Einleitung
Einleitung
Bei der Nikotinabhängigkeit handelt es sich um eine Suchterkrankung. Dies erklärt
die sehr niedrigen Erfolgsraten nach 1 Jahr, wenn der Patient die Entwöhnung weitgehend
ohne medikamentöse oder anderweitig therapeutische Unterstützung vornimmt: Selbst
unter Studienbedingungen, in denen die Kontroll- und Verumgruppe regelmäßig kontaktiert
wurden, waren die Abstinenzraten in der Plazebogruppe mit 7,9 % und in der Verumgruppe
(hausärztliche Unterweisung ohne medikamentöse oder verhaltenstherapeutische Unterstützung)
mit nur 10,2 % gering ([1], S. 57).
Sowohl US-amerikanische [2] als auch deutsche Therapierichtlinien [3] empfehlen daher prinzipiell neben beratenden/verhaltenstherapeutischen Maßnahmen
eine pharmakotherapeutische Unterstützung bei der Raucherentwöhnung (Nikotinersatzpräparate,
Bupropion SR).
Bupropionhydrochlorid SR (Slow Release, Zyban®) hat sich in klinischen Prüfungen als ein wirksames, nikotinfreies
Medikament in der Raucherentwöhnung erwiesen, wenn es als Bestandteil eines Raucherentwöhnungsprogrammes
bei Rauchern eingesetzt wird, die motiviert sind, das Rauchen aufzugeben. Bupropion
SR ist seit Juni 2000 in Deutschland als verschreibungspflichtiges Medikament für
die Indikation Raucherentwöhnung zugelassen.
Der Wirkmechanismus von Bupropion SR bei der Entwöhnung des Rauchens ist noch nicht
endgültig geklärt. Als Noradrenalin- und Dopamin-Wiederaufnahmehemmer führt Bupropion
SR - analog den Wirkungen von Nikotin - zu einer Erhöhung der entsprechenden Neurotransmitter-Konzentrationen
in bestimmten Hirngebieten (u. a. Nucleus accumbens und Locus coeruleus), und soll
so Entzugssymptome und Rauchdrang vermeiden. Dagegen weist Bupropion SR selbst kein
erhöhtes Abhängigkeitspotenzial auf [4].
In zwei multizentrischen, randomisierten, doppelblinden und plazebokontrollierten
Studien mit 613 (Dosisfindungsstudie) bzw. 893 Teilnehmern (Vergleichsstudie gegen
Plazebo und Nikotinpflaster) wurde Bupropion SR 300 mg (2-mal täglich 150 mg) über
eine Behandlungszeit von 7 bzw. 9 Wochen angewendet und erwies sich gegenüber Plazebo
und in der zweiten Studie auch gegenüber Nikotinpflaster als signifikant überlegen.
Der Therapieeffekt war sowohl kurzfristig als auch langfristig nachweisbar: Die kontinuierlichen
Abstinenzraten von Woche 4 bis 7 betrugen in der Dosisfindungsstudie 36 % (BUP SR)
vs. 17 % (Plazebo) und in der Vergleichsstudie 49 % (BUP SR) vs. 36 % (Nikotinpflaster)
vs. 23 % (Plazebo). Die Punktprävalenzraten nach 12 Monaten waren in der Dosisfindungsstudie
23,1 % (Bupropion SR) vs. 12,4 % (Plazebo) und in der Vergleichsstudie 30,3 (Bupropion
SR) vs. 16,4 % (Nikotinpflaster) vs. 15,6 % (Plazebo) [5]
[6].
Durch den Suchtcharakter der Nikotinabhängigkeit gehören wiederholte Rückfälle zum
klinischen Bild: Ein erfolgreich entwöhnter Ex-Raucher hat durchschnittlich 6 Entwöhnungsversuche
durchgemacht [1]. Nach einem misslungenen Raucherentwöhnungsversuch verschlechtern sich die Erfolgsquoten
für die nächsten Abstinenzversuche weiter: Bei wiederholtem Einsatz von Nikotinersatztherapie
sank die Erfolgsrate in drei bisher zu diesem Thema durchgeführten Studien mit Nikotinpflaster
[7]
[8] und dem Nikotin-Inhaler [9] beim zweiten Entwöhnungsversuch auf 0 - 6,4 % nach 6 Monaten.
In der vorliegenden Studie sollten Wirksamkeit und Verträglichkeit von Bupropion SR
(2 × 150 mg/Tag) in der Raucherentwöhnung nach einem misslungenen Entwöhnungsversuch
mit Bupropion SR oder Nikotinersatztherapie geprüft werden. Ein offenes Design wurde
gewählt, um möglichst genau die Bedingungen und zeitlichen Limitierungen des Praxisalltags
widerzuspiegeln.
Patienten und Methoden
Patienten und Methoden
In diese multizentrische, offene, einarmige und nicht-randomisierte Studie bei niedergelassenen
Allgemeinärzten, Internisten und Pneumologen wurden Raucher ab 18 Jahren eingeschlossen,
die seit mindestens 5 Jahren 20 Zigaretten pro Tag oder mehr rauchten. Sie mussten
dabei nicht primär wegen des Wunsches nach einer Raucherentwöhnung den Arzt aufgesucht
haben, der Grund des Arztbesuches wurde nicht dokumentiert. Sie mussten in dem der
Studie vorausgehenden Jahr einen gescheiterten Entwöhnungsversuch unter Bupropion
SR oder Nikotinersatztherapeutika (Pflaster, Kaugummi, Spray, Inhaler) unternommen
haben, wobei sie zumindest 1 Tag vollständig abstinent gewesen sein mussten, um die
Ernsthaftigkeit des Entwöhnungsversuches zu dokumentieren. Sie mussten motiviert für
eine Entzugsbehandlung sein. Ausschlusskriterien waren u. a. epileptische Anfälle
in der Anamnese, bekannte Risikofaktoren für epileptische Anfälle, relevante internistische
Vorerkrankungen oder eine Anamnese einer bipolaren Psychose oder Essstörung.
Die Studie teilte sich in eine 7-wöchige Behandlungsphase und eine 19-wöchige Nachbeobachtungsphase.
In der Screening-Visite wurden die Ein- und Ausschlusskriterien geprüft, der Fagerström-Test
zur Ermittlung des Grades der Nikotinabhängigkeit durchgeführt, eine vollständige
Anamnese einschließlich der Begleitmedikation erhoben und eine körperliche Untersuchung
einschließlich der Vitalwerte und dem Körpergewicht durchgeführt. Ferner wurde ein
EKG angefertigt und ein Routinelabor erhoben und bei Frauen im gebärfähigen Alter
zusätzlich ein Schwangerschaftstest durchgeführt.
Nach Vorliegen der Einverständniserklärung wurde mit der Gabe von Bupropion SR nach
dem damals gültigen Dosierungsschema begonnen (in den ersten 3 Tagen 1 × 150 mg/Tag,
ab Tag 4 2 × 150 mg/Tag für insgesamt 7 Wochen). Der so genannte Rauchverzichtstag
(RVT) wurde individuell als der Tag in der 2. Behandlungswoche vereinbart, an dem
der Studienteilnehmer schlagartig und endgültig mit dem Rauchen aufhören sollte (Abb.
[1]). Am Tag vor dem RVT erfolgte ein motivierender Telefonanruf durch den Studienarzt.
Bei den beiden für die Behandlungsphase vorgesehenen Visiten in Woche 4 und 7 sowie
der Studienabschlussvisite in Woche 26 wurde neben der Erhebung des Raucherstatus,
einer körperlichen Untersuchung und der Dokumentation etwaiger unerwünschter Ereignisse
ein kurzes (< 10 min) strukturiertes Beratungs- und Motivationsgespräch nach P. Hajek
(Psychology Section, Queen Mary's School of Medicine and Dentistry, London) geführt.
Initial und mehrfach im Verlauf wurde zudem die Stimmungslage mit dem Beck-Depressions-Inventar
erhoben.
Abb. 1 Studiendesign.
Während der 7-wöchigen Therapiephase wurde täglich einmal zu einer festgesetzten Zeit
(früher Abend) die Einnahme der Studienmedikation, die Zahl der jeweils gerauchten
Zigaretten sowie das subjektive Verlangen nach einer Zigarette („Craving”, Skala von
0 - 3) mit einem elektronischen Patiententagebuch (Symfo® Electronic Diary, Firma
Symfo SA, Brüssel) erfasst, um realitätsnähere Angaben über den Zigarettenkonsum zu
gewinnen (in der 19-wöchigen Follow-up-Phase wurde ein nicht-elektronisches wöchentliches
Tagebuch geführt).
Der primäre Endpunkt der Studie war die kontinuierliche Abstinenzrate von Woche 4
- 7 ( = Tag 22 - 49) der Behandlung, d. h. die Angabe des Patienten in seinem elektronischen
Tagebuch, im Beobachtungszeitraum keine einzige Zigarette geraucht zu haben. Fehlten
auf dem elektronischen Tagebuch die Angaben zum Zigarettenkonsum an 3 aufeinanderfolgenden
Tagen, so wurde Rückfälligkeit angenommen. Dies hatte zur Folge, dass ein Patient,
obwohl niemals das Rauchen einer Zigarette dokumentiert wurde, als rückfälliger Raucher
gezählt wurde.
Sekundäre Endpunkte waren kontinuierliche Abstinenzraten von Woche 4 - 26, von RVT
bis Woche 4, 7 und 26, die Punktprävalenzraten (d. h. die Angabe, in der Woche vor
der Erhebung keine einzige Zigarette geraucht zu haben) in den Wochen 7 und 26, der
mittlere Zigarettenkonsum in Woche 4, 7 und 26, unerwünschte Wirkungen, Craving, Stimmung
und Körpergewicht.
Die Hauptzielgröße der Studie wurde für ein „Intent-to-treat”-Kollektiv ausgewertet,
zum ebenfalls ausgewerteten Per-protocol-Kollektiv gehörten dagegen alle Patienten,
bei denen keinerlei gravierende Verstöße gegen den Prüfplan festgestellt und die bis
zum Besuch 4 dokumentiert wurden. Bei fehlenden Eintragungen/Angaben des Probanden
wurde eine Rückfälligkeit angenommen.
Die Studie wurde durch die lokal zuständigen Ethik-Kommissionen genehmigt und in Übereinstimmung
mit den Richtlinien des „Good Clinical Practice” durchgeführt.
Ergebnisse
Ergebnisse
Wirksamkeit
In insgesamt 62 Studienzentren (niedergelassene Allgemeinärzte, Internisten und Pneumologen)
wurden 365 Patienten in die Studie eingeschlossen und nahmen Bupropion SR wenigstens
einmal ein (Population zur Analyse der Verträglichkeit). Bei 44 Patienten lagen aber
nur keine oder sehr lückenhafte Daten vor, so dass 321 Patienten in die Intent-to-treat-Population
zur Auswertung der Wirksamkeit kamen. 172 Patienten durchliefen die gesamte Studie
ohne gravierende Prüfplanverstöße, diese bildeten die Per-Protocol-Gruppe. In den
Tab. [1] und [2] sind die allgemeine Demografie und die Raucher- und Entwöhnungsanamnese zusammengefasst;
Abb. [2] gibt die Verteilung der Patienten auf die Grade der Nikotinabhängigkeit nach dem
Fagerström Tolerance Questionnaire wieder; 55,4 % der Patienten waren stark oder sehr
stark nikotinabhängig.
Tab. 1 Demografie der ITT-Population
|
gesamt |
Männer |
Frauen |
Studienpatienten (n)
|
321 |
170 |
151 |
Durchschnittsalter (Jahre ± Standardabweichung)
|
43,3 ± 11,2 |
44,4 ± 11,2 |
42,1 ± 11,0 |
Körpergewicht (kg ± Standardabweichung)
|
75,7 ± 15,2 |
82,8 ± 12,2 |
67,6 ± 14,1 |
Tab. 2 Raucher- und Entwöhnungsanamnese
täglicher Zigarettenkonsum (n)
|
26,9 ± 8,9 |
Raucheranamnese (Jahre)
|
21,7 ± 10,4 |
Zahl der durchgemachten Entwöhnungsversuche (n)
|
3,4 ± 2,8 |
früherer Entwöhnungsversuch mit (in % der Studienpatienten, mehr als eine Nennung
möglich):
|
|
- Nikotinpflaster - Nikotinkaugummi - Bupropion SR - Akupunktur - Bücher - psychologische Unterstützung
|
44,5 34,9 19,0 2,3 0,7 0,7 |
Abb. 2 Prozentuale Verteilung des Grades der Nikotinabhängigkeit der Studienpatienten, gemessen
mit dem Fagerström Tolerance Questionnaire.
Sämtliche im Folgenden genannten Abstinenzraten beziehen sich auf die ITT-Population,
die Abstinenzraten der Per-Protocol-Population sind in Klammern kursiv gesetzt:
Die kontinuierliche Abstinenzrate von Woche 4 - 7 bzw. Tag 22 - 49 (prim. Endpunkt)
betrug 29,6 % (95 %-Konfidenzintervall: 24,6 - 34,6 %; 38,4 %), beinahe ein Drittel der Patienten waren also in der zweiten Hälfte der Therapiephase
mit Bupropion SR vollständig rauchfrei. In der Subgruppe der Patienten mit einem vorangegangenen
Entwöhnungsversuch unter Bupropion SR lag die kontinuierliche Abstinenzrate für Woche
4 - 7 bei 34,4 % (21 von 61 Pat.), bei der Subgruppe mit vorangegangenem Entwöhnungsversuch
unter Nikotinersatztherapie betrug sie 28,5 % (74 von 260). Dieser Unterschied war
nicht signifikant.
Die langfristige kontinuierliche Abstinenzrate von Woche 4 - 26 betrug 15,3 % (20,3 %), d. h. etwas mehr als die Hälfte der nach 7 Wochen abstinenten Patienten (51,6 %
= 49 von 95 Patienten) blieben bis zum Abschluss der Studie nach 26 Wochen rauchfrei.
Die langfristige kontinuierliche Abstinenzrate vom Rauchverzichtstag bis Woche 26
betrug 11,5 % (15,7 %). Wenn das weniger strenge Maß der Punktprävalenzrate nach 26 Wochen angewendet wird,
ergibt sich eine Abstinenzrate von 30,5 % (40,7 %).
Abb. 3 Kontinuierliche und Punktprävalenz-Abstinenzraten der Intent-to-treat-Population (V1
- 4 = Visiten 1 - 4, RVT = Rauchverzichtstag) (blaue Pfeile bezeichnen die Punktprävalenz,
die horizontalen blauen Pfeile bezeichnen die kontinuierlichen Abstinenzraten zwischen
zwei Zeitpunkten)
Nach Abschluss der Studie beurteilten 75,2 % der Studienärzte und 72,2 % der Patienten
die Wirksamkeit von Bupropion SR als „gut” oder „sehr gut”.
Es fällt auf, dass die rückfälligen Raucher auch nach ihrem Rückfall einen deutlich
geringeren täglichen Zigarettenkonsum als vor der Behandlung mit Bupropion SR aufweisen
(Abb. [4]). Dieser Effekt ist langfristig nachweisbar: Auch nach 26 Wochen liegt der Konsum
bei durchschnittlich 10,3 (zuvor 26,9) Zigaretten täglich (Datenbasis bei der letzten
Visite: 121 rückfällige Raucher).
Abb. 4 Entwicklung des durchschnittlichen täglichen Zigarettenkonsums der rückfälligen Raucher
(ITT-Population).
Das Craving nach einer Zigarette nahm bei den abstinenten Rauchern in den ersten Wochen
deutlich ab und erreichte in Woche 6 ein niedriges Plateau, das im weiteren Verlauf
bis zum Abschluss der Studie nicht unterschritten wurde (Abb. [5]). Auch nach planmäßigem Absetzen von Bupropion SR nach der 7. Therapiewoche nahm
das Craving nicht mehr zu.
Abb. 5 Entwicklung des Cravings über die Studiendauer bei den kontinuierlich von Woche 4
- 7 abstinenten Rauchern (erhoben in der 7-wöchigen Therapiephase täglich mittels
elektronischem Tagebuch, in der Nachbeobachtungsphase mittels wöchentlichem Papiertagebuch).
Der Gesamtscore des Beck-Depressions-Inventars fiel während der Therapiephase von
4,9 ± 5,7 auf 2,7 ± 4,5. Hierbei fielen bei den Patienten, die von Woche 4 - 7 abstinent
waren, die Werte etwas stärker (5,1 - > 2,6) als bei den in diesem Zeitraum nicht
abstinenten Patienten (4,7 - > 2,7).
Verträglichkeit
197 von 365 initial eingeschlossenen Patienten (54 %) berichteten von mindestens einem
unerwünschten Ereignis, 36 % aller unerwünschten Ereignisse wurden hierbei durch den
Studienarzt als möglicherweise, wahrscheinlich oder sicher durch Bupropion SR verursacht
gewertet. In Tab. [3] sind die häufigsten unerwünschten Ereignisse aufgeführt. Bei 31 der 197 Patienten
(15,7 %) führte ein unerwünschtes Ereignis zum Therapieabbruch, dies entspricht 9,7
% der Intent-to-treat-Population.
Tab. 3 Häufigste unerwünschte Ereignisse (bezogen auf 365 Patienten, die mindestens einmal
Studienmedikation einnahmen)
Art des unerwünschten Ereignisses |
Häufigkeit (%) |
Schmerzen des Bewegungsapparates
|
11,0 |
Schlafstörungen
|
9,6 |
Bronchitis/COPD
|
6,6 |
Gastritis
|
5,5 |
Infektion
|
5,2 |
Verdauungsstörung/Verstopfung/Diarrhö
|
4,9 |
Gewichtszunahme
|
4,7 |
Schwindel
|
4,1 |
Kopfschmerzen
|
4,1 |
Übelkeit/Erbrechen
|
3,8 |
Grippe-ähnliche Symptome
|
3,6 |
Bauchschmerzen
|
3,0 |
(Verschlechterung einer) Hypertonie
|
2,7 |
Allergie/Urticaria
|
2,5 |
Insgesamt wurde bei 8 Patienten über das Auftreten von schweren unerwünschten Ereignissen
berichtet. Bei 2 Patienten standen diese nach Meinung der Ärzte in einem Zusammenhang
mit der Einnahme mit Bupropion SR: Eine 34-jährige Frau erlitt einen Grand-mal-Anfall
(wahrscheinlicher Zusammenhang), ein 20-jähriger Mann erlitt eine Yersinia-enterocolitica-Infektion
mit reaktiver Urticaria, Bronchialasthma sowie Arthritis beider Hände, Schultern und
Sternoklavikulargelenke (als „möglicher Zusammenhang” vom Prüfarzt gewertet). Beide
Ereignisse bildeten sich nach Absetzen der Studienmedikation unter spezifischer Therapie
vollständig zurück.
Während der 7-wöchigen Therapie betrug die durchschnittliche Gewichtszunahme in der
ITT-Population 1,6 kg (Frauen: 1,6 kg, Männer: 0,9 kg). Vom Ende der Therapie bis
zum Ende der 19-wöchigen Nachbeobachtungsphase betrug die durchschnittliche Gewichtszunahme
wiederum 1,6 kg (Frauen: 1,6 kg, Männer: 1,9 kg).
Unter der Behandlung mit Bupropion SR (von Visiten 1 - 3) nahm der mittlere systolische
Blutdruck von 126,5 ± 14,9 mm Hg auf 127,8 ± 15,9 mm Hg und der diastolische Blutdruck
von 78,7 ± 8,9 mm Hg auf 79,0 ± 7,8 mm Hg zu (ITT-Population). Von allen 321 Patienten,
die in der ITT-Population waren und somit mindestens einmal Studienmedikation erhalten
hatten, trat bei 6 Patienten eine Hypertonie neu auf (und führte bei einem dieser
Patienten zum Absetzen von Bupropion SR), bei einem Patienten verschlechterte sich
eine vorbestehende Hypertonie.
Diskussion
Diskussion
Gemäß des Suchtcharakters der Nikotinabhängigkeit sind Rückfälle nach einer Raucherentwöhnung
sehr häufig und stellen wegen der mit der Zahl der erfolglosen Versuche steigenden
Frustration bei Patient und Arzt eine große therapeutische Herausforderung dar. Auch
unter wiederholter medikamentöser Unterstützung in Form von Nikotinersatztherapie
werden eher geringe Erfolgsraten bei rückfälligen Rauchern berichtet [7]
[8]
[9].
Diese offene, nicht-randomisierte, einarmige Studie über 26 Wochen bei 62 Allgemeinärzten,
Internisten und Pneumologen in Deutschland untersuchte die Wirksamkeit und Verträglichkeit
von Bupropion SR in der ambulanten Raucherentwöhnung bei entwöhnungsmotivierten Patienten,
die im der Studie vorausgegangenen Jahr einen erfolglosen medikamentös gestützten
Entwöhnungsversuch durchgemacht hatten. Das Design der Studie mit insgesamt 4 Visiten
und motivierenden Beratungsgesprächen war an die vielerorts maximal möglichen Ressourcen
und die Therapiemöglichkeiten der ambulanten Raucherentwöhnung in der Primärversorgung
angelehnt. Diese Studie mit ihrem geringeren Aufwand bildete somit den Therapiealltag
in der deutschen primärärztlichen Versorgung vermutlich besser ab als die meisten
internationalen Raucherentwöhnungsstudien (mit z. T. wöchentlichen Visiten).
Das während der 7-wöchigen Therapiephase verwendete elektronische Tagebuch erinnnerte
die Patienten einerseits einmal täglich an die Medikamenteneinnahme und erhob andererseits
zeitnah die Anzahl der täglich gerauchten Zigaretten sowie das Craving nach einer
Zigarette. Die erzwungenermaßen tägliche Abfrage des Cravings generiert realitätsnähere
Daten als das retrospektive Ausfüllen von Papiertagebüchern, wie in Studien oft üblich.
Da Craving eine psychophysiologische Momentaufnahme darstellt und über die Dauer eines
Tages stark fluktuieren kann, wäre es zwar wünschenswert gewesen, eine noch engmaschigere
als 1 × tägliche Erhebung durchzuführen. Dies hätte allerdings erfordert, dass der
Patient permanent das Instrument mitgeführt hätte, was die Compliance der Studienteilnahme
vermutlich deutlich gesenkt hätte. Außerdem war die Verwendung dieses elektronischen
Patiententagebuches auch zur Erhöhung der Patientencompliance vorgesehen; dieser potenzielle
Effekt kann jedoch nicht gemessen werden.
Das Patientenkollektiv war typisch für nationale und internationale Interventionsstudien
in der Raucherentwöhnung: Eine Raucheranamnese von im Mittel mehr als 20 Jahren, bereits
mehrere durchgemachte Entwöhnungsversuche und zu mehr als der Hälfte starke und sehr
starke Nikotinabhängigkeit (Fagerström-Test) belegen eine hochgradig abhängige und
damit therapiebedürftige Patientengruppe, die ohne psychologische und/oder medikamentöse
Unterstützung kaum langfristig rauchfrei wird. In den vorangegangenen Entwöhnungsversuchen
hatten beinahe 80 % der Patienten Erfahrungen mit Nikotinersatztherapie gemacht, aufgrund
der in Deutschland zum Zeitpunkt der Studie erst etwa seit 1 Jahr bestehenden Zulassung
nur 19 % mit Bupropion SR.
Bei der Beschreibung der Wirksamkeit einer Raucherentwöhnungstherapie sind international
zwei Maße gebräuchlich: Die kontinuierliche Abstinenzrate über einen bestimmten Zeitraum
(z. B. Woche 4 - 7, Woche 4 - 26) stellt einen besonders strengen Maßstab der Abstinenz
dar, sie erlaubt keinerlei „Ausrutscher” oder Rückfälle. Die realitätsnähere Punktprävalenzrate
dagegen macht eine Aussage über die Abstinenz in einer bestimmten Studienwoche oder
einem Studienmonat (z. B. Monat 6), erlaubt daher (in engen Grenzen) „Ausrutscher”,
ohne diese sofort als Therapieversager zu werten. Entsprechend sind daher die Punktprävalenzabstinenzraten
meist höher als die kontinuierlichen Abstinenzraten.
Bupropion SR erwies sich in dieser Studie als wirksam in der Unterstützung der Raucherentwöhnung:
Fast ein Drittel der Patienten (29,6 %) war während der letzten 4 Wochen der Therapiephase
vollständig rauchfrei, waren also in der initialen Entwöhnung erfolgreich, die ohne
medikamentöse Unterstützung durch besonders große Rückfallgefahr gekennzeichnet ist.
Nach Hughes [10] werden ohne medikamentöse Unterstützung bereits in der ersten Woche nach Rauchstopp
65 % der entwöhnungswilligen Patienten wieder rückfällig. Dies zeigt, dass Bupropion
SR die Symptome der neurobiologischen Entgiftung in den ersten Wochen bei vielen Rauchern
mildert.
Angesichts der hohen Abhängigkeitsrate der Patienten sind die langfristigen Abstinenzraten
von besonderem Interesse: Die Hälfte der initial erfolgreichen Patienten verblieb
auch bis zum Ende der Studie komplett rauchfrei (kontinuierliche Abstinenz Woche 4
- 26 : 15,3 %), während in der weniger strengen, gleichwohl realitätsnäheren Punktprävalenzabstinenzrate
in der 26. Woche noch 30,5 % der Patienten Rauchfreiheit angaben.
Kritisch ist anzumerken, dass keine Überprüfung der Angaben des Patienten z. B. durch
eine Messung der CO-Konzentration in der Ausatemluft oder eine Cotinin-Bestimmung
im Urin erfolgte, die ein semiquantitatives Maß der in den letzten 24 Stunden bzw.
3 Tagen gerauchten Zigaretten darstellen. Angesichts des multizentrischen offenen
Charakters und der engmaschigen Erhebung des Rauchstatus während der Therapiephase
durch ein elektronisches Tagebuch erschien diese Verifizierung als verzichtbar.
Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied des Entwöhnungserfolges in Abhängigkeit
des beim letzten Abstinenzversuch verwendeten Medikamentes; die leicht höhere Abstinenzrate
für Bupropion SR (34,4 % versus 28,5 % für Nikotinersatztherapeutika) kann zum einen
durch die größere Streuung der Rate aufgrund der deutlich kleineren Fallzahl der mit
Bupropion vorbehandelten Gruppe erklärt werden. Zum anderen kann aber auch ein Bias
vorliegen, da diese Patienten bei ihrem vorangegangenen Entwöhnungsversuch Bupropion
SR gut vertragen hatten und somit in der vorliegenden Studie ein Therapieabbruch durch
schlechte Verträglichkeit seltener auftrat.
Interessanterweise hielt bei den rückfälligen Rauchern auch nach der gesamten Studiendauer
noch die Reduktion des täglichen Zigarettenkonsums an (von 26,9 auf 10,3), wenn auch
die Datenbasis bei dieser Patientengruppe nach 26 Wochen geringer war (121 rückfällige
Raucher), so dass zumindest diesbezüglich auch ein Benefit für rückfällige Raucher
zu vermuten ist.
Vor dem Hintergrund des offenen Charakters der Studie ist ein Vergleich mit plazebokontrollierten
Studien schwierig: Gonzales u. Mitarb. [11] fanden in einer multizentrischen, randomisierten, doppelblinden und plazebokontrollierten
Studie mit einem zuvor gescheiterten Entwöhnungsversuch mit Bupropion SR bei einem
erneuten 12-wöchigen Therapieversuch mit Bupropion SR hochsignifikant bessere Entwöhnungsraten
unter Bupropion SR als unter Plazebo auch noch nach 26 Wochen (kont. Abstinenzrate
12 vs. 2 %, p < 0,001). Zu dieser deutlichen Überlegenheit von Bupropion SR mag beigetragen
haben, dass die Patienten sämtlich Erfahrung mit Bupropion SR hatten und das Plazebomedikament
als solches erkennen konnten.
Da das von den Patienten berichtete Craving erst in der 6. Woche ein niedriges Plateau
erreichte, kann der Patient bei zu frühem Absetzen unnötig durch starkes Craving in
große Rückfallgefahr geraten. Eine hinreichend lange Therapiedauer von 7 - 9 Wochen
ist außerdem wie auch bei anderen Raucherentwöhnungstherapien deshalb notwendig, da
der Raucher erst nach gewisser Zeit beginnt, seine typischen Raucher-Verhaltensweisen
abzulegen, d. h. alternative Strategien zur Stressbewältigung oder Beschäftigung der
Hände zu entwickeln.
Bei einer Raucherentwöhnung kann es durch den Entzug des antidepressiv wirksamen Nikotins
zu leichten, aber auch schweren Depressionen kommen [15]. In der vorliegenden Studie zeigte der durchschnittliche Score des Beck Depressions-Inventares
eine euthyme Studienpopulation; die geringe durchschnittliche Abnahme nach Abschluss
der Therapiephase kann als klinisch nicht relevant angesehen werden. Wegen der zudem
fehlenden Plazebokontrolle kann in der vorliegenden Studie keine Aussage über eine
möglicherweise günstige Modulation der Stimmung nachgewiesen werden.
Bei der Analyse der unerwünschten Ereignisse ist zu beachten, dass die Raucherentwöhnung
selbst einen Entgiftungsprozess von der psychotropen Substanz Nikotin darstellt und
daher insbesondere mit zentralnervösen Begleiterscheinungen zu rechnen ist. Durch
den unkontrollierten Charakter der Studie können diese unerwünschten Wirkungen der
Nikotinentwöhnung nicht von den medikamenten-induzierten unerwünschten Wirkungen differenziert
werden. Aus plazebo-kontrollierten Studien ist bekannt, dass insbesondere Schwindel,
Übelkeit/Erbrechen, Verdauungsstörungen, Kopfschmerzen, Konzentrations- und Schlafstörungen
auch in der Plazebogruppe als Ausdruck der Nikotinentwöhnung auftreten [5]
[6]. Die unter Bupropion SR bekanntermaßen gegenüber Plazebo vermehrt beobachteten Schlafstörungen
traten in der vorliegenden Studie mit unter 10 % seltener als in den plazebokontrollierten
Studien auf, vermutlich weil die Patienten vom Arzt Strategien zur Vermeidung erhielten
(Einnahme der zweiten Tagesdosis relativ früh am Tag).
Eine von 365 eingeschlossenen Patienten erlitt einen epileptischen Anfall, ohne dass
Risikofaktoren zu eruieren gewesen wären. Für Bupropion SR ist (bei depressiven Patienten)
ein Risiko von 0,1 % für das Auftreten epileptischer Anfälle beschrieben [12]. Daher stellt eine Anamnese jeglicher Krampfanfälle eine Kontraindikation dar; bei
Vorliegen von Risikofaktoren wie Zustand nach schwerem Schädel-Hirn-Trauma oder Schlaganfall
muss eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen.
Ein Patient erlitt eine Yersinia-enterocolitica-Infektion, die vom Prüfarzt als möglicherweise
durch Bupropion SR verursacht eingeschätzt wurde; der Grund für die Annahme einer
möglichen Kausalität blieb unklar.
Durch eine Raucherentwöhnung wird der Grundumsatz reduziert bzw. normalisiert, woraus
oftmals eine Gewichtszunahme resultiert, die die Compliance vor allem von Patientinnen
verringert. In der vorliegenden Studie nahmen die Patienten durchschnittlich moderat
zu, in der 7-wöchigen Therapiephase etwa gleichviel wie in der 19-wöchigen Nachbeobachtungsphase,
wobei Frauen zumindest in der Therapiephase eine größere Gewichtszunahme aufwiesen.
4,7 % der Patienten berichteten eine Gewichtszunahme. Durch das offene Design der
Studie können keine Aussagen über einen möglichen günstigen Effekt von Bupropion SR
auf die Gewichtszunahme getroffen werden; in den randomisierten, kontrollierten und
doppelblinden Studien war unter Bupropion SR während der Therapiephase eine geringere
durchschnittliche Gewichtszunahme als unter Plazebo beobachtet worden. Dieser Unterschied
verlor sich allerdings nach Ende der Therapie mit Bupropion SR.
In der vorliegenden Studie veränderte sich der mittlere systolische und diastolische
Blutdruck klinisch nicht signifikant. Jüngst wurde in einer randomisierten internationalen
Studie bei Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen ebenfalls kein klinisch
signifikanter Effekt von Bupropion SR auf den arteriellen Blutdruck und die Herzfrequenz
im Vergleich zu Plazebo gefunden; zur Neumanifestation bzw. Verschlechterung eines
vorbestehenden Hypertonus kam es bei 2 von 313 Patienten in der Bupropion-SR-Gruppe
und bei 3 von 313 Patienten in der Plazebogruppe [13]. Auch in der vorliegenden Studie wurden einzelne Neumanifestationen oder Verschlechterungen
einer vorbestehenden Hypertonie beobachtet, eine gelegentlich auftretende Komplikation.
In einer kontrollierten Studie traten Blutdruckerhöhungen bei der Kombination von
Bupropion SR mit einem Nikotinpflaster signifikant häufiger als unter Bupropion SR
alleine auf, weswegen bei der kombinierten Gabe wöchentliche Blutdruckkontrollen empfohlen
werden [6].
In der vorliegenden Studie brach nur jeder zehnte der Patienten aus der Intent-to-treat-Population
die Studie aufgrund unerwünschter Ereignisse ab. Der obengenannte Bias in der Subgruppe
der mit Bupropion SR vorbehandelten Patienten tritt allerdings auch bei der Auswertung
der Verträglichkeit möglicherweise in abgeschwächter Form auf, da zumindest die geringe
Zahl der mit Bupropion SR vorbehandelten Patienten beim ersten Therapieversuch keine
schwerwiegenden Unverträglichkeiten erlitten haben durften.
Zur Prävention aber auch Therapie von pneumologischen Raucherfolgeerkrankungen ist
eine Raucherentwöhnung von entscheidender Bedeutung. Tashkin u. Mitarb. [14] fanden in einer doppelblinden randomisierten und plazebokontrollierten Studie bei
COPD-Patienten eine signifikante Überlegenheit von Bupropion SR gegenüber Plazebo.
Angesichts der starken Abhängigkeit der Patienten und der langen Raucheranamnese (durchschnittlich
51 „Päckchenjahre”, einem international gebräuchlichen Maß der kumulativen lebenslangen
Tabakexposition, definiert als Produkt der täglich gerauchten Packung Zigaretten à
20 Zigaretten und der Dauer des Tabakkonsums in Jahren) waren die absoluten Abstinenzraten
sowohl unter Bupropion SR als auch unter Plazebo niedriger als in vergleichbaren Studien
(kont. Abstinenzrate Woche 4 - 7 28 % vs. 16 %, p = 0,003; kont. Abstinenzrate Woche
4 - 26 16 vs. 9 %, p = 0,04).
Zusammenfassend erwies sich Bupropion SR als wirksam und gut verträglich zur Unterstützung
einer erneuten Raucherentwöhnung bei Patienten, die bereits mindestens einen gescheiterten
medikamentös unterstützten Entwöhnungsversuch durchgemacht hatten.
Sponsor dieser Studie war GlaxoSmithKline, München.