Einleitung
Einleitung
Die Urticaria solaris, auch Lichturtikaria genannt, ist eine selten vorkommende Hauterkrankung,
die durch das Auftreten urtikarieller Hautläsionen nach Sonnenexposition bzw. nach
Bestrahlung mit künstlichen Lichtquellen charakterisiert ist. In den meisten Fällen
wird die Urticaria solaris durch UV-Strahlung ausgelöst, seltener aber auch durch
sichtbares Licht, daher auch der Name Lichturtikaria [1]. Die Hautläsionen treten meist innerhalb weniger Minuten nach der Bestrahlung auf
und beschränken sich auf die lichtexponierten Hautareale. Subjektiv leiden die Patienten
unter extrem starkem Juckreiz. Bei ausgedehntem Befall kann es im Einzelfall zu einer
Systembeteiligung mit Schockfragmenten bzw. dem Vollbild eines Schockzustandes kommen.
Aus diesem Grund ist die Urticaria solaris ein ernst zu nehmendes Krankheitsbild,
das auch einer suffizienten Therapie bedarf.
Klinik und Diagnostik
Klinik und Diagnostik
Die Anamese der Urticaria solaris ist typisch. Die Patienten berichten über unmittelbar
nach bzw. während der Sonnenbestrahlung auftretende, heftig juckende Rötungen und
Quaddeln, die ausschließlich in den der Sonne ausgesetzten Arealen auftreten [2]. Die Abgrenzung zur polymorphen Lichtdermatose kann daher bereits anamnestisch erfolgen,
da die Hautveränderungen bei der polymorphen Lichtdermatose verzögert, zumeist mehrere
Stunden nach Sonnenexposition, auftreten und mehr erythematösen, papulösen bzw. vesiculösen
und weniger urticariellen Charakters sind. Darüber hinaus ist die UV-Schwelle bei
der Urticaria solaris in den meisten Fällen sehr erniedrigt, während diese bei der
polymorphen Lichtdermatose unverändert ist. Die niedrige UV-Schwelle verursacht einerseits
die extreme Empfindlichkeit, macht andererseits die Diagnostik recht einfach, zumal
mit einer Lichttreppe (MED-Bestimmung mit UVB-Strahlung) bzw. UVA-Bestrahlungen mit
Dosen zwischen 0,5 bis 10 J/cm² nahezu immer die Reaktionen auszulösen sind. Ein weiterer
Vorteil besteht im unmittelbaren Auftreten der Reaktion nach der Testbestrahlung.
Die minimale Dosis, nach der sich Quaddeln entwickeln, wird als minimale urtikarielle
Dosis (MUD), im Englischen MWD (minimal whealing dose) bezeichnet. In den meisten Fällen ist nach Applikation der Grenzdosis unmittelbar
nach bzw. bereits während der Bestrahlung eine Rötung zu beobachten, in der sich in
relativ kurzer Zeit Quaddeln entwickeln. Spätablesungen sind in den meisten Fällen
nicht notwendig, eine Ausnahme ist die extrem seltene Form der verzögerten Lichturtikaria,
bei der sich die Läsionen erst mehrere Stunden nach UV-Bestrahlung manifestieren [3]. Dies kann zu diagnostischen Schwierigkeiten führen. Mit diesen ist ebenfalls bei
einer weiteren Sonderform, der fixen Lichturtikaria, zu rechnen. Diese Variante ist
dadurch gekennzeichnet, dass die urtikariellen Läsionen nur an ganz bestimmten Körperarealen
auftreten [4]. Eine Provokation ist daher nur in diesen Arealen möglich. Wird die Provokation
hingegen wie meist am unteren Rücken bzw. Gesäß durchgeführt und sind diese Körperareale
klinisch nicht betroffen, können die Läsionen in diesen Bereichen nicht ausgelöst
und somit die Diagnose nicht gestellt werden.
Die Urticaria solaris kann durch sämtliche Bereiche des UV-Spektums aber auch durch
sichtbares Licht verursacht werden [5]. In den meisten Fällen liegt das Aktionsspektrum im langwelligen Bereich. Bei der
Diagnostik ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Quaddeln auch durch mehrere spektrale
Anteile ausgelöst werden können. Sämtliche Kombinationen sind dabei möglich.
Darüber hinaus kann bei einem Anteil der Patienten mit Lichturtikaria ein Serumfaktor
nachgewiesen werden. Dies gelang erstmals Horio und Minami durch intrakutane Injektion
von autologem Serum, das zuvor in vitro mit dem Aktionsspektrum bestrahlt wurde [6]. Harber versuchte bereits 1963 die unterschiedlichen Aktionsspektren sowie die Existenz
eines Serumfaktors in einer Klassifikation zusammenzufassen, die sechs Typen der Lichturtikaria
unterschied [7]. Aus heutiger Sicht kommt dieser Klassifikation eher historische Bedeutung zu, da
sowohl der passive Transfertest (Injektion von Patientenserum in die Haut eines gesunden
Probanden nach Bestrahlung) sowie der reverse Transfertest (Bestrahlung der Haut eines
gesunden Probanden nach Injektion von Patientenserum) heutzutage nicht mehr durchführbar
sind [8]. Der Nachweis eines Serumfaktors durch intrakutane Injektion von autologem Serum,
das zuvor bestrahlt wurde, kann von therapeutischer Konsequenz sein, zumal nachgewiesen
wurde, dass durch Elimination des pathogenetisch wirksamen Serumfaktors mittels Plasmapherese
die Symptomatik der Urticaria solaris deutlich reduziert werden kann [9].
Routinemäßig wird heutzutage das Aktionsspektrum durch Provokation mit Breitband-UVB
(290 - 320 nm), UVA (320 - 400 nm) und sichtbarem Licht bestimmt. Für die UV-Bestrahlungen
werden zumeist konventionelle Fluoreszenzstrahlen verwendet (z. B. Philips TL12, TL09),
die Bestrahlung mit sichtbarem Licht wird in den meisten Fällen mit einem Diaprojektor
durchgeführt [10]. Eine genauere Eingrenzung des Aktionsspektrums ist mittels eines Monochromators
möglich, allerdings ist dies eher von akademischem Interesse.
Therapie der Urticaria solaris
Therapie der Urticaria solaris
Die Therapie der Lichturtikaria ist nach wie vor problematisch. Aufgrund der extrem
hohen Empfindlichkeit und der daraus resultierenden niedrigen UV-Schwelle bieten Sonnenschutzfilter
außer bei der UVB-induzierten Urticaria solaris nur wenig Schutz. Gleiches gilt für
die kontinuierliche Einnahme von Antihistaminika. Eine systemische Kortisontherapie
ist nur im akuten Schub indiziert und eignet sich nicht als Dauertherapie. Die Gabe
von Resochin, Betakarotin, Vitaminen und Spurenelementen ist genauso unwirksam und
sinnlos wie bei der polymorphen Lichtdermatose. Auf die Möglichkeit der Plasmapharese
bei Existenz eines Serumfaktors wurde bereits hingewiesen. In diesen seltenen Fällen
hat sich der Einsatz bewährt, allerdings sind Aufwand und Kosten der Therapie zu berücksichtigen
[10].
Abhärtung mit UV-Bestrahlungen
Abhärtung mit UV-Bestrahlungen
Es ist seit langem bekannt, dass nach Manifestationen einer solaren Urtikaria die
betroffenen Hautareale über längere Zeit gegenüber einer erneuten Provokation refraktär
bleiben. Darüber hinaus ist bekannt, dass Patienten mit solarer Urtikaria in chronisch
lichtexponierten Hautarealen, wie dem Gesicht oder dem Handrücken, wesentlich mehr
Sonnenlicht tolerieren als an lichtgeschützten Körperarealen [11]. Dies wurde mit einer Depletion der Mastzellen bzw. einer Form der Desensiblisierung
erklärt [12]. Darauf beruht das Konzept der Abhärtung, d.h der Patient wird durch wiederholte
UV-Bestrahlungen in einen chronischen Refraktärzustand versetzt. Die Abhärtung, im
Englischen hardening genannt, wird auch bei der polymorphen Lichtdermatose erfolgreich eingesetzt. In
den meisten Fällen wird die Abhärtung mit jenen Wellenlängenbereichen durchgeführt,
die für die Auslösung verantwortlich sind. Am häufigsten kommt daher UVA-Strahlung
zum Einsatz [13]
[14], seltener UVB [15]. Es hat sich allerdings in den letzten Jahren herausgestellt, dass für eine erfolgreiche
Abhärtung nicht unbedingt eine Bestrahlung mit dem Aktionsspektrum notwendig ist,
sondern auch mit pathogenetisch nicht wirksamen Wellenlängenbereichen erzielt werden
kann [16]. Ähnliches wurde auch für die polymorphe Lichtdermatose beobachtet. Dies erklärt,
warum eine polymorphe Lichtdermatose, die in den meisten Fällen durch UVA-induziert
ist, hervorragend mit Schmalband-UVB (311 nm) abgehärtet werden kann [17]. Eine Abhärtung mit Photochemotherapie (PUVA) ist ebenfalls möglich [18].
Während die Abhärtung bei der polymorphen Lichtdermatose relativ unproblematisch ist
und daher auch routinemäßig in der Praxis durchgeführt wird, stellt die Abhärtung
bei der Lichturtikaria nach wie vor eine nicht unerhebliche Herausforderung für den
Therapeuten dar. Dies ist durch folgende Faktoren zu erklären. Erstens ist die UV-Schwelle
bei der Urticaria solaris im Gegensatz zur polymorphen Lichtdermatose wesentlich niedriger.
Dies bedeutet, dass auch bei der Applikation extrem niedriger UV-Dosen mit einer Induktion
klinischer Manifestationen zu rechnen ist. Da eine generalisierte Urticaria solaris
mit systemischen Komplikationen einhergehen kann, sind gerade in der Anfangsphase
extrem niedrige Dosen einzusetzen, unter Umständen sogar Teilkörperbestrahlungen notwendig,
um z. B. einen anaphylaktischen Schock zu vermeiden. Die UV-Schwellen können bei einzelnen
Patienten so niedrig sein, dass die minimalen Dosen mit den konventionellen UV-Geräten
fast nicht zu verabreichen sind, da die Bestrahlungszeiten im Sekundenbereich liegen.
Zweitens ist es bei der Urticaria solaris im Gegensatz zur polymorphen Lichtdermatose
notwendig, möglichst rasch einen Abhärtungseffekt zu induzieren, da der Patient im
ungeschützten Zustand mit systemischen Manifestationen reagieren kann. Die Notwendigkeit,
möglichst rasch einen Abhärtungseffekt zu erzielen, hat uns veranlasst ein Therapiekonzept
zu entwickeln, das an die Schnellhyposensibilisierung bei Bienen- und Wespengiftallergikern
angelehnt ist [19]
[20].
Schnellabhärtung mit UVA
Schnellabhärtung mit UVA
Ziel der Schnellabhärtung war es, mit multiplen subsequenten UV-Bestrahlungen innerhalb
eines Tages in relativ kurzer Zeit (innerhalb von zwei bis drei Tagen) Schutz zu erreichen
[21]. Dafür eignet sich allerdings nur UVA-Strahlung, da die kumulativen Expositionen
im Gegensatz zu UVB-Strahlung nicht zu einer Sonnenbrandreaktion führen. Da, wie bereits
oben erwähnt, auch eine UVB-induzierte Urticaria solaris mit UVA abgehärtet werden
kann, eignet sich dieses Therapieverfahren für alle Formen der Urticaria solaris unabhängig
vom Aktionsspektrum. Mit diesem Regime gelingt es bei Patienten mit extrem niedriger
MUD (unter 0,5 J/cm² UVA) innerhalb von zwei bis drei Tagen eine Bestrahlungsdosis
von etwa 10 J/cm² zu erreichen. Wir haben bisher mit diesem Therapieverfahren mehrere
Patienten erfolgreich behandelt [21]. Aufgrund unserer Erfahrungen lässt sich folgendes praktische Vorgehen empfehlen.
Es wird eine MED- bzw. MUD-Bestimmung mit UVA-Licht durchgeführt. Als erste Bestrahlungsdosis
werden 50 % der MED bzw. MUD appliziert. Bei einem erstmaligen Schnellhardening eines
Patienten empfiehlt sich bei der ersten Bestrahlung lediglich eine subsequente Quadrantenbestrahlung
(Oberkörper ventral à Unterkörper dorsal à Oberkörper dorsal à Unterkörper ventral)
durchzuführen. Wenn innerhalb von 30 Minuten keine Reaktion auftritt, kann die Bestrahlung
fortgesetzt werden. Die Bestrahlungsdosis wird jeweils um 30 % gesteigert. Wird bei
der ersten Quadrantenbestrahlungsserie keine Reaktion beobachtet, kann anschließend
mit Halbkörperbestrahlungen fortgesetzt werden. Sollten diese gut toleriert werden,
können nach mehreren Bestrahlungen Ganzkörperexpositionen versucht werden. Dies stellt
einen erheblichen Zeitgewinn dar. Sollte nach der Bestrahlung lediglich ein leichtes
Erythem auftreten, wird die Steigerung mit 30 % beibehalten. Bei moderatem Erythem
und leichtem Pruritus wird nach 30 Minuten die gleiche Dosis nochmals appliziert.
Sollten urtikarielle Läsionen auftreten, wird die Dosis um 30 % reduziert. Ziel der
Behandlung ist es, möglichst viele Bestrahlungen an einem Tag durchzuführen. In unserer
Erstbeschreibung dieses Verfahrens [21] haben wir ein Zeitintervall von 60 Minuten zwischen den einzelnen Bestrahlungen
empfohlen. In der Zwischenzeit haben wir das Intervall auf 30 Minuten reduziert und
keine Komplikation beobachtet. Aus zeitökonomischen Gründen behalten wir daher derzeit
das kürzere Intervall bei.
Am nächsten Tag wird möglichst früh mit der letzten Dosis des Vortages um 30 % reduziert
begonnen. Das Regime wird identisch wie am ersten Tage fortgesetzt. Beim unkomplizierten
Verlauf ist es daher möglich, meist innerhalb von zwei Tagen eine Enddosis von 10
J/cm² zu erreichen. Anschließend sollte eine Provokationsbestrahlung in einem größerem
Hautareal (etwa 20 x 20 cm) mit 50 J/cm² UVA durchgeführt werden. Bei all unseren
bisher nach diesem Regime behandelten Patienten wurde zu diesem Zeitpunkt diese Dosis
gut toleriert, d. h. es ist ausreichender Schutz gegeben. Da wie bei allen anderen
Abhärtungsverfahren der Schutzeffekt bei Nichtfortsetzen der Bestrahlungen leider
sehr rasch verloren geht, muss in der Anfangsphase zweimal pro Woche mit 10 J/cm²
UVA Ganzkörper-bestrahlt werden. Eine Reduktion der Erhaltungsbestrahlung auf einmal
pro Woche ist im Sommer bei schönem Wetter möglich, da durch die natürliche Sonnenexposition
der Schutzeffekt aufrechterhalten werden kann. Der Vorteil der Schnellabhärtung besteht
darin, dass innerhalb von zwei bis drei Tagen auch bei sehr empfindlichen Patienten
ein schützender Effekt induziert werden kann.
Das Therapieverfahren ist zwar sehr effizient aber auch aufwendig. Da nahezu permanent
Bestrahlungen über den Tag verteilt durchgeführt werden müssen, lastet ein Patient
ein Bestrahlungsgerät vollkommen aus. Nicht zu vergessen ist der personelle Aufwand,
zumal gerade in der Anfangsphase die Bestrahlungen nur bei persönlicher Anwesenheit
eines Arztes möglich sind. Ebenso sollten die Abhärtungsbestrahlungen nur mit liegendem
venösem Zugang erfolgen, so dass bei Auftreten von Schockfragmenten jederzeit rasch
eingegriffen werden kann. Aus diesem Grunde wird dieses sehr effiziente Therapieverfahren
nur an photobiologisch spezialisierten dermatologischen Kliniken angeboten werden
können.