Anmerkungen zur Methodik
Es war Thema verschiedener Vergleichsuntersuchungen, zu prüfen, ob eine höhere Sauerstoffaufnahme
(VO2) bei Stufenbelastung oder bei Rampenbelastung erzielt wird. Die Unterschiede waren
marginal [15]
[19]
[29]
[27]. Da eine Belastungsphase zwischen 8 und 12 Minuten dauern soll - längere Belastungen
führen nur zur Ermüdung, kürzere sind lediglich bei sportmedizinischen Fragestellungen
relevant - richte ich mich primär nach der zu erwartenden Leistungsfähigkeit des Untersuchten.
Liegt die aufgrund der klinischen Einschätzung des Patienten erwartete Leistungsfähigkeit
unter 100 W, führe ich eine Rampenbelastung wie folgt durch: 15 W Belastungsbeginn,
minütliche Steigerung um 10 W. Eine genauere Festlegung der individuellen Ausgangsbelastung
und Festlegung der Belastungsstufen wurde in den Empfehlungen zur Durchführung von
Belastungsuntersuchungen 1988 publiziert [55]. Sie hat sich im praktischen Vorgehen bei uns jedoch als nicht erforderlich gezeigt.
Dennoch hilft das vorgeschlagene Verfahren bei Unsicherheit in der Einschätzung der
Belastbarkeit sicherlich weiter. In der Regel erfolgt eine Belastungssteigerung entsprechend
dem in der Kardiologie üblichen Verfahren mit 25 W-Stufen in 2-minütigem Abstand.
Hierbei variiert je nach erwarteter Leistungsfähigkeit die Ausgangsbelastung zwischen
25 und 75 W. Die Belastungssteigerungen fallen bei diesem Vorgehen individuell moderat
aus, und es treten keine Sprünge in der Belastungsintensität, die einen Belastungsabbruch
aufgrund zu stark empfundenem „Antreten” provozieren, auf. Die maximale Leistung in
Watt ist abhängig vom Körpergewicht: Sollwert „Watt” für Männer: Gewicht × 3; Sollwert
„Watt” für Frauen: Gewicht × 2,5 jeweils abzüglich 10 % für jede Dekade oberhalb des
30. Lebensjahres [31].
Steady-state-Analysen sind insbesondere was die Einstellungskonstanten pneumologischer
Kenngrößen wie Ventilation oder Gasaustausch angeht bei beiden Verfahren nicht möglich
[8]. In der klinischen Routine sind m. E. solche Steady-state-Analysen nicht erforderlich.
Zur genauen Differenzierung der physikalisch relevanten Belastung kann das „Leistungs-Zeitdauer-Produkt
- LZP” angegeben werden. Das LZP wird errechnet als kumulatives Produkt aus Leistung
und Zeitdauer einer jeden Belastungsstufe. Es entspricht daher zu jeder Belastungsstufe
der bis dahin erbrachten individuellen Arbeit [9]
[55].
Meine persönlichen Erfahrungen beschränken sich überwiegend auf die Fahrradergometrie;
es ist bekannt, dass bei dem größeren Muskeleinsatz während der Laufbandergometrie
eine um ca. 10 % höhere VO2 erzielt wird. Hieraus ergibt sich das Problem der Vergleichbarkeit mit vielen Untersuchungen
aus dem angloamerikanischen Raum [36].
Bei jeder spiroergometrischen Beurteilung sollten angegeben werden: Untersuchungsposition
des Patienten (sitzend oder halbliegend - unsere Untersuchungen beziehen sich auf
eine halbliegende Position des Untersuchten, die subjektiv von den meisten Untersuchten
gut toleriert wird, [48]), Last bei Belastungsbeginn, Ausmaß der Belastungssteigerung, Dauer einer Belastungsstufe,
Grund des Belastungsabbruchs, aktuelle Medikation, Auskultationsbefund bei Belastungsende.
Ich belaste in der Regel erschöpfungs- oder symptomlimitiert. Eine Belastung nach
Normwerten (z. B. Abbruch bei einer bestimmten Herzfrequenz oder Leistung) ist meines
Erachtens eher eine „Belästigung” als Belastung und wird der individuellen Leistungsfähigkeit
eines Untersuchten häufig nicht gerecht. Auch außerhalb des Settings eines Belastungslabors
belastet sich der Patient nicht nach Normwerten sondern nach individuellem Leistungsvermögen.
Das Vorliegen eines Steady States vor Belastung bezüglich der Ventilation und der
Herzfrequenz sollte gewährleistet sein. In der Regel reichen 5 min Adaptation an die
Maske oder an das Mundstück; differenzierte Steady-State-Kriterien (z. B. Abweichung
der Herzfrequenz < 5 Herzschläge · min- 1; Abweichung der VO2 < 30 ml · min- 1) sind für die Routine unnötig.
Die Spiroergometrie erlaubt bei den meisten Geräten die Analyse jedes einzelnen Atemzugs
(breath by breath). Es ist unsinnig, aufgrund der hierdurch bedingten hohen Variabilität
die Maximalwerte der Belastung von einem einzelnen Atemzug abzuleiten. In der Regel
erfolgen daher fortlaufende Mittelungen der Atemzüge [36]
[38]. Da die Ergebnisse jedoch in Abhängigkeit von der am Gerät vorgegebenen Mittelung
extrem schwanken, ist es unbedingt erforderlich, eine Standardisierung durchzuführen.
Eigene Untersuchungen zeigen eine Schwankungsbreite der zum Zeitpunkt des Belastungsabbruchs
gemessenen Sauerstoffaufnahme zwischen 2002 ml · min- 1O2 bei Analyse eines einzelnen Atemzugs und 1655 ml · min- 1O2 bei Mittelung über 16 Atemzüge bzw. 1886 ml · min- 1O2 bei Mittelung über 5 s und 1761 ml · min- 1O2 bei Mittelung über 30 s. Aufgrund der eigenen Daten als auch einer Analyse von Myers
u. Mitarb. [38] schlage ich zur Standardisierung eine fortlaufende Mittelung über 8 Atemzüge vor;
hier ergab sich im vorliegenden Beispiel als VO2peak 1804 ml · min- 1O2. Die Dämpfung einzelner „Ausreißer” wird bei dieser Mittelung gewährleistet, des
Weiteren wird bei hoher Atemfrequenz zum Belastungsabbruch eine tolerable Mittelung
mit Suppression von „Ausreißern” erzielt (Abb. [1]). Die Art der Mittelung sollte zumindest bei Gutachten angegeben werden.
Die spiroergometrischen Untersuchungen wurden mit dem Gerät Oxycon Alpha (Jaeger/Würzburg)
durchgeführt.
Abb. 1 Verläufe der Sauerstoffaufnahme und Kohlendioxidabgabe in Abhängigkeit von der breath
by breath-Mittelung: 1 bzw.16 Atemzüge und 5 bzw. 30 s Mittelung. Senkrechter Strich
entspricht der Markierung für den aerob-anaeroben Übergang.
Aufgrund der großen Anzahl von Variablen und Einzelanalysen erfolgen alle Darstellungen
deskriptiv und es wurde bewusst keine Berechnung von Signifikanzniveaus durchgeführt
um nicht eine Pseudogenauigkeit und Sicherheit vorzutäuschen. Prädiktive Indizes wie
Sensitivität, Spezifität und positive Vorhersagewahrscheinlichkeit wurden lediglich
bzgl. der Höhe des Transferkoeffiizienten und dem Auftreten einer Belastungshypoxämie
berechnet.
Sauerstoffaufnahme (VO2 [ml · min- 1 oder ml · kg- 1 · min- 1])
Die maximal erreichte VO2 erlaubt keine Differenzierung zwischen kardialer und pulmonaler Funktionsstörung,
sie stellt lediglich ein Maß für die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit dar. Der Begriff
VO2max sollte nur verwandt werden, wenn ein eindeutiges Levelling off (Plateau-Bildung)
trotz Belastungssteigerung erzielt wird. Es gibt zahlreiche Definitionen des Plateaus
wie z. B. VO2-Anstieg < 1 ml · kg- 1 · min- 1 trotz Erhöhung der Belastung [34]
[53]. Für die klinische Routine sind diese differenzierten Betrachtungen unnötig [48]. Im Gegensatz zur Vorstellung, dass ein Levelling off nur bei gesunden, leistungsfähigen
Probanden möglich ist, sehe ich auch bei vielen Patienten ein Levelling off. Entscheidend
ist nur, dass eine motivierende verbale Stimulation während der Belastung den Patienten
zur individuellen Maximalleistung führt. Sofern kein Levelling off vorliegt, sollte
der Begriff VO2peak und nicht VO2max verwandt werden. VO2peak als einen wesentlichen Parameter für die Aufnahme auf eine Herz-Transplantationsliste
zu nehmen (< 10 - 14 ml · kg- 1 · min- 1), wie in Transplantationsrichtlinien festgeschrieben, ist problematisch, da hierbei
nicht erkennbar ist, ob eine individuelle Ausbelastung erfolgte [43]. Das Unterschreiten des Grenzwertes 14 ml · kg- 1 · min- 1 war bei Patienten mit Herzinsuffizienz während einer Nachbeobachtungsdauer von 889
Tagen mit einem 2,5-fach höheren Risiko verbunden als das Überschreiten dieses Wertes
bei symptomlimitierter Fahrradergometrie [20].
Klinisch relevant ist nur die auf das Körpergewicht bezogene Sauerstoffaufnahme. Bei
Sportarten wie Rudern, Bahnradfahren und z. B. Schwimmen, bei denen das Körpergewicht
nicht selbst getragen werden muss, kann jedoch ein Vergleich der Absolutwerte aussagekräftiger
sein [36].
Die Korrelation von VO2peak zur Gehstrecke im standardisierten 6-Minuten-Gehtest (mit verbaler Motivation)
betrug in unserem Patientenkollektiv 0,58. Der Gehtest zeigt zwar eine Korrelation
zur kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit und ist wesentlich einfacher und preiswerter
durchzuführen als eine Spiroergometrie, jedoch erlaubt er abgesehen vom subjektiven
Eindruck des Untersuchers und den Angaben des Untersuchten keine weiteren Rückschlüsse
auf eine kardiale oder pulmonale Leistungslimitierung [13]
[22]
[47]. Die Extrapolation auf die globale Belastungsfähigkeit im Alltag ist durch den Gehtest
jedoch gut gegeben.
Es existieren zahlreiche Sollwertformeln für die Sauerstoffaufnahme VO2max. Zum großen Teil stammen diese Sollwertformeln aus amerikanischen Untersuchungen,
die z. T. mittels Laufband durchgeführt wurden und bei denen die ethnische Zusammensetzung
des Untersuchungskollektivs nicht bekannt ist. Es wird in der Regel nicht angegeben,
ob die vorgeschlagenen Algorithmen sich auf VO2max oder VO2peak beziehen. Diese Differenzierung ist auch in unserem Kollektiv problematisch.
Das Kriterium für die maximale Belastung war die „Erschöpfungslimitierung” bzw. die
zum Abbruch zwingende Symptomatik [55]. Die für VO2max oben diskutierten Kriterien wurden aus fehlender Relevanz für die Klinik nicht
speziell analysiert. Da VO2max primär von der erreichten Maximalbelastung abhängig ist, habe ich, nachdem in
einer bundesweiten kardiologischen Vergleichsstudie in unserer Klinik deutlich höhere
Maximalbelastungen erzielt werden als bei einem vergleichbaren Patientenkollektiv
im deutschen Mittelwert (125 W in unserer Klinik bei 57 68-jährigen Postinfarktpatienten,
versus 75 W bei 14 586 68-jährigen Postinfarktpatienten), aus dem Kollektiv der von
mir untersuchten Normalpersonen (Alter 15 - 64 Jahre, n = 87, Kaukasier) folgende
Sollwertformeln ermittelt:
Männer
VO2SollBreuer (ml · min- 1) = 911,28 · BSA (Body Surface Area) - 18,90 · Alter + 1.629,78
Frauen
VO2SollBreuer (ml · min- 1) = 1513,99 · BSA - 15,99 · Alter - 136,77
Die Sollwertformeln wurden auf Plausibilität in den Kollektiven kardial, pulmonal
und pulmokardial mit den von Hansen ([23], 34 - 74 Jahre), Jones ([28], 15 - 71 Jahre) und Pothoff ([41], 20 - 70 Jahre) beschriebenen Algorithmen verglichen. Da es sich bei den Formeln
um lineare Gleichungssysteme handelt lässt sich mathematisch eine Extrapolation in
alle Altersbereiche durchführen. Aufgrund der nur wenigen Daten außerhalb der Standardabweichung
des Alters werden „Sollwerte” in diesen Grenzbereichen problematisch. Diese Einschränkung
trifft auf nahezu alle Sollwertformeln zu.
Beispiel Kollektiv pulmonal: Breuer: 2040 ml · min- 1, Jones: 2162 ml · min- 1, Pothoff: 1824 ml · min- 1. Die großen Unterschiede zwischen den nach verschiedenen Algorithmen errechneten
Sollwerten werden in Abb. [2] u. [3] deutlich. Die nach den eigenen Sollwertformeln berechneten „Sollwerte” liegen bei
den Männern älter als 60 Jahre höher als die mit den Vergleichsformeln berechneten
Werten und bei den Frauen liegen sie im Altersbereich 20 - 80 Jahre zwischen den mit
den Vergleichsformeln berechneten Werten. Aufgrund des graphischen Verlaufs der Sollwertkurven
muss die neu vorgeschlagene Sollwertberechnung als reliabel und valide für den Altersbereich
von 20 - 80 Jahre angesehen werden. Sowohl Patienten mit pulmonaler als auch Patienten
mit kardialer Limitierung erreichen in der Regel ihren „Sauerstoff-Sollwert” nicht
[50]. VO2peak stellt einen wesentlichen Prognoseparameter für Patienten mit Herzinsuffizienz
dar [20]
[35]
[50].
Abb. 2 Regressionsgeraden für die Sauerstoffaufnahmebestimmung bei Männern in Abhängigkeit
von den Algorithmen nach Hansen, Jones, Pothoff und Breuer.
Abb. 3 Regressionsgeraden für die Sauerstoffaufnahmebestimmung bei Frauen in Abhängigkeit
von den Algorithmen nach Jones, Pothoff und Breuer.
Aerob/anaerober Übergang (anaerobe Schwelle, AT)
Es ist physiologisch unsinnig, von der „anaeroben Schwelle” zu sprechen. Eine anaerobe
Schwelle existiert nicht, es existiert jedoch eine weite Spanne des aerob/anaeroben
Übergangs von der primär aeroben Belastung bis zur anaeroben (laktaziden) Maximalbelastung.
Es ist daher erforderlich, bei der Analyse des aerob/anaeroben Übergangs grundsätzlich
anzugeben, welches Verfahren für die individuelle Analyse herangezogen wird. In Abhängigkeit
vom verwandten Parameter und Untersuchungskollektiv findet sich in eigenen Untersuchungen
bei Gesunden ein Übergang, der bei zirka 40 % VO2peak beginnt und bei zirka 75 % VO2peak mit Überschreiten von 4 mmol · l- l Laktat endet [21]. In der Regel verwende ich zur Analyse des aerob/anaeroben Übergangs die V-slope-Methode.
In Abwandlung der von Beaver beschriebenen Methode [3] trage ich VO2 und VCO2 auf der Ordinaten auf und verwende eine Abszisseneinteilung in Minuten. Meines Erachtens
ist auf diese Weise visuell der „Schwellenwert” leichter zu erkennen als bei dem von
Beaver beschriebenen Verfahren, bei dem VCO2 auf der Ordinate und VO2 auf der Abszisse aufgetragen werden [3]. Der aerob/anaerobe Übergang entspricht dem Teil der Kurve, wo die Steigung VCO2/VO2 > 1 wird (nicht wie oft fehlerhaft angewandt = 1). Bei der von mir verwandten graphischen
Darstellung wird der VCO2-Slope zum Zeitpunkt der „Schwelle” deutlich steiler als der VO2-Slope. Unterhalb des aerob/anaeroben Übergangs laufen beide Kurven parallel (Abb.
[1]). Alternativ kann die „ventilatorische” Schwelle am Anstieg des Atemäquivalentes
für O2 (EQO2) bestimmt werden. Zu diesem Zeitpunkt darf zum Ausschluss einer Hyperventilation
noch kein Anstieg im Atemäquivalent für CO2 (EQCO2) vorliegen. Eine weitere Methode zur Detektion des aerob/anaeroben Übergangs ist
ein abrupter Anstieg des endexspiratorischen Partialdrucks für O2 (ETpO2) bei konstantem endexspiratorischen Partialdruck für pCO2 (ETpCO2) [52]. Bei sportmedizinischen Fragestellungen analysiere ich zusätzlich folgende Laktatschwellen:
Ausgangslaktat vor Belastung + 1,5 mmol · l- 1, 2 mmol · l- 1 Laktat und 4 mmol · l- 1 Laktat. Der Punkt des ersten Laktatanstiegs, häufig ist dies die 2 mmol · l- 1-Laktatschwelle, wird auch als „aerobe Schwelle” in Abgrenzung zur 4 mmol · l- 1-Laktatschwelle, der so genannten „anaeroben Schwelle”, bezeichnet. Die nach der V-slope-Methode
bestimmte Schwelle entspricht ungefähr der 4 mmol · 1-Laktatschwelle. Die Laktatbestimmung erfolgt am Ende jeder Belastungsstufe. Die mit
der V-slope-Methode-Schwelle entsprach bei 15 Balletttänzerinnen und Tänzern des Görlitzballetts
weitgehend der 4 mmol · l-1-Laktatschwelle (39,8 ± 6,7 ml · kg- 1 · min- 1 bzw. 36,6 ± 6,2 ml · kg- 1 · min- 1). Der lineare Korrelationskoeffizient betrug 0,79.
Der aerob/anaerobe Übergang wird entweder als Absolutwert von VO2 zum analysierten Zeitpunkt oder als prozentualer Anteil am errechneten Sauerstoffsollwert
angegeben. Bei Patienten ist es erforderlich, den Sauerstoffsollwert (siehe oben)
zu berechnen und nicht als Bezugsgröße das individuelle Maximum - häufig ist dies
nur VO2peak - zu verwenden. Lediglich bei leistungsfähigen, gesunden Probanden und bei Sportlern
(die naturgemäß höhere Werte als in einem Normalkollektiv ermittelt aufweisen) sollten
die individuellen Maximalwerte der Sauerstoffaufnahme verwandt werden. Sofern Patienten
einen höheren VO2-Wert erreichen als nach dem Sollwert zu erwarten, wird der erreichte Wert gleich
100 % gesetzt und der aerob/anaerobe VO2-Wert hierauf bezogen (AT [%]). Der jeweils angewandte individuelle Bezug bei Bestimmung
der AT, entweder bezogen auf den VO2-Sollwert (VO2Soll) - dann muss die verwandte Sollwertformel angegeben werden - oder bezogen auf
den VO2-Messwert (VO2measured), z. B. Sportler, muss erwähnt werden.
Der aerob/anaerobe Übergangsbereich, in dem die Dauerleistungsgrenze liegt, ist sowohl
für die individuelle Empfehlung sportlicher Belastungen als auch für Trainingsprogramme
relevant. Bei solchen Empfehlungen sollte, damit sie auch umgesetzt werden können,
die Herzfrequenz dem Untersuchten mitgeteilt werden. Mit der V-slope-Methode gemessene
Werte unter 50 % sind aufgrund meiner Erfahrung typisch (sicher keiner hohe Sensitivität,
jedoch hohe Spezifität) für eine systolische Funktionsstörung (häufig hierbei gleichzeitig
gegenüber Sollwert reduzierte VO2peak, reduzierter Hf-slope und Sauerstoffpuls). Ursächlich hierfür ist, dass das bei
einer systolischen Funktionsstörung des linken Ventrikels reduzierte Herzzeitvolumen
aufgrund der peripheren Minderperfusion zu einem früher einsetzenden laktaziden Stoffwechsel
führt als eine primär diastolische Funktionsstörung bei der die pulmonale Stauung
im Vordergrund steht. Ein stark oszillierender Verlauf der Ventilationsparameter findet
sich gelegentlich bei einer systolischen Herzinsuffizienz (Abb. [4]); die Spezifität dieses Kriteriums ist jedoch nicht hoch. Ein Unterschied in der
Prognose zwischen Patienten mit oszillatorischer Ventilation („Cheyne-Stokes-Atmung
am Tage”) und Patienten ohne diese scheint nicht zu bestehen [30]. Der Absolutwert der mit der V-slope-Methode bestimmten AT kann zur perioperativen
Risikoabschätzung bei großen Abdominaleingriffen verwandt werden. AT < 11 ml · kg- 1 · min- 1 war mit einer kardiovaskulären Mortalität von 4,6 % verbunden, die kardiovaskuläre
Mortalität war 0 % bei AT > 11 ml · kg- 1 · min- 1 und einem Atemäquivalent für O2 (EQO2) < 35 bei fehlenden Ischämiekriterien während des Belastungstests [39].
Abb. 4 Oszillationen bei einem Patienten mit Herzinsuffizienz (Ejektionsfraktion 35 %), 9-Felder-Tafel
nach Wassermann.
Das Fehlen des aerob/anaeroben Übergang ist charakteristisch für pulmonal schwer kompromittierte
Patienten oder Patienten mit arterieller Verschlusskrankheit, die bereits vor Auftreten
einer metabolischen Dekompensation limitiert sind. Bei ansonsten normalen spiroergometrischen
Parametern und unter Berücksichtigung des klinischen Eindrucks bei Belastung, kann
bei fehlendem Erreichen eines aerob/anaeroben Übergangs auch auf eine nicht ausreichend
motiviert durchgeführte Belastung rückgeschlossen werden.
Die Angaben der von Untersuchungen mit dem Laufband herrührenden, in Studien oft verwandten
Weber-Klassifikation [34]
[53] beziehen sich primär auf eine Quantifizierung der Herzinsuffizienz und differenzieren
weder nach Alter und Geschlecht. Für klinische Fragestellungen ist die Weber-Klassifikation
(A: VO2peak > 20 ml · min1 · kg- 1 bis D: VO2peak < 10 ml · min- 1 · kg- 1) zu unpräzise.
Hf-slope (Herzschlag · ml- 1 · kg)
Der von Wasserman [52] bereits in einer Vergleichsgraphik „normal - COPD - kardial” dargestellte Hf-slope
(Anstieg der Herzfrequenz bezogen auf den Anstieg von VO2 im Belastungsbereich oberhalb des aerob/anaeroben Übergangs) ist auch nach unseren
Daten ein gut differenzierender Parameter für das Vorliegen einer kardialen Insuffizienz
(systolisch und diastolisch, hierbei aufgrund des Hf-slope alleine keine weitere Differenzierung
möglich). Bezogen auf die NYHA-Klassifikation ergaben sich aufgrund unserer Daten
folgende Einteilungen:
Normalpersonen: 5,5 ± 1,0 Herzschlag · ml- 1 · kg
NYHA I: 7,0 ± 1,0 Herzschlag · ml- 1 · kg
NYHA II: 7,6 ± 3,6 Herzschlag · ml- 1 · kg
NYHA III: 11,7 ± 2,7 Herzschlag · ml- 1 · kg
Der Effekt einer β-Blocker-Therapie bei schwerer Herzinsuffizienz lässt sich sehr
gut an einer Normalisierung dieses Parameters erkennen (Tab. [2]). Wie von Wolfel [54] beschrieben, zeigt sich bei klinischem Rückgang einer Herzinsuffizienz ebenfalls
eine Normalisierung des Atemäquivalents für CO2.
Tab. 3 Verlauf der Atemäquivalente bei den verschiedenen Untersuchungskollektiven (s. Tab.
[1]), zusätzliche Differenzierung des „kardialen” Kollektivs nach β-Blockertherapie
Kollektiv |
EQO2
|
EQCO2
|
|
Ruhe |
AT |
Belastung |
Ruhe |
AT |
Belastung |
normal
|
31 |
29 |
42 |
36 |
28 |
34 |
kardial
|
37 |
35 |
49 |
43 |
35 |
40 |
kardial ohne β (n = 51)
|
38 |
36 |
51 |
44 |
36 |
42 |
kardial β (n = 21)
|
35 |
32 |
42 |
40 |
32 |
35 |
pulmonal
|
34 |
32 |
39 |
40 |
32 |
33 |
pulmokardial
|
39 |
37 |
45 |
45 |
38 |
39 |
Sauerstoffpuls (VO2peak · Hf- 1 [ml · Herzschlag- 1])
Im Gegensatz zum Hf-slope, der den Anstieg Herzfrequenz versus VO2-Aufnahme zum Belastungsende charakterisiert, handelt es sich hier um einen einfachen
Quotienten, der bei Belastungsabbruch ermittelt wird. Dieser Wert ist sehr stark altersabhängig.
Werte < 12 bei Probanden jünger als 60 Jahre sind pathologisch und deuten zusammen
mit einem reduzierten Hf-slope, einer reduzierten VO2peak und einem frühen aerob/anaeroben Übergang auf eine systolische Herzinsuffizienz
hin. Sofern die übrigen Spiroergometrieparameter normal sind, ist ein isoliert niedriger
Sauerstoffpuls typisch für einen Trainingsmangel („kleines Schlagvolumen”). Unter
Betablockade ist der Sauerstoffpuls in der Regel normal bis erhöht, ein reduzierter
Sauerstoffpuls deutet auf eine nicht ausreichende Betablockade hin.
Normalkollektiv: 15 ± 3 ml · Herzschlag -1
„kardiales” Kollektiv ohne Betablocker: 11 ± 4 ml · Herzschlag -1
„kardiales” Kollektiv mit Betablocker: 16 ± 5 ml · Herzschlag -1
„pulmonales” Kollektiv: 11 ± 3 ml · Herzschlag -1
„pulmokardiales” Kollektiv: 10 ± 3 ml · Herzschlag -1
Totraumventilation (VD/VT [%] oder dezimal)
Die Totraumventilation sollte bei Patienten ausschließlich mit der Bohr’schen Formel
bestimmt werden, was eine zusätzliche Blutgasanalyse zu Beginn und zum Ende der Belastung
erforderlich macht. Wenn anstelle des nicht gemessenen arteriellen pCO2 der endexspiratorische pCO2, der üblicherweise bei der Spiroergometrie automatisch erfasst wird, verwandt wird,
kann dies bei großer Differenz zwischen pCO2 und endexspiratorischem pCO2 zu Fehlern führen [52]. Ein häufiger Fehler bei Berechnung der Totraumventilation tritt bei fehlenden Abzug
des individuellen Maskenvolumens auf. Die Herstellerangaben sind diesbezüglich unbedingt
bei Einstellung des Spiroergometriegerätes zu berücksichtigen. Ein fehlender Abfall
von VD/VT unter Werten von 20 - 15 % ist auffällig und deutet auf eine Ventilations/Perfusionsstörung
unter Belastung hin. Eine Differenzierung, ob es sich hier primär um eine pulmonale
Erkrankung (z. B. Atelektasen) oder eine kardiale (Lungenembolien) handelt, ist nicht
möglich. Die Totraumventilation ist lediglich Ausdruck des vorliegenden Ventilations/Perfusionsverhältnisses
und einer ventilatorischen Inhomogenität, jedoch nicht einer zugrunde liegenden pathophysiologischen
Ätiologie. Eine Ventilations/Perfusionsstörung ist aufgrund der pulmonalen Stauung
u. a. typisch für eine diastolische Dysfunktion. (Einflusserschwernis in den linken
Ventrikel mit sekundärer Ventilations/Perfusionsstörung, hierbei zusätzlich erhöhter
Hf-slope, oft erniedrigte VO2peak, erhöhtes EQCO2, Vorliegen eines diastolischen Blutdruckanstieges und gelegentlich Auftreten von
Stauungsrasselgeräuschen). Ventilations/Perfusionsstörungen finden sich ebenso bei
pulmonalen Erkrankungen wie z. B. COPD. In unserem Kollektiv fanden sich während der
Belastung folgende VD/VT-Reduktionen:
Normalkollektiv: 0,29 - 0,14
„kardiales” Kollektiv: 0,32 - 0,18
„pulmonales” Kollektiv: 0,31 - 0,21
„pulmokardiales” Kollektiv: 0,34 - 0,23
„obstruktive” aus „pulmonalem” und „pulmokardialem” Kollektiv (n = 47): 0,31 - 0,21
„restriktive” aus „pulmonalem” und „pulmokardialem” Kollektiv (n = 23): 0,35 - 0,23
Atemäquivalente für (EQO2) und (EQCO2)
Die Atemäquivalente beschreiben, wie viel Liter ventiliert werden müssen, um 1 Liter
O2 aufzunehmen bzw. 1 Liter CO2 abzugeben. Vor Belastung erhöhte Atemäquivalente mit Normalisierung unter Belastung
sind typisch für Ventilations/Perfusionsstörungen. Der tiefste Punkt des EQO2 vor endgültigem und kontinuierlichem Anstieg ist eine Kenngröße des aerob/anaeroben
Übergangs und gehört zu den ventilatorischen Schwellen wie V-slope und die Analyse
des aerob/anaeroben Übergangs anhand des ETpO2 und ETpCO2-Verlaufs [45]
[52]. Dieser Wert ist gelegentlich schwierig zu bestimmen, wenn die EQO2-Kurve stark oszilliert (z. B. bei Herzinsuffizienz, Cheyne-Stokes-Atmung). Zu dem
Zeitpunkt des EQO2-Anstiegs darf EQCO2 noch nicht ansteigen, um eine für den Anstieg von EQO2 ursächliche Hyperventilation auszuschließen. Der Tiefpunkt des EQO2 ist der Punkt des optimalen Wirkungsgrades der Atmung; ab diesem Punkt beginnt die
respiratorische Kompensation der metabolischen Azidose. Mit Zunahme der metabolischen
Azidose wird die respiratorische Kompensation überschritten und auch EQCO2 steigt im Kollektiv der Normalpersonen und der primär kardial limitierten Patienten
an. Ein entsprechend eindeutiger Anstieg war im Mittel bei den pulmonal oder pulmokardial
limitierten Patienten, deren Belastungslimitierung weniger durch eine metabolische
Azidose gekennzeichnet ist, nicht erkennbar. Ebenso zeigte das Kollektiv der mit Betablockern
therapierten „kardialen” Patienten keinen deutlichen EQCO2-Anstieg (Tab. [3]). Gelegentlich findet sich bei obstruktivem Ventilationsmuster während der Ergometrie
kein klar erkennbarer tiefster Punkt, so dass der aerob/anaerobe Übergang dann anhand
der Atemäquivalente nicht bestimmbar ist.
In dem von mir untersuchten „Normalkollektiv” fand sich eine Korrelation von - 0,59
zwischen dem bei Maximalbelastung vorliegenden pCO2 und EQCO2 [35], die Korrelation war wesentlich ausgeprägter bei kardial kompromittierten Patienten
und betrug hier - 0,70. Die bei Belastungsende vorliegende Totraumventilation korrelierte
mit EQCO2 bei diesen Patienten mit 0,58.
Hohe EQCO2-Werte sind typisch für das Vorliegen einer Herzinsuffizienz [1]
[10]
[16]
[9]
[27]
[40]. Der durch Kurvenanpassung im aeroben Teil der Belastung bestimmten Anstieg VE/VCO2 (EQCO2-slope) > 30 ist hinweisend auf eine kardiale Dysfunktion und stellt einen der Sauerstoffaufnahme
und der Ejektionsfraktion überlegenen Prognoseparameter bei Herzinsuffizienten dar
(Abb. [5]). Der Apnoe-Hypopnoe-Index bei nächtlicher Cheyne-Stokes Atmung korrelierte bei
20 Patienten mit dem EqCO2-slope (r = 0,613), jedoch nicht mit VO2peak und der linksventrikulären Ejektionsfraktion [1].
Abb. 5 Verlauf des Anstiegs des Atemäquivalents für CO2 bei einem gesunden Probanden und bei einem Patienten mit Herzinsuffizienz.
Atemzugvolumen (AZV, tidal volume-TV [l])
Das Verhältnis des maximalen Atemzugvolumens zur inspiratorischen Kapazität und Vitalkapazität
ist differenzialdiagnostisch zur Erkennung einer ventilatorischen Belastungslimitierung
relevant. Das maximale Atemzugvolumen beträgt im Kollektiv der gesunden Normalpersonen
76 ± 15 % ( Wasserman 70 ± 10 %) der inspiratorischen Kapazität und 56 ± 8 % (Wasserman
50 ± 10 %) der Vitalkapazität (Wasserman [52]). In unseren Kollektiven betrug das Verhältnis des maximalen AZV zur inspiratorischen
Kapazität bei Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen 69 ± 15 %, bei Patienten
mit restriktiven 80 ± 12 %. Bei den restriktiven Ventilationsstörungen zeigt sich
frühzeitig während Belastung ein deutlicher Atemfrequenzanstieg, während er bei nicht
pulmonal eingeschränkten Patienten überwiegend erst nach Überschreiten des aerob/anaeroben
Übergangs auftritt.
Abb. 6 Bestimmung der Atemreserve unter Berücksichtigung der Bestimmung der maximalen willkürlichen
Ventilation nach FEV1 · 30, FEV1 · 40 und nach Messung der maximalen Ventilation über 12 s und Multiplikation mit
5. Die Messung von FEV1 und die Messung der maximalen Ventilation über 12 s erfolgten sowohl in sitzender
Position (a) des Untersuchten als auch in halbliegender (b). Die Bezugsgröße für die Errechnung der Atemreserve, die maximale Ventilation während
Belastung, wurde jeweils am Ende der erschöpfungslimitierten Belastung in halbliegender
Untersuchungsposition bestimmt.
Atemreserve (AR, breathing reserve - BR [%])
Die AR stellt die prozentuale Differenz zwischen maximaler Ventilation während Belastung
und dem willkürlich erreichten Ventilationsmaximum (maximal voluntary ventilation,
MVV) dar. Problematisch ist, dass die Werte der Atemreserve je nach der zur Bestimmung
von MVV verwandten Methode stark variieren. Die Differenzen zwischen einer Bestimmung
der Atemreserve, bei der das MVV direkt gemessen wird (z. B. maximale Ventilation
über 12 s · 5) oder bei der es nach den Formeln FEV1 · 30 bzw. FEV1 · 40 [52] errechnet wird, sind extrem. Des Weiteren zeigen sich deutliche Unterschiede, ob
die Ventilationsparameter im Sitzen bestimmt werden oder in halbliegender Position
[15]. Eigene Untersuchungen zeigen z. B. bei gleichen Patienten, dass sowohl eine aufgehobene
Atemreserve (- 3 %) als auch eine erhaltene (22 %) in Abhängigkeit von der Methode
errechenbar ist (Abb. [6]). Des Weiteren zeigen die extremen Standardabweichungen die Problematik in der Benutzung
der Atemreserve als Diskriminationsparameter zwischen „pulmonaler” und „kardialer”
Belastungslimitierung.
Abb. 7 Verlauf der Atem- und Herzfrequenzreserve bei ausbelastetem unsportlichen Hypertoniker
(a), trainiertem 15-Jährigen (b) und bei einem Patienten mit pulmonaler Langerhans-Zell-Histiozytose (c).
Beispiel: Atemreserve bestimmt unter Berücksichtigung der MVV-Berechnung nach FEV1 · 40 : 100 - (VE · 100)/(FEV1 · 40):
Normalkollektiv: 28 ± 15 %
„kardiales” Kollektiv: 34 ± 12 %
„pulmonales” Kollektiv: 20 ± 16 %
„pulmokardiales” Kollektiv: 24 ± 18 %
„obstruktive” aus „pulmonalem” und „pulmokardialem” Kollektiv (n = 47): 20 ± 18 %
„restriktive” aus „pulmonalem” und „pulmokardialem” Kollektiv (n = 23): 21 ± 15 %
Meines Erachtens ist die direkte Bestimmung der maximal willkürlichen Ventilation
(Ventilation über 12 s mit Hochrechnung auf 1 min) die sinnvollste und verlässlichste
Methode für die Bezugsgröße der MVV. Diese Methode ist jedoch extrem stark von der
Patientenmitarbeit abhängig und bei Asthmatikern aufgrund einer durch die forcierte
Ventilation induzierten Obstruktion häufig nicht durchführbar.
Eine niedrige AR wird häufig als Kriterium für eine pulmonale Funktionsstörung angesehen
[52]. Dies ist eindeutig falsch, da eine aufgehobene Atemreserve auch bei Gesunden, die
in der Ergometrie erschöpfungslimitiert belastet werden, vorliegen kann (Abb. [7]). Im Kontext mit anderen Messparametern (z. B. fehlender aerob/anaerober Übergang
und erhaltene Herzfrequenzreserve bei Belastungsabbruch) weist allerdings eine aufgehobene
AR durchaus auf eine pulmonale Limitierung hin. Eine isoliert aufgehobene AR darf
jedoch nicht als Beleg für eine pulmonale Belastungslimitierung genommen werden.
Abb. 8 Bestimmung der Fluss-Volumen-Kurve bei einer 28-jährigen Patientin mit Belastungsabbruch
wegen Beinschwäche, normale Lungenfunktionsdiagnostik; keine ventilatorische Limitierung.
Flussvolumenkurve unter Belastung (FVK)
Die Bestimmung der FVK unter Belastung stellt eine relativ neue Möglichkeit zur Beurteilung
einer ventilatorischen Belastungslimitierung dar [2]
[25]
[26]. Vor Belastung wird eine maximale FVK bestimmt. Am Ende jeder Belastungsstufe erfolgt
eine Bestimmung der inspiratorischen Kapazität zur Positionierung der für einige Atemzüge
aufgezeichneten Ventilationsschleifen innerhalb der Ausgangs-FVK. Hierbei wird das
inspiratorische Volumen nach inspiratorischem Kapazitätsmanöver von der totalen Lungenkapazität
während Ruhebedingungen (Ausgangs FVK) abgezogen, um das endexspiratorische Lungenvolumen
zu erhalten. Eine normale Belastungsregulation ist durch Reduktion oder Konstanz des
endexspiratorischen Lungenvolumens gekennzeichnet ([2], Abb. [8]). Im Normalfall soll die Ventilationsschleife während Belastung nicht die Begrenzung
der vor Belastung bestimmten maximalen FVK erreichen (ventilatorische Limitierung).
Prinzipiell lassen sich je nach Kurvenbegrenzung bezogen auf die Ausgangs-FVK eine
Volumen- und eine Strömungsbehinderung unterscheiden. Nach meiner Erfahrung sind die
in- und exspiratorischen Flüsse während Belastung oft höher als bei der FVK vor Belastung.
Wahrscheinlich handelt es sich hier um belastungsindizierte bronchodilatatorische
Effekte. Die Belastung ist ventilatorisch limitiert, wenn zusätzlich zu einer dynamischen
Hyperinflation (Anstieg des endexspiratorischen Lungenvolumens) die Atemschleife in
ihrem TLC-Maximum deckungsgleich mit der vor Belastung bestimmten FVK wird. Bei Patienten
mit interstitiellen Lungenerkrankungen sind kaum Änderungen des endexspiratorischen
Lungenvolumens vorliegend, ebenso erreicht die Atemschleife sehr schnell die vor Belastung
bestimmte Begrenzung. Bei diesen Patienten ist aufgrund der zugrunde liegenden Pathophysiologie
eine Steigerung der Ventilation fast nur durch die Atemfrequenz möglich.
Blutdruckverhalten während Belastung
Auch wenn vielfach von „Belastungshochdruck” gesprochen wird, gibt es hierfür keine
von den Fachgesellschaften definierte Kriterien.
Der Anstieg des systolischen Blutdrucks unter Belastung ist physiologisch, eine Interpretation
eines deutlichen Anstiegs im Sinne eines pathologischen Belastungsblutdrucks ist nicht
korrekt. Es gibt allerdings Grenzwerte [18], die auf die spätere Entwicklung einer Hypertonie hinweisen (z. B. Werte > 200 mm
Hg bei 100 W), jedoch ist auf der anderen Seite ein Wert von 250 mm Hg bei erschöpfungslimitierter
Belastung per se nicht krankhaft. Bei 50- bis 70-jährigen steigt pro Dezennium der
obere Grenzwert bei 100 Watt um 10 mm Hg systolisch und 5 mm Hg diastolisch. Ein normales
Blutdruckverhalten in der Erholungsphase ist dadurch gekennzeichnet, dass in der 5.
Erholungsminute nach 100 Watt ein Wert von 140/90 mm Hg erreicht bzw. unterschritten
wird [12]. Aufgrund der Abhängigkeit des Blutdruckanstiegs vom Anstieg des Herzzeitvolumens,
welcher bei Hypertoniker reduziert sein kann, wird die Analyse des systolischen Blutdrucks
nach den aktuellen ESC/ESH-Empfehlungen [14] nicht als wertvoller Routineparameter bei der Belastungsdiagnostik von Hypertonikern
angesehen. Der diastolische Blutdruck bleibt unter Belastung weitgehend unverändert
oder steigt nur mäßig an. In der Regel wird bei der Belastungsdiagnostik nur das Verhalten
des systolischen Blutdrucks berücksichtigt [42]. Dennoch gibt es zahlreiche Patienten die primär einen ausgeprägten Anstieg des
diastolischen Blutdrucks unter Belastung zeigen und klinisch Belastungsdyspnoe beklagen.
Ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Cholesterinspiegel als auch der Insulinresistenz
und Anstieg des diastolischen, nicht jedoch des systolischen Blutdrucks unter Belastung
wurde beschrieben [6]. Wahrscheinlich ist pathophysiologisch für den diastolischen Blutdruckanstieg eine
endotheliale Dysfunktion ursächlich. Pathologisch ist m. E. ein Anstieg des diastolischen
Blutdrucks > 10 mm Hg. In unserem Kollektiv ist dieses Blutdruckverhalten in der Regel
häufig verknüpft mit dem Vorliegen einer linksventrikulären Hypertrophie und den Kennzeichen
einer diastolischen Funktionsstörung unter Belastung (Hf-slope-Anstieg, nicht ausreichende
Reduktion der Totraumventilation, Belastungsdyspnoe, kurzfristig Rasselgeräusche nach
Belastungsabbruch, p-Wellen-Überhöhung im EKG).
End tidal pO2 und end tidal pCO2 (ETpO2 und ETpCO2 [mmHg])
Der endexspiratorisch gemessene pO2 (ETpO2) liegt bei normalen Ruheblutgaspartialdrücken ≥ 90 mm Hg. Während Belastung nimmt
dieser Wert zu. Er entspricht ungefähr dem alveolären pO2 bei Lungengesunden. Ein Anstieg des ETpO2 während Belastung bei noch konstantem ETpCO2 ist ein Parameter des aerob-anaeroben Übergangs [52]. Der Anstieg ist Ausdruck der beginnenden Hyperventilation. Mit zunehmender Hyperventilation
nimmt ETpCO2 als Folge der Kompensation der belastungsinduzierten metabolischen Azidose ab.
Blutgase, Sauerstoffsättigung (SO2 [%]), alveolo-arterielle Sauerstoffpartialdruck-Differenz (AaDO2 [mm Hg])
Die pulsoximetrische Sauerstoffsättigung (SO2) ist unter Belastung zu stark artefaktanfällig, als dass sie für die Diagnose „Belastungshypoxämie”
verlässlich herangezogen werden kann. SO2 ist allerdings ein sinnvoller Überwachungsparameter während der Belastung. Bei der
Pulsoximetrie muss jedoch ihre geringe Sensitivität für Veränderungen des Sauerstoffpartialdrucks
oberhalb 70 mm Hg beachtet werden. Ich bestimme grundsätzlich vor Belastungsbeginn
und kurz vor Belastungsabbruch die Blutgase aus dem Blut des hyperämisierten Ohrläppchen
[44]. Eine Belastungshypoxämie ist definiert als ein pO2-Abfall > 5 mm Hg und ein Übergang von Normoxämie zu Hypoxämie, bzw. ein weiterer
pO2-Abfall bei bereits bestehender Ruhehypoxämie. Bei reduziertem Transferkoeffizienten
für CO (KCO) ist eine Belastungshypoxämie wahrscheinlicher als bei normalem [7], so dass insbesondere bei diesen Patienten eine pulsoximetrische SO2-Überwachung eine kritische Belastungshypoxämie „online” anzeigen kann. Die Sensitivitäten,
Spezifitäten und positive Vorhersagewahrscheinlichkeiten für eine Belastungshypoxämie
(kleiner unterer Referenzwert [44] und pO2-Abfall um mindestens 5 mmHg) in Abhängigkeit vom Transferkoeffizienten sind in Tab.
[4] aufgeführt. Der lineare Korrelationskoeffizient zwischen KCO und Unterschied pO2 vor Belastung und pO2 bei Belastungsabbruch (Delta pO2) betrug - 0,2 und zwischen KCO und pO2 bei Belastungsabbruch 0,3.
Tab. 4 Sensitivität, Spezifität und positive Vorhersagewahrscheinlichkeit [31] für das Auftreten einer Belastungshypoxämie in Abhängigkeit vom Transferkoeffizienten
Transferkoeffizient für CO (KCO) |
Sensitivität |
Spezifität |
Positive Vorhersagewahrscheinlichkeit |
KCO < 70 % Soll
|
71 % |
69 % |
40 % |
KCO < 60 % Soll
|
64 % |
78 % |
45 % |
KCO < 50 % Soll
|
50 % |
92 % |
64 % |
Die alveolo-arterielle Sauerstoffpartialdruckdifferenz (AaDO2) erlaubt wesentlich sensitiver als die Analyse der Blutgase den Nachweis einer Gasaustauschstörung
[49]. Ein Anstieg oberhalb des Normwertes (Alter+ 10)/2 oder auch > 35 mm Hg bei Alter
> 50 Jahre) ist pathologisch. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass aerob trainierte
Sportler mit einer VO2max über 60 ml · kg- 1 · min- 1 eine belastungsinduzierte Hypoxämie aufweisen können, in deren Folge die AaDO2 ansteigt. Eine Zunahme der AaDO2 kann hierbei sowohl Folge eines Ventilations/Perfusionsungleichgewichtes als auch
Folge einer begrenzten Sauerstoffdiffusion sein [24].
Atemfrequenz (Af [min- 1])
Eine in Ruhe erhöhte Atemfrequenz (> 20 min- 1) deutet entweder auf eine Hyperventilation oder auf das Vorliegen einer restriktiven
Ventilationsstörung hin. Af > 50 min- 1 bei maximaler Belastung sind verdächtig, jedoch nicht beweisend, für das Vorliegen
einer restriktiven Ventilationsstörung. Auch gut trainierte gesunde Probanden erreichen
Werte von 60 min-1.
Herzfrequenz (Hf [· min- 1])
Die Ermittlung der Herzfrequenz ist für den Nachweis einer individuellen Ausbelastung
oder auch den Nachweis einer chronotropen Inkompetenz [32] sinnvoll. Sollwertformeln für die Herzfrequenz sind diesbezüglich hilfreich, sollen
jedoch auf keinen Fall zur Belastungssteuerung herangezogen werden. Eine hohe Herzfrequenzreserve
(Differenz zum Sollwert: 220 - Lebensalter = maximale Herzfrequenz während Belastung)
und eine hohe AR sind bei erschöpfungslimitierter Belastung ungewöhnlich und deuten
darauf hin, dass die Belastung, sofern keine anderen Kriterien der Erschöpfungslimitierung
wie Levelling off, Laktat > 9 mmol · l- 1 und pH < 7,25 vorliegen, nicht individuell maximal war [31]
[48]. Im Vergleich mit Patienten erreichen trainierte Gesunde schneller ein steady state
der Herzfrequenz unter Belastung. Bei Bestimmung des Parameters „physical working
capacity - PWC” wird die Leistung (Watt) auf eine definierte Herzfrequenz , z.B. Hf
150 - PWC 150, extrapoliert. Die Bestimmung der PWC ist in der Arbeitsmedizin und
Pädiatrie relevanter als in der klinischen Diagnostik von Erwachsenen [33].
Überflüssige Messparameter bei Spiroergometrie
Die Borg'sche Skala [5] trägt nicht zur Differenzierung zwischen den verschiedenen Ursachen einer Belastungslimitierung
bei und zeigt lediglich den vom Patienten individuell empfundenen Schweregrad der
Belastung. Von daher ist sie als einfach zu erfassender Parameter im Rehabilitationstraining
oder auch als Parameter zur Therapieüberprüfung von Bedeutung. In der Literatur wird
die Skala nach Borg auch als RPE (Ratings of Perceived Exertion) bezeichnet. Es gibt
sowohl eine neuere Einteilung von 0 - 10 als auch eine Einteilung von 6 - 20. Da beide
RPE-Skalen gebräuchlich sind, sollte bei Angabe der Borg-Werte der jeweilige Bezug
angegeben werden (z. B. Bezug auf die 10-Punkte-Skala nach Borg oder auf die 20-Punkte-Skala).
Die EQO2-Werte, die RQ-Werte und die Bestimmung der aeroben Kapazität (Anstieg von Sauerstoff
bezogen auf die Leistungsaufnahme, dVO2/d Watt) sind in den von mir analysierten Kollektiven für die Differenzierung zwischen
den verschiedenen Kollektiven nicht von Relevanz.
Neue Einsatzmöglichkeiten der Spiroergometrie
Als weiterer Prognoseparameter für eine Herzinsuffizienz wurde neben dem EQCO2-Verlauf und VO2peak der nicht invasive Index „circulatory power” als Surrogat für den invasiv zu
bestimmenden Index „peak exercise cardiac power” vorgeschlagen. Es handelt sich hierbei
um das Produkt aus VO2 und systolischem Blutdruck bei maximaler Belastung (mm Hg · ml O2 · min- 1 · kg- 2). Die „circulatory stroke work” wurde durch Division der „circulatory power” durch
Hf bestimmt. Die hypothetische Begründung für den neuen Index liegt im physiologischen
Zusammenhang zwischen dem Produkt aus dem Sauerstoffpuls und dem systolischen Blutdruck
mit dem „zentralen” Parameter Schlagvolumen und dem „peripheren” Parameter arteriovenöse
Sauerstoffdifferenz [11].
Ein während Ergometrie abrupt auftretender Rechts-Links-Shunt über ein offenes Foramen
ovale bei primärer pulmonaler Hypertonie induziert eine Hyperventilation. Der hohe
Anteil von CO2 und H+ im Shuntblut stimuliert die arteriellen Chemorezeptoren und führt zu einem Anstieg
des alveolären pO2 mit akuter ETPO2-Erhöhung. Ebenso steigt EQO2 im Gegensatz zu EQCO2. Es kommt zudem zum Anstieg des respiratorischen Quotienten und zum SO2-Abfall. Die Sensitivität, die Spezifität und Vorhersagewahrscheinlichkeit für ein
offenes Foramen ovale bei primärer pulmonaler Hypertonie lagen zwischen 90 und 96
% [51].
Das Auftreten einer belastungsinduzierten Ischämie führt zu einer Abflachung der dVO2/d-Watt-Kurve und des Anstiegs des Sauerstoffpulses bezogen auf die Leistung. Durch
die zusätzliche Analyse dieser spiroergometrischen Variablen stieg die Sensitivität
des Belastungs-EKGs von 46 auf 87 % und die Spezifität von 66 auf 74 %. Von 21 Patienten
mit Ruhe-EKG-Veränderungen und falsch positivem Belastungs-EKG hatten 19 einen normalen
Slope [4].