Einführung
Einführung
Die kutanen T-Zell-Lymphome (CTCL) stellen eine heterogene Gruppe lymphozytärer klonaler
Neoplasien dar. Ein Charakteristikum ihrer klinischen Ausprägung bei Kaukasiern ist
die Bevorzugung der lichtgeschützten Haut. Es wird heute angenommen, dass dendritische
antigen-präsentierende Zellen an der Genese der dermalen und intraepidermalen malignen
T-Zellinfiltrate beteiligt sind [1]. Histopathologisch sind die Pautrierschen Mikroabszesse der Epidermis als typisch
für die Mycosis fungoides anzusehen. Diese sind auch bei der pagetoiden Retikulose
Woringer-Kolopp zu finden. Durch die Intensität der epidermalen Infiltration wird
der Eindruck eines pagetoiden Musters geprägt [2].
Im Gegensatz zur klassischen Mycosis fungoides stellt das Krankheitsbild der pagetoiden
Retikulose Woringer-Kolopp trotz verwandter Histologie eine lokal begrenzte Neoplasie
dar, die durch einen langsam progredienten, jahrelangen Verlauf gekennzeichnet ist.
Die Umstände, die zur Begrenzung dieses CTCL führen, sind bislang unverstanden. Die
EORTC ordnet die pagetoide Retikulose als niedrig malignes CTCL ein.
Kasuistik
Kasuistik
Anamnese
Seit über 30 Jahren leidet die 77-jährige Patientin an chronisch-rezidivierenden Hautveränderungen
der rechten Großzehe. Diese zeigen eine subtotale Abheilung während der Sommermonate;
im Winter dagegen kommt es stets zu einer Verschlechterung des Hautbefundes. Seit
Sommer 2002 persistiert das Krankheitsbild mit mäßigem Juckreiz.
Im Jahr 2000 war die Patientin wegen eines Erysipels des rechten Unterschenkels behandelt
worden. 1998 erfolgten bei Mammakarzinom die Ablatio mammae rechts sowie eine beidseitige
Ovarektomie wegen Ovarialzysten.
Die Patientin ist wegen arterieller Hypertonie und chronisch-ischämischer Herzerkrankung
mit Myokardinfarkt 1987 in kardiologischer Behandlung. Weiterhin besteht eine kompensierte
Niereninsuffizienz bei beidseitigen Nierenzysten. Die Patientin leidet unter beidseitigem
Tinnitus.
Hautbefund
80 × 50 mm großer, tiefrot entzündlicher, zur Umgebung scharf abgegrenzter, schuppig
belegter, derber Plaque der rechten Großzehe, der mit einem über das Hautniveau erhabenen
Randsaum gegenüber der Peripherie abschließt (Abb. [1]).
Abb. 1 Pagetoide Retikulose Woringer-Kolopp - erythematosquamöser Plaque, scharf begrenzt.
Histologie
Hyperplastische Epidermis mit Reteleistenakanthose, flächenhafter Hypogranulose, Hyperortho-
sowie herdförmiger Parakeratose. Die Epidermis wird schrotschussartig (pagetoid) vorwiegend
einzelzellig durchsetzt von wiederholt auch in unterschiedlich großen Clustern angeordneten,
relativ großleibigen atypischen mononukleären Zellen mit vergrößerten, teilweise hyperchromatischen,
wiederholt zerebriform gyrierten Zellkernen und reichlich blass basophilen, gelegentlich
vakuolärem Zytoplasma. Mitosen sind wiederholt nachweisbar. Überwiegender Phänotyp
der epidermotropen Zellen CD4-positiv (Abb. [2]).
Abb. 2 Histologischer Befund der pagetoiden Retikulose Woringer-Kolopp: a Hämatoxylin-Eosin-Färbung mit dichtem subepidermalen Infiltrat und Ausbildung massiver
Pautrierscher Mikroabszesse intraepidermal. b Nachweis der kräftigen CD4-Expression, Immunperoxidasefärbung.
Laborbefunde
Laborbefunde
Pathologisch verändert waren Kreatinin i. S. 106 µmol/l, Harnstoff i. S. 9,21 mmol/l,
Kalziumoxalat i. U. +++. Das Blutbild einschließlich Differenzialblutbild, die Leberwerte,
Immunglobulin E und Urinstatus waren unauffällig.
Therapie
Therapie
Nach Diagnosesicherung erfolgte die ambulante Radiatio mit schnellen Elektronen in
einer Dosierung von 10 × 2 Gy mit Teilremission und Stabilisierung des Hautbefundes.
Kommentar
Kommentar
Der Begriff der pagetoiden Retikulose geht auf Braun-Falco et al. (1973) zurück. Es
handelt sich um ein seltenes epidermotropes CTCL unbekannter Ätiologie, welches klinisch,
prognostisch und histopathologisch als distinkt von der lokalisierten Mycosis fungoides
eingeordnet wird [3]
[4].
Klinisch unterscheidet man einen lokalisierten Typ Woringer und Kolopp [4]
[6] und eine disseminierte Form Ketron und Goodman [7]. Die pagetoide Retikulose Woringer-Kolopp wird in jedem Alter beobachtet. Sie ist
durch sehr langsame Progredienz und Beschränkung auf solitäre Herde gekennzeichnet
[2]
[3]. In der WHO-Klassifikation maligner Lymphome ist die pagetoide Retikulose unter
den niedrig-malignen T-Zell-Lymphomen zu finden [5].
Histologisch finden sich atypische lymphoide Zellen in der Epidermis, die an den Morbus
Paget erinnern. Die akanthotische Epidermis ist von verschieden großen Hohlräumen
durchsetzt, in denen Infiltratzellen mit dichtem Kernchromatinnetz, hoher Mitoserate
und blasig wirkendem Zytoplasma in Nestern angesammelt liegen [2]
[3]
[4]. Es handelt sich um klonale Proliferate. Der Immunphänotyp der Zellen kann variieren:
Sowohl CD4- als auch CD8-positive Tumoren sind bekannt. Ein Teil dieser Lymphome ist
CD30-positiv [4]
[8].
Therapie der Wahl ist die Radiotherapie [9]. Die PUVA-Therapie hat bei einigen Patienten zur Remission geführt. Kleinere Herde
lassen sich komplett exzidieren. Insgesamt ist die Prognose bei dem lokalisierten
Typ der pagetoiden Retikulose günstig [4]
[10].