Einleitung 
         
         
            
            Einleitung 
            
            Das Abhusten von großen verzweigten Bronchusausgüssen ist ein seltenes und für Patient
               und Arzt gleichermaßen beeindruckendes Ereignis. Im Schrifttum finden sich verschiedene
               Bezeichnungen, die nicht immer einheitlich verwendet werden. Bronchitis plastica,
               Bronchitis fibrinosa, Bronchitis pseudomembranosa oder im englischsprachigen Raum
               cast bronchitis werden meist synonym für eine Bronchitis mit phasenweiser Expektoration
               von ausgedehnten, verzweigten Bronchialausgüssen verwandt [1 2 3 4 
            
            
            Die erste Beschreibung dieses Phänomens stammt bereits von Galen aus dem zweiten Jahrhundert
               nach Christi. Er hielt die Bronchialausgüsse für abgehustete Blutgefäße [4 5 6 
            
             
         
            
Epidemiologie 
         
         
            
            Epidemiologie 
            
            Genaue epidemiologische Daten sind nicht verfügbar. Im 18. und auch noch zu Beginn
               des 19. Jahrhunderts, widmete sich die Medizin intensiver dem Krankheitsbild und es
               entstand eine größere Zahl von Falldarstellungen. Eine Literaturübersicht von Bettmann
               aus dem Jahr 1902 zitiert rund hundert Fälle, die zwischen 1870 und 1900 veröffentlicht
               wurden [5 6 7 6 8 9 
            
             
         
            
Ätiologische Überlegungen 
         
         
            
            Ätiologische Überlegungen 
            
            Beim weit überwiegenden Teil der Patienten entstehen die Bronchusausgüsse im Rahmen
               einer Grunderkrankung. Das Spektrum möglicher Krankheiten ist groß (Tab. [1 2 6 
            
            
               
                  Tab. 1  Mögliche Grunderkrankungen bei Bronchialausgüssen 
                  
                     
                        Asthma bronchiale 
                         
                     
                        Herzinsuffizienz 
                         
                   
               
             
            
            Es ist unklar, warum bei gleicher Grunderkrankung eine sehr geringe Zahl von Patienten
               Bronchialausgüsse bilden und die weitaus meisten nicht. Vermutlich müssen mehrere
               Faktoren zusammentreffen. Diskutiert werden unter anderem eine Störung der mukoziliaren
               Clearence und klimatische Einflüsse [8 10 11 7 1 4 10 7 12 10 13 14 14 2 2 
            
             
         
            
Diagnostik 
         
         
            
            Diagnostik 
            
            
               Klinik:  Die klinische Symptomatik entwickelt sich von Fall zu Fall unterschiedlich. Leitsymptom
               ist ein produktiver Husten [15 16 1 9 1 2 7 8 9 
            
            
            Durch subtotale Bronchusverlegung kommt es zu asthmaähnlichen Beschwerden oder dem
               als pathognomonisch beschriebenen Ventilgeräusch, das durch Flattern von Ausgüssen
               im Bronchuslumen entstehen soll [4 6 7 
            
            
            Die Konsistenz der Ausgüsse ist gummiartig, die Farbe weiß-gelblich. Eine braune oder
               schwarze Verfärbung kann auf Einblutungen oder eine Pilzbesiedelung hinweisen [6 
            
            
            
               Differenzialdiagnostische Aspekte:  Bei fehlender klinischer Zuordnung kann die histologische Zusammensetzung der Ausgüsse
               Hinweise auf die Ätiologie geben. Sind die Ausgüsse durch einen hohen Fettanteil leichter
               als Wasser, muss von einer Ausgussbildung auf dem Boden eines Lymphstatus ausgegangen
               werden. Im histologischen Präparat findet man in diesen Fällen große Fettvakuolen
               und zahlreiche Lymphozyten [14 6 8 16 17 
            
            
            Zur Abgrenzung einer allergischen Grunderkrankung sind neben den bekannten Kriterien
               zur Diagnose von Asthma und allergischer bronchopulmonaler Aspergillose und der histologischen
               Untersuchung des Ausgusspräparates die Röntgen-Lokalisation und das Ansprechen auf
               eine systemische Steroidtherapie differenzialdiagnostisch wertvoll. Bei der Bronchitis
               plastica liegen die Lungeninfiltrate bevorzugt in den Unterlappen, während bei Asthma
               und allergischer bronchopulmonaler Aspergillose meist die Oberlappen betroffen sind
               [2 3 2 
            
             
         
            
Therapie und Prognose 
         
         
            
            Therapie und Prognose 
            
            Ist die Bronchitis plastica Komplikation einer Grunderkrankung, sollte deren optimale
               Behandlung im Zentrum der therapeutischen Bemühungen stehen [3 15 
            
            
            Bei akuter Atemnot oder poststenotischer Pneumonie kann die bronchoskopische Entfernung
               der Ausgüsse die Situation dramatisch verbessern oder gar lebensrettend sein [3 15 18 9 17 
            
            
            Bei Kindern wurde nach Korrektur zyanotischer Herzvitien kasuistisch über die erfolgreiche
               Inhalation von Urokinase oder r-TPA berichtet [19 20 2 7 9 15 
            
            
            Die Prognose der Bronchitis plastica ist in der Regel günstig, wenn eine gut zu beherrschende
               Grunderkrankung vorliegt. Die Ausgussbildung kann spontan sistieren [3 7 21 2 1 
            
             
         
            
Kasuistik 
         
         
            
            Kasuistik 
            
            Eine bisher gesunde Frau erkrankte mit 61 Jahren rezidivierend an fieberhaften Bronchitiden.
               Wiederholte Gaben von Antibiotika waren zunächst erfolgreich. Ein persistierender
               Husten ließ sich durch Gabe topischer Steroide oder Bronchodilatatoren nicht beeinflussen.
               Nach sechs Monaten wurde die Patientin im Rahmen einer Exazerbation erstmals bronchoskopiert.
               Der Befund beschreibt das Bild einer hypertrophen, hypersekretorischen Bronchitis.
               Im Anschluss an die Bronchoskopie kam es zur klinischen Verschlechterung und die Patientin
               beobachtete von nun an häufiger geformte, anfänglich körnige, später wurmartige Partikel
               im Auswurf. 18 Monate nach Krankheitsbeginn wurde die stationäre Aufnahme in einer
               auswärtigen pneumologischen Abteilung wegen einer schweren fieberhaften Exazerbation
               notwendig. Bei wiederholten Bronchoskopien sah man zunehmende Bronchialeinengungen
               bis hin zum Bronchusverschluss durch gelblich-höckerige Schleimhautauflagerungen,
               die mit der Zange teilweise extrahiert werden konnten. Eine histologische Untersuchung
               der Ausgusspräparate erfolgte nicht. Alle mikrobiologischen und serologischen Untersuchungen
               einschließlich der Autoimmundiagnostik und die allergologische Diagnostik verliefen
               negativ.
            
            
            Die Erkrankung konnte zu diesem Zeitpunkt weder durch erneute Antibiotikagabe noch
               durch eine hochdosierte systemische Steroidtherapie nachhaltig gebessert werden. Nach
               wiederholten Bronchoskopien kam es jeweils zu einer weiteren Zustandsverschlechterung.
            
            
            Die Verlegung in unser Haus erfolgte intubiert und beatmet unter der Verdachtsdiagnose
               Pilzpneumonie, die sich auf den endoskopischen Schleimhautaspekt stützte. Die Röntgen-Thoraxaufnahme
               zeigte bei Übernahme beidseitige perihiläre Verdichtungen und eine Unterlappenatelektase
               links. Bei der Bronchoskopie sahen wir lumenverschließende Bronchialausgüsse. Aus
               dem linken Unterlappen konnte ein großer Ausguss extrahiert werden, der einem kompletten
               anatomischen Ausgusspräparat entsprach (Abb. [1 2 
            
            
            
                  Abb. 1   Bronchialausguss
                
            
                  Abb. 2  Histologie Bronchialausguss, Hämatoxylin-Eosin (Präparat Dr. J. Galle, Forschungsinstitut
                     Borstel).
                
            Die typische Anamnese und Klinik, der bronchoskopische Befund und die Histologie der
               Ausgüsse führten zur Diagnosestellung Bronchitis plastica. Hinweise auf eine Grunderkrankung
               ergaben sich zu diesem Zeitpunkt nicht. Das Computertomogramm der Thoraxorgane zeigte
               nur geringfügige, am ehesten sekundäre Bronchiektasen des linken Lungenunterlappens
               von zu geringer Ausprägung, um als Krankheitsursache infrage zu kommen. Ein Schweißtest
               verlief negativ. Hinweise auf eine Herzinsuffizienz ergaben sich weder klinisch noch
               echokardiographisch. Ein Asthma bronchiale war nach ausbleibender Besserung auf eine
               adäquat hohe systemische Steroidtherapie und aufgrund der Ausgussanalyse unwahrscheinlich.
            
            
            Wegen des hohen Fibringehaltes der Ausgüsse wurde ein Therapieversuch mit Heparin
               eingeleitet. Die Inhalation von 20 000 Einheiten zweimal täglich verhinderte eine
               Neubildung der Fibrinausgüsse wirksam, so dass bereits nach wenigen Tagen auf die
               zuvor regelmäßig notwendigen endoskopischen Bronchialtoiletten verzichtet werden konnten.
               Eine erneute Exazerbation im Rahmen einer Therapiepause belegte eindrücklich die Wirksamkeit
               der Heparin-Inhalationen.
            
            
            Der weitere Krankheitsverlauf wurde durch einen linksseitigen Chylothorax kompliziert,
               der im Anschluss an die Weaning-Phase auftrat und durch die üblichen konservativen
               Maßnahmen nicht beherrscht werden konnte. Eine bipedale Lymphographie zeigte zwei
               größere Kontrastmitteldepots in Höhe der distalen BWS und des rechten Hilus und in
               Spätaufnahmen zahlreiche kleineren Depots im gesamten Mediastinum und an einigen Stellen
               in Projektion auf das peribronchiale Interstitium. Ein regulärer Ductus thoracicus
               kam nicht zur Darstellung (Abb. [3a 3b 
            
            
            
                  Abb. 3  Bipedale Lymphographie, Spätaufnahme, a  Rö.-Thorax p. a, b  Rö.-Thorax seitlich.
                
            Der weitere postoperative Verlauf gestaltete sich günstig. Unter einer sehr lockeren
               fettreduzierten Diät persistierten beidseits pleurale Restergüsse. Die Lungenfunktion
               zeigte eine leichte, im Verlauf abnehmende Restriktion mit einer Einschränkung der
               totalen Lungenkapazität auf zuletzt 71 % vom mittleren Soll und einer grenzwertig
               normalen Vitalkapazität. Die Patientin ist im Alltag nicht eingeschränkt. Die inhalative
               Heparin-Therapie wurde nach 15 Monaten ohne Nachteile auf 2 × 10 000 I. E./d reduziert.
               Ein Auslassversuch ist geplant.
            
             
         
            
Diskussion 
         
         
            
            Diskussion 
            
            Die Diagnose der Bronchitis plastica sollte aufgrund der klinischen Befunde oder eines
               typischen Endoskopiebefundes unproblematisch sein [1 
            
            
            Die histologische Begutachtung des Ausgussmaterials und die Suche nach einer möglichen
               Grunderkrankung können weitere therapeutische Optionen eröffnen. Bei fibrinreichen
               Ausgüssen hat sich die Inhalation von Heparin als effektiv und unproblematisch erwiesen.
               Systemische Nebenwirkungen wurden bisher nicht beobachtet [2 19 
            
            
            Die Ätiologie der Ausgussbildung ist bei der von uns beobachteten Patientin nicht
               zweifelsfrei. Als Ursache ist zum einen eine Abflussbehinderung im Gebiet der mediastinalen
               Lymphwege zu diskutieren, deren Ursache nicht geklärt ist. Eine Fehlanlaage der Lymphwege
               wie eine Lymphangiektasie, bei der ein Chylothorax, Chyloptysen und Bronchialausgüssen
               auftreten können, manifestiert sich in deutlich geringerem Lebensalter. Als Ursache
               möglich erscheint eine erworbene Lymphabflussbehinderung oder eine Aplasie oder Hypoplasie
               des Ductus thoracicus mit konsekutiver Erweiterung von mediastinalen Lymphwegen. Die
               Dekompensation der Lymphdrainage erfolgte vermutlich unter dem Einfluss der zahlreichen
               intensiv-medizinischen Maßnahmen einschließlich der passageren Überdruckbeatmung.
               Zum anderen muss eine allergische Erkrankung diskutiert werden, für deren Vorliegen
               Befunde sprechen, die im Rahmen der Verlaufskontrollen erhoben wurden. So fanden wir
               eine mittelgradige bronchiale Überempfindlichkeit im Histamintest, einen Anstieg des
               NO-Wertes in der Ausatemluft von 29 ppb auf zuletzt 79 ppb und des Gesamt-IgE von
               34 auf 128 kU/l, eine leichte Bluteosinophilie und in einer kürzlich entnommenen Biopsie
               aus der Bronchialschleimhaut eosinophile Granulozyten in erhöhter Zahl. Möglicherweise
               sind diese Befunde durch die in der Akutphase der Erkrankung längerfristig und hochdosiert
               durchgeführte systemische Steroidtherapie maskiert worden. Andererseits ließen sich
               keine asthmatypischen Beschwerden in der Vorgeschichte erfragen. Ohne antiasthmatische
               Medikation sind Symptome eines Asthmas bisher ausgeblieben. Dass ein Asthma bronchiale
               durch den günstigen Einfluss einer inhalativen Heparintherapie auf die Mediatorfreisetzung
               bei Asthmatikern vollständig kontrolliert wird, ist anzuzweifeln. Eine allergische
               bronchopulmonale Aspergillose konnten wir serologisch ausschließen. Möglicherweise
               gibt der weitere Krankheitsverlauf nach Beendigung der inzwischen zweieinhalb Jahre
               lang durchgeführten Heparin-Inhalationen weiteren Aufschluss über die Ätiologie.
            
            
            Unsere Patientin ist nach den von Hammelmann und Konietzko (2) berichteten Fällen
               der vierte Fall in der Literatur, bei dem Bronchusausgüsse durch Inhalation von Heparin
               behandelt wurden. Eine Prüfung der therapeutischen Wirksamkeit erscheint bei allen
               fibrinreichen Bronchusausgüssen unabhängig von ihrer Ätiologie Erfolg versprechend.
               Die Bezeichnung Bronchitis plastica sollte deshalb unabhängig von der Krankheitsursache
               auf Erkrankungen mit fibrinreichen Ausgüssen angewandt werden, da sich hieraus therapeutische
               Implikationen ergeben.