Einleitung
Die Prurigo pigmentosa ist eine seltene, erstmalig 1971 in Japan durch Nagashima und
Mitarbeiter beschriebene, rezidivierende pruriginöse Erkrankung unklarer Ätiologie,
die bevorzugt junge Frauen in den Frühlings- und Sommermonaten trifft. Pathognomonisch
ist das akute Auftreten von stark juckenden und rötlichen Papeln am Rücken, pectoral
und im Nacken, die unter Hinterlassung von retikulären Hyperpigmentierungen abheilen
[1]
[4]
[7]
[10]
[18]. Das histopathologische Bild ist wenig charakteristisch.
Im Gegensatz zu den mittlerweile über 300 in Japan publizierten Fällen von Prurigo
pigmentosa finden sich in der Fachliteratur aus dem europäischen Raum lediglich wenige
Einzelfälle [1]
[3]
[5]
[6]. In der vorliegenden Kasuistik beschreiben wir diese seltene und in der Praxis noch
zu wenig bekannte Dermatose bei einem 18-jährigen Patienten türkischer Abstammung.
Unter der Therapie mit Minocyclin 100 mg täglich heilte die Prurigo pigmentosa nach
2 Wochen vollständig ab und rezidivierte seitdem nicht mehr. Ein möglicher Auslöser
wurde nicht gefunden.
Anamnese
Der 18-jährige Mann türkischer Herkunft klagte über seit einem Jahr rezidivierend
auftretende, stark juckende Entzündungen am Rücken, die gelegentlich nässen würden.
Die initial makulo-papulo-urtikariellen Effloreszenzen heilten über ein krustiges
Zwischenstadium unter Narbenbildung und Pigmentierung ab. Insolation führte nicht
zur Exazerbation. Auswärtige ambulante Untersuchungen einschließlich allergologischer
Testungen hatten keine diagnostische Klärung herbeiführen können. Im Übrigen seien
bei gänzlichem Wohlbefinden keine Vorerkrankungen bekannt. Die Familien- und Medikamentenanamnese
war leer. Bisherige systemische und lokale Therapien mit Glukokortikosteroiden, Antibiotika
und Resochin schlugen fehl.
Befund
Es fanden sich am Rücken V-förmig verteilt multiple, zumeist follikulär gebundene,
rötliche bis bräunliche Knoten und Knötchen, z. T. mit Exkoriationen, krustösen Auflagerungen
und Hyperpigmentierungen ohne wesentliche akute Entzündungszeichen (Abb. [1]). Das übrige Integument war erscheinungsfrei.
Abb. 1 Teils exkoriierte, bräunliche Papulae am Rücken eines 18-jährigen Patienten mit Prurigo
pigmentosa.
Histopathologischer Befund
PE (akutes Stadium): Es fand sich eine fokale ekzemartige Reaktion mit leichter chronischer
perivaskulärer Entzündung. Auffallend waren eine erhebliche herdförmige intraepidermale
neutrophile Durchsetzung und Papillenspitzenabszesse auch mit kleinen Bläschen. Im
Stratum papillare und reticulare war ein Ödem mit lockerem, v. a. perivaskulärem,
lympho-histiozytärem, entzündlichem Infiltrat sichtbar.
Eine Mucinablagerung war nicht nachweisbar. Eine Hyalinose mit Verdickung der Basalmembran
konnte ausgeschlossen werden.
Labor
BSG, kleines Blutbild, CRP, Antistreptolysintitier, Transaminasen, AP, LDH, Blutfette,
BZ, Harnsäure, RF, Eisen, Kreatinin, IgE und Gesamtporphyrine waren normal.
Therapie und Verlauf
Eine sichere Einordnung der Dermatose war zunächst nicht möglich. Als Arbeitsdiagnose
gingen wir von rezidivierenden Follikulitiden mit postinflammatorischen Hyperpigmentierungen
aus. Da eine Therapieresistenz aller bisheriger oraler und lokaler Therapeutika wie
Antibiotika, Resochin und Glukokortikosteroide bereits beobachtet werden konnte, wurde
lediglich lokal mit harnstoffhaltigen Externa therapiert. Die Erkrankung rezidivierte
im Verlauf darunter innerhalb weniger Wochen. Differenzialdiagnostisch wurden das
REM-Syndrom, die erythropoetische Protoporphyrie, die Urticaria pigmentosa, lineare-IgA
Dermatose und schließlich auch die Prurigo pigmentosa diskutiert. Aufgrund der Klinik,
Morphologie, Lokalisation, Symptomatik, Histologie und der laborchemischen Ergebnisse
(unauffällig) konnten die obigen erstgenannten Differenzialdiagnosen ausgeschlossen
und die Prurigo pigmentosa diagnostiziert werden. Unter der oralen Therapie mit Minocyclin
2 × 50 mg/die war der Patient innerhalb von 14 Tagen erscheinungs- und beschwerdefrei.
Lediglich eine Persistenz der postinflammatorischen Hyperpigmentierungen wurde beobachtet
(Abb. [2]). Ein erneutes Rezidiv ist bis heute ausgeblieben.
Abb. 2 Patient von Abb. 1 nach der Therapie mit Minocyclin, Abheilung aller Herde mit postinflammatorischer
retikulärer Pigmentierung.
Diskussion
Die durch Nagashima und Mitarbeiter 1971 erstbeschriebene Prurigo pigmentosa ist eine
seltene, rezidivierende, pruriginöse Erkrankung, die bevorzugt bei jungen Frauen insbesondere
in den Frühlings- und Sommermonaten auftritt [18]. In der japanischen Fachliteratur finden sich mittlerweile über 300 Fälle dokumentiert.
Aus dem angloamerikanischen und deutschsprachigen Raum sind in den letzten 15 Jahren
lediglich Einzelfälle, in der Gesamtheit etwa 30 berichtet worden. Hierbei handelt
es sich meist um asiatische und dunkelhäutige Patienten [1]
[3]
[5]
[6]
[7]
[15]. Typischerweise finden sich an den Prädilektionsstellen Hals, Brust, Schultergürtel
und Rücken, und seltener an der Stirn, in der Lumbal- und Sakralregion wie auch an
den Beugeseiten der Extremitäten stark juckende, rötliche Papeln und urtikarielle
Erytheme, die unter Hinterlassung einer retikulären Hyperpigmentierung abheilen. Bei
helleren Hauttypen treten die Hyperpigmentierungen seltener auf. Es wurden Spontanverläufe
zwischen sechs Monaten und zehn Jahren berichtet, wobei die Schübe selbst 1 - 2 Wochen
dauerten und rezidivierten [1]
[7]
[10].
Als Differenzialdiagnosen kommen einige, zumeist seltene Erkrankungen infrage, die
häufig mit postinflammatorischer Pigmentierung einhergehen. Gut bekannt sind Prurigo
simplex subacuta, Melanodermia reticularis calorica, Ashy-Dermatitis, Lichen amyloidosus,
Lichen planus pigmentosus, Dermatitis herpetiformis, lineare IgA-Dermatitis oder der
subakute kutane Lupus erythematodes. Diese lassen sich gut anhand der Klinik, Anamnese,
Labor und histopathologischer Befunde abgrenzen.
Als weitere, selten oder sehr selten vorkommende Differenzialdiagnosen sind zu erwähnen:
Papillomatosis confluens et reticularis (Gougerot und Carteaud), Morbus Dowling-Degos,
Erythema dyschronicum perstans, Poikiloderma atrophicans vasculare, transiente akantholytische
Dermatose (M. Grover), Pigmentatio maculosa eruptiva idiopathica, Dermopathia pigmentosa
reticularis und Dyskeratosis congenita (Zinsser-Engmann-Cole-Syndrom) [1]
[7]
[15].
Die Laborparameter sind im Allgemeinen nicht pathologisch verändert, obwohl in einigen
Veröffentlichungen ein beträchtlicher Anteil der Patienten eine Ketonämie bzw. -urie
und Hyperglykämie im Rahmen eines Diabetes mellitus aufwiesen [1]
[5]
[7]
[9]
[11]
[14]
[19].
Histologisch zeigt sich ein unspezifisches lichenoides Entzündungsmuster, das hinweisend
auf die Diagnose sein kann. Die Epidermis erscheint dabei fokal parakeratotisch verhornend,
mit abschnittsweiser Spongiose, Einzelzellnekrosen, selten Dyskeratose und Vakuolisierung
von basalen Keratinozyten. Weiterhin finden sich Papillomatose und ein dermoepidermales,
perivaskuläres entzündliches Infiltrat, das zu Beginn vornehmlich neutrophil und später
lymphohistiozytär imponiert. Im Verlauf ist die Bildung von Intraepidermal- und Papillenspitzen-Abszessen
möglich. Als feingewebliches Korrelat der Hyperpigmentierung findet sich in älteren
Läsionen eine ausgeprägte Pigmentinkontinenz [1]
[3]
[8]
[10]
[11]
[15]. Die direkte Immunfloureszenz ist negativ [3]
[7].
Die Ätiologie ist weitgehend unbekannt. Es wird ein Zusammenwirken verschiedener Faktoren
angenommen. Dabei scheinen Stoffwechselstörungen bzw. -veränderungen eine wichtige
Rolle zu spielen. In diesem Zusammenhang werden der Diabetes mellitus, Reduktionsdiäten
und die Schwangerschaft genannt. Als gemeinsames Bindeglied erscheint dabei die vermehrte
Ketonbildung [1]
[8]
[9]
[11]
[14]
[17]
[19]. In der japanischen Fachliteratur sind zahlreiche Fälle bekannt, in denen bei Prurigo
pigmentosa gleichzeitig ein Diabetes mellitus vorlag. In mindestens 10 publizierten
Fällen heilte die Prurigo pigmentosa nach der diabetischen Einstellung ohne weitere
spezifische Therapie ab und rezidivierte lediglich dann, wenn der Diabetes mellitus
erneut entgleist war [1]
[7]
[9]
[14]
[17]
[19]. In den meisten Veröffentlichungen korrelierte die Ketonämie präziser als der BZ-Spiegel
mit der Hauterkrankung, weshalb angenommen wurde, dass die Ketone möglicherweise eine
Rolle in der Pathogenese spielen könnten. Eine Vermutung dabei ist, dass sich die
Ketone um die Blutgefäße anhäufen und so eine perivaskuläre Entzündung erzeugen, die
ihrerseits die Prurigo pigmentosa triggert [8]
[11]. In einem in Deutschland beschriebenen Fall einer 40-jährigen, schlanken Frau wurde
ein Zusammenhang mit Stresssituationen aufgedeckt [7].
Wenn auch seltener und schlechter belegt, wurden exogene Faktoren als Auslöser beobachtet.
In der Fachliteratur finden sich Hinweise auf Kontaktallergene (Parastoffe in Textilien,
Bleichstoffe wie Trichlorphenol, chromathaltige Akkupunkturnadeln), Irritantien wie
die Reibung durch die Kleidung und ein Wismut-haltiges Antacidum [1]
[6]
[7]
[8]
[10]
[12]
[16]. Gegen eine kontaktallergische oder irritative Auslösung spricht das fehlende Ansprechen
auf Steroide. Da die Effloreszenzen häufig follikulär gebunden auftreten, wurde auch
eine Keimbesiedlung angesprochen, ohne allerdings nähere Hinweise auf einen Keim [1]. Da die meisten Patienten aus dem asiatischen Raum stammen oder einen dunklen Hauttyp
aufweisen, sollten genetische Faktoren ebenso erwogen werden.
Therapeutikum der Wahl ist Minocyclin in einer täglichen Dosierung von 100 - 200 mg
über z. B. einen Monat. Alternativ wurden auch die Makrolide Clarithromycin und Roxythromycin
erfolgreich eingesetzt [2]
[5]
[10]
[13]
[15]. DADPS und Sulfamethoxazol sind ebenfalls initial wirksam, führten aber meistens
zu keiner dauerhaften Heilung und haben ein wesentlich größeres Nebenwirkungsspektrum
(Methämoglobinämie, Agranulozytose, Hämolyse und Hepatotoxizität).