Einleitung
Seit dem Nachweis von Brucella melitensis als Ursache des Maltafiebers beim Menschen Ende des 19. Jahrhunderts durch Bruce,
der später für seine Leistungen zum Ritter geschlagen wurde, und dem späteren Nachweis
der Übertragung durch den Genuss von Ziegenmilch vom Tier auf den Menschen spielt
die Brucellose eine bedeutende Rolle unter den weltweit auftretenden Zoonosen. Dafür
sprechen die vielen synonymen Bezeichnungen z. B. Melitokokkose, undulierendes Fieber,
Mittelmeerfieber, Gibraltar-Fieber, Morbus Bang, die für diese Infektionskrankheit
in Gebrauch sind.
Epidemiologie
Brucellose beim Menschen kann durch Brucella (B.) melitensis, B. abortus, B. suis oder B. canis hervorgerufen werden. Die weltweit größte Verbreitung hat die durch B. abortus hervorgerufene Rinderbrucellose, während die Schaf- und Ziegenbrucellose, ausgelöst
durch B. melitensis vor allem in der Mittelmeerregion, Westasien und einigen Gebieten Afrikas und Lateinamerikas
vorkommt. Allerdings haben sich in den letzten Jahren auch bei Rindern Infektionen
mit B. melitensis ausgebreitet. Ähnliche Entwicklungen sind bei B. suis zu beobachten. Neben dem Hauptwirt Schwein spielt das Rind eine zunehmende Rolle,
auch was die mögliche Übertragung des Erregers auf die humane Population betrifft
[1]. Die Übertragung von B. canis auf den Menschen ist möglich, allerdings bisher selten beschrieben [2]. Dagegen ist die bei Ziegen und Schafen weit verbreitete und hochpathogene Spezies
B. ovis für den Menschen bisher nicht als krankheitsauslösend bekannt geworden.
Die Hauptinfektionswege der Brucellen für den Menschen sind oral alimentär, über die
verletzte Hautoberfläche oder die Konjunktiven und durch die Inhalation von infektiösen
Aerosolen. Rohmilchprodukte, unter anderem der in verschiedenen Regionen Südeuropas
produzierte Schaf- und Ziegenkäse, stellen eine wichtige Infektionsquelle dar. Viele
der in Deutschland in den letzten Jahren angezeigten Brucellosefälle des Menschen
haben dort ihren infektiösen Ursprung. Eine Infektion ist auch durch den Verzehr von
erregerhaltigem rohen oder nur wenig erhitztem Fleisch möglich. Weitere gefährdete
Risikogruppen sind Personen mit direktem Tierkontakt (Schlachthofpersonal, Bauern,
Tierärzte) oder mit Exposition zu erregerhaltigen Materialien oder Aerosolen (Laborpersonal).
Die Angaben zur Inzidenz der humanen Brucellose variieren stark. So schwanken sie
für die Mittelmeerregion und den Nahen Osten zwischen weniger als 1 bis zu 78 Fällen
pro 100 000 Einwohnern. In endemischen Gebieten steigt diese Zahl bis auf 550 [3]. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist nur in Einzelfällen (Organtransplantation,
Sexualkontakt) berichtet worden [4].
Symptomatik/Diagnose
Das klinische Bild einer Brucellose ist sehr variabel. Nach einer Inkubationszeit
von einigen Tagen bis mehreren Monaten kann der Beginn der Erkrankung plötzlich und
akut sein. Zu den zahlreichen möglichen Symptomen gehören Fieber, Schüttelfrost, Schweißausbrüche,
Kopfschmerz, Verstopfung, Husten, körperliche Schwäche und Muskelschmerz. In vielen
Fällen beginnt die Erkrankung eher subakut und versteckt. Die Symptome sind eher unspezifisch.
Charakteristisch für eine Brucellose sind fokale Lokalisationen, die mit zunehmender
Erkrankungsdauer mehr in den Vordergrund treten. Am häufigsten sind osteo-artikuläre
Komplikationen in Form von Sacroileitis, Spondylitis, Arthritis, Coxitis, Bursitis,
Tendosynovitis und seltener Osteomyelitis. Andere mögliche Komplikationen sind endokardial,
pulmonal, kardiovaskulär, kutan, urogenital oder okulär lokalisiert. Außerdem kommen
Erkrankungen im Bereich des Verdauungstraktes und psychische Störungen vor. Damit
verbunden sind Symptome, wie sie auch bei anderen Erkrankungen dieser Gewebe und Organe
zu verzeichnen sind. Besonderes Augenmerk muss in diesen Fällen auf die Patientengeschichte
gelegt werden, und die Diagnose sollte immer durch labordiagnostische Untersuchungen
abgesichert werden. Während akuter Erkrankungsphasen sind Blutkulturen zur Erregeranzüchtung
und -differenzierung sehr effizient. Daneben bieten sich auch Knochenmark oder Probenmaterial
aus den Erkrankungslokalisationen an [5]. Hinzu kommen PCR-Methoden zum Direktnachweis des Erregers, die vor allem bei chronischen
Formen der Erkrankung weiterer Validierung bedürfen [6]. Da der direkte Erregernachweis nicht immer erfolgreich verläuft, sind serologische
Methoden zum Nachweis spezifischer Antikörper in Anwendung. Dabei ist besonderes Augenmerk
auf das Vorkommen der verschiedenen Immunglobulinklassen zu richten. IgM erscheint
in einer früheren Infektionsphase, während später IgG und IgA dominieren. Als diagnostische
Verfahren dominieren heute Enzymimmunoassays für spezifische IgG und IgA, um aktive
Infektionen zu detektieren [7]. Zur Unterstützung von Screeningtests ist Western Blotting gegen ausgewählte Zytoplasmaproteine
sinnvoll, um aktive Infektionen von früheren oder subklinischen Infektionen zu unterscheiden
[8].
Pulmonale Manifestation
Experimentelle Untersuchungen an Meerschweinchen zeigten, dass die minimale respiratorische
Infektionsdosis bei weniger als 100 Keimen liegt. Obwohl eine Infektion über die Atemwege
der Tiere stattfand, entwickelten sich keine primären Lungenläsionen. Vielmehr waren
die diagnostizierbaren pathologischen Veränderungen vergleichbar mit denen nach einer
subkutanen Verabreichung des Erregers mit dem Unterschied einer ausgeprägteren zervikalen
und mediastinalen Lymphadenopathie [9]. Auch bei mit hoher Wahrscheinlichkeit aerogen verursachten Brucelloseerkrankungen
bei Schlachthofarbeitern in den USA konnten röntgenologisch keine Lungenveränderungen
festgestellt werden [10]. Die Beobachtungen aus dieser und anderen Studien verdeutlichen: Bei einer systemischen
Brucellose, die durch Inokulation des Erregers über die Lunge entstanden ist, muss
dieses Organ selbst nicht unbedingt Veränderungen aufweisen [11].
Über die Beteiligung des Respirationstraktes bei lokalen Manifestationen der Brucellose
gibt es wenige Veröffentlichungen. Meist handelt es sich um Fallstudien. So wurde
bei einem Patienten in Spanien ein Pleuraempyem festgestellt. Aus dem Pleuraexsudat
gelang der Nachweis von B. melitensis [12]. Die Infektion eines Kindes in Saudi-Arabien, die serologisch und durch Isolierung
von B. melitensis aus dem Blut diagnostiziert worden war, verkomplizierte sich durch eine Lungenmanifestation
in Form eines Empyems [13]. Auch bei einem portugiesischen Patienten, der in der Schweiz wegen eines Langzeitempyems
behandelt wurde, konnte B. melitensis als ursächlicher Erreger isoliert werden. Die Autoren wiesen darauf hin, als behandelnder
Arzt in ähnlichen Fällen besonderes Augenmerk auf Patienten zu richten, die aus Regionen
kommen, in denen Brucellose häufiger diagnostiziert wird [14]. Bei einem 12-jährigen israelischen Mädchen mit Pneumonie und einem Pleuraerguss
wurde wiederum B. melitensis gefunden [15]. Auch aus einem solitären Knoten in der Lunge eines Spaniers war der Erreger nachweisbar
[16]. Bei einer ähnlichen granulomatösen Veränderung eines amerikanischen Patienten hingegen
wurde B. suis isoliert [17].
Innerhalb eines Zeitraumes von 15 Jahren waren in zwei amerikanischen Hospitälern
vier Fälle einer lokalisierten Brucellose aufgetreten. Neben einem Aneurysma und einer
sich rasch entwickelnden Demenz, in beiden Fällen wurde B. abortus isoliert, waren auch zwei Lokalisationen im Bereich des Brustkorbes zu verzeichnen.
Bei einer Frau mit Schmerzen in dieser Region zeigte das Röntgenbild eine große zentral
kalzifizierte Masse im mittleren Mediastinum, die chirurgisch entfernt werden musste.
Das Abszessmaterial wurde bakteriologisch untersucht, und B. abortus wurde isoliert. Es stellte sich heraus, dass die Frau 44 Jahre vorher auf einer Farm
beim Schweineschlachten beteiligt gewesen war und eine Pneumonie bekommen hatte. In
der Folgezeit fühlte sie sich chronisch krank, hatte Muskelschmerzen und Atembeschwerden.
Ein vierter Patient wurde mit Fieber und Husten eingeliefert. Auf dem Röntgenbild
der Lunge war eine Infiltration im linken Basislappen sichtbar. Die Diagnose wurde
durch einen Anstieg des Brucella-Antikörpertiters von 1 : 80 auf 1 : 1280 innerhalb
von 7 Tagen gestellt. Eine 14-tägige Tetrazyklinbehandlung führte zur vollständigen
Heilung [18].
In einer kuwaitischen Klinik wurde bei 9 Personen eine Lungenbrucellose festgestellt.
Sie waren mit Fieber, Husten und mukopurulentem Sputum vorgestellt worden. Die Röntgenaufnahmen
des Brustkorbes zeigten pneumonische Veränderungen bei fünf, Pleuraergüsse bei drei,
ein Granulom und das Bild einer interstitiellen Pneumonie bei je einem Patienten.
Bei allen war ein erhöhter Brucella-Antikörpertiter bestimmbar. Bei sechs der Kranken
konnte aus dem Blut B. melitensis angezüchtet werden. Die gleiche Spezies wurde aus Pleuraflüssigkeit bei zwei von
drei Untersuchten nachgewiesen. Eine Kombinationsbehandlung aus Oxytetrazyklin, Doxyzyklin,
Rifampizin, Trimethoprim-Sulfamethoxazol war erfolgreich [19].
In einer Studie [20] an 3 Krankenhäusern in südosteuropäischen Ländern konnte bei 31 von 450 Patienten,
bei denen in den Jahren 1999 bis 2002 labordiagnostisch Brucellose nachgewiesen wurde,
eine Beteiligung des Respirationstraktes festgestellt werden. Hinzu kamen 6 Patienten
zwischen 1995 und 1999, deren Krankengeschichte aus den Akten eines der beteiligten
Hospitäler entnommen wurde. Von 36 dieser nunmehr 37 Patienten ist bekannt, dass sie
vorher keinerlei respiratorische Krankheitsmanifestationen hatten. Ein Patient war
10 Jahre vorher an Tuberkulose erkrankt und entsprechend behandelt worden. Die Hauptsymptome
der Betroffenen waren produktiver oder trockener Husten und Fieber. Einige zeigten
Dyspnoe. Bei einer Person kam es zu Haemoptoe. Aus Sputum konnten keine Brucellen
isoliert werden.
Im Röntgenbild waren lobäre Pneumonien vor allem an den Basislappen oder interstitielle
Pneumonien nachweisbar. In einigen Fällen kam es zum Pleuraerguss. Aus solchem Material
konnte B. melitensis isoliert werden.
Von diesen 37 Patienten hatten 75 % auch andere lokale Komplikationen. Dabei handelte
es sich um Hepatitis (18 Fälle), Spondylitis (12), Polyarthritis (2), Epididymo-Orchitis
(2), Meningitis (1) und generalisierte Lymphadenopathie (1). Bei 8 Personen trat mehr
als eine extrapulmonale Komplikation auf.
In einer anderen Studie aus Indien [21] wurden im Zeitraum 1996 bis 2000 bei 7 von 96 Patienten mit serologisch diagnostizierter
Brucellose typische Symptome gefunden, die für eine Einbeziehung des Respirationstraktes
in das Krankheitsgeschehen sprechen. Diese Personen zeigten Husten, Auswurf, Brustschmerzen
und Atemnot im Zusammenhang mit Fieber und anderen Symptomen.
Röntgenologisch konnten nur bei drei Patienten Veränderungen in Form von Pleuraerguss,
Parenchymverdichtungen oder pneumonische Veränderungen gefunden werden.
In der Türkei (Anatolien) wurde eine retrospektive Analyse an 283 Brucellosefällen
durchgeführt [22]. Dabei traten bei 63 % osteoartikuläre, bei 17 % kutane, bei 8 % urogenitale, bei
7 % nervale, bei 4 % hämatologische und bei 5 % respiratorische Komplikationen auf.
Letztgenannte waren vor allem bei Kindern zu verzeichnen.
Trotz der aufgeführten Fälle und Studien gehören respiratorische Komplikationen, selbst
bei aerogener Infektion, zu den selteneren Lokalisationsformen einer Brucellose. Sie
treten nach einer Bakteriämie meist als Bronchitis, Bronchopneumonie, Pleuraerguss,
Lungenabszess oder Hiluslymphadenopathie auf. Differenzialdiagnostisch ist die Abgrenzung
zur Tuberkulose wichtig und über Laboruntersuchungen möglich. Für Mediziner in Ländern,
die wie Deutschland offiziell frei von Brucellose sind, sollte bei Patienten mit unklarer
Genese einer Lungenerkrankung der Historie hinsichtlich von Aufenthalten in endemischen
Gebieten bzw. des Verzehrs von Rohmilchprodukten aus solchen Regionen Beachtung geschenkt
werden. Eine rechtzeitige Diagnose und adäquate antibiotische Therapie führen in aller
Regel zu einer komplikationslosen Ausheilung.