod Pathol. 2000;  13 502-510
  • 5 Harris N L, Jaffe E S, Diebold J, Flandrin G, Müller-Hermelink H K, Vardiman J, Lister T A, Bloomfield C D. World Health Organization classification of neoplastic diseases of the hematopoietic and lymphoid tissues: report of the Clinical Advisory Committee meeting - Airlie House, Virginia, November 1997.  J Clin Oncol. 1999;  17 3835-3849
  • 6 Scarabello A, Fantini F, Gianetti A, Cerroni L. Localized pagetoid reticulosis (Woringer-Kolopp disease).  Br J Dermatol. 2002;  147 806
  • 7 Nakada T, Sueki H, Iijima M. Disseminated pagetoid reticulosis (Ketron-Goodman disease): six-year follow-up.  J Am Acad Dermatol. 2002;  47 [Suppl 2] 183 - 186
  • 8 Lu D, Patel K A, Duvic M, Jones D. Clinical and pathological spectrum of CD8-positive cutaneous T-cell lymphomas.  J Cutan Pathol. 2002;  29 465-472
  • 9 Kaudewitz P. Andere T-Zell-Lymphome einschließlich CD30-positive großzellige T-Zell-Lymphome. In: Garbe C, Dummer R, Kaufmann R, Tilgen W (Hrsg) Dermatologische Onkologie. Berlin, Heidelberg, New York; Springer 1997: 456-468
  • 10 Behrens S, Reuther T, Gruss C, Auer T, Altmeyer P, Kerscher M. Disseminated pagetoid reticulosis: response to bath PUVA.  Br J Dermatol. 1998;  139 343-344

Prof. Dr. med. U. Wollina

Hautklinik · Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt

Friedrichstraße 41 · 01069 Dresden

Email: wollina-uw@khdf.de

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Literatur

  • 1 Edelson R L. Cutaneous T cell lymphoma - the helping hand of dendritic cells.  Ann N Y Acad Sci. 2001;  941 1-11
  • 2 Braun-Falco O, Marghescu S, Wolff H H. Morbus Woringer-Kolopp.  Hautarzt. 1973;  24 11-21
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  • 7 Nakada T, Sueki H, Iijima M. Disseminated pagetoid reticulosis (Ketron-Goodman disease): six-year follow-up.  J Am Acad Dermatol. 2002;  47 [Suppl 2] 183 - 186
  • 8 Lu D, Patel K A, Duvic M, Jones D. Clinical and pathological spectrum of CD8-positive cutaneous T-cell lymphomas.  J Cutan Pathol. 2002;  29 465-472
  • 9 Kaudewitz P. Andere T-Zell-Lymphome einschließlich CD30-positive großzellige T-Zell-Lymphome. In: Garbe C, Dummer R, Kaufmann R, Tilgen W (Hrsg) Dermatologische Onkologie. Berlin, Heidelberg, New York; Springer 1997: 456-468
  • 10 Behrens S, Reuther T, Gruss C, Auer T, Altmeyer P, Kerscher M. Disseminated pagetoid reticulosis: response to bath PUVA.  Br J Dermatol. 1998;  139 343-344

Prof. Dr. med. U. Wollina

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Email: wollina-uw@khdf.de

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Abb. 1 Pagetoide Retikulose Woringer-Kolopp - erythematosquamöser Plaque, scharf begrenzt.

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Abb. 2 Histologischer Befund der pagetoiden Retikulose Woringer-Kolopp: a Hämatoxylin-Eosin-Färbung mit dichtem subepidermalen Infiltrat und Ausbildung massiver Pautrierscher Mikroabszesse intraepidermal. b Nachweis der kräftigen CD4-Expression, Immunperoxidasefärbung.