Endoskopie heute 2004; 17(2): 124-125
DOI: 10.1055/s-2004-820319
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die „sanfte” Endoskopie

“Mild” EndoscopyW. Rösch1
  • 1Medizinische Klinik am Krankenhaus Nordwest, Frankfurt a. M.
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Publication Date:
06 July 2004 (online)

In zunehmendem Maße setzt sich, auch in der Praxis des niedergelassenen Gastroenterologen, die Gabe von Propofol zur Analgosedierung des Patienten durch: während noch vor einigen Jahren nur weniger als 5 % aller Koloskopien in Propofolnarkose durchgeführt wurden, sind dies zwischenzeitlich mancherorts schon über 80 %, insbesondere auch bei Vorsorgekoloskopien, obwohl noch viele Probleme, auch unter juristischen Aspekten nicht ausdiskutiert sind.

So befasste sich auch der 34. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Endoskopie und bildgebende Verfahren 2004 in München ausgiebig mit Aufklärung, Komplikationsvermeidung und organisatorischen Voraussetzungen bei der Analgosedierung mit Propofol bei endoskopischen Eingriffen.

Zwischenzeitlich hat die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin Leitlinien zur Sedierung und Analgesie von Patienten durch Nicht-Anästhesisten publiziert, die in diesem Heft abgedruckt werden. Damit sind allerdings, insbesondere im internationalen Vergleich noch lange nicht alle Probleme vom Tisch, die sich für den Endoskopiker ergeben können, wenn es zu einem „Narkosezwischenfall” kommt. In der Tat handelt es sich ja bei der Gabe von Propofol (ob mit oder ohne Begleitmedikation mit Midazolam) nicht um eine Analgosedierung, sondern um eine Narkose mit strengen Auflagen vonseiten der Hersteller und des BfArM.

So ist primär nicht verständlich, warum in der Gebrauchsinformation von Propofol Lipuro® der Firma Braun, Melsungen, im Gegensatz zu den anderen Herstellern (AstraZeneca, Fresenius, curamed, ratiopharm) ausdrücklich festgeschrieben ist: „Anwendung nur in Krankenhäusern oder in adäquat ausgerüsteten Tageskliniken von anästhesiologisch bzw. intensivmedizinisch ausgebildeten Ärzten”. Somit kommt zumindest dieses Präparat für die niedergelassene Praxis nicht in Frage.

Allen Gebrauchsinformationen gemein ist die Festlegung, dass die Gabe von Propofol an einen zweiten, nicht primär mit der Untersuchung befassten Arzt gebunden ist, der über intensivmedizinische Erfahrungen verfügen sollte. Die Gabe von Propofol kann somit nicht, wie in der Schweiz üblich und in entsprechenden Fachzeitschriften publiziert, an eine speziell geschulte Schwester delegiert werden.

Aber auch weitere Maßnahmen sind zu beachten oder haben sich als empfehlenswert erwiesen. Dies beginnt mit der Aufklärung über die Narkose und mögliche Nebenwirkungen, evtl. anhand eines Aufklärungsbogens, wie sie für Narkose und/oder Regionalanästhesie handelsüblich sind. Wichtiger erscheint jedoch nach dem BGH-Urteil vom 8.4.2003 (AZ: VI ZR 265/02, ein Aufklärungsbogen über ambulante Eingriffe, auf dem festgehalten ist, wer den Patienten abholt und wie die häusliche Pflege während der folgenden 24 Stunden gewährleistet ist.

Bereits vor Beginn der Narkose unter pulsoxymetrischer Überwachung sollte Sauerstoff über eine Nasensonde appliziert werden. Um einen Blutdruckabfall bei Hypovolämie, z. B. nach abführenden Maßnahmen im Rahmen der Koloskopievorbereitung zu vermeiden, sollten während der Narkose 250 ml NaCl verabreicht werden. Die Bolusgabe von Propofol, wie sie vielerorts gepflegt wird, ist problematisch, insbesondere bei älteren Patienten, und sollte per infusionem (1-3 mg/kg/h=3-10 ml/h bei Propofol 2 %) abgelöst werden. Die Zukunft gehört sicher der Target Controlled Infusion (TCI) mit einer Dosierung von 0,5-1,0 µg/ml für die flache Sedierung und 1,0-1,5 µg/ml für eine tiefe Sedierung.

Problematisch ist unverändert die geringe therapeutische Breite, d. h. der geringe Abstand zwischen Sedierung und Narkose mit Atemstillstand, zumal wir über kein Antidot verfügen im Gegensatz zu Anexate bei Midazolamüberdosierung.

Wann kann der Patient nach einer Propofolnarkose entlassen werden? Da anerkannte kognitive Testverfahren nicht zur Verfügung stehen oder wie die Tests zur Erkennung der hepatischen Enzephalopathie bei dieser Fragestellung nicht evaluiert wurden, hat man sich auf folgende Aktivitäten verständigt: Wenn der Patient in der Lage ist, sich anzuziehen, selbständig Wasser zu lassen und insbesondere ein Glas Wasser leerzutrinken, ohne sich zu verschlucken, kann er aus der Fürsorgepflicht des Endoskopikers entlassen werden, ohne dass er damit bereits verkehrsfähig ist oder an seinen Arbeitsplatz zurückkehren kann.

Dessen ungeachtet empfiehlt es sich nach wie vor bei Risikopatienten (ASA III und IV), sich der Hilfe eines Anästhesisten zu versichern, dessen Kosten mit EUR 150,00 pro Stunde errechnet wurden.

So „schön” die sanfte Endoskopie für den Patienten ist - und er besteht in zunehmendem Maße auf einer Untersuchung in „Vollnarkose” - so problematisch kann die Propofolgabe in der Praxis im Einzelfall einmal sein. Es lohnt sich, die Gebrauchsinformationen der Hersteller subtil durchzuarbeiten und entsprechende Empfehlungen umzusetzen, wenn wir die Situation wie in Frankreich vermeiden wollen, dass alle intravenös verabreichten Medikamente, sei es Midazolam, Piritramid, S-Ketamin oder Propofol, nur von einem Anästhesisten verabreicht werden dürfen.

Literatur

  • 1 Leitlinie zur Sedierung und Analgesie (Analgosedierung) von Patienten durch Nicht-Anästhesisten 2002,. Anästh Intensivmed 43: 639-641

Prof. Dr. med. Wolfgang Rösch

Medizinische Klinik am Krankenhaus Nordwest der Stiftung Hospital zum heiligen Geist

Steinbacher Hohl 2-26

60488 Frankfurt am Main

Email: Roesch.Wolfgang@khnw.de

URL: http://www.ggai.de

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